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Wilsdruffer Tageblatt : 28.05.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-05-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192905282
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19290528
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19290528
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-05
- Tag 1929-05-28
-
Monat
1929-05
-
Jahr
1929
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 28.05.1929
- Autor
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Wilsdruffer Tageblatt I 2» Blatt. — Nr. 12t - Dienstag, 28 Mai 1929 I Tvigesspruitz. Ob ber Frühling wonnig blüht, Ob der Sommer sonnig glüht, Ob es herbstlich rauscht im Walde, Ob hm über Flur Md Halde Auch des Winters Spuren gehn: In der Heimat ist es schön. Fr. Nagler. Jie denkende Iryade. Von vr. mack. Friedrich Drexler. Im Tagebuch des unsterblichen Verfassers der „Diäteti! der Seele" findet sich ein trotz allem Fortschritt der Medizin ewig wahr bleibender Satz: „Das Geheimnis, sein Leben zu verlängern, besteht darin, es nicht zu verkürzen." Es gibi tausenderlei Schädlichkeiten und Gefahren, ja, es gibt über haupt nichts, wodurch man das Leben unter gewissen Bedin gungen nicht verkürzen könnte, denn auch im menschlichen Organismus gilt das Relativitätsgesetz. Greifen wir aus den so verschieden wirkenden Dingen eine für den Lebensprozeß besonders wichtige Gruppe heraus, die Genußmittel, und aus ihnen den Kaffee. Alle Experi mente an Tieren und Menschen, alle kritischen Studien, alle populär-wissenschaftlichen Auseinandersetzungen haben die zwei volkstümlichen, allzu volkstümlichen Kaffeephrasen, von denen die erste sogar in juristischem Urteil spukt, noch nichl zum Schweigen gebracht. Die erste lautet: „Dem Gesunden schadet Bohnenkaffee nicht." Im Munde eines modernen Sokrates klänge dieser Satz ironisch. Der Gegner würde vor allem zu einer Bestimmung des Begriffes „gesund" und dann ö" Zugeständnis gezwungen, daß es Gesundheit als ge- s'chcrtes Erbgut gar nicht gibt. Ein Sokrates von heute hätte nämlich langst etwas lauten hören, nicht nur von angeborener Immunität, sondern auch von jeder Zeit überall und auf verschiedenerlei Weise crwerbbarer Allergie Idiosynkrasie, Diathese, Prädisposition, d. h. Ueberempfindlichkeit, beson ders für gewisse Gifte lauernde Krankhcitsbereitschaft des Organismus oder einzelner Organe. Diese keineswegs hypothetische, wenn auch noch nicht ganz klar durchschaute und vorderhand „Qualitas occulta" zu nennende zeitweilige gelegentliche Empfindlichkeit und Emp fänglichkeit ist denn auch das dominierende Moment für das Verständnis der eben natnrnotwendigcn Tatsache daß cs immer einen Zeitpunkt gibt, von wo an sich Schädigungen durch Gifte auch beim vorher wirklich Gesunden nicht mehr oder nicht mehr genügend ausgleichen. Und um dieses Aus gleichen handelt es sich. Mit Empfänglichkeit für Schädlichkeit beginnt, streng genommen, jede Krankheit, die Disposition ist bereits ein ab normer Zustand. Wem diese auf Berdeutlichung der Be griffe ruhende Logik einleuchtct, für den ist die Phrase „Bohnenkaffee schadet dem Gesunden nicht" eigentlich schon aci absurdum geführt- , „ . . .. Der Vollständigkeit halber soll hier indessen noch einmal ganz kurz auf bekannte Zusammenhänge hmgewiesen werden. Koffein ist ein auch vielen Gesunden den Schlaf verscheuchen des Alkaloid (Erregung der Großhirnrinde). Der Schlaf gibt aber die einzige Möglichkeit, Ermüdung restlos auszuheben. Ohne Schlaf keine Erholung. Andererseits wirkt das Alka loid Koffein auch beim Gesunden auf die Arterien verengend und blutdrucksteigerns. Häufig erhöhter BllUdruck ruft bei temporärer Disposition in der inneren Schicht der Wan dungen Verdickungen, Entzündungen, Zelldegenerationen hervor. Durch häufige Verengerungen leiden dre Blutgefäße, von denen Ernährung und Erneuerung der Arierienwande abhängen. Die große Bedeutung und -eichte Schädigung dieser "kleinen Blutgefäße wird stets zu tmma betont. Vom Circulus vitiosus kann sich jetzt auch der vorher Ahnungslose ein Bild machen. . . Die zweite Phrase hört sich Wie em ,,-wber sterben als auf jeden Genuß verzichten. -?Ästet schr^ km et nunc mcht gern auf den Genuß ve z l ,1) apr- scheinlich ist, daß man auch später noch . EvikuE Die Helden der zweiten Phrase nennt man cf kuraer. Sie sind jedoch nicht so weise wie o av Weber'sche Gesetz nicht kannte, wohl aber ZE daß di Steigerung der Reize, um den Genuß auf Alei ? . y zu halten, etwas Bedenkliches sei, und seine D-° t'k und^Eth k danach richtete, Steigerung, der Reize bedeute Seine blinde Fran Originalroman von Gert Nothberg. ) 16. Fortsetzung Nachdruck verboten ' . "Auwhl, von "llem bin ich unterrichtet. Auch bavon, daß Furst Albinoso dein kostspieliges Leben bezahlt. und ich Tor, ich dreifacher Tor, wollte dich zu meiner Gattin machen. Ich sah in dir eine reine, edle Frau, mit der ich glücklich werden wollte mein Leben lang. In welchen Schmutz habe ich blicken müssen." Halt klang Marias Stimme: „Ich habe nie eine Heirat > verlangt. Daß du daran dachtest, dafür fühle ich mich nicht ' verantwortlich. Mir gefällt mein Leben so wie es ist, ich ver lange nichts Besseres. Ich glaubte, du seiest anders als deine ! Landsleute. Schon während meines Aufenthaltes in Deutsch- land gingen mir die Menschen mit ihrer Engherzigkeit und Pedanterie auf die Nerven." Goldig schimmerten die schö nen Augen bei diesen höhnischen Worten. Eschingen wußte plötzlich: Hier hatte die Natur einen Zwiespalt geschaffen, wie er nicht größer sein konnte. Die ! wundervollen Augen, das kühle, vornehme Gesicht, die wohl tuende sichere Ruhe ihrer Bewegungen deuteten auf die echt ! vornehme, edle Natur der Frau. Und welch ein Abgrund ! von perverser Sinnlichkeit und Begierde wohnte hinter dieser j täuschenden Maske. Wie eine Larve erschien ihm plötzlich das schöne Gesicht. . - Sie trat auf ihn zu. „Sei kein Tor, schön ist das Leben, schön ist die Liebe. Laß die ewigen Pflichten und Rücksichten auf andere. Ich brauche heiße, glühende Liebe, sonst gehe ich zugrunde. Ohne Leidenschaft kann ich nicht leben. Ich liebe dich, sei wieder gut." Er stieß sie brutal zuruck. „Dirnen gibt es in Menge. Das muß dann nicht immer dieselbe sem." Wie eine Furie stand sie plötzlich vor ihm. „Das werde ! ich dir heimzahlen." Dann lachte sie plötzlich heg ^f. „Was i rege ich mich auf? Ein Mann, der sein blindes Weib in Deutschland sitzen läßt und ins Ausland reist, um sich nach nutzmitteln größere Quantität und Konzentration. Die funk tionelle Diagnose der dadurch oft verursachten Gesundheits schädigung Pflegt man selbst zu stellen. Zur Umkehr ist dann höchste Zeit, aber sie fällt wegen der Enthaltsamkeit schwer; wenigstens ist es so beim Alkohol und Tabak. Hinsichtlich des Bohnenkaffees liegen die Ver hältnisse jetzt jedoch anders seit und dank dem glücklichen Er eignis der zweiten Entdeckung der Kaffeebohne, Durch die sie ein ebenso harmloses wie köstliches Genutzmittel wurde. Ja, wir möchten zu ihrem Preis fast einen schönen Mythos zu Ende dichten. Vielleicht ist der Gedanke, aus den Samen des Kaffeebaumes das Gift heraus zu ziehen, um ihn den Menschen nützlicher und heiliger zu machen, die Eingebung eines der in Bäumen und Sträuchern wohnenden, mit ihnen leidenden und sterbenden Wesen, der Dryaden. „Aber", werden da Stimmen laut, „das Koffein ist es ja gerade, das der Sportsmensch, der Artist, der Journalist, der Gelehrte, wenn es auch schädlich ist, doch zuweilen unbe dingt braucht, um die körperlichen oder geistigen Funktionen bis zum Ziel zu steigern. Wir antworten: Neuere psycho technische Versuche haben ergeben, daß Kaffee die körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeiten erhöht, daß es aber nich! das Koffein ist, das diese Wirkung ausübt, sondern daß es anscheinend die Röstprodukte sind. Die gewünschte Leistungs steigerung tritt also auch bei koffeinfreiem Kaffee ein. Lugendherbergen und Schuljugend. Durch Verordnungen des Volksbilduugsministeriums sind für die sächsischen Schulen Wander- und Marschtagc vorgeschrieben, durch die das Wissen nnd der Gesichtskreis der Schüler und Schülerinnen vergrößert und durch die zum anderen unsere Schuljugend körperlich gekräftigt wer- ED soll. Je mehr Fläche und je größeren Naum die Asphaltstraßen und die Steinbauten der Städte ein nehmen, desto nötiger ist es, daß die Jugend ins Freie ge fuhrt wird. Jedoch nicht nur unsere Stadtjugend muß hinaus ins Freie, in sonnige Feldern oder in den deut schen Märchenwald, nein, auch die Landjugend muß Ge legenheit haben, Gutes aus den Städten zu schöpfen. Deshalb müssen Unterkünfte in den Wandergebietcn Sachsens und in seinen Großstädten geschaffen werden. Gebiete, die erwandert wurden, bleiben tausendmal besser im Gedächtnis unserer Schuljugend als solche, über die nur gesprochen oder gelesen wurde. Da sür all die jugendlichen Wanderer das Uber nachten im Freien oder in den Scheunen freundlicher Bauern nicht in Frage kommen kann, wurden die Jugend herbergen geschaffen, die heute in ganz Deutschland und in den Grenzländern, in den Gebieten des Auslanddeutsch- tums, verteilt und zahlreich eingerichtet sind nnd dennoch nicht reichen ober verbessert werden müssen. Deshalb wurde vor zehn Jahren der Rcichsverband Deutscher Jugendherbergen gegründet. Für die freien jugendlichen Wanderer und vor allem für unsere Schulklassen, die zwei Drittel aller Herbergsbesucher stellen, sind die Jugend herbergen einwandfreie und sichere Unterkunftsstätten bei Wanderungen von Ort zu Ori geworden, oder sie dienen ihnen als "Standquartiere zum gründlichen Kennenlernen einer besonderen Landschaft oder eines Wirtschaftsgebietes oder zur Erholung, besonders beim Wintersport. Der Notwendigkeit des Herbergswerkes sür unsere Jugend sollte sich heute niemand mehr verschließen. An dieser Arbeit mitznhelsen, sollte jeder nach seinen Kräften bereit sein. Arbeit für die Jugend ist wichtigster Dienst an unserem Volke. Es gilt unsere deutsche Schuljugend zu kräftigen, sie gesund zu erhalten und lebensstark zu machen, Natursinn und Heimatliebe sollen in ihr rege sein, daraus wird ein Bekennen zu deutscher Heimat erwachen. Deutscher Mietertag in Mainz. Entschließungen. Die Delegierten zur 24. deutschen Mietertagung haben eine Reihe von Entschließungen angenommen, in denen u. a. die Berücksichtigung der Interessen der Mieter im Entwurf zum Gebäude-Entschuldungssteuergesetz sowie die Anpassung der Mieten für Neubauwohnungen an die der Altwohnungen und Überwachung der Mieten für Neubauwohnungen gefordert wird. In einer weiteren Entschließung heißt es, daß der Mietertag in dem vom Ständigen Beirat für Heimstättenwesen erstellten Ent wurf zum Wohnheimstättengesetz eine geeignete Grund lage erblickt. Weiterhin begrüßt der Mietcrtaq die Er klärung des Reichsarbeitsministers, daß die Regierung entschlossen sei, in kürzester Zeit dem Reichstag einen Gesetzentwurf zur Revision der Bestimmungen des Artikels 155 der Reichsverfassung vorzülegen. Schließ lich spricht eine Resolution die Erwartung aus, daß Reichs tag und Reichsregierung rechtzeitig um Ersatz des mit wem 31. März 1930 außer Kraft tretenden Mieterschutz- und Reichsmietengesetzes besorgt sind. GoziaZdemokraiischer Aeichsparieiiag. Sonntag und Moniag. Ncbcn dcr Ingcndkundgebung sanden am Sonntag in Magdeburg mehrere Sitzungen über innere Angelegen heiten stau. So mgle die Arbeitsgemeinschaft sozialdemo kratischer Lehrer. Durch die Straßen der Sladl wurde von ocn Organisanoncn und den Teilnehmern am Parteitag ein ilmzug veranstallel. Der Vorbeimarsch des Zuges ver von den Mitgliedern des Vorstandes Crispien und Tillmann und den Präsidenien des Rcichslages und des Preußischen Landlages. Löbe und Barielss geführt wurde, nah«! mehr als zwei Stunden in Anspruch In dem Ehrenhos des Ausstellungsgeländes fand anschließend eine Massenversamm lung stau. Reichskanzler Müller wandle sich in seiner Ansprache besonders gegen den Vor wurf. daß die Ärbeilcrklasse nichl nalional sei Verdanke man es doch gerade der Sozialdemokralie, daß das Reich nichl zusammcngebrochen sei Eine wahre Volksgemeinschaft aber werde es erst dann geben, ivenn die klassenlose Gesellschaft urichlcl sei nach dem Siege des Sozialismus. Der preußische Ministerpräsidenl Braun betonte, daß der Parteitag in erster Linie eine Rückschau sei. Tiefe Impulse müßten von ihm ausgehen, um Begeisterung zu erzeugen für die Ziele aer Partei. — Weitere Ansprachen schlossen die Kundgebung Die eigentliche Eröffnung des Parteitages wickelte sich nachmittags in der Magdeburger Siaülhalle ab. Reichskanzler Müller, Reichsinncnmin'ster Severing, Reichsfinanzminister Hilferding, der preußische Minister präsident Dr. Braun, der preußische Innenminister Arzesinski, ferner ver Partcivorsitzende Wels, die Ab geordneten Scheidemann, Breilscheid, Crispien und zahlreiche andere Parlamentarier waren zugegen Nach einigen Be grüßungsreden sprach Parteivorsitzender Wels. Er rechl- ferligie den Eintritt der Partei in eine Koalitionsregierung und die Haltung der Partei gegenüber oen Kommunisten. Wels ertnnerie an vle Verhandlungen in Parts und wies Sarans hin, daß Deutschland in seinen Entschlüssen noch nicht frei sei Wir müssen mil ver Tatsache rechnen, sagte er, die durch keinen Parteibeschluß aus der Welt geschafft werden kann, daß ein erheblicher Teil der Arbeit und der Produktion des deutschen Polkes nicht dem allgemeinen Wohl des eigenen Landes, sondern Jahrzehnte hindurch den Reparattons- gläubigern zusließr An ver Arbeitslosenversicherung lasse die deutsche Arbeiterschaft, lassen sie vculschen Gewerkschaften und die Sozialdemokrattsche Partei nicht rütteln Nach der Rede von Wels wurde das Bureau ves Partei- mges gewähli. Zu Vorsitzenden des Parteitages wurden ge wählt der Parieivorsitzende Wels und Stadlrat Wittmaack- Magdebnrg. Nachdem noch ein Vertreter der Sozialdemo kratischen Pariei Österreichs und ein Vertreter der Sozialisten Frankreichs ven Parteitag namens ihrer Parteien begrüßt hatten, wurde die Eröffnungssitzung mit der Absingung der Internationale geschlossen. Der Bericht des Parteivorstandcs wurde Montag früh in der ersten Arbeitssitzung erstattet, nach dem zahlreiche Vertreter ausländischer Parteien zu Wort ge- kommen waren Das Vorstandsmitglied Vogel, das den Bericht wiedergab. sühne u. a. aus: Das erste Jahr Regierunastätigkeit war gewiß nicht geeignet, Begeisterung für Lie Beteiligung der Partei an der Negierung auszulösen. Es gibt aber nur zwei Möglichkeiten: eine rein bürgerliche Regierung oder eine Regierung, in der vie Sozialdemokraien möglichst stark vertreten sind. Für die Neichstagssraktion liegt in der Panzerkreuzerfrage bereits eine klare Entscheidung vor. Sie wird auch die zweite Nate ablehnen. Würde man die sozialdemokratischen Minister zwingen, mit der Fraktion zu stimmen, so würde das ein Ausscheiden der Minister aus der Regierung bedeuteir. Eine neue Dauerkrise schlimmster Auswirkung wäre die Folge. Der Parteivorstand beantragt deshalb, alle Anträge, die sich mit dem Panzerkreuzer beschäftigen, abzulehnen. Der Redner teilte weiter mit. daß zur besseren Propagierung des Agrarprogramms der Partei eine dem Parteivorstand an gegliederte Zentralstelle geschaffen werden soll. Im Verlaus der Sitzung des Sozialdemokratischen Partei tages berichtete Abg. Konrad Ludwig über die Kassen- verhältuisse. Die Berichte der einzelnen Bezirke hätten überall eine Zunahme der Zahl der Mitglieder ergeben. An Vertretern im Reichstag, in den Landesparlamenten, Provinziallandlagen, Kreistagen, Stadt- und Gemeindeparlamenten zählt die Partei insgesamt 44 000, seiner 889 Bürgermeister, 897 Gemeindevor steher und 520 Siadträie. Die sozialdemokratische Presse in Deutschland umsaßl 196 Zeitungen. Der Mitgliederbestand der Sozialdemokratischen Partei betrug am 1. April 949 806 bei tragzahlende Mitglieder, darunter mehr als 200 000 Frauen. Gegenüber dem Kieler Parteitag hat sich der Milgliederbestand um 126 000 vermehrt. Herzenslust zu amüsieren, der hat kein Recht, mich zu be schimpfen." Klar klang Eschingcns Stimme: „Jutta weiß nicht, daß ich um einer Dirne willen frei sein wollte. Nimm das Un glück dieser reinen Frau nicht in deinen Mund, sag ich dir!" . Schrill klang plötzlich der Sängerin Stimme: „Hast du mich gefragt, wodurch ich so geworden? Verkauft hat mich wein eigener Mann um schnöden Mammons willen an den Fürsten. Das wußte deine Auskunft allerdings nicht. Einem solchen Mann braucht man nicht treu zu sein. Ich spiele nur noch mit den Männern, charakterlose Schwächlinge sind sie alle, alle. Meine Vergangenheit konnte mich so wie so jede Stunde in deinen Augen zuarunde richten. So war ich auch wr nicht treu. Jetzt weißt du, wer mich auf diese Bahn ge stellt. Leidtragende sind einzig und allein die Kinder, die solche Eltern ihr eigen nennen. Was stehst du noch hier? Ich bin eine Dirne in deinen Augen und weil du mir das ge sagt, werde ich dich hassen." Sie wandte ihm den Rücken. Er sah nicht, wie eine große Träne niederfiel aus den schönen Augen dieser verlorenen Frau. Er fand kein Wort mehr für sie. Er war fertig mit ihr für alle Zeiten. Aber nun sie ihm ihr verlorenes Leben ins Gesicht geschrien, klang leise eine Saite in seinem Innern für diese Frau, die er so heiß geliebt und die er doch nun verachten mußte. Nie aber sollte ein Weib noch einmal derartig einschneidend in sein Leben eingreifen, das war sein fester Entschluß. Leichtsinnig und heiter die paar Jahre genießen, die man auf dieser erbärm lichen Welt herumstieg, und dann fröhlich Schluß. 8. Kapitel. In weißen Leinenanzügen und sonnenverbrannten, fri schen Gesichtern standen Karl Heinz und Fritz von Salbern auf den Stufen eines Landhauses in Louisiana. Nach mehrwöchentlichem Aufenthalt bei Morlands in Chicago waren sie, einer erneuten Einladung Folge leistend, mit Morlands noch auf deren Landgut gereist. Der Millio- när besaß hier ausgedehnte Pflanzungen. Kaffee und Mais. Unzählige Schwarze arbeiteten hier. Ethel war in ihrem Element. Täglich frühzeitig saß sie. im Sattel. Sie ritt aus den Feldern herum, die Schwarzem hingen bald alle an ihr. Die alten Neger und ihre Frauen kannten sie alle längst, aber auch diejenigen, die noch Neu linge waren, liebten gar bald das lustige Geschöpfchen. Morland ließ sie gewähren. Er bezahlte seine Schwarzen! gut. So blieb er von den Meutereien, die in Südamerika auf; fast allen Pflanzungen Mode waren, verschont. Wurde ein Subjekt entdeckt, welches von irgendwo hergeschickt worden war, um die Schwarzen auf Morlands Besitzungen aufzu wiegeln, so verrieten diese den Kerl selbst und schleppten ihn zum Aufseher. Die Hauptverehrung hatte sich Morland sei nerzeit erworben, als er dazugekommen war, wie ein noch ziemlich junger Aufseher auf einen alten Neger einschlug, welcher schon lange auf der Pflanzung treu gearbeitet hatte. Die Reitpeitsche nehmen und den brutalen Menschen an Ort und Stelle verprügeln und davonjagen, war eins. Ethel aber? ging und trug in die Wohnung des Schwarzen verschiedene! Lebensmittel. So war ein gutes Verhältnis gediehen zwischen' Herrn und Dienern. Heute nun warteten die beiden jungen Herren mit dem zweiten Frühstück auf Ethel, die sich ausnahmsweise verspätet' hatte. Morland war auf eine Nachbarpflanzung geritten, da ihn der Besitzer um eine geschäftliche Unterredung gebeten hatte. Der noch junge Mann war vor etlichen Jahren mit dem Pferde so unglücklich gestürzt, daß er eine Verstauchung des Rückgrates davontrug und dauernd siech blieb. Er besaß eine liebe Frau und zwei reizende kleine Mädels. Die letzteren waren Ethels ganze Wonne. Als wenn sie selbst noch ein Kind wäre, so tollie sie mit ihnen umher. Sie schleppte ihr teuerstes Konfekt herbei und fütterte so unvernünftig lange m die beiden Flachsköpfe hinein, bis beide an verdorbenem Magen zu Bett gebracht werden mußten. Neulich waren Morlands mit ihren Gästen zum Geburts tag der jungen Pflanzersfrau geladen. Da hatte Ethel sich dann im Garten mit den Kindern herumgekugelt. (Fortsetzung folgt.)
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