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Wilsdruffer Tageblatt : 17.05.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-05-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192905175
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19290517
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19290517
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-05
- Tag 1929-05-17
-
Monat
1929-05
-
Jahr
1929
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 17.05.1929
- Autor
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Wilsdruffer Tageblatt 2. Blatt. - Nr. 118 - Freitag, 17. Mai 19L9 Tagesspruch. Weitz steht im roten Grunde Ein Kreuz so hell und mild. Die Menschenlieb' im Bunde Zeigt sich in diesem Bild. G. Zieschang. Ser Reichstag bis 3. Zum vertagt. Die wirtschaftliche Hilse kür Ost Preußen. Berlin, 16. Mai. Das Pfingstfest rückt eilig heran, die Abgeordneten haben ihre Koffer gepackt und harren der Ferienankündigung im Reichstagshause, um alsbald in die Arme der geliebten An gehörigen zu eilen, alle Bosheit der politischen Gegner für eine Weile zu vergesst«, dafür milde Pfingstblümchen aus heimat licher Flur zu sammeln und süßes Festgebäck aus der eigenen Küche der holden Gemahlin zu knabbern, statt gallige Redens arten verbissener Parteiseinde schlucken zu müssen. Also fried liche Stimmung an diesem letzten Tage, denkt der Uneinge weihte. Weit gefehlt! Während der Pfiff der bald absahren- denden Lokomotive sozusagen schon in der Luft schwebt, ge raten eine Anzahl temperamentvoller Kampfhähne noch ein mal in Streit, als es sich um die Zustimmung zur Straf verfolgung einiger Herren von den Nationalsozialisten und den Kommunisten handelt. ' Mit Ordnungsrufen und zeit weiligen Ausschließungen sucht der Präsident zu beschwichtigen Er kann es nicht verhindern, daß hier und da mit übelduftender Ausdünstung eine in guten Salons ungewöhnliche Verball- injurte an der Saaldecke oder am gesetzgeberischen Haupte des Betrofsencn zerplatzt. Dann schafft die Abstimmung Ruhe Ein Kommunist wird unter Widerspruch seiner Freunde und der Nationalsozialisten, ein weiterer und ein Nationalsozialisi gegen den Willen auch der Deutschnationalen und der Christ lich-Nationalen Bauernpartei dem begehrenden Arm des Richters ausgeliefert. Nun ist die Tatkraft erschöpft. Die wirtschaftliche Hilfe für Ostpreußen, der Beistand für die Schichauwerft erhalten schnelle Zustimmung . . . Dann er schallt Abschiedsläuten. Herr Löbe entläßt seine Schutz befohlenen mit freundlichen Wünschen zu Pfingsten. Am 3. Juni hofft man sich wiederzusehen. io. * Sitzungsbericht. <74. Sitzung.) 68. Berlin, 16. Mai. Angenommen wird in allen drei Lesungen das Luftver- !ehrsabkommen mit den Niederlanden. Der Gesetzentwurf iber die weitere Hinausschiebung der Bindung der Länder Md der Gemeinden an die nach dem Reichsbewerlungsgesetz estgestellten Einheitswertc findet ebenfalls Annahme. Nachdem diese Sachen verabschiedet sind, wird es ziemlich ebhaft im Hause, als die Anträge des Geschäftsordnungs- Msschusses zur Genehmigung von Strafverfolgungen »er Abgeordneten Bertz und Florin (Kommunist) sowie Strasser (Nationalsozialist) wegen Beleidigung zur Ver handlung kommen. Weiter wird beantragt in einem weiteren Falle die Vor führung des Abg. Strasser. Sofort zeigt sich größere Unruhe bei den Nationalsozialisten und den Kommunisten. Abg. Dr. Frick (Nationalsoz.) beantragt, den Fall Strasser von der Tagesordnung abzusetzen, was jedoch abgelehnt wird. Abg. Pieck (Komm.) protestiert gegen die Aufhebung der Immunität des Abg. Bertz. Abg. Dr. Frick (Nationalsoz.) bestreitet, daß der Abg. Strasser die Immunität mißbraucht habe. Da die Nationalsozialisten in lebhafte Erregung ge raten, erhalten nacheinander Dr. Frick, Dr. Göbbels und Reventlow wiederholte Ordnungsrufe. Abg. Frick redet weiter über die Zeit hinaus und wird vom Rednerpult verwiesen. Als der sozialdemokratische Abg. Heilmann zu sprechen beginnt, erhebt sich großer Lärm. Nationalsozialisten und Kommunisten bedenken ihn minutenlang mit Zurufen: »Barmat". Die Nationalsozialisten Frick und Göbbels werden wegen grober Beschimpfungen von der Sitzung ausgeschlossen. Der Redner Heilman erklärt, es sei ein grober Mißbrauch der Immunität, wenn Abg. Strasser für zehn Zeitungen verant ¬ wortlich zeichne Und sich dabet der Immunität bedienen wm. Abg. Stöhr (Nationalsoz.), der Heilmann zuruft, er sei des Meineides verdächtig, wird von der Sitzung ebenfalls aus geschlossen. Während seiner weiteren Ausführungen erhält auch der Abg. Heilmann einen Ordnungsruf, da er den Kommu nisten und den Nationalsozialisten vorwirft, sie erstrebten mit der Immunität das Vorrecht strafloser Verleumdung. Die Strafverfolgung der Abgg. Bertz (Komm.), Florin (Komm.) und Strasser (Nationalsoz.) wird genehmigt. - Nunmehr erfolgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfes über wirtschaftliche Hilfe für Ostpreußen. Abg. Gottheiner (Dtn.) bittet um Annahme der Vorlage und um schleunige Durchführung. Abg. Neumann (Ztr.) will außer der Vorlage die moralische Unterstützung der Negie rung und des Reichstages für Ostpreußen. Abg. Hörnle (Komm.) bringt Anträge ein, die die Lage der Kleinbauern verbessern sollen. Reichsernährungsminister Dietrich: Die schlechte Finanzlage des Reiches habe es nicht ermög lichen lassen, noch größere Mittel für Ostpreußen auszu werfen. Doch die Hilfe fei immerhin beträchtlich. Im Zu fammcnhange mit dem preußischen Vorgehen betrage die Lastcnscnkung für die ostpreußische Landwirtschaft 40 Prozent Bei Besserung der Reichsfinanzen könne die Hilfe noch weiter ausgebaul werden auf notleidende Gebiete im Osten. Die Grenzmark Posen-Westpreußen ist hier besonders ins Auge zu fassen. Die Siedlungsmöglichkeit soll erweitert werden. Eine Bevorzugung des Großgrundbesitzes wolle man auf leinen Fall eintreten lassen. Abg. Hillebrand (Deutsche Bauernpartei) spricht Wünsche aus für die besondere Förderung der Anlegersiedlungcn. Abg. Hanse (Christl.-Nai Bauernpartei) äußert Unzufrieden heit mit dem neuen Staalskommissar für Ostpreußen. Dieser sei parteipolitisch eingestellt Nunmehr erfolgt die Abstimmung und die Vorlage über die Ostpreußenhilfe wird in zweiter und dritter Lesung in der Ausschußfassung angenommen. Das Haus verabschiedete sodann den Gesetzentwurf über die Sanierung des Schichan-Unternehmens. Die Reichsregierung wird darin ermächtigt, einen einmaligen Barbelrag von 14 Millionen und einen lausenden Zuschuß von 2,34 Millionen für die Werft aufzuwenden. Das Haus wendet sich nun der Fortsetzung der Aussprache zum Haushalt des Rrichsernährungsministeriums zu. Abg. Willickens (Nai.-Soz.) verlangt alsbaldige Ein stellung der Reparationszahlungen an das Ausland. Diese Verpflichtungen hätten die Not der Landwirtschaft verursacht. Abg. Dorsch-Hessen (Christl.-Nat. Bauernp.) will unbe dingt baldige Einführung von Schutzzöllen. Eine Revision der Sozialgesetzgebung sei dringend notwendig. Der Redner schließt mit einer Ermahnung zur Schaffung einer großen und einheitlichen Bauernpartei. Daraus wird die Beratung abgebrochen und das Haus ver- !agt sich bis Montag, den 3. Juni. Lm höchsten Erzgebirge. Eine Frühlings Wanderung. Annaberg, die alte Silberbergstadt, soll Anfang einet Erzgebirgswandcrung sein, die uns über die ungekrönten Bergkönige des Gebirges Pöhlbcrg, Fichtelberg, 'Keilberg führt. Der Zug dampft durch das düstere, eigenwillig ge wundene Tal der Zschopau, das ist „die Wilde", mit brauner. Felsen und dunklen Nadelwälder», rotgiebeligen Kleinstädter und Burgen, die altersgrau aus den Wolken herabgrüßer (Wolkenburg) ins Tal, wo die Werke der Papierindustrn stehen wie Burgen der Neuzeit. Abends kommen wir ir Annaberg an. Ein bezauberndes Bild: aus dem abend- dämmerumwobenen Sehmatale, aus dem weiß die Abendnebel steigen, blitzen unzählige funkelnde Lichter am Berghang. Dic höchsten scheinen am Himmel zu hängen. Es ist Buchhol: mit seinen übereinandergestaffelten Berggassen. Am anderen Morgen. Siegreich ringt sich die Morgen sonne durch die dichten Morgennebel. Aber dann flutet's wir eitel Gold über die grüne Bergwelt des Gebirges. Die Bergt stehen in flammendem Feuer. Still und morgenverschlafer sind noch die Berggassen mit ihren einförmigen Häusern. Au Markt steht Barbara Uttmann, die große Wohltäterin unt Spitzenklöpplerin des Gebirges, vor dem Rathaus. An de» mächtig hochragenden St. Annenkirche vorbei, dem größter Schatz des Erzgebirges, dic just renoviert worden ist, schlagcu wir den Weg zum Pöhlberg ein. Zwischen den grüne: Mauern dez Fichten geht es stetig bergauf. (JnlWinier sause:: hier die Rodelschlitten bergab!) Erfrischend der Harzgerucl des morgendlichen Nadelwaldes, die große Stille des tau frischen Morgens. Ein reizvoller Rundweg führt um der Pöhlberg herum. Köstlich das immer wechselnde Bcrabitt über dic gespenstisch im grünen Tale geisternden Nöbcl- schwaden, über das anmutige Mosaik der Bcrgäcker, über dic von schimmerndem Blütenweiß umwobenen Gcbirgsdörfer im Talgrün, über die wie Bergaltäre unvermittelt aus der Land schaft wachsenden Tafelberge und Spitzberge vor dem mäch tigen den Horizont begrenzenden Kamm des Erzgebirges. Auf der nach Weiperl führenden Höhenstraße, das nächste Ziel immer im Blick, erreichen wir den Bärenstein. Waldbcrgaus im Sonnenschein, bis wir aus dem Turm des Bärensteins stehen. Der Blick schweift über das sonnc- gleißende Gewirr der Schieferdächer einer ganzen Anzahl kleiner Städte. Greifbar nah ist der Gebirgskamm mit den Bergriefcn Keil- und Fichtelberg gerückt. Bergabgestiegen kommen wir an den typischen erdver wachsenen Häuseln auf spärlichen Feldern vorüber. Dann be ginnen die meilenweiten Fichtenwälder. In der Waldeskühlc ist's gegen Mittag ein fröhlich Wandern. Lichtübergossene Schonungen öffnen sich, flüsternd raunen die geheimnisvollen Stimmen des Waldes. Aus der „Dorsstraße" kommen wir, immer im Nadelwald, nach Kretscham-Rothen se hm a, dic Handvoll Anwcscn wie ein Blüteittraum in der Wucht der Bergwälder. An einem klaren Bergbächlein machen wir Mittagsrast. Nun ist der Fichtelberg, mit 1225 Metern der König des Sächsischen Erzgebirges, unser Ziel. Der Schweiß rinnt, ehe sein Gipfel auf der „Himmelsleiter" in der unbarmherzig brennenden Nachmittagssonne erstiegen ist. Mit dieser Himmelsleiter ist es nämlich merkwürdig: immer meint man, die letzte „Sprosse" dieses in Terrassen aufstcigendcn Weges erreicht zu haben, aber eine neue, und noch eine, und immer wieder eine neue Sprosse setzt sich aus die andere, bis mau schließlich glaubt, der Weg sei verhext! Aber es wird doch ge schafft! Wir sind aus dem Fichtelberggipfel. Die Fichten sind verkrüppelt. Auf dem Bergplateau, wo neben dem Berggast haus die Wetterwarte steht, sand nun auch die Bergstation der Seilschwebebahn Platz. Reges Leben herrscht hier. Wander vögel, Touristen, einheimische Spaziergänger, Autos, Zelte. Und die Wagen der Schwebebahn bringen immer neue Scharen von Oberwiesenthal herauf. Drinnen im Berghaus erklingen heimatliche Erzgebirgslieder zur Zither; gern steckt man die Füße unter den Wirtstisch. Auch aus den Turm klettern wir: der Blick fliegt über unermeßliche Waldwipsel- slächen; drunten im Tal liegt spiclzeughaft klein Oberwiesen thal um die spitztürmige Kirche. Ins Böhmische hinüber ver sperrt das Keilbergmassiv den Blick. Zum Keilberg hinüber . . . An der Wetterwarte vor über führt der Prinzenweg immer auf der Höhe zwischen Fichten dahin. Bald wird der erst gutgewachsene Fichtenwald wieder krüpplig, sturmgebeugt, verwettert. Frohgemut streifen Wir dahin, die Lungen in der reinen Höhenluft weitend. Dann hören die Fichten aus. Das Neue Haus steht einsam am Wege, der wieder steigt. Verkrüppelt die Ebereschen. Die einsamen Sonnenhäuser. Nadelwald. Nach etwa eineinhalbstündlgcr Wanderung haben wir das Keilberghaus erreicht. In den Berghausräumen geht es lebhaft her. Daß wir in Böhmen sind, merkt man eigentlich nur daran, daß die Zeche in Kronen gefordert wird. Den Rodclbahnwcg zwischen schön gewachsenen Fichten, von denen jede einzelne dasteht wie eine Bcrgkönigin, wandern wir bergab, bis wir aus dem Walde heraustrctcnd Oberwiesenthal zu Füßen liegen sehen. Dann sind wir in den Berggassen von Deutschlands höchst- gclegcner Stadt. Als Luftkurort und Wintersportplatz ist Oberwiesenthal von gutem Ruf. Am baumumkränzten Markt platz steht die bunte Postmeilensäulc aus Augusts des Starken Zeiten zwischen Hotels und Kauslädenhäuscrn. Auch ein Alpenblumenbeet sicht man. Werktags kann man an den Fen stern der kleinen Hütten die fleißigen Spitzenklöpplerinnen sehen, wie sic mit behenden Fingern klöppeln. Rundum schauen die Wiesenhänge lind Bannwälder der beiden Berggipfel in die Bergstadt herein. Am Sporthotel ist die Zielstation der Schwebebahn; in den bequemen Wagen geht es leichter berg auf als aus der Himmelsleiter! Wieder Morgen . . . Bergaus auf der Straße zwischen Fichtel- und Keilberg. Prachtvoll ist der Rückblick über die Bergwelt. Wir wandern auf der Tellerhäuser Höhenstraße. Drüben liegt Goitesgab und der Spitz berg, Heimat des erzgebirgischen Liedersängers Anton Günther. An der Straße die Tellerhäuser, das höchstgclegene sächsische Dors. Bescheidene Berghäuser, durch deren Höfe von den Bergwäldern herabstürzende Bächlein eilen. Lange geht es durch Wald. Zuweilen stehen tannenumschirmtc Wirtshäuser an der Straße, an deren Tischen im Grün sröh- liche Zecher sitzen. Wandervögel kommen vorüber mit Sang Mi MmL vMc« venera OLE Eno^u L/v (44. Fortsetzung.) „Geht wohl schlecht mit dem Sprechen?" erkundigte er sich teilnehmend. Aber doch lag ein ganz leiser Vorwurf in dieser Frage. — Ohne eine Antwort zu erwarten, sagte er: „Wenn dem so ist, müßte ich eigentlich wieder heimgehen. Ich bin aber mein Leben lang nie selbstlos gewesen. Warum sollt' ich das auf meine alten Tage noch versuchen. Das sehe ich nicht ein und das verlangt mein Döchting auch nicht von mir, gelt? — Bald eine Woche schon hab' ich mein Sophilein nicht vlappern hören! Nicht lachen! Glaubst du denn Mädelchen, das wär zum Aushalten?! Ich hab' doch auch ein Herz." „Ach du," sagte Sophi und drückte ihr Gesicht auf seine Hand. „Hart ist die Hand, mein Liebes," fuhr er fort. „Gar nicht zum Anschmiegen. Hart und fest! Findest du nicht? Von der Arbeit ist sie so hart geworden. Von eines langen Lebens schwerer . . . und beinahe vergeblicher Arbeit! Bald hätt' ich Mir sie abhacken können. Bildlich gesprochen." „Warum denn das?" fragte Sophi ängstlich. „Nun sag, mein Kleines, was hält' ich noch gesollt in dieser Welt, wenn du gestorben wärst? Man hat doch ein Lebens ziel zu erstreben. Jeder von uns! Das meine warst du und bist es immer noch. — Und wenn das Ziel aus unserem Leben weicht, fortgeht, schwindet, ohne unser Zutun, ohne unsere Schuld, dann sind wir überflüssig geworden und unser Leben war . . . nichts!" Da kam es zaghaft, stockend von Sophis Lippen: „Ich — war — dein Ziel?" Er nickte und streichelte ihre Hand. Aengstlich vermied er, von Claus zu reden, sprach immer nur von sich. „Ja, Sophilein, schön als du noch ein kleines Mädchen warst, warst du das. — Wenn ich dich so daherkommen sah, wiegend, mit eng an den Körper gedrückten Armen und immer halb verwundert, als wolltest du sagen: Guck doch — wie schön ist die Welt, freu dich doch, daß sie so schön ist — wie dankbar bin ich, daß ich in dieser schönen Welt herum tappen darf so, wie es mir gefällt, da stellte ich mir das Ziel: Dieses kleine, liebe Busselchen muß mein Döchting werden. Damals schon, vor zehn Jahren!" ... . Gang leises Schluchzen war im Raum Sophi weinte und Mutter Liebetrau weinte auch. Auch den beiden Männern war es eigen ums Herz. Das sah man. Es zuckte auf in ihren Gesichtern. „Und als ich auf dem grünen Rasen lag," sprach Sohr weiter, „in Leipzig — weißt du's noch? — aus meiner Ohn macht erwachte und in deine lieben, treuen Augen blickte — in die treuen, Sophi — da wußte ich: das Ziel ist dein, dein Leben hatte einen Zweck, es war nicht umsonst gelebt Nun darfst du deine Hände schützend über Sophi Liebetrau halten, darfst mithelfen, ihren Weg durchs Dasein eben und gerade machen und darfst sie stützen, wenn sie deiner bedarf Das halt' ich mir so schön gedacht! - Was ich empfand, Sophi, als ich vor fünf Tagen erkennen mußte, daß die treuen Wagen getrogen und ein armes, kleines Herz in seiner Not den Sohr vergessen hatte? Das tat bitter weh. Da ging es mir. wie dir's jetzt geht: Ich war nicht mehr beisammen! . Er schämt sich nicht, es dir zu sagen, Sophilein: Der alte Sohr, der Schlagetot ... er hat geweint! Geweint, um wen? — Um ein kleines, dummes Mädelchen. das sein schönes großes Lebensziel war." „O du . . " hauchte Sophi. „Es ging so schnell," entschul digte sie sich. „Ich weiß nicht mehr, wie es geschah. — Sei mir nicht böse. Bater." „Wie könnt' ich das . . dir böse sein! Wir kleinen Men- ichen glauben uns wer weiß wie wichtig und sind doch nichts! Ein Dichter sagt: Wir glauben zu schieben und werden gescho ben. Kismet sag« der Muselman, wir sagen: Bestimmung Ein Größeres steht hinter uns und treibt uns Nichts tut es zwecklos. Auch dich, liebe kleine Sophi, ließ es nicht zweck los straucheln. Du mußtest tun, was du tatest, um einen anderen in die Knie zu zwingen, zu zerbrechen, schuldig zu machen. Das ist geschehen! — Ich glaube, daß die Stunde deines Unglücks einen Mann ->ebar." „Claus . .?" Nur dieses eine Wort sagte Sophi, aber im Ton dieses Wortes lchwang eine Skala'von Gefühlen. „Ich glaube es, Sophi und danke es dir! . . . Und noch ein anderes sollst du wissen. Es ist nicht minder erfreulich! Eine Frau, die dir in viekem ähnelt nur reifer ist sie. leid geprüfter, weil sie alter ist als du: Grete Wetter, reichte ihrem Manne die Hand. Vor Tagen tat sie das seit vielen Jahren das erstemal! Sie bekundete ihm ihre Achtung. Sie war gerecht. Sie überwandt sich selbst. — Du siehst mich staunend an. mein Mädelchen Warum ich dir das sage, denkst du? - - N"" denn, es soll der schönste Sieg sein, den ein Mensch erkämpfen kann: sich selbst überwinden! — Möge dir Gott dazu helfen." „Er hat mir schon geholfen durch dich!" sagte Sophi schlich« und zog seine Hand an ihre bleichen Lippen. Dann bat sie: „Laßt mich bitte allein. Und schicke mir morgen den Claus herüber, Vater. Grüß auch die Mutter Ich laß sie um Verzeihung bitten, für die Schmerzen, die sie um mich leiden mußte." Im Flur fiel Liebetrau dem Finkenschlager um den Hals. „Du . ." schluchzte er, „du . . .1 Das will ich dir nie ver gessen." Und schämte sich seiner Tränen nicht. Einige Tage später laßen sich Dr. Steinert und Sohr in dessen Arbeitszimmer gegenüber. Sie sprachen von Blut übertragung, als einziger Möglichkeit, der entkräfteten Sophi aufzuhelfen, die dem Äuslöschen nahe war. „Sonderbar." sagte der Arzt, „Claus, Herr Liebetrau. Erich Wetter und Frau, die sich zur Bluttransfusion erboten haben Blut der Gruppen eins und zwei. Niemand hat drei und vier. Ich muß nach Berlin schreiben. Es bleibt mir nichts anderes übrig." „Das müssen Sie nicht," erwiderte Sohr. „Im Kriege stellte ich einem Kameraden mein Blut zur Verfügung Da her weiß ich, daß es zur Gruppe vier gehört, die mit allen anderen Gruppen gepaart werden kann, während sonst nur die gleichen Gruppen übertragen werden dürfen. Das wurde mir damals gesagt. Es wird wohl stimmen." „Ja, es ist so," bestätigte der Arzt „Aber. . ." „Bitte kein aber, Doktor," schnitt ihm Sohr das Wort ab. „Ich weiß, was Sie sagen wollen." Steinert sah ihn groß an. ..Und trotzdem . . .?" „Trotzdem! Ich will es." „Untersuchen aber muß ich Sie doch." „Durchaus nicht nötig, Doktor." „Doch, es ist nötig. — Ihr Herz ist bestimmt nicht in Ord nuna Alle Snmpwme sprechen dafür." lForti. solo'
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