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MsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da* Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Anstellung durch die Bote« 2,30 RM., bei Postbestellung 2 RM zuzüglich Abtrag- gebühr. Einzelnummern IMpfa.All-Postanstalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Nmqeqend Postboten und UN,«reAus. trngerundGeschäftsstellen — ! - -— nehmen zu ieder Aeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesaudter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto bestiegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. «n,ei,«vprri»: Li- Zerspaltene Aa-mz-Uc 20 Rpf«., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen B-kannlmachung-u 4V «eich», die 3 gespalten« Sieklamezeile im textlichen Teile 1 Reich»mark. Nachmeisungsgebühr 2V R-ich-psennige. «ar. -nerd-n nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 8 d° ra-ksicht?g?°L^-igen" an»ahmedi-»orm.1VUdr. — Für die Richtigkeit der durch Fernrus übermittelten Anzeigen SdrrnehinenwirkeineGar-niie. JederAadatiansprrch erlischt, wenn derAetragdnrch Klag- eingezagen werden mutz oder dcrAustraggeder in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 132 — 88 Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt* Wilsdruff- Dresden Postscheck: Dresden 2640 Montag, den 10 Juni 192S Deutschlands Kriegslasten. Die Neuregelung der Reparationen. Der deutsche Wortlaut des Berichtes der Pariser Reparationskonferenz liegt jetzt vor. Aus ihm ist zu er sehen, daß Deutschland an die ehemaligen Feindmächtc Zahlungen bis 1987 zu leisten hat. Bis zu diesem Zeit punkt .müssen England, Frankreich, Belgien, Italien und andere europäische Staaten an Amerika ihre Kriegs schulden zurückzahlen. Der Grundgedanke der Pariser Einigung besteht darin, daß Deutschland so viel an die europäischen „Sieger" zahlt, wie diese an Amerika zurück zuerstatten haben, zusätzlich einer Leistung für den Wieder aufbau der zerstörten Gebiete. An Berliner zuständiger Stelle ist man übrigens der Meinung, daß die im Young-Plan vorgesehene Re- oisionsklausel genügende Garantien für eine etwa später notwendig werdende Revision des Zahlungsplanes bilden könnte. Bevor der Young-Plan Gültigkeit erhält, müssen natürlich noch die Volksvertretungen der beteiligten Länder ihm zustimmen. Pariser Kehraus. Der Sonnabend brachte für die Hotels, in denen die Sachverständigen abgestiegen sind, den großen Kehraus, da die Delegationen Paris nach und nach verließen. Mit dem Inkrafttreten des Young-Planes hat die Neparationskommission ihre Daseinsberechtigung und jedes Einmischungsrecht verloren. Daß sie ihr kümmer liches Dasein noch weiter fristen wird, hat sie nur den Friedensverträgen mit Österreich-Ungarn und Bulgarien zu verdanken. Nunmehr haben die Regierungen das Wort. In Sachverständigenkreisen nimmt man allgemein an, daß oie politische Konferenz recht bald einberufen wird. Es ist von großer Bedeutung für Deutschland, daß die eng lische Regierung auf dieser Konferenz nicht mehr durch Austen Chamberlain vertreten sein wird. Der Sachverständigenbericht sieht als eine der Aus wirkungen der endgültigen Reparations.regelung das Auf- hörcn aller Kontrollmaßnahmen vor, die sich aus dem Dawes-Plan ergeben haben. Wenn der neue Zahlungs plan am 1. September in Kraft tritt, wird der Repa rationsagent aufhören zu fungieren und Parker Gilbert Deutschland verlassen. Es ist ihm aber bereits ein neuer Wirkungskreis zugesichert worden, nämlich als Vorsitzender des Orga nisationskomitees, das zur Hälfte aus Deutschen, zur anderen Hälfte aus Vertretern der Gläubigerländer zu sammengesetzt werden soll und zu dessen Aufgabe die Organisation der neuzugründenden Reparationsbank, die Ausarbeitung der Richtlinien für die Sachlieferungen und für die Neuordnung des Verpflichtungsverhältnisses der Deutschen Reichsbahn zu den Reparationsgläubigern gehören wird. * Der young-plan. Mitten in die Unterzeichnung des Berichtes der Sachverständigen hinein schlagen die Flammen eines brennenden Vorhangs, der unter den Strahlen der Jupiterlampe eines allzu eifrigen Kinooperateurs Feuer gefangen hatte. Und neugierig schaute die ausgeschlossene Öffentlichkeit durch die Glastür in den Sitzungssaal hinein, bis ein Wandschirm von neuem den Blick ver sperrte. Jeder, der abergläubisch ist, mag dieses kleine Vorkommnis auslcgen wie er will; wenn wir Deutsche es als Vorzeichen nehmen wollen, dann in dem Sinne, daß die Flammen der Zukunft — mag sie näher liegen oder ferner — dereinst auch diesen neuen Zahlungsplan auf dem Altar eines wirklichen Völkersriedens als Opfer verzehren werden. Ist nun diese Konferenz der Sachverständigen dem getreu geblieben, als was sie einberusen war? Melan cholisch heißt's im dritten Teil des Berichtes unter dem Abschnitt „Einstellung des Ausschusses" recht unmißver ständlich, daß man versucht habe, eine Lö;ung auf finan zieller und wirtschaftlicher Grundlage zu finden. „Aber wir müssen ebenso wie unsere Vorgänger feststellen, daß politische Faktoren notwendigerweise unseren Ent scheidungen eine Grenze gesetzt haben." Das ist eine Feststellung, deren Aufnahme in den Bericht Dr. Schacht hat veranlassen können. Und die ihre Schalten wirft auf all das, worüber man sich in Paris geeinigt hat; denn „nicht nur auf wirtschaftliche, sondern auch auf politische Betrachtungen haben wir unsere Entscheidungen ein gestellt". .. In zwölf Teile namltch zerfällt dieser Bericht und die ersten fünf davon kann man als die eigentlichen Protokolle, als die äußere Geschichte der Kon ferenz ansehen, während die sieben anveren die tat sächlichen Beschlüsse — oder, wenn man will, Vorschläge an die beteiligten Regierungen — enthalten. Die freund lichen Worte, die man dem steten Bemühen der deutschen Delegation widmet, ein klares Bild über die wirtschaft liche und finanzielle Leistungsfähigkeit Deutschlands zu geben, genügen nicht, die Tatsache zu verschleiern, daß die Konferenz in eine Prüfung dieser Leistungsfähig keit nicht eingetreten ist, wie es 1924 ihre Vorgängerin tat. Das hat die deutsche Delegation nicht zu erreichen vermocht. _ .Sehr ausführlich behandelt der sechste Abschnitt WnlMöllMllg M MWerm Eine Forderung der Gewerkschaften des besetzten Gebiets. Die Sozialdemokratische Partei und die FreienGewerkschaftenim besetzten Gebiet richten an die Reichsregierung die Aufforderung, mit der Rati - fizierung des Pariser Abkommens solange zu warten, bis die vollständige Räumung aller besetzten Gebiete und die gleichzeitige Regelung der Saarsrage durchgeführt ist. Die Bevölkerung der besetzten Gebiete verlange zehn Jahre nach dem Frieden volle Gleich berechtigung mit den übrigen Teilen des Deutschen Reiches und richte diese Forderung an alle Regierungen und Parteien, die an der Unterzeichnung des Pariser Ab kommens beteiligt sind. Diese Forderung ist unterschrieben von den Gewerk schaftsverbänden und den sozialdemokratischen Partei organisationen für Rheinland, Westfalen und Lippe, für den Freistaat Hessen und Hessen-Nassau, für die Pfalz und für den Bezirk Oberrheinprovinz. Aber noch kein Termin festgesetzt. Reuter meldet aus Paris: Die in London veröffent- lrchten Berichte, wonach bereits Vorbereitungen für die Räumung des Rheinlandes im Oktober eingeleitet worden seien, sind verfrüht und irreführend. Selbstver ständlich liegt die Räumung in der Luft und die alliierten Regierungen denken an sie, aber es ist bisher nicht nur keine Entscheidung darüber getroffen worden, daß zu einem bestimmten Termin geräumt werden wird, sondern es sind auch zwischen der britischen und der französischen Regierung keine Verhandlungen hierüber eingeleitet worden. Andererseits würde die Räumung, wenn sie ausgeführt würde, eine Operation sein, die sorgfältiger Vorbereitung bedürfte. Es liegt durchaus im Bereich der Möglichkeit, daß die alliierten Armeestäbe bereits damit beschäftigt sind, die eventuellen Mittel und Wege für eine Räumung zu prüfen, indessen ist die Räumung für den Augenblick lediglich ein Projekt für die Regierungen und ein Er- rterungsgegenstand für die Presse. Sr. Stresemann in Madrid eingetrosfen. Mit einem Herzog auf der Lokomotive. Reichsaußenminister Dr. Stresemann und Gemahlin sind in Madrid eingetroffen. Der spanische Ministerpräsi dent Primo de Rivera empfing den deutschen Ver treter im Völkerbundrat auf dem Bahnsteig, wo sich Auzgaoenuno ^rganifatton der Repara tiv n s b a n k, zu der nun künftig die deutschen Repara tionszahlungen geleitet werden und die nach der anderen Seite hin für die Verwaltung, Verteilung und Überleitung der hereinströmenden Gelder zu sorgen hat. Sie tritt an die Stelle des Reparationsagenten und seiner Unter agenten, Kontrollen usw. allerdings insofern, als diese Kontrollen und Sondergarantien abgebaut werden bis auf die eine Bestimmung, daß neben dem Reichshaus halt auch die Reichsbahn „Quelle der Annuität" ist. Sie muß jährlich 660 Millionen Mark aus den Brutto erträgen über die Reichsregierung an die Bank zahlen, doch steht diese finanzielle Verpflichtung erst hinter den Personalausgaben, auf gleicher Stufe mit den Material- und Erneuerungsausgaben, aber vor dem Zinsendienst für ewaige Anleihen. Beförderungssteuer fällt ebenso fort wie die Sondergarantie der Jndustriebelastung und der „verpfändeten Steuereinnahmen". Ebenso ist der „Wohlstandsindex" des Dawes-Planes entfernt worden. 860 Millionen Mark jeder Jahreszahlung müssen als „nicht aufschiebbarer Teil" immer und unter allen Umständen geleistet werden, aber für den Rest, also den größeren Teil, sind „Schutzmaßnahmen" festgelegt wor den. Das sind: der „T r a n s fe r a u f s ch u b" — Ein stellung der Devisen- oder Barüberweisungen aus den deutschen Zahlungen bis zur Dauer von zwei Jahren —, dann der „Zahlungsaufschub" — Einstellung der Auf bringung eines Teiles der deutschen Zahlungen selbst, was aber erst ein Jahr nach Eintreten des Transfer aufschubes möglich ist — und schließlich die „Revisions klausel", wonach Deutschland eine genaue Untersuchung seiner wirschaftlichen und finanziellen Lage durch einen internationalen Sonderausschuß verlangen kann auf Grund der Mitteilung, daß die deutsche Währung und Wirtschaft durch teilweise oder vollständige Zahlung dieses „aufschiebbaren" Teils ernsthaft gefährdet werde. Der Ausschuß, der übrigens auch vor Inkrafttreten des „Zahlungsaufschubes" in Tätigkeit tritt, berichtet dann an die Negierungen und die Reparationsbank zwecks Er wägung von Maßnahmen einer eventuellen Revision der deutschen Verpflichtungen. Die Jahreszahlungen, die ab 1. März 1930 mit 1,7 Milliarden einsetzen — für das erste Young-Jahr ist ja eine besondere Regelung erfolgt, indem bis zum 1. Sep tember 1929 die Dawes-Zahlungen geleistet, dann für die nächsten sieben Monate noch 743 Millionen gezahlt zwischen den beiden Staatsmännern ein sehr freund schaftliches Gespräch entwickelte. Ferner waren die vollzählige deutsche Delegation, zahlreiche Jour nalisten und eine sehr starke Vertretung der hiesigen deutschen Kolonie auf dem Bahnhof erschienen. Nach den gegenseitigen Vorstellungen und Begrüßungen begab sich Dr. Stresemann, der die Reise gut überstanden hat und frisch aussieht, sofort ins Hotel Palace, den Sitz der deutschen Delegation. Auf dem Bahnsteig wie auch vor dem Bahnhof hatte sich eine fehr große Menge Schaulustiger angesammelt, die sen herzlichen Charakter der Begrüßung zwischen oen beiden Staatsmännern spontan durch lang anhalten- ven Beifall zu wiederholten Malen unter Hochrufen be kräftigte. Der Zug, mit dem der Minister in Madrid ein traf, wurde von dem Herzog von Saragossa, einem Mitglied der spanischen Königsfamilie, geführt, der oen Führerstand der Lokomotive während der ganzen Reise auf fpanischem Gebiet nicht verlassen hatte. Bahniarifverieuerung in Gicht. Die Reichsbahn beantragt Tariferhöhung. Die Deutsche Reichsbahngesellschaft teilt mit: „Der Verwaltungsrat der Deutschen Reichsbahn hat beschlossen, im Falle der Verbindlichkeitscrklärung des Schiedsspruches im Eisenbahnlohnstreik bei der Reichs- cegierung eine Tariferhöhung zu beantragen, die der Neichsbahngesellschaft für die seit dem Inkrafttreten des Schiedsspruches neu erwachsenen Personalausgaben von ungefähr 55 Millionen Mark jährlich die finanzielle Deckung geben füll. Der Verwaltungsrat sah sich zu diesem Entschluß ge zwungen, da die Verhandlungen über eine anderweitige Deckung der Mehrausgaben keine Aussicht aus Erfolg boten. Eine weitere Drosselung der Sachausgaben, die heute schon unterhalb der normalen Anforderungen liegen, kann im Interesse der Aufrechterhaltung der Betriebs sicherheit nicht mehr verantwortet werden. Der Generaldirektor wird daher namens der Deutschen Reichsbahngesellschaft bei der Retchsregierung ven Antrag auf Tariferhöhung stellen." Die Regierung hat jetzt das Wort, ob sie der geplanten Verteuerung der Eisenbahnfahrten zustimmen wird, über oie Höhe der Tariferhöhung und den Termin des In krafttretens hat sich die Reichsbahn noch nicht geäußert. werden müssen —, steigen unter leichten Schwankungen bis 1965 auf 2,475 Milliarden, aber immer ausschließlich der Zins- und Amortisationszahlungen für die Dawes- Anleihe von 1924 sowie der noch gesondert an Belgien zu entrichtenden Zahlungen und — der Besatzungskosten, von denen man nicht weiß, wie lange sie noch dauern werden. Jene beiden andern betragen zusammen Wohl etwa 100 Millionen, die also 37 Jahre hindurch zu dem unaufschiebbaren Teil der Annuitäten hinzuzurechnen sind. Nach diesen 37 Jahren sinken die Zahlungen von 1,6 Mil liarden bis auf 897 Millionen 1986/87. Bekannt ist es schon, daß die Sachlieferungen binnen zehn Jahren gänzlich aufhören, übrigens jetzt gleichfalls der Oberauf sicht der Reparationsbank unterliegen. Ein besonderer, der neunte, Teil behandelt dann die „Liquidierung der Vergangenheit", d. h. die weitere Behandlung der Liquidationen deutschen Eigen tums im Ausland. Damit solle jetzt endlich Schluß gemacht werden, allerdings nur, soweit diese deutschen Güter und Werte nicht bereits liquide oder liquidiert sind oder soweit nicht endgültig darüber verfügt worden ist. Da bleibt nicht mehr viel übrig, und auch England, das von dem betreffenden Artikel des Versailler Vertrages den meisten Nutzen zog, ist mit der restlosen Durchführung dieser Liquidierung gerade fertig. Wir können aber jetzt wenigstens nicht mehr haftbar gemacht werden, wenn Österreich, Ungarn oder Bulgarien die ihnen auferlegten Reparationszahlungen nicht leisten. Sehr eingehend behandelt der zehnte Abschnitt die Frage der Kommerzialisierung und Mobilisierung eines Teils der deutschen Jahreszahlungen. Die hierfür aus gestellten Schuldverschreibungen sind mit einer Garantie verpflichtung des Reiches und seiner Länder versehen und bestimmte, von Deutschland selbst zu bezeichnende Zölle und Verbrauchsabgaben sollen noch eine Art „nega tiven" Pfandes abgeben insofern, als die Einnahmen aus ihnen nur mit Zustimmung der Reparationsbank verpfändet werden dürfen. Nach einer Gegenüberstellung der wichtigsten Unterschiede zwischen dem neuen und dem bis herigen Plan kommt der Bericht zu der Schluß bemerkung, daß der neue, endgültige „innerhalb der Zahlungsfähigkeit Deutschlands liege", allerdings unter dem Vorbehalt, daß nur ein wirkliches Zusammenarbeiten der Gläubiger und des Schuldners den Plan zur Durch führung bringen kann.