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MOmfferTageblatt Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrenramts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, . gebühr. lLrn^el»ui»mrer» Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend hohe,« Äc»aU, Krt-g -Seisonstig-,«etrl-bsstörungtn b-ft-ht »cin Anspruch o»f Li-s-rn-g B-zÜgöplül«. - Si^s-n^g .ing-sondt-, Schnstft-ck- <^.l„ ,ur, »E Po... für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. AnzeigenPreis: die 8,esPatte«e Naumzeile 20Apfg., die 4gespaltene Zeile der amtlicher Bebanutmachruege« 4»U«ichr- Pfennig, die Zgespaltene Reklamezeilei» textlichen Teile 1 Reichsmark. Rachweijungsgebühr 2S Aeichspfennigr. Bor- geschriedeneDcscheinnnGS- rage und Platz»»rfchrrften werden »ach MSglichkett Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 derüctsichtiot. anvakme dis vorm.lttULr. 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Aber er hat noch mehr getan: er hat nicht minder deutlich zum Ausdruck gebracht, daß erst vom Gesamtergebnis dieser kommenden Konferenz die endgültige Stellungnahme der deutschen Regierung ab hängig gemacht werden müsse. Auf dieser Konferenz kann und soll es sich also — in Erfüllung der Genfer Erklärung, die von den sechs später auf der Pariser Konferenz beteiligten Mächten abgegeben worden ist — nicht etwa nur um die „Revision des Dawes-Planes" allein, also nur um die Annahme oder Ablehnung des Aoung-Planes, sondern auch um den zweiten und den dritten Punkt der Genfer Erklärung, nämlich um die Rheinlandräumung und die sog. Errich tung besonderer Kommissionen für das Rheinland, die mit der Aufgabe betraut werden sollten, dort etwa ent stehende Streitigkeiten über den „entmilitarisierten" Cha rakter des Rheinlandes auszugleichen, handeln. Wie und ob man sich über diese beiden Fragen einigt, wird die Endentscheidung der deutschen Regierung über den neuen Zahlungsplan bestimmen. Nicht anders liegen die Dinge beim Saargebiet, das ja unter der Regierung des Völkerbundes ein zeitweiliger wirtschaftlicher Ausgleich für französische Kriegsschäden sein soll, aber nicht, wie das besetzte Gebiet, eine politisch-militärische Garantie für die Ausführung des Versailler Friedens durch Deutschland. Infolgedessen will die deutsche Regierung auch dort eine sofortige Regelung im Sinne schnellster Befreiung des Saargebietes herbeigeführt sehen. Also: eine „Gesamt liquidierung der noch schwebenden Fragen aus dem Welt krieg", die Herbeiführung eines Normalzu standes im Rahmen des Noung-Planes und der Locarno-Verträge. Die deutsche Regierung will das — bloß ist von einem ähnlichen Willen auf der Gegenseite wenig zu spüren. Selbst die jetzige englische Arbetterregierung tritt vor läufig kurz in der Frage schneller Rheinlandräumung, und in Paris hört man allseitig aus Kreisen, die dem Minister präsidenten Poincars und dem Außenminister Briand nahestehen, daß man den „Rhythmus der Räumung" dem Funktionieren des Noung-Planes anpassen müsse, also vor allem der mehr oder minder großen Schnelligkeit, mit der sich die beabsichtigte Mobilisierung von 12 Milliarden deutscher Reparationsschuldverschreibungen durch die Internationale Bank werde durchführen lassen. Daß man außerdem ganz klar und deutlich sich eine beschleunigtere Rheinlandräumung durch das deutsche Zugeständnis der Errichtung von Kontrollkommissionen erkaufen lassen will, sprechen alle französischen Blätter bis weit zur Linken hin über offen aus. Nicht also eine „Feststellungs- und Aus- gleichs"kommission soll also errichtet werden, wie es in der Genfer Erklärung heißt, sondern der „Temps" ver langt, daß diese Nheinlandkommission den Charakter eines .Überwachungsorgans" haben müsse. Dann kann man auch ruhig „ständige Kontrollkommission" sagen, ein Wort, das man in Genf vermied, weil man weiß, daß Weder das Rheinland selbst noch irgendeine deutsche Re gierung derartiges zulassen würde. Es kann sich eben — das ist der deutsche Standpunkt — hier nur um die Schlichtungskommission handeln, die bereits im Locarno-Pakt vorgesehen ist. Abgelehnt aber wird das deutsche Vorhaben, auch die Saarfragc auf der kommenden Konferenz zu liquidieren — und auch hier versteckt man sich, wie auch in manchem andern, hinter Formalitäten. Kurz zufammengesaßt: man verfolgt in Paris das taktische Ziel, durch jene Konferenz schnell den Noung-Plan unter Dach und Fach zu bringen, Deutschlands Zu stimmung dafür zu erhalten. Und dann alles andere auf die lange Banke eines — Handelsgeschäftes zu schieben, die Rheinlandräumung zu erkaufen gegen neue deutsche Zugeständnisse. Dr. Stresemanns Erkrankung. Arterienkrampf am Bein. Wie Reichstagspräsident Löbe mitteiltc, mußte Dr, Stresemann am Sonnabend auf Anraten des Arztes sich Schonung auferlegcn und das Bett hüten und konnte in folgedessen an der Reichstagssitzung nicht teilnehmen. Es handelt sich bei seiner Indisposition um einen Arterien krampf. Vermutlich liegen nur Folgeerscheinungen der Anstrengungen vor, die natürlich mit der Reise nach Spanien und den dortigen Verhandlungen verknüpft ge wesen sind. Dr. Stresemann klagte bereits abends vorher im engeren Kreise über Schmerzen in den Beinen, die ihm längeres Stehen unmöglich machten. Er mußte sich aus den Saal, in dem er mit den Parteiführern über dle Sonnabcndsitzung beriet, führen lassen und sich sofort zu Bett begeben. Auch Reichskanzler Müller konnte an der Sonn abendsitzung nicht teilnel n, da er wieder von seinem Gallen- und Leberleiden befallen ist, fo daß auch er das Bett hüten mußte. Aie prankreich kolonisiert Der Schiffbruch der Marokkopolitik Die Französische Kammer beschäftigte sich mit der Interpellation über die M a r o k k o p o l i t i k der Negie rung und die jüngsten Ereignisse von Ait Jacub. Die Verhandlung wirft interessante Schlaglichter auf die Kolonisationsmethoden Frankreichs, das be kanntlich im Versailler Vertrag Deutschland die Fähigkeit, zu kolonisieren, abgesprochen h a t. Der kommunistische Interpellant erinnerte daran, daß es dem französischen Imperialismus, der vor 25 Jahren Hand auf Marokko gelegt habe, noch n i ch t g e l u n g e n f e i, Marokko zu beherrschen. Bis zum Rifkriege seien 12 635 Mann gefallen, während dieses Krieges mehr als 10 000 und seither noch viele Tausende. Man wolle den Atlas erobern, weil er nicht nur wegen seiner Naturreichtümer schon seit längerem begehrt werde, sondern weil er auch den Durchgang für die Trans-Sahara-Bahn bilden soll, die die rasche Be förderung von Truppen vom Niger nach Frankreich ermög lichen soll. Namens seiner Gruppe verlangte der Redner d i e Räumung Marokkos von französischen und algerischen Truppen. Der sozialistische Abgeordnete Rivitzre bestritt die von der Regierung ausgegebene Erklärung, der Zwischenfall von Alt Jacub sei nur örtlicher Natur. Er sei aber in Wahr heit die Folge einer gewollten und vom Generalstab vor bereiteten Politik. In französischen Kreisen in Marokko herrsche die Meinung vor, die Militärs suchten den Konflikt. Der radikalsozialistische Abgeordnete Daladier findet in dem Kamps von Ait Jacub den Beweis für eine Gewaltpolitik, die von Militärs und Geschäftsleuten begünstigt werde. Man wisse, daß die Besitzer von Gruben und Ländereien einen großen Feldzug wünschten, der die Sicherheit der Gegenden, in denen sie ihre Spekulationen ent wickeln Wollen, garantiere. Der Sozialist Lafont bezeichnet den Kriegsgeist als die Hauptursache aller Mißerfolge in Marokko. Der Redner erinnerte daran, daß ein Vertreter Frankreichs sich auf den Märkten Füße und Hände küssen ließ, die Schließung einer Moschee anordnete und erklärte, die Berber müßten Christen werden, da sie Weiße seien Der Redner wies noch aus verschiedene Mißbräuche hin und forderte die Kammer aus, eine ernstliche Untersuchung der Zustände in Marokko anzuordnen, da die bisher von der Regierung befolgten Methoden Schiffbruch erlitten hätten. Dr. Roos freigesprochen. Das Schwurgericht in Besancon hat den wegen Komplotts gegen die Sicherheit des Staates angeklagtcn elsässischen Autonomisten Dr. Philipp Roos unter Ver neinung sämtlicher Schuldfragen freigesprochen. Das Urteil wurde von den im Schwurgerichtssaal Anwesen den mit dem Rufe: „Es lebe Frankreich, cs leben die Ge schworenen!" ausgenommen. Dr. Roos hatte, bevor die Geschworenen sich zur Beratung zurückgezogen hatten, noch einmal die eides stattliche Versicherung abgegeben, daß er niemals daran gedacht habe, das Elsaß von Frankreich zu trennen und daß er niemals mit deutschen Kreisen in Verbindung ge standen habe. Seine Hände seien rein. Nach dem Freispruch von Dr. Roos hallte großer Jubel durch den Gerichtssaal. Dr. Roos wurde in den Saal gerufen und von den Verteidigern und von seinen elsässischen Freunden warm beglückwünscht. Alles drängte sich zu ihm, so daß er nur durch eine Hintertür sein Auto erreichen konnte, um im Gefängnis die letzten Förmlich keiten zu erledigen. Auch vor dem Gerichtsgebäudc hatten sich Hunderte von Menschen angesammelt, um ihn i zu sehen. Er begab sich dann in sein Hotel, konnte sich aber nur mit Hilse der Polizei einen Weg durch die dicht- j gefüllten Straßen bahnen. Das dMischnatlonsle Volksbegehren. Hugenberg und das Parlament. Der Führer ver Deutschnationalen Volkspartei, Geh.-Rat Hugenberg, sprach vor der Marburger Studentenschaft. Er er klärte u. a., der neueste und furchtbarste Schritt in den Ab grund sei das Pariser Abkommen, das Deutschland über eine Generation hinaus in unerträgliche Fesseln und unerfüllbare Verbindlichkeiten verstricke. Es gehe darum, vor allem die Augenblicksangst vor dem nächsten Tage von uns zu streifen und das Schlagwort vom größeren und kleineren Übel zu beseitigen. In diesem Sinne solle das deutsche Volk vor ein Volksbegehren und vor einen Volksentscheid über das Pariser Voung-Abkommen und über die Kriegsschuldlüge gestellt wer den. „Wir pflanzen uns damit," sagte Hugenberg, „in unserem Sinne mitten hinein in den heutigen Staat. Wir träumen nicht von vergangenen Zeiten. Soudern wir ergreifen jedes Mittel, das die Gegenwart uns bietet, um die Zukunft zu gestalten. Dazu gehört nach wie vor auch das Verfassungsvolksbegehren des Stahlhelms." Hugenberg sprach auch über seine parlamentarische Tätig keit, wobei er ausführte: „Ich habe feit langen Jahren die Tribüne des Reichstages nicht mehr bestiegen. Darin habe ich auch seit meiner Wahl zum Vorsitzenden der Deutschnattonalen Volkspartei keinen Wandel eintreten lassen. Das ist nicht Ausfluß eines Grundsatzes. Ich habe es früher getan. Vielleicht tue ich es unter anderen Verhältnissen auch einmal Wieder. Ich lehne die parlamentarische Mitarbeit nicht ab. Aber mein politisches Gefühl gebietet mir, durch mein Verhalten zu betonen: Ich will mit dieser Art von Parlamentarismus nicht verwachsen fein, will als Grundaussafsung bekunden, daß es aus Arbeit und Tat ankommt, nicht aus das Geschwätz, unter dessen Herrschaft heute in Deutschland mehr und mehr auch außerhalb der eigentlichen Parlamente alles verparlamentari- siert wird." Wahlen in Mecklenburg-Schwerin Schwerin, 24. Juni. Nachdem nunmehr die Ergebnisse aus der Mehrzahl der Bezirke — es schien noch 24 Bezirke — vorliegen, ergeben sich für die einzelnen Parteien folgende Zahlen: Wahl 1927 Sozialdemokraten Einheitsliste Kommunisten Volkswvhlfahrt Demokraten Nationalsozialisten Bauernbund 117 803 20 Sitze 136 427 23 „ 16131 3 „ 7 453 1 „ 8 779 1 „ 12 554 2 „ 7 713 1 „ 126 746 21 Sitze 143 942 24 „ 15 718 3 „ 10 002 2 „ 8 982 1 „ 5 589 — „ Es läßt sich auf Grund des bisherigen Ergebnisses noch kein klares Bild über die Mehrheitsverhältnisse im zukünftigen Landtag in Mecklenburg-Schwerin gewinnen. Allem Anschein nach wird sich die Lage jedoch nicht wesentlich verändern. Fest steht, daß die Linke eine Schwächung erlitten hat und daß die Möglichkeit einer Regierungsbildung auf noch größere Schwierigkeiten stoßen wird. Nimmt man die parlamentarischen Mehrheitsverhältnifse gegen- geneinander ab, so würden als Regierungspartei in Frage kom men Sozialdemokraten mit 20, Volkswohlfahrt mit 1, Demokraten mit 1 und der Bauernbund mit 1, zusammen 23 Mandate. Die- fem Linksblock würde der Rechtsblock mit Einheitsliste 23 und Na- tionaljoizalisten 2, zusammen 25 Mandate gegenüberstehen. Die Kommunisten würden sich auch im zukünftigen Landtag dann als Zünglein an der Wage betätigen müssen. Schwere Zusammenstöße im Kamdmger Gängeviertel. „Schlagt die Hunde tot!" Zwei Ordnungspolizistcn hielten nachts im Gänge oiertel drei Männer an, die, mit Farbentopf und Plakaten versehen, Wände beschmierten bzm. beklebten. Im gleichen Augenblick erschollen aus dem Gängeviertel Schüsse und vie Angehaltenen ergriffen die Flucht. Sie wurden aber gestellt, wobei sie den Beamten heftigen Widerstand leisteten. Inzwischen hatte sich eine große Mensche«, menge angesammelt, die gegen die Beamten Partei er griff und eine erneute Flucht der drei Männer ermöglichte. Einige Straßenzüge weiter konnte einer der Männer wiedcrergriffcn werden. Nun drang die immer mehr Verstärkung erhaltende Menge auf die Beamten ein. Als letztere sich durch ihre Dienstschilder besonders legitimierten, erschollen Rufe „Schlagt die Hunde tot!" und „An die Wand mit ihnen!". Einer der Beamten wurde zu Boden gerissen, geschlagen, mit Füßen getreten und am Halse gewürgt. Er mußte schließlich zum Revolver greifen und mehrere Schüsse ab geben. Hierdurch wurden vier Zivilpersonen, drei Männer und eine Fran, zum Teil schwer verletzt. Der zweite Polizeibeamte konnte sich die Menge so lange vom Leibe halten, bis Hilfe herbeigeeilt war. Dem am Boden liegenden Beamten war inzwischen der rechte Arm herumgedreht worden, so daß ein letzter Schuß einen Polizeibcamten in die Schulter traf. Eine eingehende Untersuchung ist eingeleitet. Die Noi -er Landwirtschaft. Die Getreidefrage. Bei einer öffentlichen Kundgebung in Eutin sprach Reichsernährungsminifter Dietrich über die Not der Land- wirtfchast. Der Minister erklärte, die Hauptursache der gegenwärtigen Not sei in dem Zolltarif des Jahres 1925 zu suchen, der einen fo starken Schutz der Industrie brachte, daß die landwirtschaftlichen Zölle dem Landwirt den Ersatz für die Verteuerung, die er durch die Erhöhung der Jndnstriezölle auf sich nehmen mußte, nicht bringen konnten. Zurzeit werde der Kampf ausgcfochten, wie man aus diesem Unrecht wieder herauskomme: ob durch Senkung der Jndnstriezölle oder durch Hebung der land wirtschaftlichen Zölle. Die Interessen der Produzenten und der Konsumenten stünden sich gegenüber. Darüber hinaus seien auch Gegensätze insofern vorhanden, als die Interessen der einzelnen landwirtschaftlichen Gruppen und der einzelnen Landwirtschaftsgebiete nicht immer un bedingt parallel liefen Mittelpunkt des Kampfes, fo führte der Minister weiter aus, sei zurzeit die Getreidesrage. Es gebe drei Möglichkeiten, zu helfen: Zollerhöhung, Einführung einer Marktausgleichsgebühr, Monopol. Gegen das Monopol machte der Redner eine ganze Reihe von Bedenken geltend