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MsdmfferTageblatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Sonnabend, den 5 Januar 1S2S Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend ftrS-nv-»3« Fa"-hrhrm «-»-!>, Krie, °»rr V-»>-d-störung-n deftkhl dcln Asspruch «w, Li^rru», brr Ae^nns oder xürzvny der Bezugspreises. — Aücksendnng eingesandt« Schriftstücke erfolgt nvr, wenn Porto deittegt. Telegr.-Adr.: .Amtsblatt- Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 264k «n,ei,ni^,: di< 8„spaltnie ro«pi,. di»g«n« »rromllichrv «kbaiinwiachuxsni 40«eich«. ^"''l^'«?l!''?'""d>«»«»«z««ei»Icr«Nchn>re^ 1 Reich»««!,. Rachwe,Ivn,»,«l>LH, ro Reich»»ien»i,e. »«. geichnednie Lrschrinlln,». — . . _ laoe und VIll-r-<>ri<teikre» Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 »nE»«,«. -nnadm«bi»°orm.l0Utzr. 2 Für die Richtbeil der vurai Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen mir deine Garantie. Jeder Siadauanfprnch erlischt, wenn der Berra g drrrch MM - «lave eingezogen werden mutz aber derAuftraggederin Koulutr» gerät. Anzeige» nehmen aSe Dermitttungvftellraentgeg«. !k x das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gertchts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstreniamts Tharandt und des Finanzamts Noffen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 4. — 88. Jahrgang Mlhseilde Mik an Merts Bericht Das Sturzbad. Die kalte Dusche. — Poincares Marschroute. — Prozesse geLen das Reich. Es ist eigentlich mehr die Zeit für wintersvortliche Vergnügungen, und wer das Glück genießen kann, jetzt in den Regionen der Schneeschuhe und der Rodelschlitten den Übergang ins neue Jahr zu vollziehen, der wird für Sturzbäder und ähnliche hochsommerliche Erfrischungs mittel gewiß nicht im geringsten zu interessieren sein. Aber Herr ParkerGilbert fragt nicht danach, ob wir seiner Abkühlungskuren bedürfen oder nicht. Er hat es für richtig gehalten, uns für alle Fälle, da wir demnächst wieder einmal mit Engländern und Franzosen über die Endregelung unserer Kriegsentschädigungsleistungen ver handeln sollen, eine gehörige kalte Dusche zu ver setzen, auf daß wir uns nur ja nicht mit übertriebenes! Hoffnungen an dem neuen Konferenztisch niederlassen, an dem offenbar abermals unser Fell dazu dienen soll, daß andere Leute sich aus ihm Riemen schneiden, und zwar tüchtige Niemen. Als wenn wir nach den noch frisch genug brennenden Enttäuschungen von Lugano nicht auch ohne diesen Wink mit dem Zaunpfahl schon so ungefähr gewußt hatten, wie der Hase diesmal laufen wird. Die Uninter- essterthcit der Amerikaner an der Lösung der Reparations- srage ist uns doch etwas gar zu oft und gar zu eindring lich versichert worden, als daß nicht schließlich leise Zweifel darüber hätten aufsteigen müssen, was wohl die wahre Meinung hinter diesen Gesten der Gleichgültigkeit sein möchte. Und nachdem Herr Poincarö mit der ihm eigenen Bestimmtheit wiederholt erklärt hatte, Deutschland müsse unter allen Umständen so viel Zahlungen an seine Kriegs gegner auf sich nehmen, daß Frankreich über seine Ver pflichtungen an Amerika hinaus noch einen erklecklichen Be trag für seine heimischen Bedürfnisse übrigbehalte, da war für Herrn Parker Gilbert eigentlich schon die Marschroute für seinen fälligen Jahres bericht gegeben — es sei denn, daß die Washing toner Regierung auch an dem weiteren Schicksal ihrer Be ziehungen zu der Französischen Republik sich desinteressiert erklärte. Davon war aber natürlich nichts zu hören, und so werden sich diese Beziehungen sehr bald wieder ungleich herzlicher gestalten können, als sie unter der Einwirkung gewisser politischer Ereignisse des abgelaufenen Jahres all mählich geworden sind. Wundern kann man sich eigentlich nur darüber, daß der Reparationsagent seine Hilfsaktion für unsere Gläu biger sounverhüllt herausgestellt hat. Nicht nur, daß er sich diesmal zu seinen eigenen voraufgegangenen Be richten in unlöslichen Widerspruch gesetzt hat; an der Kleinigkeit, daß unsere Auslandsverschuldung heute schon auf 70 Milliarden Reichsmark berechnet werden muß, geht er ebenso nichtachtend vorüber wie an der Erkenntnis, daß eine wirklich zutreffende Beurteilung unserer wirtschaft lichen Lage doch selbstverständlich nur durch Vergleiche, die bis 1913 zurückgehen, gewonnen werden kann, und nicht auf dem Wege, der nur von der Überwindung der Infla tion seinen Ausgangspunkt nimmt. Wer so operiert, der mutz in den Verdacht geraten, daß er sich lediglich die Auf gabe gestellt habe, eine ihm von außen fertig gelieferte Überzeugung, koste es was es wolle, zu „begründen" — selbst nm den Preis seines eigenen Rufes als internatio naler Sachverständiger von bewährter Unparteilichkeit. Das ergibt im Effekt aber nur ein Hindernisrennen, bei dem alle Hürden und Sprungwände vorher beiseite- aeschafft wurden; da braucht der Reiter sich wahrlich nicht , sonderlich anzustrengen. Auf den Reichskanzler hat, wie seine Neujahrs ansprache an den Reichspräsidenten deutlich genug er kennen ließ, der Parker-Gilbert-Bericht sehr verstimmend gewirkt. Er ist trotzdem für vierzehn Tage Erholung in den Schwarzwald gefahren, wo er sich, wenn er will, be quemer als von Berlin aus mit anderen Gegnern ausein andersetzen kann, die ihm in der letzten Zeit das Leben auch nicht gerade leichter gemacht haben. Man weiß, daß Baden schon seit Monaten mit dem Reich in Gerichts fehde liegt wegen seiner Ansprüche aus der Neugestaltung der Reichsbahn, und nun hat auch Württemberg den Staatsgerichtshof angerufen, weil das Reich ihm Kavita! und Zinsen für die Überlassung der württembcrgischen Post und Telegraphie schon seit vielen Jahren vorentbält. Das sind, den Freistaat Sachsen eingerechnet, der gleich falls seiner verlorenen Staatsbahn nachtrauert, schon drei Einzelländer, die als Kläger gegen das Reich austreten, und von Bayern kann man wohl mit Sicherheit erwarten, daß es nicht mehr lange um einen Vorwand oder einen Grund in Verlegenheit sein wird, um auch seinerseits vor den Staatsgerichtshof zu gehen. Fehlt bloß noch Preußen, um den Reigen der Prozeßkrieger gegen das Reich vollznmachen. Und wirk lich, auch hier hört man schon einiges Säbelklirren. Die Negierung Braun lebt ja mit derjenigen des Herrn Müller, trotz weitgehender politischer Seelengemeinschaft ohnedies nicht im besten Einvernehmen. Vorläufig wird noch einigermaßen verbindlich davon gesprochen, man werde vielleicht" genötigt sein, den Staatsgerichtshof anzu rufen. um gewisse finanzielle Forderungen nicht durch Verjährung zu gefährden: von da bis zur formalen Ein reichung der Klage in Leipzig ist aber wohl nur ein Schritt. Jedenfalls, die Reichsreaierung siebt sich, auch abge- Oer unbegründete Reparationsbericht. Ein großer Teil der amerikanischen Presse hat sich nach der ersten kritiklosen Wiedergabe des die günstige Lage Deutschlands betonenden Berichts des Reparations agenten besonnen und zweifelt jetzt die Stichhaltigkeit der optimistischen Äußerungen Parker Gilberts unverhohlen an. Die Blätter weisen auf die einhellige Ablehnung in Deutschland hin und sagen, der deutsche Reichskanzler Müller werde nach feiner Rückkehr aus den Ferien stärkere Mitarbeit finden als je zuvor. Gegen den angeblichen wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands spreche die große Arbeitslosenziffer, ferner der Rückgang der Kohlenerzeu- zung und -ausfuhr, die Steigerung der Einfuhr usw. Es sei leicht für Parker Gilbert, sagt ein Leitartikel, aus anderer Leute Haut Riemen zu schneiden. Kritik selbst in Frankreich. Ob dem Jubel über Parker Gilberts rosiges Gemälde von Deutschlands Erstarkung scheint selbst in Paris noch ein Rest von Besinnung erhalten geblieben zu sein. So schreibt das „Journal", Gilbert habe wahrscheinlich ein zu optimistisches Bild von der deutschen Wirtschaftslage entworfen. Es sei nicht zu leugnen, daß die deutsche Zahlungsbilanz mit 1,8 Milliarden Reichsmark passiv sei. Parker Gilbert habe die Lage zum Entzücken dargestellt, weil er damit die Newyorker Finanzleute für die in Aus sicht genommene Anleihe günstig stimmen wolle. Den Deutschen habe er eine Verminderung ihrer Schulden ver sprochen und den Alliierten sofortige Zahlungen vorgc- zaubert. Man täte in Frankreich gut daran, sich nicht Illusionen hinzugeben und immer wieder die volle Wahr heit zu fordern. Halbe Wahrheiten. Reichstagsabgeordneter Dr. R. Schneider von der Volkspartei, der als genauer Kenner des Reparations- Problems gilt, wendet sich in einem zu Dresden veröffent lichten Artikel scharf gegen den Bericht Parker Gilberts. Dr. Schneider sagt: „Schlimmer als Unwahrheiten sind halbe Wahrheiten. Das schlimmste für Deutschland ist es, daß nicht nur der Schein gegen uns spricht, sondern, daß auch manche mühevolle, in fremden, hoch zu verzinsenden Kapitalien geschaffene Leistung deutschen Wagemutes in dem unendlich schwierigen Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft irreführend gegen uns ausgespielt werden kann. Das heißt nach dem bisher Geschehenen: sehen von prominenten Fremdlingen, mit denen sie es zu tun hat, einem Sturzbad von Angriffen ausgesetzt, die ihr die Freude am Leben und Wirken einigermaßen ver gällen können. Die Prozesse vor dem Staatsgerichtshof kann sie gewinnen oder verlieren, ohne daß dadurch ent scheidende Eristenzfragen des Reiches berührt zu werden brauchen. Den Prozeß vor dem in Genf beschlossenen internationalen Sachverständigenausschuß aber muß sie gewinnen, wenn Deutschland nicht vollends zugrunde ge richtet werden soll. Dr. Sy. Wachsende simzieSe Sorgen We!oM aisWIMS NM iis Berlin, 4. Farmar. Im Demokratischen Zeitungsdisnst veröffentlicht Reichsminister a. D. Dr. Külz eine» „Neue Sor gen" überschriebenen Artikel, in dem es u. a. heißt: Wer in den letzten zehn Jahren politisch und amtlich in dem Brennpunkt un seres öffentlichen Lebers zu arbeiten berufen war, wird das Emp finden nicht los, daß wir mit 1929 ein besonders sorgenvolles Fahr vor uns haben. Wenn uns das auch nicht dazu verleiten darf, in ödem Pessimismus den Kopf hängen zu lasten, so wäre es doch ebensowenig unverantwortlich, uns dieser Erkenntnis zu verschließen. Die Sorgen des Jahres 1929 werden zunächst solche wirtschaftlicher Natur sein, und zwar in gleicher Weise für die öf fentliche Wirtschaft wie für die private Wirtschaft. In der öffew- li^n Wirtschaft sehen Reich, Länder und Gemeinden das Ge spenst eines ungedeckten Defizits ihrer Haushaltpläne vor sich. Wenn man alles in allem zusammennimmt, beträgt dieses Defizit mindestens 1 Milliarde Mark. Es bei gleichbleibenden Ausgaben zu decken, gibt es kein anderes Mittel, als auf dem Umwege über Steuern, Zölle, Gebühren usw den Betrag von einer Milliarde der privaten Wirtschaft abzuzapfen und der öffentlichen Wirtschaft zuzuführen. Nun fließt zweifellos hiervon ein nicht unerheblicher Teil wieder in den Kreislauf der Privatwirtschaft zurück, aber doch nicht ohne die mißlich Folge der Kapitalverknappung und der Preissteige rung. Beide Momente verkörpern aber heute schon die Haupt- sorgen der Privatwirtschaft. Es ist ein trübes Bild, wenn die „Deutschland kann zahlen?" Was bisher geleistet wurde, mußte aus Borg geleistet werden. Es ist unbestritten, daß die Kapitalbildung Deutschlands bei weitem nicht für den notwendigsten eigenen Bedarf ausreicht, geschweige denn für Tribut zahlungen. Parker Gilbert weiß es und alle Wirtschafts kenner der Welt wissen es, daß gerade infolge der Repara tionslasten Deutschlands Kapitalbedarf und damit Deutschlands Zinsenlast und Zinsenhöhe hoch über den Durchschnitt der anderen Länder getrieben ist. Im ver gangenen Jahr ist Leihgeld in Deutschland vier Prozent teurer gewesen als in den Ländern, die mit uns kon kurrieren. Wir wissen wohl, daß manchmal der Schein gegen uns spricht: „Berlin im Licht", der Betrieb des Kurfürstendammes, die Großzügigkeit so mancher Stadt verwaltung mit Ausstellungen und sonstiger illuminierter Repräsentation. Da wird mancher Schaden angerichtet, und Stresemann hatte ganz recht, als er neulich zornig ausrief: „Ich wünschte, daß doch einmal die Oberbürgermeister Reparationsverhandlungen führen möchten!" Eine Erklärung des bayrischen Finanz- miuisters. München, 4. Januar. Der bayrische Finanzminister Dr^ Schmelzle erklärte in einer Pressebesprechung, daß der Jahresbe richt Parker Gilberts derart gefärbt sei, daß mit Rücksicht auf die bevorstehenden Reparationsverhandlungen Anlaß zu großer Be- sorgnis bestehe. Schon in den früheren Berichten habe der Re- parationsagent aus an sich richtigen Einzelheiten falsche Schluß- solgeruWen gezogen. Diese bisherige Einseitigkeit mache sich in dem neuesten Bericht des Reparationsagenten noch unangenehmer bemerkbar. Ein grundsätzlicher Mangel seiner Beweisführung sei vor allem, daß er lediglich vom Reichs haushalt ausgehe, die Haushalte der Länder und Gemeinden aber unberücksichtigt laste. Ein wahres Bild unserer Lage ergebe sich aber erst dann, wem man den Haushalt nicht nur des Reiches, sondern auch die Haus halte der Länder und Gemeinden betrachte. Nur so könnten die Schwierigkeiten erkannt werden, die für die Ausbringung der Ge samtsumme von jährlich 2>L Milliarden bestünden, und dann könne man auch verstehen, wie außerordentlich schwer es für das Reich fei, jetzt mit neuen Steuern zu kommen. Daß der Repara- tionsageM diese Untersuchung nicht angestellt habe, sei eine Un terlassung, die er nicht hätte begehen dürfen und der amerikani sche Handelsattache in Berlin, sowie die Vertreter amerikanischer Banken in Deutschland seien ja auch in ihren Berichten zu ganz anderen Ergebnissen gekommen. Die öffentliche Wirtschaft Deutschlands müsse als Ganzes betrachtet werben. Steuerkurve nach oben und die Konjunkturkurve der Wirtschaft nach unten verläuft. Beides ist bei uns der Fall. Auch im Iohre 1928 ist ein großer Teil der deutschen Produktion und des deut schen Kapitalbedarfes nur durch Ausländsanleihen von insge samt 1,6 Milliarde Mark finanziert worden. Eine düstere Spra che redet die Tatsache, daß eine Erwerbslesenzisfer von 750 000 am 1. Dezember 1927 am gleichen Tags des Sahres 1928 einer solchen von 1 174 000 gegenüberstcht. So ist das Bild der wirtschaftlichen Tatsachen alles andere als rosig. Zu de» wirtschaftlichen Sorgen kommen die rein politischen. In der Behandlung des außenpolitischen Kernproblems, der Räu mung der besetzten Gebiete, sind Ansätze zu einer positiven Lösung nicht zu erkennen. Nach wie vor bleibt es bei mehr oder weniger freundlichen Worten und bei dem verhängnisvollen Be streben, die Neparationssrcge mit der Räumungsfrag» zu ver quicken. Aber auch innenpolitisch wird das Alltagsgesicht des Jahres 1929 grau aussen. Große Probleme sind zwar als solche klar erkannt und erschöpfend erörtert, aber ihre praktische Lösung schreitet nicht voran. Es ist ein Herumreden um die Probleme ohne entschlossenes Zufasten. Ueberall ein Tasten, ein zaghaftes Fühlen, aber keine Tat. An statt einer Zusammenfassung der politischen Willensbildung im Parlament und im Volke in weiteres Zersplittern. Külz schließt seine sehr interessanten Darlegungen mit den Worten, daß es die Ausgabe des Reichstages und der Reichsregierung sein müsse, in dem jetzt begonnenen Jahre ein Absinken unserer wirtschaftlichen und politischen Konjunktur zu verhüten. Wenn je, so wird es im Jahre 1929 nicht zu reden, sondern zu handeln gelten. MzooosopersonenbeschWgtdasLeich Eine Denkschrift des Reichsfinanzministers. In einer umfangreichen Denkschrift Hai soeben der Neichsfinanzminister Dr. Hilferding dem Reichstag eine Übersicht darüber verschafft, wieviel Beamte, Angestellte und Arbeiter in der Inflationszeit für das Reich tätig waren und um wieviel inzwischen durch den Beamtenabvau diese Zahl geringer geworden ist. Am Stichtage, dem I. Juli 1928. beschäftigten sämtliche Neichsbeüörden. mrt