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Dresdner Plaudereien. (Nachdruck verboten.) UebergangindenwirklichenFrühling. — Jahr markt - Ersatz. — DieEvangelische akademische Woche. — Dr. v. Bodelschwingh am Rednerpult. — Indische Professoren und Studenten als Gäste. — Presse - Empfang im Landtag. — Nächtlicher Frohsinn im Schauspielhaus. Es ist männiglich bekannt, daß sich der Frühlingim Elb- tale in und um Dresden ein paar Wochen früher einzustellen pflegt als anderswo im Sachsenlande, denn etwas phantasievoll nennt man sogar unsere Lößnitz die „sächsische Riviera". Ein Na turbummel dahin dürfte zur Zeit noch ein wenig enttäuschen, aber nach einigen Wochen, wenn drüben bei Cossebaude die Kirsch berge im Blütenschnee schimmern und sich dazu in genannter Ri viera die Pfirsichblüte gesellt, dann ist es wirklich schön am Elbe strande und zur Annehmlichkeit trägt nicht wenig der gute Trop fen bei, den man in der Lößnitz erbaut. Der Weinbau, vom Vater Staat verständnisvoll gefördert, hat erfreulich an Ausdeh nung gewonnen und seine Erzeugnisse brauchen sich nicht zu ver stecken. Na, und der wirkliche Frühling? Er muß sich nun baldigst einstellen. Ein untrügliches Zeichen dafür ist derWiederauf- bauder Elbbäder unterhalb der beiden Ministerialgebäude. Gewiß mag es jetzt noch ein mäßiges Vergnügen sein, sich in den noch recht kühlen Fluten zu tummeln, aber wer kann wissen, ob nicht plötzlich ein Witterungsumschwung eintritt und wir anstatt zu Filzhut und Mühe schleunigst zur „Butterblume", auch Kreis säge" genannt, greifen? Viele Evastöchter erschienen bereits zu Ostern im neuen Sommerhut aus Strohgeflecht, umhüllten aber dafür noch ihre mehr oder weniger schlanken Figuren mit dem wärmespendenden Pelt. Leber den Geschmack läßt sich aber nicht streiten. * Die sportlichen Veranstaltungen (Pferde- und Radrennen und Fußball) haben seit Ostern schwer mit Witterungsunbill zu kämpfen gehabt und der vielverbreitete Aberglaube, daß zum Nennen in Reick unbedingt das schönste Wetter herrschen müsse, hat sich, wie es im Beamtenstil so klar heißt, als „abwegig" er wiesen. Auch die Schausteller und Fieranten, die auf dem Alaun platz dem zum Tode verurteilten Dresdner Jahrmarkt eine frohe Auferstehung bereiten wollten, werden wenig Seide gesponnen haben. Rauhe Winde, untermischt von Regen- und Schnee schauern, strichen über den weiten Platz, in den Buden und Stän den herrschte Zähneklappern und das ersehnte kaufende Publikum blieb zum größten Teil in den mollig durchwärmten Stuben. So wenig auf vergnüglichem, um so mehr ist diesmal auf geistigem Gebiete losgewesen. * Die Evangelische akademische Woche hatte auch in diesem Jahre unmittelbar nach dem Osterfeste viele Teilnehmer aus dem ganzen Lande nach Dresden geführt, um hier wissenschaft liche Vorträge der bedeutendsten Theologieprofessoren zu hören. Am stärksten war natürlich die Geistlichkeit vertreten und in ihren Kreisen sah man manch markanten Kopf. Alle Versammlungen leitete das Oberhaupt unserer evangelischen Landeskirche, Bischof D. Ih mel s, mit der ihm eigenen Würde. Während den Laien Themen und Vorträge im allgemeinen fern lagen, war aber der letzte, auf einen Abend verlegte Vortrag dazu angetan, Jeden, der sich Christ nennt, zu fesseln. Und dazu war ein Redner genannt, dessen Name wie ein Magnet wirkte: Pfarrer D. v. Bodel- schwingh aus Bethel bei Bielefeld. Der „alte Bodelschwingh" war eine in der ganzen christlichen Welt bekannt Persönlichkeit, wohl einer der treuesten und tätigsten Diener Gottes, der sich nicht damit begnügte, nur zu reden, sondern der das von ihm ver kündete Christentum in lebendigste Taten umsetzte. Wer hätte nicht einmal etwas von den Bodelschwinghschen Anstalten, von Bethel, gehört? Heute umfassen sie 5)4 Tausend Verpflegte, Blinde, Taubstumme, Geisteskranke. Blöde, Epileptiker, Trinker, sittlich Gefährdete, Sieche, Krüppel und Heimatlose. ,Menschlichen Bruch" könnte man diese Aermsten bezeichnen, und doch sind auch sie nach der Meinung ihres Wohltäters Kinder Gottes. Der alte Bodelschwingh. der sein Betätigungsgebiet auch auf die Reichs hauptstadt erstreckte, ist vor Jahren hochbetagt zum ewigen Frieden eingegangen, nachdem er fein Lebenswerk in die Hände seines Soh nes gelegt hatte. Dieser D. Bodelschwingh trat nun im dichtge- füllten Verinshaussaale vor eine gespannt lauschende Zuhörer schaft, in deren vordersten Reihen man viele bedeutende Persön lichkeiten sah. „P r a kti s ch es C h ri ste nt u m i n d e r e v a n- gelischen Kirche" lautete das Thema. Aber was und wie es dieser äußerlich so schlichte Mann zu sagen wußte, das war kein Vortrag in üblichem Sinne, sondern das war das Dahinbrausen eines aus innerstem Herzen kommenden Liebesstromes für den leidenden Mitbruder, für den Aermsten am Wege, für den vom Schicksal Geschlagenen, für das Qualen erduldende verwaiste Kind. Wer da vielleicht in Unkenntnis dieses Redners salbungsvolle, bibelzitatengespickte Ausführungen erwartet hatte, sah sich an genehm enttäuscht. Gewiß wurde in erster Linie das religiöse Mo ment betont, denn die Heilandsliebe war den Bodelschwinghs der Leitstern ihres Handelns, aber das Hauptgewicht lag auf der Dar stellung des praktischen Christentums, das sich ja in vielfacher Ge stalt auswirken kann. D. v. Bodelschwingh baute seinen Vortrag auf einigen prägnanten Leitsätzen auf und führte dann aus seinen eigenen Anstalten Erlebnisse dazu an. Es waren ihrer nicht viel, aber sie waren so erschütternd und zugleich wie kaum andere Bei- s spiele geeignet, der Arbeit der inneren Mission Verständnis zu bahnen. Schon nach wenigen Worten hatte der Vortragende den Weg zu den Herzen seiner „lieben Geschwister", wie er Männer und Frauen anredete, gefunden. Dieser einzigartige Vortrag dieses von seiner heiligen Sendung ganz durchdrungenen und in christ licher Liebestätigkeit aufgehenden Mannes, der bei allem Idealis mus nie den Boden der rauhen Wirklichkeit verläßt, war ein wert volles Erlebnis und der schönste Ausklang dieser bedeutenden Tagung. * Zur gleichen Zeit und noch ein paar Tage länger wurde in Dresden die indo-europäische Konferenz des : Weltstudentenwerks abgehalten, wofür die Stadt das ihr gehörige Lingner-Schloß (eins der drei Albrechtsschlösfer) zur i Verfügung gestellt hatte. Unter dem Weltstudentenwerk ist eine Arbeitsgemeinschaft von Studierenden und ihren Freunden aller i Nationen zu verstehen, die in den Notjahren nach dem Kriege ge- j gründet wurde und als „europäische Studentenhilfe" die große Hilfsaktion zugunsten der deutschen akademischen Jugend in allen Ländern einleitete. Aus dieser Tat übernationaler studentischer t Kameradschaft ist ein dauerndes Werk studentischer Gemein- schaftsarbeit geworden: das Weltstudentenwerk in Genf. Die : deutschen Studenten verdanken dieser ersten Aktion des Welt- ; studentenwerkes nicht nur materielle Hilfe in der Not jener Jahre, : sondern auch eine neue Initiative für die Lebensgestaltung ihrer : Zukunft: Die Idee der studentischen Selbsthilfe. Man sah zu dieser Tagung etwa dreißig exotische Gäste gel- - ber, brauner und noch dunklerer Hautfarbe und ebenso verbind liche wie geistvolle Reden wurden zur Eröffnung dieser Konferenz gehalten, die den Teilnehmern noch eine ganze Reihe von Vor- - trägen brachte. Leber die diesjährige Hauptversammlung des Landesverban- j des der Sächsischen Presse (im Reichsverband der Deutschen Presse) ist bereits in diesen Tagen berichtet worden, aber dem : Presse-Empfang im Landtag dürfen noch ein paar j ür die Zukunft seiner Kinder sorgen heißt für ihre Ausbildung und ihr Vorwärtskommen sparen, wer seine Kinder zum vernünftigen Sparen erzieht, erweist ihnen den besten Dienst fürs Leben. Worte gewidmet werden. Wohlgemerkt: die Presse wurde nicht, wie das zuweilen vorkommt, empfangen, sondern die Presse über nahm einmal die Rolle des Gastgebers und empfing das offiziöse Dresden, also die Repräsentanten von Staat und Stadt, Kirche und Schule, Finanz, Industrie, Handel und Handwerk. Nur die Kunst war an jenem Abend etwas spärlich vertreten. Im Plenar sitzungssaale des Landtags gab es zunächst ein paar freundliche und gar nicht feierliche Reden. Besonders die verbindlichen Wor te, die Ministerpräsident Heldt den Zünftigen von der Feder zu sagen wußte, fanden viel Anklang. Der treffliche Vortrag des Professors Dr. Everth, Direktor des Instituts für Zeitungs kunde an der Universität Leipzig, hätte eine noch stärkere Wirkung ausgeübt, wenn der Redner ein — Redner gewesen wäre. Aber waser sagte, war überaus wertvoll und die ganze sächsische Presse freut sich dieses Gelehrten, der den Weg vom Redäktionssesfel zum Katheder des akademischen Hörsaals gefunden hat. Ganz als Praktiker zu Praktikern sprach der geschäftsführende Vorsitzende des Reichsverbandes der Deutschen Presse, Direktor G. Rich ter aus Berlin, über die tägliche Arbeit des am sausenden Web stuhl der Zeit sitzenden Journalisten. Und nicht nm der Großstadt- Iourn allsten. Der berufsmäßige Tagesschriftsteller in der Mittel und Kleinstadt muß das gleiche Pensum leisten und sich meistens noch vielseitiger betätigen als sein Kollege von der Großstädtischen Zeitung, wo man für die einzelnen Sparten Spezialisten zur Ver fügung hat. Aber darauf kommts hier weniger an, die Hauptsache ist die angeborene Eignung zum Zeitungsberuf, die Begeisterung und das nötige Temperament. Hierzu ist natürlich noch ein um fangreiches Wissen unerläßlich. So wertvoll die gehaltenen Reden auch waren, noch wertvoller erschien bei dem nachfolgenden ge selligen Beisammensein die Gelegenheit, mit den Vertretern der verschiedensten Aemter, Berufe und Anschauungen in persönliche Fühlung zu kommen. Das geschah denn auch und im Landtagsge- bäude wird seit langer Zeit nicht solche Eintracht und ein solch vornehmer Ton geherrscht haben, wie an jenem Presseabend. * Zu gleicher Zeit verlebten Hunderte recht ergötzliche Stunden im Schauspielhause, wo sonst immer noch die ernste Muße ein Wort mit zu sprechen hat. Vielleicht war der klingende Erfolg des Opernballes ermutigend genug gewesen, nochmals so etwas Aehn- liches, wenn auch im kleinerem Rahmen, zum Besten der Pen sionskasse der Deutschen Bühnengenossenschaft zu veranstalten. Nachdem sich nach der regulären Vorstellung das Haus geleert und gleich wieder gefüllt hatte, hob sich erneut der Vorhang und pro minente Mitglieder der Oper und des Schauspiels ließen echter Künstlerlaune freien Lauf. Als Gast hatte man den volkstümlichen Komiker Paul Beckers verpflichtet, der unweit des Schau spielhauses ein eigenes Theater besitzt. Er erntete den stärksten Beifall, und das wollte schon an diesem Abend, an dem man die Theaterlieblinge doch nach Gebühr feierte, etwas heißen. Nach dem sich die ZwergfAte wieder beruhigt hatten, Hub auf der Büh ne und in den sonst einigermaßen dafür geeigneten Räumen des Hauses ein fleißiges Tanzen an. Hier aber streikte E m i l. Vorläufig kein Eisenbahnerstreik. Besonders gespannte Lage in Sachsen. Nach einer Mitteilung der Bezirksleitung Sachsen des Einheitsverbandes dei Eisenbahner Deutschlands hat der Bezirksvorstand in seiner letzten Sitzung, an der auch die Bevollmächtigten der zehn großen sächsischen Ortsgruppen teilnahmen, mit Mehrheit gegen eine beachtliche Minder heit eine Entschließung angenommen, in der es u. a heißt: Nach sehr schwierigen Beratungen erklärten der Bezirks vorstand und dis Bevollmächtigten, daß zunächst, wenn auch angesichts der vorhandenen gereizten Stimmung der Kollegenschaft sehr große Bedenken dagegen bestehen, das Ergebnis der von den Spitzenverbänden bei der Reichs bahn und bei der Reichsregierung eingeleiteten Ver - ständigungsaktion abzuwarten sei. Dabei wird unbedingt erwartet, daß die neuen Verhandlungen schnellstens zum Abschluß gebracht werden. Im übrigen haben die Funktionäre in den Ortsgruppen des Verbandsbezirkes alle Streikvorbereitungen, insbesondere auch die rein organisatorischer Art, restlos zum Abschluß zu bringen. Die geschäftsführende Bezirks leitung wird vom Bezirksvorstand beauftragt, den Ver bandsvorstand in Berlin nachdrücklich aus die in Sachsen bestehende äußerst gespannte Lage besonders ausmerksam zu machen, ferner die Bezirksleitung unter Berücksichtigung des Umstandes der demnächst erneuten Verhandlungen der Spitzenverbände zu gegebener Zeit zwecks endgültiger Stellungnahme einer Bevollmächtigten konferenz für den sächsischen Verbandsbezirk einzuberufen. Die sächsischen Eisenbahner öegrüßen es, daß auch im Bezirk .Halle und m anderen Verbandsbezirken inzwischen die notwendigen Kampfvorbereitungen ge- 78. Fortsetzung. Nachdruck verboten Hans Joachims Liebe zu Senta war in dieser Prüsungs- zeit eher noch gewachsen, und es war ihm unendlich schmerz lich, daß er nicht einmal wußte, wo seine Gedanken sie suchen sollten. Der Onkel hatte ihm den Ort, wo sie in Pension war, nicht genannt, und eine dahingehende ge legentliche Anfrage war unbeantwortet geblieben, sei es nun aus Absicht oder Vergessenheit Der Briefwechsel war überhaupt kein reger Hans Joachim wunderte sich, daß der Onkel in der ganzen Zeit nicht einmal aus seinem Majoratssitz gewesen war und daß er noch immer keine Miene zur Heimkehr machte Das Ende der Frist rückte immer näher, aber Hans Joachims Hoffnung, Graf Wolfs burg würde zu dieser Zeit wieder zu Hause sein, erwies sich als trügerisch. Seine Anfrage bei dem Administrator des Gutes wurde dahin beantwortet, daß weder die Ab sicht des Grasen heimzukehren noch ein bestimmter Termin dafür bekannt wäre So entschloß sich Hans Joachim schweren Herzens, seine Werbung schriftlich zu wiederholen, jetzt konnte der Onkel keinen Grund mehr haben, ihm den Besitz Sentas zu ver weigern Aber sei es nun, daß die Vriefbestellung durch einen Ortswechsel des Grafen verzögert wurde oder daß der Briet gar nicht in saine Hände gelangt war, kurzum. Hans Joa chim wartete bis jetzt vergeblich auf eine Antwort Das rieb natürlich seine Nerven auf, und darum beschloß er, kurzerhand nach der Wolfsburg zu gehen Dort würde man Sentas Aufenthalt wissen und ihn ihm mitteilen Die Zeit, in welcher sein gegebenes Ehrenwort ihm verbot sie aufzusuchen, war vorbei, und er ertrug es nicht länger in dieser Ungewißheit Er nahm Urlaub und reiste zunächst zu einem Regi mentskameraden, der ihn jchon wiederholt eingeladen hatte, nach Berlin, um dort einige Tage zuzubringen Er hoffte noch immer, daß ihn dort des Onkels Nachricht erreichen und daß er sich iomit einen unnötigen Weg nach der fernen Wolfsburg ersparen würde Nun war er aber einen Tag früher gekommen, als er dem Freunde angezeigt hatte Er traf ihn nicht zu Hause und nahm sich deshalb'vor, den Abend aus irgendeine Weise allein totzuschlagen Die Reichshauptstadt bot ja so viel der Zerstreuung Er unternahm zunächst einen kleinen Bummel durch die Friedrichstraße und Unter den Linden, machte vor einer Litfaßsäule Halt und studierte die Thea teranzeigen Da stieg ihm Vas Blut plötzlich siedendheiß zum Herzen Auf dem Ankündigungszettei des Opern haufes stand als Darstellerin der Elsa in „Lohengrin" der Name Senta Wolfsburg Er meinte zuerst, seinen Augen nicht trauen zu dürfen: er las wieder und wieder Sein Blut wallte heiß und un gestüm Der Name, der tausend selige Empfindungen in ihm weckte, hatte zur Trägerin doch vielleicht eine andere: wie hätte der strenge, adelsstolze Onkel auch je seine Er laubnis dazu gegeben! Jedenfalls mußte er sich überzeugen Schon lange, ehe die Kasse eröffnet war, stand er vor dem Opernhaus und wartete, bis er endlich ein Billett lösen konnte Daraus saß er voll fieberhafter Spannung in seiner Loge Die Ueberraschung, der Jubel, seine heißgeliebte Senta endlich wiederzusehen, übermannte ihn in den ersten Augenblicken fast, dann aber drängten sich beunruhigende Fragen, Zweifel und Angst in seine Seele Wie kam sie nur hierher'^ Er hätte aus der Stelle zu ihr eilen, sie nach allem fragen mögen und es war hart für ihn, die ganze Dauer der Vorstellung darauf warten zu müßen Aber der Abend hatte noch andere Qualen für ihn in Bereit schaft die der heißesten Eifersucht Sie erreichten ihren Höhepunkt bei der Szene zwischen Elsa und Lohengrin im Brautgemach Wie konnte Senta, seine Senta, an der Brust eines anderen Mannes liegen, wie konnte sie ihn mit Blicken ansehen, von denen ein einziger ihn schon um seinen Verstand gebracht hätte! — Ls packte ihn wie ein Wahnsinn. Nicht viel hätte gejehlt, und er wäre auf die Bühne gestürzt und hätte sie aus den Armen jenes schönen, stattlichen Mannes gerissen, der sie so dreist, als wäre es selbstverständlich, umfangen hielt — Hans Joachim war wie toll: er nahm das Spiel für Wirklichkeit Er beachtete den frenetischen Beifall, den jede Leistung Elsas lohnte, nicht, er hörte und sah über haupt nichts mehr, sondern sehnte nur das Ende herbei. Kaum war der letzte Ton verhallt — der Vorhang hatte sich noch nicht über dem letzten Akt geschloßen —, sprang er auf und eilte hinaus Mit Mühe gelang es ihm, den Weg hinter die Kulißen zu finden, und als er sich endlich bis zu Sentas Garderobe durchgefragt hatte, stand vor der Tür ein Engel mit flammendem Schwert in Gestalt einer niedlichen Zofe und verwehrte ihm den Eintritt in das Paradies Ihre Herrin, die Künstlerin, empfange keine Herren besuche in ihrer Theatergarderobe, wurde ihm gesagt. So wollte er die Wohnung wissen, damit er sie heute noch sprechen könne Fräulein Wolfsburg empfange auch im Hause sowie überhaupt niemals Herrenbesuche, am wenigsten in so später Abendstunde Hans Joachim war nicht in der Verfassung, dem nied lichen Mädchen irgendein freundliches Wort zu fagen Die Abweisung hatte ihn über alle Maßen erregt Vielleicht würde Senta eine Ausnahme gemacht haben, wenn sie er fahren hätte, wer sie zu sprechen wünsche, vielleicht hätte auch ein ansehnliches Trinkgeld die kleine Person, die so energisch den Zugang zu ihrer Herrin verteidigte, will fähriger gemacht Doch war er schon so weil zur Besin nung gekommen, daß er mit einem Durchwi en seines Wil lens Sentas Ruf gefährdet sah, und seder ehrenhafte Mann, der ein Mädchen wahrhaft liebt, ist für ihren Rus bedacht „So werd- ich morgen vormittag vorsprechen," er widerte er energisch „Melden Sie Ihrer Herrin, daß Graf Wolfsburg sie in einer dringenden Angelegenheit zu spre chen wünsche." (Fortsetzung folgt.)