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Wilsdruffer Tageblatt : 12.06.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192906126
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19290612
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19290612
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-06
- Tag 1929-06-12
-
Monat
1929-06
-
Jahr
1929
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 12.06.1929
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AbenäMmnilMg Der Tag verblaßt, die Dämmrung steigt hernieder, Und aus dem Walde tritt das Wild hervor, Die Vögel singen ihre Schlummerlieder, Im Weiher musiziert der Frösche Chor. Ein sanfter Wind streicht durch der Bäume Wipfel, Wo schrill des Eichelhähers Ruf ertönt, Ein Purpurstreifen säumt den Bergesgipfel, Des Tages Abschied ist vom Glanz verschönt. Und ringsumher herrscht wundervolle Stille, Ein Bussard fliegt dem Neste lautlos zu, Ein Stern erglüht, im Busch geigt eine Grille, Nun liegt die Welt in heilger Abendruh. 011 o K ö p p e. Aegypien und die Aegypten. Führend in der mohammedanischen Welt. Solange die Engländer in Ägypten sitzen, solange be mühen sich die Ägypter, ihre volle Unabhängigkeit zu erlangen. 1882 war im Nillande ein Aufstand ausgebrochcn unter der Führung Arabi Paschas. Er wurde zwar unterdrückt, konnte aber die nationale Freiheitsbewegung der Ägypter nicht auf halten. Arabi Paschas Tat setzten andere fort. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts Mustafa Pascha, zur Nachkriegszeit Zaghlul Pascha, der 1927 gestorben ist Die ägyptische Frei heitsbewegung hat zwar ihr Endziel nicht erreichen können, erfolglos aber ist sie nicht verlaufen. Sie hat alle Schichten des Volkes ergriffen. Neben der radikalen Richtung gibt es in Ägypten aber auch gemäßigtere Politiker, die auf fried lichem Wege England zu Konzessionen zu bewegen hoffen. Ihr Führer ist der jetzige Ministerpräsident Mahmud Pascha, auf dessen Veranlassung König Fuad im Sommer 1928 das Parlament auflöste und eine Art Diktatur einführte. Das geographische Ägypten ist groß, bebam wird jedoch seit uralten Zeiten nur das engere Niltal. Es ist verhältnis mäßig klein, da es kaum 33 000 Quadratkilometer Flächen inhalt umfaßt. Die landwirtschaftliche Kultur ist allein durch künstliche Bewässerung möglich. Der Nil ist seit jeher die einzige Lebensquelle Ägyptens Ohne ihn würde das Land aussehen wie die Sahara. Nicht umsonst beteten ihn also die alten Ägypter an. Im Altertum war das Nilland als eine Kornkammer bekannt, seit der Engländerzeit aber wird dort fast ausschließlich Baumwolle gebaut An Qualität dürfte sie von keiner anderen Baumwolle übertroffen werden. Die Engländer sind in den letzten Jahren bemüht, auch aus dem Sudan ein Ägypten zu schaffen, indem sie auch dort Stau dämme errichten, Bewässerungskanäle anlegen und größere Ländereien der Baumwollkultur erschließen. Für die englische Industrie ist die ägyptisch-sudanesische Baumwolle geradezu unentbehrlich. Die Zahl der Einwohner Ägyptens beträgt gegenwärtig 15 Millionen. Die Bevölkerung vermehr! sich sehr rasch, was namentlich für die Fellachen, die Landbevölkerung, gilt. Ägypten ist also sehr dicht bevölkert, ganz besonders das Nil- delta, wo die Dichtigkeit 500 Einwohner aus ein Quadratkilo meter beträgt. 85 Prozent aller Bewohner des Landes be schäftigen sich mit der Landwirtschaft, also vorzugsweise mit dem Anbau der Baumwolle. Es gibt in Ägypten auch Groß städte. Kairo, das Landeszentrum, zählt gegen eine Million Einwohner, Alexandrien aber, das seit dem Altertum als Welt hasen bekannt ist, eine halbe Million Zahlreich sind dort auch Europäer vertreten. Die heutigen Ägypter sind, als Rasse, Nachfolger des alten Pharaonenvolkes also hamltischen Ur sprungs und verwandt den Berbern und eimgen anderen Volksstämmen Nordafrikas Seit der Zett der Araber sind sie so gut wie gänzlich arabisiert, auch sprechen sie arabisch. Mit Ausnahme der Kopten, die sich zu einem altchristlichcn Glauben bekennen, sind die Ägypter Mohammedaner. Man darf sie als einen der fortgeschrittensten arabischen Stämme bezeichnen. Ihre Hauptstädte Kairo und Alexandrien können ruhig mit vielen Großstädten des Westens verglichen werden. Schulen, Zeitungen, Druckereien, kulturelle Anstalten ver schiedener Art sind in großer Anzahl vorhanden. Sehr be rühmt ist im ganzen Orient die Universitäi von Kairo. Die ägyptische Intelligenz wird allgemein als die geistige Führerin der gesamten mohammedanischen Welt hochgeschätzt. Zu- sammensafsend kann man sagen, daß das Land der alten Agyprer allmählich wieder erwacht und sich von neuem zu einem der wichtigsten Gebiete der Kultur und des wirtschaft lichen Lebens entwickelt. Asiaticus. Bilder nur SWamien Don Hermann Walther. Man kommt noch leidlich durch mit der deutschen Sprache, wenigstens dort, wo dies Erbe von Altösterreich noch nicht vergessen ward. Am besten sprechen sie — von Ge bildeten und Hotelpersonal abgesehen — Polizisten, „Posterer" usw. — halt vom k. k. Militär her. Schon der Kellner ver sagt manchmal: „Suppe, schönes Schnitzel, Möllspeis". Er freut fragt man — außer Programm —: „Kann man das Fenster dort öffnen?" — „Rahmsteck mit Kohlkraut, bitte fchönn!" — ,Jch meine, ob man das Fenster ösfnen kann?" — „Huhn mit g'röst'te" (d. h. gerösteten Kartoffeln). — Ein Grammophon, mehr nicht. Außerhalb der Fremdenindustrie aber hapert's noch öfter, und mit ein paar Brocken Italienisch kommt man — an der Küste vor allem — meist weiter. Aber kaum wird einer nicht Deutsch verstehen wollen, wie man's östlich von unseren Grenzen zuweilen erlebt. Sie sind sehr höflich, ja freundlich zu uns, die Kroaten. Sind's alte Reminiszenzen? Oder rechnet man für die nähere oder fernere Zukunft auf uns? — Der Respekt ist jedenfalls nach wie vor noch groß vor Deutschland und besonders vor unseren technischen Lei stungen, den dortigen und den heimischen. Einen großen Ein druck macht z. B. der neue Zeppelin, von dem man sonder barerweise vor allem kriegerische Betätigung erwartet. Ueber das heikle Thema „Kroaten und Serben" gab's ' zweierlei Aussassungen. Die eine, die amtliche, sah alles im hellsten Lichte. „Wir Jugoslawen," hieß es da. Und aus reiner Menschenliebe habe man alle hohe Posten in Heer und Marine nur mit Serben besetzt: Sie waren doch alle zu alt, die kroatischen Offiziere, nicht wahr? Und leicht hätte sonst ein Serbe Klage gegen sie führen können, für irgendwelche Unbill, die sie ihm einst als österreichische Soldaten angetan! — Das klingt so überzeugend, wie Herrn Poincares Friedens schalmei. Wenn aber andere erbittert über Raditsch's Er mordung sprachen und davon, daß der Mörder heute noch nicht bestraft sei und es vielleicht nie ernsthaft werden würde, — dann sah ich eine tiefe Kluft. Einfachere Leute sprachen osfener: „Daitschlond bleibt groß" sagte mir ein alter Kroate auf dem Schiff nach Dubrovnik, „aber wir? Wovon leben wir? Von die Dait- fchen und die Engländer. Aber die jungen Laitee und die mit die großen Hiete (d. h. die mit Zylinderhüten, also Abgeord nete, Minister) woll'n nix mehr lernen. Nix als serbisch — wos ist serbisch? Und immer Steiern und kein Geld im Land! Und auf Puff man gibt uns nix. Schad' um Austria!" Früher kamen mehr Schiffe in die Häfen, mehr Fremde ins Land, sagt man in Hvar, in der Bocca. Und öfter auch . ein Erzherzog — es gab ja genug — und mit ihm ein Troß j von Genießern. Heute kommen dafür italienische Fischer in ; die dalmatinischen Gewässer und sangen die Fische weg — ' Vertrag von Nettuno! Offiziell freilich bläst man Fanfaren. Denkmäler und f Gedenktafeln feiern die Vernichtung Oesterreichs, und neue > wurden zur Jahrzehntfeier mit viel Klimbimm enthüllt. In j Serajewo stürzte man eilig nach dem Zusammenbruch das f Denkmal, das dort stand, wo Erzherzog Ferdinand mit seiner - Frau ermordet wurde. Und brachte gegenüber, wo der Mör- ! der stand, eine Gedenktafel an. Aber man ließ sie verhüllt — - moralische Hemmungen? Vielleicht entführt ein günstiger f Ostwind eines Tages die dünne Leinewand. Die Feindschaft gegen die Italiener ist groß, in Kort- j schula sah ich einen betrüblichen Beweis dafür: Gegen Kriegs- - ende hatten Italiener „die Insel besetzt", beschränkten sich f aber in edler Mäßigung aus den Platz und das- Hotel am - Hafen. Nach ein paar Wochen solch heldischer Demonstration ' verschwanden sie plötzlich. Da kamen die Fahnen aus den ! Fenstern, Freudenschüsse knallten, und jubelnd stürzte alles > auf die Straße. Der Ueberschwang der Gefühle suchte nach i einer Tat. — Da war ja noch ein Symbol italienischer Herr- i schäft! Zwar ein halbes Jahrtausend hatte er schon auf dem ! Buckel, der Markuslöwe an der alten Stadtmauer. Aber: » Nieder mit Italien! Und schon hieben sie ihm einen Flügel j ab, dann das Gesicht. Zum Glück sitzt er zu hoch, daß die s Sache von da ab schwieriger wurde. So kamen sie wieder zur f Vernunft, die Bilderstürmer; sie hätten schrecklich werden j können für das an feinen Stücken venezianischer Kunst reiche j Kortschula! j Klima, Landschaft und Bauten dieses Landes führen j immer wieder zu Vergleichen mit Italien. Für unser deut- r sches Empfinden schneiden die Dalmatiner da besser ab: Ein friedlicheres Temperament, größere Sauberkeit "in Städten und Straßen und besonders auf den Schiffen. Einen guten Eindruck machen die Marine, deren Schiffe uns alte Bekannte sind, und das Heer, bei dem man manche ehemals russischen Offiziere sieht. Und nirgends bemerkte ich, wie so ost in Italien, daß man Tiere quälte. Im Gegenteil, sie haben sie lieb, ihre kleinen, struppigen Pferde und Esel und beson ders auch die Katzen. Was diese mit viel Zutraulichkeit^ Fruchtbarkeit und musikalischen Darbietungen lohnen. > Es ist ein schöner Menschenschlag. Welch interessantes Bild auf dem Corso am bunten Handelshafen in Split. Auf fällig viel hohe, schlanke Gestalten. Aber nicht im Prome nadenschritt, wie am Donaukai in Budapest, sondern in einem Gefchwindschritt, dessen Zweck dem Fremdling dunkel bleibt. Feine Gesichter, Eleganz, lebhafte Unterhaltung. Dunkles Haar und ebensolche Augen überwiegen, aber man sieht auch viel Braune und Blonde — echte und wasserstoffsuperoxyd- liche. Auch auf dem Lande sieht man schöne Frauen, aber doch stehen die Männer dort noch höher im Kurs. Darum geht die Braut vor der Hochzeit beim Morgengrauen zum Hause des Bräutigams, an der Hand sührt sie einen Knaben, kniet nieder und küßt des Hauses Schwelle. Und betet zum heiligen Antonius, daß er ihr nun bald ein Kind beschere. Ein Kind aber, das ist: Ein Knabe! Ein Mädchen zählt überhaupt nicht. Eine lustige Sache sah ich in Split. Der ausgezeichnete Maler und Bildhauer Mirkovitsch hatte in einer Sonderschau bildliche und plastische Karikaturen mit mehr oder minder an züglichen Unterschriften ausgestellt. Politische Persönlich keiten, hauptsächlich aber bekannte Einwohner Splits: Stadt väter, Aerzte, Musiker, Künstler, allzu Korpulente, allzu Lianenhafte — manche mit mildem Humor, manche etwas boshafter behandelt. Auch Damen: Unterschriften, z. B.: „Sirene" oder „Die Intellektuelle". Diese Ausstellung war immer gut besucht — auch von den Karikierten — der Künstler anwesend, die Gegenstände verkäuflich. Und alles lachte, und fand die Karikaturen offenbar äußerst treffend. Splitterrichter waren es sichtlich nicht, diese Spliter! Man stelle sich diese Ausstellung bei uns vor! Welche Fülle von Protesten, Beschwerden, Klagen und gerechtem Zorn. Und erst der frevlerische Künstler — unmöglich, ganz un—mög—lich wäre der Mensch doch geworden, nicht wahr? Mißirauensanirage gegen Minister Severing. Deutscher Reichstag. (83. Sitzung.) VS. Berlin, 11. Juni. Vor Eintritt in die Tagesordnung stellte Abg. Dr. Klönne lDtn.) gegenüber Ausführungen des Abg. Bernhard lDem.) nochmals fest, daß Dr. Vögler nicht aus Paris nach Essen gefahren sei, um die Industriellen umzustimmen. Dr. Voglers Rücktritt erfolgte aus völlig freiem Entschluß. Daraus wurde die zweite Beratung des Haushalts des Reichsinnenministeriums fortgesetzt. Von den Deutschnationalen, den Nationalsozialisten, den Lhristlich-Sozialen und den Kommunisten sind Mitztrauens- anträge gegen Minister Severing eingebracht worden. Von den Regierungsparteien wird in einer Entschließung die Ne gierung ersucht, bei der Hereinnahme fremder Arbeitskräfte auch das Auslandsdeutschtum zu berücksichtigen. Abg. Blenkle (Komm.! protestier! gegen die gegen die kommunistische Jugendbewegung gerichteten Maßnahmen, be sonders gegen die Zensur gegenüber kommunistischen Jugend schriften. Abg. Dr. Strathmann (Dm.) wandte sich dann gegen Tendenzen im Theaterleben, wie sie in Lampels „Giftgas über Berlin" zum Ausdruck gekommen seien. Abg. Alpers (Deutschhannov.j betonte, die Föderalisten seien zwar Gegner der Zentralisierung, aber nicht der Reichs- einhett und der Größe Deutschlands. Abg. Dr Dessauer (Ztr.) stimmte der von der sozialdemo kratischen Seite an der Notgemeinschaft geübten Kritik nicht zu. Die Notgemeinschaft wirke sich segensreich durch ihre Unterstützungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs aus. Reichsinnenminister Severing äußerte sich auf verschiedene Anregungen hin in der Aus sprache zu den preußischen Landtagsentschlietzungen. Uber Schmutz und Schund sei er mit der preußischen Regierung der Meinung, daß die bestehenden Gesetze ausreichten. Wenn Verbrechen auf der Bühne nicht gezeigt werden dürsten, dann könnten Schillers „Räuber" und die meisten Werke von Shakespeare nicht aufgeführt werden. Wenn die geistige Repräsentation von Preußen aus das Reich übergehen solle, dann sei die Voraussetzung eine dauerhaftere Gestaltung des Reichsinnenministerlums. Seil 1919 habe Preußen drei Kultusminister gehabt, das Reich aber dreizehn Innenminister. Die Arbeitsgemeinschaft mit dein preußischen Kultusministerium soll »ich, zu cmer Ober- tzerrschaft führen. Wenn man das, Berufsschulgefctz aus.das Seine blinde Fra« Originairoman von Gert Rothberg. 45. Fortsetzung Nachdruck verboten Morland sprang erfreut auf. „Ach, Mister Wendox, Sie sind schon zurück, ich glaubte Sie noch fern von hier. Das ist ja großartig, da können wir wieder einmal recht gemüt lich zusammensein." Wendox lächelte sein kühles Lächeln. „Ich bin noch immer der Alte und doch ist eine kleine Veränderung in mir vor gegangen," sagte er. „Ich werde es Ihnen bald erzählen." Die Herren saßen lange Zeit an ihrem Tisch. Wendox hatte großen Gefallen an Eschingen gefunden. Dieser wiederum bewunderte den Mann, von dessen küh nen Unternehmungen er längst gehört und der doch so ein fach und ruhig vor ihm saß. „Nun, meine Herren," sagte Wendox plötzlich, „wie st^ht es, werden Sie beide das große Konzert besuchen?" Morland setzte sich in Positur. „Wir? Aber ja. Es ist doch selbstverständlich, man muß doch alles gehört und ge sehen haben im Leben. Vor allem wird ja von der deutschen Sängerin viel erwartet. Na, ich bin neugierig wie eine Wach tel, meine Tochter schrieb mir nämlich, daß Miß Stern wun dervoll singt. Ich werde ja sehen, etwas versteht man schließ lich auch davon." Wendox sah Morland fest an. „Ich habe Inge Stern in Stockholm gehört. Ich habe die blonde deutsche Frau ge sprochen. Sie singt hinreißend schön und ich hätte sie auf der Stelle geheiratet, so sehr hatte mich ihr liebreizender An blick gefesselt." Morland staunte. „Sie, Mister Wendox? Sie, der Frauen hasser?" „Ich hasse die Frauen doch nicht," meinte Wendox. „Ich habe nur viele davon verachten gelernt. Ihr Fräulein Toch ter zum Beispiel schätze ich sehr hoch. Erlaube mir übrigens zu fragen, wie es Miß Ethel geht." Morland paffte mächtige Wolken vor sich hin. „Danke, sehr gut. Sie heiratet und kommt bald nach hier, um die Hochzeit in unserem alten Palast zu feiern. Ihr Verlobter ist Professor von Salbern, gleichfalls ein Deutscher. Er ist ein Freund Herrn von Eschingens." Der Dollarfürst schien angenehm überrascht. „Professor Saldern? Ich hörte schon viel von ihm, sah viele Werke, die er geschaffen. Er ist ein großer Künstler, da gratuliere ich Ihnen aufrichtig zu diesem Schwiegersohn." „Ich komme immer noch nicht darüber hinweg," sagte Morland nach einer Weile. „Sie kennen Inge Stern wirk lich?" Wendox lächelte. „Ja doch, wenn ichs Ihnen sage." „Und das andere, das ist auch wahr?" „Natürlich," sagte Wendox. „Ich kam aber leider zu spät. Das Herz der schönen Frau ist nicht mehr frei. Und sie hätte mich vielleicht trotzdem nicht genommen. Aber ich bin auch noch wegen was anderem zurückgekommen. Zu fällig weiß ich, daß eine der anderen Damen eine frühere Bekannte ist. Und mit dieser Dame muß ich noch ein Wort sprechen." Eschingen, der bisher schweigend dagesessen hatte, horchte auf. Ein Gedanke ging ihm durch den Kopf. War Maria Sorta nicht einstmals bei Nennung des Namens Wendox erschrocken? Hatte auch er sich vielleicht einfangen lassen und rührte seine Verachtung von dort her? Doch er schwieg. Kein dritter brauchte zu erfahren, wie Morland und er von dieser Frau betrogen wurden. Die beiden Amerikaner hätten sich gern über einige ge schäftliche Dinge unterhalten, wollten aber doch den liebens würdigen Deutschen nicht sich allein überlassen. Da brachte ein Klubboy die neuesten Zeitungen. Eschingen griff danach. Dann bat er die Herren, sich nicht stören zu lassen bei ihrer geschäftlichen Unterredung. Die machten ausgiebigen Gebrauch davon und Eschingen blätterte interessiert in den Zeitungen. Verschiedene Aufnahmen von Sportplätzen, einige edle Pferde. Das fesselte ihn als ehemaligen Reiteroffizier. Da wie gebannt blickte er auf die drei schönen Frauenköpfe. Die drei Sängerinnen des Wohltätigkeitskonzerts! Miß Lilian Liukoln, ein schmales, sympathisches Gesicht mit großen, fast farblos Hellen Augen, eine Fülle aschblon den Haares. Maria Sorta im Glanz ihrer betörenden Schönheit. Eschingens Augen aber hefteten sich wie gebannt auf das dritte Bild. „Inge Stern" stand schlicht darunter. Er erkannte nun sofort die Sängerin, deren Bild ih schon einmal gefesselt, damals im Park von Louisiana, al: auch Ethel und Fritz die deutsche Sängerin bewunderten. Also sie war es, die morgen hier sang. Die deutsche Nachti gall wurde sie genannt. „Ob sie wirklich io sang wie jener Vogel, der durch sei nen süßen, schluchzenden Gesang der Menschen Herz ge wann?" Wieder blickte Eschingen auf das Bild der jungen Sän gerin. Grübelnd dachte er nach. Die junge Sängerin erinnerte ihn an irgend jemand. Er hätte aber nicht zu sagen ver mocht. an wen sie ihn erinnerte. Die großen schönen Augen, die mit fragendem Ausdruck dem Beschauer in die Seele drangen, das ovale Gesichtchen von einem Liebreiz, der Eschingen in seinen Dann zwang. Es stand bei ihm ganz plötzlich fest, daß er das Konzert auf jeden Fall besuchen mußte. Er blickte auf. Da begegnete er den lächelnden Blicken der beiden Her ren. „Na, was fesselt Sie so?" Eschingen konnte eine leichte Verlegenheit nicht ganz überwinden. Dann reichte er den Herren das Blatt hinüber. „Die Sensation des morgigen Tages," sagte er lächelnd. Morland besah sich die Bilder, dann sagte er: „Ich bin eigentlich nur neugierig auf die Deutsche. Unsere Miß Lin- koln habe ich schon gehört und die Sorta hörte ich in Ita- ucn. Er warf einen raschen Blick auf Eschingen. (Fortsetzung folgt.)
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