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8 3 s Z ZIZ.S-^ Chr.-N. Bauern ! Volksr.-Partei 3 3 3 3 SL-L R. Z ? -s 8^ E „,s- 8 8 L 8- Z V E cx-"„ Altesoziald.Part. Wend.-Dpt. D.-Soz. Partei Chr.-D.Reichsp. Sächsisches Landvolk U-Soz. Partei Haus-u Grdbesp. Poln-Vpt. Db.'.u Inflatg Sozialdemokrat.^ Partei Deutschnat. Volkspartei Hentrumspartei Deutsche Volkspartei Kommunistische Partei Deutsche Demo kratische Partei ^N.-P. d D. Mittelstandes N.-S.Arb.-Part. D. Bauernpartei VSlk.-N.Bl. Sonntags-Kettage Nr. 25 AttsaruNer cageviatt 2Y. b. lyry Der Verandahaken Nach einer beinahe wahren Begebenheit von Alfred Manns. Vor einigen Wochen erhielt ich durch einen Polizei beamten mit schnurrig bärtiger Miene eine Urkunde zugestellt. Mir schlug das Herz gewaltig gegen die Rippen. Be stimmt lag ein flugwürdiges Verbrechen eines Familienmit gliedes oder des dienstbaren Geistes vor. Sollte Hans, der Sekundaner, etwa unseren Pinscher Nickelmann in den städti schen Anlagen von der Leine gelassen haben, oder war das Schlimmste geschehen, hatte die verruchte Minna etwa den Ascheneimer nicht rechtzeitig hereingeholt'? Ich beschloß mit Hilse meiner Frau das sonst nicht un rechte Mädchen sofort zu entlassen, denn mein Sinn für die staatsbürgerliche Disziplin kennt keine Grenzen. Immerhin hielt ich es doch redensalls für nützlich, den Umschlag des Dokuments zu öffnen und dieses selbst in Augenschein zu nehmen. Schon der Unischlag flößte mir stau nende Ehrfurcht ein, es war feinste Qualträt, nur wenige Nuancen fehlten an Bütten. Als ich die Urkunde — Großfolio und von gleicher Güte wie der Umschlag — entfaltet hatte, zitterten mir die Knie. Ich sah zuerst auf den Schluß des umfangreichen Textes, allwo zwei mächtig und überaus sorgfältig abgedrückte Stempel prangten. "Der erste war der Stempel der Polizei direktion und neben ihm stand in charaktervollen Buchstaben der Name eines maßgebenden Herrn der Polizeiverwaltung. Der zweite Abdruck stammte aus der Finanzverwaltung, er hatte neben sich die markigen Schriftzüge des Regierungs rats A. Gegengezeichnet waren beide Namen durch die Unter schriften von je einem Obersekretär und Kanzlisten, die na türlich im Verhältnis zu den Namen der hohen Vorgesetzten nur in halber und viertel Größe ausgefertigt waren. „Hilf Himmel!" dachte ich, „nun ist alles verloren." Gegenüber diesem Aufwand hielt keine noch so kühne Hoff nung aus einen friedlichen Lebensabend an. — Es dauerte eine geraume Weile, bis ich mich an die Lektüre der Willens äußerung hoher Behörden wagte. Ich las und hatte das Gefühl, als ob ich einen harmlosen Anthropoiden von meinem nicht sehr ehrwürdigen Scheitel verjagen müsse, um ihn an nutzlosem Zeitaufwand zu hindern. Aber was ich darauf tat, das vermag kein Leser dieser dramatischen Skizze zu erraten. Ich legte das Aktenstück aus den Tisch — natürlich behutsam in schuldiger Ehrfurcht — und dann rannte ich nach der Veranda, die vom Eßzimmer aus erreichbar ist. Diese Veranda betrat ich und stellte mich vor die Schiebetür, durch die man auf die Freitreppe des Hauseingangs gelangt. Aber die Tür war nicht der Gegenstand meiner hilflos fragenden Blicke, sondern der Haken, der, über einen Eisen stift fallend, den Zutritt böswilliger Menschen zur Veranda leidlich verhindert. Warum ich diesen Haken minutenlang anstierte? Ich wm mir selbst über den Grund nicht klar, ick) glaube, er lag in den Tiefen des Unterbewußtseins, dort, wo die restlose Be wunderung gegebenenfalls ihren Sitz hat. Ich hatte in meinem Leben schon viele Eingaben an der Staat gerichtet, die selbstverständlich nach gutem alten Her kommen abschlägig beschieden wurden, aber niemals hatt< > ich eine höhere ablehnende Instanz als die eines Sekretärs — nicht einmal eines Obersekretärs — erlangen können Mit diesem Haken aber hatte sich ein Polizeirat und ein Re- gierungsrat beschäftigt, ganz zwanglos, ohne eine Bemühung des Hakens. Da mußte ich doch staunen. Mein Haken, mein Verandatürhaken war Gegenstand intensivster Aufmerksam keit zweier Behörden geworden. Der Inhalt der sauber vorgedruckten Akte nämlich ent hielt eine Mitteilung an mich, daß gemäß Versügung Lit K. Pos. 27 Ziffer 686 auf behördlichem Wege angeordnet seh für die Verschließbarkeit der Berandatüren eine Anerken- nungsgevuyr von tt.5U Mark pro anno zu erheben, die an der Kasse des Finanzamtes zu entrichten sei. Anscheinend war dann aber doch den beiden Behörden vor der Größe der Verantwortung gegenüber der Legislative bange geworden, und aus diesem Zagen war ein Nachsatz entstanden in Form eines Befehls an den Empfänger, sich dahin zu äußern, ob er gegen die Auferlegung der Gebühr von Mark 0.60 etwas einzuwenden habe. Für den Fall der Zustimmung habe der Empfänger die hohe Genugtuung, einen von der Polizei und vom Finanzamt ordnungsgemäß oder besser verordnungsgemäß konzessionierten Berandahaken zu besitzen. Von der Veranda begab ich mich ans Telefon und ließ mich mit der Polizei verbinden. Dort fragte ich mit der Bescheidenheit, die eine hohe Behörde vom ganz gemeinen Steuerzahler erwarten darf, an, was Wohl diese Abgabe zu bedeuten habe. — Man wußte es nicht und wies mich an die Baupolizei. Dort verwies man mich an die Verwaltung zurück. Für mich sind 50 Pfennige eine Summe, denn der Junge soll studieren und zweitens bin ich zäh. Ich ließ mich also vom Zimmer 207 nach 83, von dort nach 101 und endlich nach 21 verbinden. Hier erhielt ich die Auskunft: Im Jahre 1738 sei auf einer verschlossenen Veranda einmal irgend ein Unfug verübt worden, und da habe man nur noch den Verschluß gestattet, wenn eine Gebühr bezahlt wurde. „So, und da haben Sie jetzt herausgefunden, daß es Zeit wurde, dieser nützlichen Verordnung wieder an das Licht der Sonne zu verhelfen?" „Mein Herr", kam es nun schroff zurück. „Es steht Ihnen nicht an, behördliche Maßnahmen zu kritisieren. Die Verwaltung denkt nicht daran, sich von alten Verfügungen loszusagen, nur weil sie alt sind. " „Halt, einen Augenblick", rief ich. „Wenn ich die Ge bühr nun als rechtsgültig anerkenne, dann steht es mir doch frei, für die 60 Pfennige so viel Unsug auf meiner Veranda zu machen, wie es mir beliebt?" „Schlllllußßßßß ..." Ich konnte mich aber auch nach dieser lichtvollen Erklä rung noch nicht sofort von dem Gelde trennen und ging selbst zur Polizeidirektion, um mir ein Bild davon zu machen, wie die Buchung und Registratur dieses Verandahakengefälles vor sich ging. Vom Polizeigebäude aus begab ich mich zum Finanzamt. Das Ergebnis befriedigte mich durchaus, denn jede der beiden Behörden hatte je zwei Zimmer mit riesenhaften Aktenschränken sauber numeriert und etikettiert den Veranda haken gewidmet. Sechs Beamte waren emsig beschäftigt, die laufenden Eintragungen vorzunehmen. Das geschah mit peinlichster Gewissenhaftigkeit und großem sittlichen Ernst, wie ihn nur das Bewußtsein treuer Pflichterfüllung gibt. Diese Pflichttreue gegenüber dem Staate besaß ich nicht, ich vergaß schließlich die Sache, bis eines Tages abermals der Polizeimann mit schnurrig bärtiger Miene erschien. „Wieder" hielt er einen Aktenbrief eingangs beschriebener Art in der Hand. Der Mann schien mir kleiner heute und ich sagte ihm das, worauf er stumm seinen Finger aus die Aktennummer 23 736 legte. „Det habe ick allens abgeloosen." Das neue Dokument enthielt die Mitteilung, daß ich, da ich keinen Widerspruch erhoben habe, nunmehr gehalten sei, die 0,60 Mark jährlich an die Staatskasse abzuführen. Nun mußte ich Nachdenken, und ich sagte mir in logischer Er kenntnis, daß es Unrecht sei, über zu viele Steuern zu klagen. Das kam eben daher, daß der Staat zu billig War. Für 50 Pfennige im Jahre konnten die Kosten der Aufforderungen, der Registratur, der Beamtengehälter nicht gedeckt werden. Da mußte natürlich der Minussaldo gerecht umgelegt werden. Nach dieser Erkenntnis vergaß ich von neuem die Sache, und nach Jahresfrist kam der bärtige Polizist zum dritten Male. Ich erhielt eine Mahnung und wurde mit zehn Pfen nigen in Strafe genommen. Ich sah mir das Formular an; da stand „Verfügung der Volizeidirektion, registriert Finanzamt". Darunter: „Zahl-