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Oie Einlagenbestände der sächsischen Sparkassen. Während am Ende des Jahres 1928 der Einlagen bestand der sächsischen Sparkassen sich auf 449,8 Millionen Mark belief, bezifferte er sich am Ende des ersten Quartals 1929 auf rund 513 Millionen Mark. Es ist mithin ein Zuwachs um 63,2 Millionen eingetreten. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres betrug der Zuwachs 56,6 Millionen Mark. Er ist also im laufenden Jahre nicht wesentlich größer. Trotz der an sich ersreulichen Zu nahme bleibt der Abstand von der Vorkriegshöhe, die rund zwei Milliarden Mark betrug, noch sehr beträchtlich und er erweitert sich durch den Unterschied in der Kaufkraft noch wesentlich. Im Zusammenhang mit der Z u n a h m e d e s E in - tagende st andes bei den Sparkassen ist wiederholt die Frage aufgeworfen worden, ob es sich hierbei um echten Kapitalzuwachs handelt. Eine sehr wertvolle Klärung hat in dieser Beziehung eine Äußerung des Leiters der volkswirtschaftlichen Abteilung des Deutschen Sparkassen- nnd Giroverbandes, Dr. Hoffmann, gebracht, der darauf hingewiesen hat, daß die heutigen Sparein lagen anders als die von 1913 bewertet werden müssen. Es wurde darauf hingewiesen, daß ein beachtlicher Teil der heutigen Sparkasseneinlagen aus einmaligen Einkünften, so Aufwertungserlösen, Schenkungen, Erb anfällen, stammt. Es liegt hier also nicht die Anlage eines Vermögenszuwachses, sondern die veränderte Anlage eines Vermögensrestes vor. Darüber hinaus hat die Korre spondenz für Kommunalwesen, „Das kommunale Leben", vor einiger Zeit in diesem Zusammenhänge mit Recht darauf hingewiesen, daß wir gegenüber der Vorkriegszeit eine Zunahme der Erwerbstätigen um vier Millionen Köpfe zu verzeichnen haben, so daß auch aus diesem Grunde das Tempo des Anwachsens der Einlagen beschleunigt wird, ohne daß man insgesamt von einer ge steigerten Intensität der Kapitalbildung sprechen könnte. Es ist daher die Annahme berechtigt, daß der an sich er freuliche Zuwachs an Sparkasseneinlagen nicht lediglich als Zeichen einer Wohlstandszunahme gedeutet werden darf, wie dies beispielsweise der Rrpürations- agent in seinen Berichten ^"'chiedentlich zu Unrecht getan hat. Eine Familientragödie. Köthen. In Wulfen erschoß der Amtsdiener Petermann nach vorangegangenem Streit seine Ehefrau mit dem Dienst revolver und lötete sich dann selbst durch einen Schuß in den Kopf. Das Motiv zur Tat ist in Ehezwistigkeiten zu suchen. Amerikanische Opposition gegen den Uoung Plan? Paris. Die Pariser Ausgabe des „New Dort Heratd" meldet aus Washington, daß es im Kongreß wahrscheinlich zu einen, langen und erbitterten Kampf um den Aoung-Plan kommen werde, da von republikanischer Seite eine starke Opposition zu erwarten sei. Die Vereinigten Staaten würden daraus achten, daß die Alliierten ihre Schulden an Amerika bezahlten, die Quellen dieser Zahlungen hallen aber mit der Sache selbst nichts zu lun. Die Vereinigten Staaten würden es nicht zulassen, daß die Verantwortung aus Deutschland ge schoben würde. Kamp? mit einem entlaufenen Stier.. Brüssel. Ein wildgewordencr Stier entlief aus dem Schlachthaus in Cureghem bei Brüssel und durchraste die be völkerten Stadtteile. Eine Frau wurde überrannt und ver letzt. Der Stier kehrte dann nach dem Schlachthaus zurück, ein Angestellier, der ihn zu fangen versuchte, wurde mehrere Male weit sortgeschleuderi und auch schwer verletzt. Das Tier verirrte sich, nachdem es noch mehrere Straßen durchlaufen batte, in einen Schulhof, ans dem Kinder spielten. Die Kinder konnten sich alle in Sicherheit bringen. Ein Polizeiofsizier versuchte das wilde Tier durch Revolverfchüsfe zu töten. Der verwundete Stier stürzte sich jedoch aus ihn und warf ihn nieder. Als sich der Offizier erhoben hatte, zielte er von neuem, mußte aber wegen eines neuen Angriffes des Tieres zur Seite springen. Der Schuß ging los 'und verletzte den Offizier am Schenkel. Dennoch gelang es ihm, sich zu retten und das Tier aus den Hos einzuschlietzen. Zwei Gendarmen kletterten auf das Dach der Schule. Einem gelang es, das Tier durch einen Karabinerschuß zu töten. General Dawes in England. London. Der amerikanische Botschafter, General Dawes, ist in Southampton eingetrosfen. Völkcrbundsrat und Saaranleihe. Madrid. Am Freitag vormittag fanden keinerlei Sitzun gen und Verhandlungen des Völkerbundrates statt, da im Palais Retiro zu Ehren der beiden spanischen Ozeanflieger eine Parade stattfand. Am Nachmittag trat der Völkerbund rat zu einer geheimen Sitzung zusammen, in der die Aufnahme einer internationalen Anleihe der Saarreaierung aus die Septembertagung des Völkerbundrates verschoben wurde. ( Mein» Nscdrlcvten Reichstag und Landwirtschaft. Berlin. Im Ältestenrat des Reichstags bestanden die deutschnationalen Vertreter mit allem Nachdruck darauf, daß noch vor der Sommerpause die Anträge über die Maßnahmen zugunsten der Landwirtschaft erledigt werden müssen. Prä sident Löbe wies allerdings darauf hin, daß der Reichstag bis zum 28. Juni mit dem Etat vollauf beschäftigt seln werde, und bezweifelte es, ob nach dem 29. Juni, dem Feiertage Peter und Paul, in der neuen Woche noch ein beschlußfähiges Haus zusammenzuhalten sein würde. Die deutschnattonalen Ver treter verlangten aber, daß auf jeden Fall auch nach dem 29. Juni der Reichstag nötigenfalls noch einige Tage bei- sammcnbleiben müsse, um die landwirtschaftlichen Anträge zu erledigen. Die endgültigen Dispositionen darüber werden in einer der nächsten Sitzungen des Ältestenrats zu verein baren sein. Die Reparationssachverständigen beim Reichskanzler. Berlin. Der Reichskanzler empfing die deutschen Sachver ständigen der Pariser Konferenz, die Herren Reichsbankpräsi dent Dr. Schacht, Dr. Melchior und Geheimrat Kastl im Bei sein der an der Reparationsfrage beteiligten Minister und zu ständigen Beamten. Der Reichskanzler sprach den Sachver ständigen den ausrichtigsten Dank der Reichsregierung für die aufopfernde Arbeit in Paris aus. Daran schlossen sich kurze Erörterungen der an den Sachverständigenplan angeknüpsten allgemeinen Fragen. Einberufung des Preußischen Landtags. Berlin. Der Preußische Landtag ist nunmehr endgültig zu seiner nächsten Plenarsitzung für Dienstag, den 25. Juni, einberusen. Die umfangreiche Tagesordnung enthält nur kleinere Vorlagen. Die Schlichtungsverhandlungen im Ruhrbergbau. Essen. Die Schlichtungsverhandlungen im Ruhr bergbau beginnen auf Einladung des Schlichters in Essen am 17. Juli. Die deutsch-belgischen Markverhandlungen begonnen. Brüssel. Die Verhandlungen zwischen dem deutschen Dele gierten, Ministerialdirektor Dr. Ritter, und dem belgischen Sachverständigen Gutt über die belgische Markfrage begannen heule nachmittag. Arbeiter und Angestellte GlAwitz. (Ablehnung des Schiedsspruches im Steinkohlenbergbau.) Der im westoberschlesischen Steinkohlenbergbau gefällte Schiedsspruch, der eine Lohn erhöhung von vier Prozent vorsah, ist von den Arbeitgebern abgelehnt worden. Die Arbeitnehmer hatten den Spruch an genommen. Die Arbeitnehmer dürften nunmehr Verbind- lichkeitserklärung beim Retchsarbeitsminister beantragen. Aus dem Gerichtssaal Durch ein Versehen vergiftet. Das Schöffengericht Greifswald vcriNteilte eine 21jährige Krankenschwester, die infolge eines Versehens einer Patientin statt einer Spritze mit einem herzstärkenden Mittel ein tödliches Gift verab reicht hatte, zur geringsten zulässigen Strafe, drer Monate Gefängnis mit Bewährungsrist. Neues aus allrr Welt 1 Notlandung des Seddiner Kleinluftschiffes. Das Seddiner Kleinluftschifs, das zu einer Probefahrt auf gestiegen war, ist gegen 6 Uhr 30 Minuten nach dem Auf stieg in der Nähe von Karzin, Kreis Stolp, wegen Defektes an der Steuerung notgelandet. Personen sind nicht zu Schaden gekommen. Die verlorene und wiedergesundene Engländerin. Eine 71 Jahre alte Frau Buckingham, Mitglied der zu dem Internationalen Frauenkongreß in Berlin ein getroffenen englischen Abordnung, war bald nach Ankunft in der Reichshauptstadt spurlos verschwunden. Jetzt hat man sie in einem Berliner Krankenhause wieder gefunden. Sie war in leidendem Zustande in der Stadt umhergeirrt und wurde, als man sie 'entdeckt hatte, nach der Rettungswache und von dort ins Krankenhaus gebracht. Zusammenstoß bei einem kommunistischen Umzug. Bei einem kommunistischen Umzug in Berlin dl sollte ein Tetlneymer wegen Nichtbesolgung der polizeilichen An ordnungen zwangsgestellt werden. Es kam dabei zu einem Handgemenge zwischen Demonstranten und Polizei beamten, bei dem zwei Polizeibeamte durch Messerstiche an den Händen verletzt wurden. Erst nach Abgabe von Schreckschüssen konnte die Polizei die Zwangsgestellung durchführen. Eine Million Mark Unwetterschäden im Kreise Ülzen. Das verheerende Unwetter, das am 25. Mai über den Kreis Ülzen zog, hat gewaltige Schäden im Gefolge gehabt. Nach Schätzungen der amtlichen Stellen in den einzelnen Ortschaften beträgt die Gesamtsumme der Schäden über eine Million Mark. Die Hagelschäden be tragen rund 800 000 Mark, die Überschwemmungsschäden 200 000 Mark. 'Einbruch in die Folterkammer eines Museums. Aus der Folterkammer des Heimatmuseums auf dem Alten burger Schloß wurde in einer der letzten Nächte eine Anzahl wertvoller Altertumsstücke gestohlen, und zwar eine Daumenschraube, ein spanischer Kragen aus dem 16. Jahrhuudert, wertvolle Richtschwerte und anderes. Die Diebe hatten sich durch Zerschlagen eines Fensters im Erdgeschoß Eingang verschafft. Als Täter kommen zwei Studierende des Altenburger Technikums in Frage; sie wollen den Diebstahl infolge einer Wette ausgeführt haben. Die gestohlenen Gegenstände waren auf einer An höhe vergraben und sind sämtlich wieder zur Stelle ge bracht worden. Tödlicher Absturz eines Fliegers. Am Südostufer des Müritzsees über den Kotzower Tannen ist ein Albatros- Doppeldecker, der auf dem Flugplatz Rechlin stationiert war, abgestürzt. Das Flugzeug wurde zertrümmert, der Pilot, Hauptmann Dr. Jeschonnick, war sofort tot. Explosion eines Sprengkörpers. In dem Hause der Vorschußvereinsbank in Hannover ereignete sich eine Explosion, die durch einen Sprengkörper verursacht wurde. Das Gebäude wurde beschädigt, die Glasscheiben der Haustür wurden zertrümmert. Auch in einer gegenüber liegenden Gastwirtschaft wurden mehrere Scheiben zer trümmert. Man vermutet, daß es sich um einen Anschlag handelt. Der Leiter der Vorschußvereinsbank hält einen Racheakt, der mit dem Geschäftsgang irgendwie in Ver bindung stehen könnte, für unwahrscheinlich. Zugzusammenstoß in München. Im Betrieb des Münchener Hauptbahnhofes ereignete sich ein Eisenbahn unfall. Einem nach Fürstenfeld-Bruck abgelassener Per sonenzuge fuhr nach Verlassen des Hauptbahnhofes eine Rangierabteilung in die Flanke. 13 Personen erlitten leichte Verletzungen. Ein 120jähriger Scheich gestorben. In Mossul starb ein Scheich im Alter von 120 Jahren und hinterließ vier Witwen und mehr als hundert Kinder und Enkelkinder. Bis wenige Jahre vor seinem Tode war der Scheich im Vollbesitz seiner Kräfte. Sein jüngstes Kind zählt erst zehn Jahre. Bunte Tagesckronil Berlin. Die unter dem Verdacht, den Doppelmord in der Villa des Professors von Rosen in Breslau verübt zu haben, verhaftete Wirtschafterin Neumann ist jetzt von Berlin nach Breslau gebracht worden. Wien. Der Schauspieler am Burgtheater Max Devrient, ein Mitglied der berühmten Künstlersamilie dieses Namens, ist im Alter von 71 Jahren in Chur in der Schweiz gestorben. Newyork. Im Alter von 71 Jahren starb hier Marianne Schurz, die letzte überlebende Tochter von Karl Schurz. Athen. Aus dem See Castoria in Mazedonien ging ein Segler mit 110 Passagiere» wegen Überlastung unter. 1S Personen ertranken. 7-^—k l Sörle-stsnael-MNIchsN^ Amtliche sächsische Notierungen vom 14. Juni. Dresden. Die Börse w'ar gegen den Vortag so gut wie nicht verändert. Auf allen Gebieten traten Abschwächungen ein, die sich allerdings kaum über 2 Prozent bewegten. Von Banken lagen Rcichsbank, Dresdener Bank, Danat und Brau- bank etwas schwächer. Maschinenaktien zeigten so gut wie keine Veränderungen, Görlitzer Waggon verloren 3 Prozent. Der Textilmarkt war unverändert. Elektro- und Fahrrad aktien zeigten unwesentliche Veränderungen. Auf dem kerami schen Markt lagen Rosenthal und Walter etwas niedriger. Leipzig. Die Börse verkehrte in lustloser Haltung. Die Kurse bröckelten weiter ab, besonders die der Spezialwerte. So verloren Schlehma und Stöhr je 4, Siemens Glas 3, Mittweidaer Baumwolle 2.25 Vrozent. Anleiben obne Ge- Seine blinde Fran Originalroman von Gert Nothberg. 53. Fortsetzung Nachdruck verboten Morland stand mit offenem Munde. „Sie wollen auch nach Hause? Was in aller Welt ist denn in Sie gefahren? Von Freund Wendox wundert mich gar nichts, dafür ist er ja bekannt genug. Aber Sie? Sie lustiges, unverwüstliches Huhn wollen nach Hause? Das ist ja fürchterlich. Was oder wer hat Sie zu solchen Anschauungen plötzlich bekehrt?" Er sah halb wütend, halb lustig in Eschingens ernstes Gesicht. „Na, dann fahren wir eben. Aber es muß doch alles in der Welt einen Grund haben, zum Donnerwetter. Erzählen Sie mir's wenigstens?" Eschingen schüttelte den Kopf. „Seien Sie nicht unge halten, Mister Morland. Lassen Sie sich, bitte, auch nicht stören, ich kann doch auch ohne Sie heimfahren." „Nein, ich fahre mit. Aber die gute Laune ist mir gründ lich abhanden gekommen," meinte Morland. „Na, du wirst sie schon wiederfinden," dachte Eschingen. Und sie fuhren wirklich. Am nächsten Tag, pünktlich zur verabredeten Zeit, erwartete Wendox Inge Stern. Und sie kam in Begleitung ihrer alten treuen Hanne Oldenberg. Wendox beugte sich über ihre Hand. „Wie danke ich Ihnen, daß Sie gekommen sind," sagte er. Sie nickte lächelnd. Er führte sie durch sein prachtvolles Haus. Inge Stern brach in Ausrufe des Entzückens aus über die vielen gesammelten Kunstgegenstände. Unermeßlicher Reich tum sprach zu ihr. Hanne Oldenberg aber wagte kaum zu atmen. Und dann saßen sic im Speisesaal. Der Tisch war mit den auserlesensten Delikatessen gedeckt. Ein ganz leichter Wein wurde gereicht. IINMWUWU ssjMlHI»» I Nach dem Mahle führte Wendox Inge Stern in den Musiksaal. Hier wartete ein kleines Männchen, welches ihr Wendox als ihren Begleiter vorstellte. Jutta hatte keine Ahnung, daß das unscheinbare Männ chen ein Meister am Flügel war. Nach den ersten Klängen aber hob sie lauschend den Kopf. Ja, diese Begleitung war ihr sehr angenehm. Und dann sang sie. Wendox hatte die Lieder gewünscht. Er saß zurückge lehnt in seinem Sessel neben Fräulein Oldenberg. Niemand außer ihm wußte, daß hinter der seidenen Por tiere zwei Angestellte einer berühmten Grammophonfabrik sich befanden, welche durch elektrische Schallwellen die Lieder Inge Sterns aufnahmen. Wendox hatte durch drei Mil lionen das Alleinrecht an diesen Platten erworben. Und oft saß später ein einsamer Mann in diesem Saal und hörte die geliebte Stimme ihre herrlichen Lieder singen, sah im Geiste zwei veilchenblaue Augen und einen kleinen, schelmisch lächelnden Mund. Alle diese Schätze würden einem andern gehören, er durfte sie nicht festhalten. Nur die Stimme, die gehörte ihm. Jutta hatte keine Ahnung, was sie heute dem einsamen Mann gegeben. Fröhlich verabschiedete sie sich von ihm. „Wir sehen uns auf Ethel Morlands Hochzeit," sagte er noch. Sie nickte. „Ach ja, ich freue mich sehr darauf. Leben Sie wohl bis dahin." Wendox stand und sah dem Wagen nach, dann ging er langsamen Schrittes wieder in sein Haus. Bis zu diesem Zeitpunkt aber sollte Jutta noch einmal in einen schweren seelischen Konflikt gebracht werden. Sie wurde täglich von Agenten bestürmt, Gastspielver träge zu unterzeichnen. Es wurde ihr wirklich zu viel, auch van Engelen weigerte sich, mit diesen Agenten in Verbin dung zu treten. Zudem, auf Jahre hinaus wollte sie sich keineswegs binden. So entrann sie dem Ansturm der Agenten und Direk toren meist dadurch, daß sie weite Ausflüge unternahm. Ihren Mann hatte sie nur noch bei oberflächlichen Be gegnungen wiedergesehen. Obwohl ihr Herz in heißer Sehn sucht nach Karl Heinz rief, ließen es doch ihr Stolz und ihre reine Frauenwürde nicht zu, dorthin zu gehen, wo sie den Gatten wußte. An einem der folgenden Tage nach dem großen Fest hatte sie die anonyme Aufforderung erhalten, Amerika so schnell wie möglich zu verlassen. Wer konnte da wohl ein Interesse daran haben? Jutta belächelte die Angelegenheit. Flüchtig kam ihr die Kollegin in den Sinn, die ihre Ent täuschung bei der Preisverteilung gar so offenkundig zur Schau getragen hatte. Aber dann verwarf sie diesen Ge danken. Sie wollte sich davon nicht beirren lassen. Heute nun befand sich Jutta auf einem weiten Ausflug. Als sie durch die verschlungenen Wege um die kleinen Fel sen herumschritt, war ihr eigen zumute. Hanne war im Hotel des Ortes geblieben, weil sie müde war. Jutta aber wollte sich die Gegend etwas näher betrachten. Als sie stundenlang gelaufen war in der frischen Luft, die durch einen scharfen Seegeruch angenehm gewürzt war, setzte sie sich auf einen der vorspringenden Steine. Verein zelte Spaziergänger gingen in einiger Entfernung von ihr. Jutta sah amüsier: einem bunten Käfer zu, der zum so undsovielten Male versuchte, auf einen der Steine zu klet tern, jedesmal aber nach vergeblichem Mühen wieder herun terplumpste. Sie nahm endlich das Tierchen auf und setzte es auf den Stein. Nun glotzte es mit vorstehenden Augen umher. Da fiel ein Schatten über den Weg. Jutta blickte auf. Eine Frau stand vor ihr und maß sie haßerfüllt. Da sprang Jutta plötzlich auf. „Madame Sorta," sagte sie leise. „Ja, liebwerte Kollegin, ich bin es in eigener Person," stieß das leidenschaftliche Weib hervor. „Wir wollen Ab rechnung miteinander halten." (Fortsetzung folgt.)