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MdnKrÄlgMtt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da» »Wilsdruffer Tageblatt* erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäfts stelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 RM., be^Postbettelluug >5«psä.AurPÄ°^ftau-n Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postbot-nun'vlln^eAu-. träger und Gefchäsiskeken " — nehmen zu jeder Feit Be ¬ stellungen entgegen. ImFaür höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht Kern Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingefaudter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto deiliegt. für Äürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 20 Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 4V Reich». Pfennig, die 3gespaltene Reklamezeile i« textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. Bor geschriebene Tricheinungs- «... — tage und Plotzvorschriflen werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzei^en- annabme dis i orm.10Ukr. — — ' " — Für die Richtigkeit der durch FernrufübermitteltenAnzrigen übernehmen wtt krineGarantte. FederRadaüanspr: ch er licht, wenn derBetrog durch Klage eingezogen werden muß oder der Austtaggcber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen e»tgeoen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Rr. 148 — 88 Jahrgang Telegr Adr .Amtsblatt' Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Freitag, den 28 Juni 1929 Ein Tag der Tram: 10 Zähre Versailles Die grüne Front. Kurz vor Toresschluß hat sich der Reichstag nun auch noch mit den agrarpolitischen Anträgen beschäftigt, die vor mehreren Monaten von den Vorsitzenden der drei größten landwirtschaftlichen Organisationen — der „grünen Front" — in einer umfangreichen Denkschrift dem Reichstag zugeleitet worden waren. Bei diesen in der Hauptsache zollpolitischen Forderungen geht man von folgendem Gesichtspunkte aus: Die deutsche Landwirtschaft arbeitet unter so großen kredit-, steuer- und absatz politischen Schwierigkeiten, daß ihr zollpolitisch ein ent sprechender Schutz um so mehr zu gewähren ist, weil ihre allgemeinen Produktionsbedingungen an und für sich schon viel schlechter sind als die der großen Erzeugungs länder Amerika, Argentinien, Kanada, Australien usw. Der Zollschutz soll nicht etwa besonders hohe inländische Preise für die Agrarprodukte herbeiführen, sondern gleichmäßige, aber natürlich auch unter normalen Ver hältnissen auskömmliche Preise. Die Riesenproduktion der Überseegebiete in Roggen und namentlich in Weizen, wozu noch Restbestände aus dem vergangenen Erntejahr kamen, übt seit Monaten einen schweren Druck auf den deutschen Getrcidemarkt nichi zuletzt deswegen aus, weil verschiedene europäische Staaten durch schnelle Zollerhöhung sich gegen eine über flutung durch den amerikanischen Weizen geschützt haben Deutschland vermag infolge seiner handelspolitischen Meistbegünstigungsbindungen aus diesem Wege vor läufig nicht zu folgen, wird sich aber durch die jetzt er. folgte Kündigung des deutsch-schwedischen Handelsver trages, da er niedrige Zwischenzölle auf Getreide enthält, diese noch unter dem Vorkriegsniveau liegenden Zölle aber infolge der grundsätzlich gewährten Meistbegünsti gung auch allen andern mit Deutschland in Vertrags- Verhältnis stehenden Ländern gewährt sind, für die Zeit Nach dem lö. Februar 1930 die Arme frei machen Infolgedessen wollen Negierung und Reichstag in den Grenzen des Möglichen, also durch Wirtschafts politische Maßnahmen bei der Binnenerzeugung und -Verwertung namentlich des Getreides, etwas zum Schutz der heimischen Produktion tun. Aus dem gleichen Ge sichtspunkt heraus waren ja die bekannten Vorschläge der Landwirtschaft über die Schaffung eines Getreidehandels monopols erfolgt, das aber noch binausgeschobeu worden ist. Andere Anträge traten an seine Stelle, wobei vor allem den Mühlen der Zwang auferlegt werden soll, zu einem bestimmten Prozentsatz ihrer Gesamtvermahluna nur binnenländisches Getreide hereinzunehmen. Was man dabei letzten Endes will, tritt in einem Antrag des Landbundführers Schiele zutage: Maßnahmen der Reich sregierung werden verlangt, wo durch der Weizenpreis etwa auf einer Durch schnittshöhe von 260 Mark, der Roggenpreis aus nur 230 Mark gehalten, die Brotpreise aber vor einem Steigen über die Durchschnittshöhe Juli 1928 bis Juni 1929 bewahrt werden sollen, so daß eine Höherbelastung des Konsums nicht eintreten darf. Denn gerade das soll unter allen Umständen verhindert werden; freilich ist die Opposition, die gegen diese Vorschläge laut geworden ist und auch mehrfach ihren Willen wenigstens teilweise dnrchgesetzt hat, demgegenüber der Ansicht, daß der Konsum einen Anspruch daraus habe, von der Über produktion in den überseeischen Getreideerzeugungs ländern auch in Deutschland durch niedrigere Brotpreise zu profitieren. Dem hält die deutsche Landwirtschaft ent gegen, daß der Brotkonsument auch nichts von dem enor men Absinken der Getreidcpreise verspürte. Auch an den sonstigen agrarpolitischen Forderungen der „grünen Front" sind durch die Beschlüsse des Reichs tages nicht unbeträchtliche Abstriche erfolgt. Wieder ein mal ging der Kampf um das Gefrierfleisch und ab gelehnt wurde die Aufhebung des wirklich schon zu einer gewissen Berühmtheit gediehenen 8 12 des Fleischbeschau- gesetzes, der genaue Bestimmungen über die veterinär- Polizeiliche Prüfung auch des eingeführten Gefrierfleisches festlegt — Bestimmungen allerdings, deren Durchführung praktisch eine Verhinderung der Gefrierfleischeinfuhr über haupt veranlassen mußte. Wenn jetzt auch beschlossen worden ist, die Kar toffelzölle zu erhöhen, so braucht der Konsument darüber kaum zu erschrecken. Denn obwohl uns der Ver sailler Vertrag gerade solche Gebiete nahm, in denen ein großer Teil der deutschen Kartoffelerzeugung vor sich ging, ist das übrige Deutschland immer noch in der Lage, den Bedarf des Binnenmarktes zu decken. Führten wir doch vor dem Kriege sehr erhebliche Kartoffelmengen aus und die Erzeugung von heute hat den Vorkriegsstand fast wieder erreicht Das gleiche gilt für die Zuckererzeu gung bzw. den Rübenanbau. Auch hier erfolgt eine, übrigens sehr geringfügige Heraufsetzung des Zucker preises — wobei man nicht an der Feststellung vorüber gehen möchte, daß der im Jahre 1927 durchgesetzte höhere Zollschutz die deutsche Zuckerindustrie endlich wieder in die Lage versetzt hat, nicht bloß den Inlandsbedarf zu decken, sondern auch wieder zu exportieren. Erhöht worden ist schließlich auch der Zoll auf Butter. Endlich hat sich nämlich die deutsche Landwirt schaft aufgerafft, um der Qualitätskonkurrenz des Auslandes, namentlich Dänemarks, auf dem einzig vernünftigen Wege, also durch Erzeugung erstklassiger Ware — -Markenbutter" — zu begegnen. Man Gegen die Kn'egsschlMüge. Kundgebung Hindenburgs und der Reichsregierung. Anläßlich der zehnjährigen Wiederkehr des Versailler Friedensdiktates hat Reichspräsident von Hindenburg mit dem Reichskabinett folgende Kundgebung erlassen: An das deutsche Vslk! Der heutige Tag ist ein Tag der Trauer. Zehn Jahre sind verflossen, seit in Versailles deutsche Friedensunter händler gezwungen waren, ihre Unterschrift unter eine Urkunde zu setzen, die für alle Freunde des Rechts und eines wahren Friedens eine bittere Enttäuschung be deutete. Zehn Jahre lastet der Vertrag aus allen Schichten des deutschen Volles, auf Geistesleben und Wirtschaft, auf dem Werk des Arbeiters und des Bauern. Es hat zäher und angestrengter Arbeit und einmütigen Ausammen- stehens aller Teile des deutschen Volkes bedurft, um wenigstens die schwersten Auswirkungen des Versailler Vertrages abzuwenden, die unser Vaterland in seinem Dasein bedrohten und das wirtschaftliche Gedeihen ganz Europas in Frage stellten. Deutschland hat den Vertrag unterzeichnet, ohne da mit anzuerkennen, daß das deutsche Volk der Urheber des Krieges sei. Dieser Vorwurf läßt unser Volk nicht zur Ruhe kommen und stört das Vertrauen unter den Nationen. Wir wissen uns eins mit allen Deutschen in der Zurückweisung der Behauptung der alleinigen Schuld Deutschlands am Kriege und in der festen Zuversicht, daß dem Gedanken eines wahren Friedens, der nicht aus Diktaten, sondern nur auf der übereinstimmenden und ehrlichen Überzeugung freier und gleichberechtigter Völker beruhen kann, die Zukunft gehört. Berlin, den 28. Juni 1929. Der Reichspräsident. gez. von Hindenburg. Die Reichsregierung. gez. Müller. gez. Stresemann, gez. Gröner gez. Curtius, gez. Dr.Wirth gez. Dr. Schätzel, gez. Wissell. gez. Dr. Hilferding, gez. Severing. gez. Dietrich. gez. v. Guörard. gez. vr. ü. o. Stegerwald. * Gin Erlaß -er Reichsregierung. „Ein Tag ernsten Gedenkens." Die Neichsregierung hat an die Leiter der ihr Nach geordneten Behörden in Berlin und im Reich einen Rund erlaß gerichtet, dei zum 28. Juni, zur zehnjährigen Wiederkehr der Unterzeichnung des Versailler Vertrages, Stellung nimmt. In diesem Erlaß heißt es, daß der Tag von Versailles für jeden Deutschen ein Tag ernsten Ge denkens sei, der aber seinen Wert nicht in großen Feiern und Kundgebungen erhalte, sondern in dem ernsten Ge löbnis für stille Wiederaufbauarbeit am Vaterlande. Das preußische Staatsministerium hat im Anschluß an das Vorgehen der Reichsregierung Sonderveranstal tungen jeder Art für unzweckmäßig erachtet, um die Ge schlossenheit der Kundgebung des Reichspräsidenten und der Reichsregierung in keiner Weise zu beeinträchtigen. Die preußische Staatsregierung ging dabei, wie offiziell mitgeteilt wird, von der Auffassung aus, daß die Gefühle möchte hoffen, daß dies mit Erfolg geschieht; denn in die Hunderte von Millionen geht, was wir an das Ausland für den Butterimpori bezahlen und in unserer Handels bilanz durch eine innendeutsche Produktionssteigcrung wenigstens zum Teil unserer Landwirtschaft zukommen lassen könnten. Aus der Besorgnis heraus, daß diese Zollerhöhungen zu Preissteigerungen führen würden, hat die Linke, also Sozialdemokraten, Kommunisten, aber auch Mitglieder anderer Parteien eine ablehnende Haltung eingenommen, ist manche Forderung der „grünen Front" aber auch durch Beschlüsse der Regierungskoalition stark herabgeschraubt worden. Aber die Reichstagsmehrhen läßt sich von fol gender Überlegung leiten und in ihren Beschlüssen be stimmen: Es stehen derart große volkswirtschaftliche Werte auf dem Spiel — wobei man z. B daran denken möge, daß der Wert der deutschen Molkereierzeugnisse allein schon etwa noch einmal so groß ist wie der der deutschen Kohlen erzeugung — sei andererseits die Lage der deutschen Land wirtschaft eine so bedrohliche, daß die Produzenteninter essen zu berücksichtigen, dringendstes Gebot der Stunde sei. Probefahrt der „Bremen" Bremen. Der Schnelldampfer „Bremen" des Norddeut schen Lloyd ging zur Erprobung seiner Maschinen von der Kolumbuskaje in Bremerhaven m See. der ganzen Nation am würdigsten und autoritativsten durch den gewählten Repräsentanten des Volkes, den Reichspräsidenten, zum Ausdruck gebracht werden. Be greifliche Wünsche einzelner Stellen, z. B von Schulen und Hochschulen, für sie eine Ausnahme zuzulassen, mußten daher diesem höheren staatspolitischen Gesichts punkt untergeordnet werden. Infolge dieses Erlasses ist auch die von der Berliner Universität geplante Kundgebung gegen den Vertrag von Versailles abgesagt worden. Während sich die Regierungs presse damit abfindet, wird in den Blättern der Opposition das Verbot der akademischen Veranstaltung heftig an gegriffen. Die der Deutschen Volkspartei nahestehende Deutsche Allgemeine Zeitung meint, daß die Republik mit ihrem Ausweichen vor dem Tage von Versailles eine große Gelegenheit versäumt habe. Denn dieses Übermaß an Zurückhaltung widerspreche dem Empfinden des Volkes und vor allem dem Willen der akademischen Jugend Der deutschnationale Berliner Lokalanzeiger nennt den Erlaß der Reichsregierung an die Dienststellen, jede eigene Be teiligung an den Protestkundgebungen zu unterlassen, einen Akt der Entmündigung, allenfalls würdig eines Kaffernvolkes, das es nicht anders versteht, als daß der Unsegcn immer von oben kommt. Die Professorenschaft der deutschen Universitäten werde hoffentlich das Wort zn finden wissen, das in dieser furchtbaren Situation ge sprochen werden müsse. Kyffhäuserbunv und Kriegsfchuldlüge. Der Vorstand des Deutschen Ncichskriegerbundes „Kyffhäuser", der über drei Millionen Mitglieder verfügt, hat an die Reichsregierung anläßlich des zehnjährigen Erinnerungstages der Unterzeichnung des Versailler Ver trages ein Schreiben gerichtet, in dem er die Reichs regierung dringend bittet, jedes mögliche Mittel anzu- weuden, um die Versailler Kriegsschuldthese zu Fall zu bringen als notwendige Vorbedingung jeder Völkerver söhnung. Die Bewegung gegen die Kriegsschuldlüge wird — so heißt es in dem Schreiben — durch die Kund gebungen am 28. Juni neue Stoßkraft gewinnen und über alle Partciuuterschiede hinweg jene Einigkeit erzwingen, die allein die Möglichkeit zu der Geschlossenheit des Handelns nach außen hin gibt. * Danzigs Grüße zum Tage von Versailles. Kundgebung des Danziger Volkstages. Im Danziger Volkstag wurde anläßlich der zehnten Wiederkehr des Tages der Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrages eine Erklärung abgegeben, in der es u. a. heißt: Der Friedeusvertrag löste die fast rein deutsche Bevölkerung der Freien Stadt Danzig gegen ihren aus gesprochenen Willen vom deutschen Reiche. Schwere seelische und wirtschaftliche Belastungen sind für unser Land da durch eingetreten, aber die Freie Stadt Danzig hat in den vergangenen zehn Jahren die ihr durch den Vertrag auferlegten Pflichten loyal erfüllt. Am heutigen Gedenktage senden wir dem deutschen Volke unsere brüderlichen Grütze, wobei wir festellen, datz die nunmehr zehnjährige Trennung die innere und kulturelle Verbundenheit der Danziger Bevölkerung mit dem deutschen Volke in keiner Weise hat beeinträchtigen können. Das Haus nahm diese Erklärung stehend entgegen und vertagte sich sodann zum Zeichen seines G»d?uk,..L auf eine Viertelstund- Jie BerlöMW des Repu- MWMtzls adgklkhnt Berlin, 27. Juni. Im Reichstage kam es am Donners tag abend bei der Abstimmung über die Verlängerung des Re publikschutzgesetzes zu stürmischen Zwischenfällen.. Für die Ver längerung wurden 263, dagegen 166 Stimmen abgegeben. Unter Beifallsklatschen der Kommunisten, Deutschnationalen und Na tionalsozialisten stellte Vizepräsident Graef fest, datz die erforder liche Zweidrittelmehrheit nicht erreicht und das Gesetz abgelehnt worden sei. Das Republikschutzgesetz tritt danach am 22. Juli autzer Kraft. Reichsinnenminister Severing meldete sich sofort zum Wort und erklärte, datz durch die Ablehnung eine Lücke entstanden sei, die auszufüllen angesichts der Gesamtlage in Deutschland uner- lätzlich sei. Er werde bei Wiederzusammentritt des Reichstages eine neue Vorlage einbringen. Von den Kommunisten und Na tionalsozialisten wurden die Ausführungen des Ministers mit to sendem Lärm beantwortet. Zahlreiche Beschimpfungen wurden dem Minister zugerufen, namentlich von den Nationalsozialisten. Es drohte sich ein Handgemenge zu entwickeln. Unter grotzer Er regung im ganzen Haus unterbrach Vizepräsident Graes die Sitzung. 4WE