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Wilsdruffer Tageblatt : 15.02.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-02-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192902153
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19290215
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19290215
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-02
- Tag 1929-02-15
-
Monat
1929-02
-
Jahr
1929
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 15.02.1929
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Schnelle Arbeit in Pans. Die Reparationsverhandlungen. Obwohl keine Berichte ausgcgeben werden, hat sich soch in Paris die Meinung herausgebildet, daß die Arbeit der Schuldenregclungskonfcrcnz ziemlich schnell vorwärtsschreitet. Der Pariser „New Uork Herald" schreibt, das Sachverständigcnlomitce soll in den letzten drei Tagen weiter gekommen sein, als manche Delegierte es erwarteten. Andere amerikanische Quellen bestätigen diese Aussage. Das Tempo der Verhandlungen sei drei mal so schnell, als man vor ihrem Beginn annahm. Weiler heißt es, daß Dr. Schachts Ansführungen keineswegs unvereinbar mit dem Bericht Parker Gilberts gewesen seien. Sie hätten vielmehr den Charakter der Auslegung des Berichts gehabt, indem sie einige Schlüsse, die man aus diesem ziehen konnte, näher erklärten. Auch die Debatte über die Schachtsche Rede sei kein Kampf zwischen widerstrebenden Meinungen gewesen, sondern hätte nur dem Versuch gedient, eine gemeinsame Grund lage zu finden. Während andere französische Blätter noch die Anschneidung der Fragen der deutschen Wirtschafts klagen und damit der deutschen Leistungsfähigkeit als „Manöver der deutschen Delegation" bezeichnen, sagt das „Petit Journal", die von deutscher Seite vorgelegten Statistiken hätten offenbar ihren Wert gehabt, und die Delegierten würden nicht verfehlen, sie aufmerksam zu untersuchen. Von General Dawes ist ein Bcgrüßungstelegramm bei der Konferenz mit folgendem Wortlaut eingetroffen: „Ich bestätige dankend den Empfang des Grußes des Sachverständigenausschusses. Die Welt erwartet im Ver trauen auf das hohe Ziel und die Bedeutung des großen Werkes hoffnungsvoll dessen Vollendung, die so wesentlich für das Wohlergehen der Welt ist." über die Donners- tagsitznng der Reparationssachverständigen wurde keine Mitteilung ausgegcben. Es verlautet, daß die Aussprache der Zahluugsbilanz Deutschlands galt. Der falsche Sachverständige. Am Mittwoch waren die Sachverständigen bei ihrer Sitzung erstaunt, unter sich ein unbekanntes Gesicht zu sehen. Man glaubte, der Fremde gehöre zu einer ausländischen Abordnung. Erst im Lanfe der Be ratungen fiel es einem französischen Sekretär ein, den un bekannten Sachverständigen nach seinem Namen zu fragen. Auf natürlichste Weise der Welt antwortete er, daß er die ! Presse vertrete. Es handelte sich um einen auslän- - dischen Journalisten, der tags zuvor in Paris ein- § 'getroffen war. Man wies ihn hinaus, da keine Bericht- j erstatter zugelasscn sind und überhaupt strenge Vertrau- ! lichkeit proklamiert ist. Amerikanischer Gruß an Deutschland. Gäste aus Milwaukee. In Kuxhaven traf aus Amerika der Dampfer „Cleve land" ein, auf dem sich auch eine amerikanische Reise gesellschaft unter Führung des Bürgermeisters von Mil waukee, Hoan, befand. Die zum Empfang in Kuxhaven Erschienenen gingen an Bord. Direktor Haller von der Hamburg-Amerika-Linie hieß den Bürgermeister Hoan und seine Begleitung herzlich willkommen und überreichte den Damen Hoan und Corcoran Blumensträuße. Im Gespräch mit Vertretern der Presse äußerte sich Bürger meister Hoan über die hervorragende Anteilnahme der deutschcn Bevölkerung am Aufbau der Stadt Milwaukee. Milwaukee mit seinen 600 000 Einwohnern zählt nach Hoans Mitteilungen eine deutschblütige Bevölkerung von rund 60 Prozent, von denen etwa 8 Prozent gebürtige Deutsche sind. An Hamburg und Deutschland richtete Bürgermeister Hoan folgenden Gruß: „Wir entbieten Hamburg unsere Grüße, wir betreten deutschen Boden in Verehrung für dieses große Land und mit einem Gefühl der Dankbarkeit für die kulturellen Werte, die Amerika — und ganz besonders unsere Heimat — Deutschland verdankt." Bürgermeister Hoan und seine Gattin werden nach Berlin reisen, von dort aus einen eintägigen Abstecher nach Warschau uuternehmen, um die Besuche führender polnischer Persönlichkeiten in Milwaukee zu erwidern. In, Anschluß an den Aufenthalt in Deutschland wird die Reisegesellschaft u. a. die Schweiz, Italien, Frankreich und Irland aufsuchen. Beispielloser VerbrecherkWps in den Strotzen von MW. Chikago, 14. Februar. Ein offener SlrasMkampf, wie er in der Geschichte des Chikagoer Verbrechertums noch nicht da- gewefen ist, jpieite sich am Donnerstag in den Straßen der Stadt ab. Zwei Automobile mit Verbrechern, die bis an die Zähne be waffnet waren, durchrasten die Stadt und machten vor einem La gerhaus Halt, in dem ein feindlicher Verbrecherverein eine Ge heimbrennerei unterhielt. Von den Automobilen aus wurde ein wahnsinniges Majchinengewehrfeuer auf das Lagerhaus eröffnet und die Brennerei dann im Sturm genommen. Ein unerhört und wilder Kampf spielte sich sodann im Inneren des Hauses ab. Den Angreifer» gelang es acht der Verbrecher aus der Brennerei zu holen und sie in ihren Automobilen zu entführen. Noch ehe die Polizei zur Stelle war, wurden sie an die Bäume gestellt und kalt blütig erschoßen. Der ganzen Stadt bemächtigte sich eine riesige Panik. Polizei zu Pferde und zu Fuß sowie in Automobilen durch ziehen die Straßen. In den Verbrechergegenden herrscht riesige Ausregung. Man befürchtet weitere blutige Kämpfe zwischen den beiden feindlich gesinnten Verbrechervereinen. Der Kampfplatz um die Geheimbrennerei ist völlig zerschossen. Die Bewohner der Stadt sind von einer derartigen Angst besaiten, daß sie sich nicht getrauen, ihre Wohnungen zu verlassen. MWeriMrewr Dr. Emin VMe zm ReichMichtMSsidtnlen ernannt. Berlin, 14. Februar. Der Reichsral stimmte am Donners tag dem Vorschlag der Reichsregierung zu, als Nachfolger des Reichsgerichtspräsidenten Dr. Simons, der bekanntlich zum ersten April dieses Jahres seine Versetzung in den Ruhestand erbeten hat, den Ministerialdirektor im Reichsjustizministerium, Dr. Er win Bumke, zum Präsidenten des Reichsgerichts zu ernennen. Der Rechtsausschuß hat, wie der Berichterstatter heworhvb, diesen Vorschlag einstimmig und mit Freuden gutgeheißen. Der heutige Staat ist mittelstandsfeindlich. Geheimrat Hugenberg bei der Mittel stands Kundgebung Berlin, 14. Februar. Anläßlich einer Mittelstandskund gebung der Deutschnationalen Volkspartei sprach Geheimrat Hu genberg über die Rolle, die der Mittelstand im heutigen Staat spielt. Er betonte, daß der heutige Staat mittelstandsfeindlich sei, weil er von marxistischen Geiste erfüllt werde. Marx habe erklärt, daß im kapitalistischen Staate, d. h. im Staate des Eigentums und der Privatwirtschaft alles, was zwischen Großbetrieb und Arbeitern stehe, allmählich zerrieben werde. Da Marx für die Leute, die an ihn glaubten, als Suggestion und Befehl wirkte, sie müße diesem Glauben entsprechend jede selbständige wirtschaftliche Existenz zwi schen Großbetrieb und Arbeiter zu Fall gebracht werden. Darum dürfe der Arbeitnehmer nicht in den Mittelstand aussteigen, nicht entproletarisiert werden, sondern müsse durch Sozial- und Gewerk schaftsbeiträge in Höhe von einem sechstel bis zu einem viertel am Sparen, am Erwerb von Eigentum verhindert werden. Nach der marxistischen Lehre stünde am Ende dieses Vorganges zwar die „leichte Sozialisierung" der Großbetriebe. Das Schlimme sei nur, daß diese Großbetriebe inzwischen ein Raub des wirklichen inter nationalen Großkapitals würden, das immer mehr an die Stelle des von der Sozialdemokratie zerstörten nationalen Kapitals trete. Der Kampf der Sozialdemokratie gegen das „internationale Ka pital" sei in Wirklichkeit ein verblendeter Kampf gegen den natio nalen Mittelstand und das nationale Kapital. Die Götterdäm merung des herrschenden unheilvollen Systems nahe zwar allmäh lich heran, aber man müsse auspasfen, daß es sm Zusammensinkcn nicht Staat und Wirtschaft in Stücke schlage. Damm dürfe der deutsche Mittelstand den politischen Willen nicht den Marxisten überlassen. Die neue Zeit, sür die die Deutschnationalen kämpften, benötigte einen starken gesunden Mittelstand, der den Kern des Staates bilde. Nicht der Ehrgeiz der Parteiführer und die Viel heit der Verbände könne Deutschland retten, sondern nur die Einigkeit im Dienste der Sache. WaWNde im GeNuhe der Wiener Arbeiterzeitung. Wien, 14. Februar. Dem Bezirksgericht des fünften Wie ner Bezirks wurde vor einigen Tagen angezeigt, daß sich in dem Gebäude der soizaldemvkratischen Arbeiterzeitung große Waffen- bezw. Munitionsbestände befänden. Das Bezirksgericht veranlaß te auf Ersuchen von höherer Seite eine Hausdurchsuchung, bei der festgestellt wurde, daß sich im Gebäude der Arbeiterzeitung außer der Schrijtleitung noch die Zentralen des republikanischen Schutz bundes und der Arbeiterschühenvereine befinden. Dem Arbeiter schützenverein war vor einiger Zeit vom Magistrat der Stadt Wien eine Licenz erteilt worden, Scheibenjchießmaterial in den Handel zu bringen. Bei der Hausdurchsuchung wurden jedoch aus gesprochene Kampswaffen und größere Munitionsbestände für die se Waffen gefunden. Die Hausdurchsuchung richtete sich gegen den „Arbeiterjagd- und Schützenverband". Den Zentralverband von mehr als 100 sozialdemokratischen Schützenvereinen. Dieser wurde jedoch schon vor einigen Tagen aufgelöst, da Anzeigen eingelaufen waren, daß auf seinen Schießständen scharf geschoßen werde. Man fand in Kellerräumlichkeiten, die durch doppelte eiserne Türen ab geschlossen waren, 300 Gewehre verschiedener Systeme, darunter zahlreiche Armeegewehre, mehrere Kisten mit Mafchinengewehr- bestandteilen, Maschinengewehrmunitionsgurten und Munition. Auch Feldtelephoncnlagen wurden beschlagnahmt. Die Waffen sollen aus Kriegsbeständen stammen. Es wurden u. a. 30 000 scharfe Patronen für Insanteriegewehre beschlagnahmt. MtelstaMsorgen vor dem Landtag. (104. Sitzung.) 6L. Dresden, 14. Februar. In der Donnerstagsttzung des Landtages wird die Be ratung des Staatshaushaltes fortgesetzt. Die Beratung be ginnt mit der Begründung der mit der Etatsberatung verbun denen Anträge und Anfragen. Ein Antrag Voigt (D. Vp.) ersucht die Regierung um Voransbcwilligung von Etatspositionen zur Belebung des A r b e i t s m a r k t c s. Auf die Anfrage der Landtagssraktion der Reichspartei des Deutschen Mittelstandes wegen der Inangriffnahme des Baues des Elster-Saale-Kanals antwortet Finanz minister Weber, daß die Vorarbeiten sür den Elster-Saale- Kanal so weit gediehen sind, daß mit dem Bau auf dem sächsischen Teil der Kanalstrecke unbedenklich begonnen werden kann. Weiter fragt die Wirtschaftspakte! an, mit welchen Mitteln die sächsische Regierung bei dem außersächsischen Bad Heidelberg beteiligt sei. Seine Partei sei erstaunt dar über, daß Sachsen Gelder übrig habe zur Unterstützung säch sischer Konkurrenzbäder. Ministerialrat Dr. Kittel anwortet im Namen der Regie rung und schließt seine Ausführungen mit der Feststellung, daß nach Eintritt geordneter Verhältnisse die sächsische Wohlfahrts hilfe keine solchen Anlagen außer Sachsens mehr macht und auch in Zukunft keine mehr vornehmen werde. Abg. Kunath (D. Vp.) begründet hierauf einen Antrag seiner Partei, die Regierung zu ersuchen, im nächsten Haus- haltselat ausreichende Mittel zur Erneuerung des in früherer Jahren bestandenen Mittel st andssonds einzustellen, aus dem dem gewerblichen Mittelstand Kredite zu mäßiger Zinsen zur Beschaffung von Maschinen und sonstige dem Ge werbe dienenden Einrichtungsgegenständen gewährt Werder können. Abg. Weckel (Soz.) vertritt den sozialdemokratischen An- traq, den Bezirksfürsorgeverbänden 5 400 000 Mark zm Gewährung einer Winterhilfe an Sozialkleinrentner Wohlfahrtsnuterstützungsempsänger und besonders bedürftig, Erwerbslose zur Verfügung zu stellen. Finanzminister Weber macht den Vorredner daraus auf merksam, daß im Reichshaushaltsplan 15 Millionen Mark sm die Rentnerfiirsorge eingestellt worden seien. Die Ermäßigung der Grundsteuer im Interesse der kleinen Hausbesitzer gescheht auf den Wunsch des Reichsfinanzministers. Abg. Dr. Eckardt (Dtn.) weist aus das Mißverhältnis zwischen den Lasten, die d i e I n d u st r i e zu tragen habe, unk die geringen Erträgnisse hin. Das würde dazu führen, das man sein Geld nicht mehr in Unternehmen stecke, sondern bei der Bank anlege. An der schlechten Wirtschaftslage seien nich allein überflüssige Ausgaben, sondern auch ein mißgeleitetes soziales Empfinden schuld. Lohnerhöhungeu seien nm bei einer günstiger werdenden Wirtschaftslage möglich. Es sei ein Unding, Einstellungen des Etats zu bewilligen, solang« man nicht wisse, mit welchen Einnahmen man rechnen könne Der Redner geht dann aus Einzelheiten des Etats ein. Dü Porzellanmanufaktur Meißen werde noch lange ein Sorgen kind bleiben, weil es an der Kaufkraft fehle. Trotz aller Ab leugnungen der Sozialdemokratie sei die Notlage der Land wirtschaft unbestreitbar und es müße für Abhilfe gesorgi werden. Abg- Voigt (D. Vp.) begründet zunächst einen Antrag seiner Partei, wonach fene Kapitel aus dem ordentlichen unk außerordentlichen Etat, die größere Arbeits- und Lieferungs austräge zur Belebung des Arbeits Marktes zur Folg« haben, durch Haushaltsausschüsse eiligst verabschiedet und du Mittel hierzu sofort bereitgestellt werden sollen Gegen di« Reichseisenbahn richtet der Redner wegen ihrer Ver nachlässigung des Bezirkes Sachsen heftige Angriffe. Die ge spannte Erwerbslosigkeit habe die Richtigkeit der Arbeitslosen versicherung bestätigt. Der Redner kündigt Anträge seiner Partei an, die Staatsmittel für die S t u d e nt e nh i l f e deS deutschen Volkes fordern. Abg Kuhnert (Wirtschaftspartei) beschäftigt sich mit bei Aufwertungssteuer und mit Staatsaufträgen für di« Wirtschaft. Die Staatsbetriebe dürften nicht in unlauteren Wettbewerb mit der Privatwirtschaft treten. Von den neuen Reichssteuern befürchtet der Redner eine neue Belastung des gewerblichen Mittelstandes. Die meisten Staatsbetrieb« würden wahrscheinlich unter Geschäftsaufsicht geraten, wenn sie die großen Lasten tragen müßten wie die Privatbetriebe. Die übertriebene Gewerbeaufsicht führe zu schweren Belästigungen der Unternehmer. Ein Ausbau der Technischen Hochschule Dresden zu einer zweiten Universität könne seine Partei nicht gutheißen. Abg. Dr. Dehn (Dtn.) erklärt, die Etatsrede des Finanz ministers enthalte sehr mit Recht einen Appell zur Sparsam keit und eine Warnung vor übertriebenem Optimismus. Der Minister habe in seiner Rede erwähnt, daß sich das Vermögen des Staates an Kassenbeständen, Wertpapieren, Beteiligungen usw. um rund 80 Millionen Mark erhöht habe. Dieser Satz könne aber naive Gemüter irreführen. Dieser Vermögens- ttlwachs sei, wie der Minister selbst erklärt, durch Aufnahme fremder Gelder ermöglicht worden. Die Übersicht des Rechenschaftsberichts zeige, daß sich in derselben Zeit die Staatsschulden ebenfalls um rund 80 Millionen Mark ver mehrt hätten. In Wirklichkeit sei also von einer Vermehrung des Staatsvermögens so gut wie keine Rede. Gefährlicher noch in der Wirkung sei das Hervorheben der Tatsache, daß das Defizit nur 19,5 Millionen gegen 25,5 Millionen Mark im Vorjahre betrage. Diese Herabminderung wäre erfreulich, wenn sie echt wäre, d. h. wenn sie auf Verminderung der Aus gaben oder Erhöhung der Einnahmen beruhte. Das sei aber nicht der Fall. Mit Rücksicht auf den bevorstehenden Finanz ausgleich sollte man das Defizit nicht künstlich vermindern. Unter Hinzurechnung dieser 10 Millionen betrage es aber 4 Millionen mehr als im Vorjahre. Man komme also ans ein Defizit von 39 Millionen Mark. Finanzminister Weber erklärte, au dem Staatshaushalt trage nicht der Finanzminister allein die Verantwortung, sondern die Gesamtheit der Koalition. Die Sitzung datiert an. Nächste Sitzung Diens- taa, den 19. Februar. Hur unlerer Heimat Wilsdruff, am 15. Februar 1929. Merkblatt für den 16. Februar. Sonnenaufgang 7^ t Mondausgang 9°° Sonnenuntergang 17^ s Monduntergang G" 1834: Der Naturforscher Emst Häckel geboren. Ser Mklemvpäer und seine Kälte. Wieviel Minusgrade kann er ertragen? Jetzt, wo wir uns an die Polarkälte schon so langsam gewöhnt haben, wird die Frage aufgeworfen, wieviel Kältegrade ein Mensch von unserer mitteleuropäischen Beschaffenheit eigentlich ertragen könnte, ohne zugrunde zu gehen. Die Gelehrten sagen: „Das hängt ganz von der Beschaffenheit des einzelnen Menschen ab," was auf deutsch heißt: alles ist relativ — wo der eine schon längst dem Erfrieren nahe ist, fühlt sich der andere noch ganz wohl. Aber im allgemeinen läßt es sich sagen, daß wir bei längerer Gewöhnung sehr hohe Kältegrade wahrscheinlich leichter ertragen könnten als sehr hohe Hitzegrade, vor ausgesetzt, daß wir genügenden Schutz gegen die Kälte hätten und passende und ausreichende Nahrung bekämen. Arktische Völker, wie die Eskimos, ertragen ohne besondere Schwierigkeit 55 Grad Celsius unter Null, und zwar auch für längere Zeit. Der Mitteleuropäer würde sich natür lich bei solcher Kälte nur ganz kurze Zeit im Freien be wegen können; Polarforscher haben die Qualen solcher Tiefsttemperaturen am eigenen Leibe verspürt und frieren" jetzt noch, wenn sie nur daran denken. Eine Polarkälte ruft auf der Haut eines Menschen unserer Breitengrade Blasen hervor, genau so, wie wenn man sich mit einem glühenden Eisen die Haut verbrennen würde. An 40 Minusgrade Celsius aber könnte sich der normale Mittel europäer allmählich gewöhnen, aber allzulange dürfte auch eine solche Kälte nicht dauern. Die tiefste Temperatur, die sich erzielen läßt, beträgt 273 Minusgrade! Das ist der berühmte „absolute Null punkt" der Physiker, die Temperatur des luftleeren, eisigen Weltraumes. In dem berühmten Kältelabora torium zu Leiden in Holland hat man durch Verflüssigung von Gasen Temperaturen unter 272 herbeigeführt, also fast den absoluten Nullpunkt erreicht. Und was man nicht für möglich halten sollte: es haben Menschen, unter ge nügendem Schutz des ganzen Körpers, also auch des Ge sichtes, diese Temperatur für einige Sekunden ertragen! Wenn also eine neue Eiszeit käme — einige von uns würden sie vielleicht überleben können. * Neuer Schnee — die Kälte geht nur langsam zurück. Auch die Depression, die vom Golf von Mma Warmluftmassen bis in bas Herz Europas geführt hat, konnte bei uns in Mitteldeutschland den starken Frost nur etwas lindern, sie hat aber fast in ganz Deutsch land starke Schneefälle Mr «Folge gehabt. Schon haben wir wie der etwa fünfzehn Zentimeter Neuschnee. Für die nächsten Tage wird ein langsamer Abbau ber Kälte vorausgesagt, wobei es bei Aufklärung noch nicht ausgeschlossen ist. daß die Temperaturen zunächst noch einmal etwas fallen. Die Kälte des Wochenanfangs soll aber nicht erreicht werden. Wenigstens ein Trost! Innner wieder: Gedenket der hungernden Vögel! Die außer gewöhnlich starke Kälte und die anhaltende Schneebedeckung des Bodens wirken zur Zeit geradezu verheerend unter unseren- Sing vögeln. Aeberall werden Tiere gefunden, die dem Hunger und der Kälte erlegen sind. Seit Jahren ist die Wohltätigkeit der" Men schen gegenüber der hungernden Vogelwelt nicht so dringend notig gewesen wie in der gegenwärtigen Zeit. Helft alle, die ihr eiv Herz habt, den Sängern im Garten, Mur und Wald! Die Kohlen werden knapp, und zwar nicht nur in den Haus- kellern, sondern auch in den Lagern der Kohlenhändler. Man muß schon Glück haben, um ein paar Zentner Kohlen in diesen Tagen geliefert zu erhallen, wobei alle Ansprüche aus eine bestimmte Sorte von Kohlen von vornherein zurückgestellt werden müßen. Auch die Kohlenknappheit ist selbstverständlich eine Folge ?cr großen Kälte. Einmal konnte niemand erwarten, daß dieser Wm-
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