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Wilsdruffer Tageblatt : 04.02.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-02-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192902047
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19290204
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19290204
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-02
- Tag 1929-02-04
-
Monat
1929-02
-
Jahr
1929
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 04.02.1929
- Autor
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Tage»spr«ch. Daß man durch Schaan Nüger wird, Lernl's Kind schon als Debole; Doch daß der Mensch sem Lebhag irrt, Dran lernt man bis Zjun Tode. Dresdner Brief. Die Neinz' n. Die Neinz'n! Was ist denn das? So werden Sie fragen. Ja, bis ist etwas ganz Komisches, der Schreck aller Friedensrichter, der Spatz aller Assessoren und der dazu gehörigen Schreiber, aber «ich der Schreck der ganzen Umgebung. Es ist ein Haus in einer Leinen Seitenstraße der Weltstadt Dresden. Ich will nicht den Namen der Straße nennen, er tut auch nichts zur Sache, und sol cher Häuser gibt es noch einige in allen Teilen der Stadt, in ver schwiegenen Winkeln hier und da. Also befassen wir uns einmal mit der „Neinz'n"! Sie besteht aus einem großen, vierstöckigen Vorderhaus, in jeder Etage bewohnt von drei Familien, einem ebenso hohen Seitengebäude mit je vier Familien pro Stockwerk, einem Hinter gebäude „A" mit je zwei Familien, einem Hintergebäude „B" ebenso und einem Seitengebäude „C", in dem wieder drei Fami lien jedes Stockwerk bevölkern. Haben sie nachgerechnet, wieviele Familien das sind! Rechnen wir nun die Hälfte der Familien mit je vier Personen, die übrigen mit 5 Personen und mehr^ davon ein Drittel Frauen, von denen jede aber mindestens sür zwei Latscht, dann haben Sie ein ungefähres Bild der Bevölkerung unserer Neinz'n. Da hat die Frau L. doch neulich — sie ist Witwe — mit ihrem Zimmerherrn Wein getrunken! Denken Sie mal! Man hat ihn mit zwei Flaschen unterm Arm hinaufgehen sehen! Es ist doch eigentlich sooo ein hübscher Mensch, wie kann der nur mit der Wit we Wein trinken? Der sollte das Geld lieber sparen, er kommt so wieso jede Woche zweimal in einem Zustand nach Hause, — ich sage Ihnen, in einem Zustand! — Na ja, die Frau L. ist auch da nach! Woher hat sie das Geld zu den hübschen Kleidern allen, die sie trägt? Das verdient sie doch nicht auf reelle Art! And einen Bubikopf hat sie sich auch schneiden lassen, die alte Schachtel! So stehen und wispern die Frauen aus Hinterhaus und Sei tengebäude A, B, C. Doch die Rache lauert schon in der Person der Frau S., die hinter dem nächsten Fenster alles mit angehört hat. Kaum nimmt sie sich Zeit, nach dem brodelnden Esten zu schauen, dann saust sie mit 6 PS. hinauf zu ihrer Freundin, der Frau L. „Denken Sie, die Müllern, die Borcherten, die Schulzen und die Meiern haben jetzt über Sie so etwas Gemeines geredet! Las sen Sie sich das ja nicht gefallen!" Und nun erzählt sie getreulich alles, was sie gehört hat und noch ein Erkleckliches dazu. Aber da geht die Betroffene los: Mein, solche Schandschnauzen!" Sie spricht ein wunderbares Hochdeutsch. Mein Zimmerherr hat mir zwei Liter Essig geholt, wo ich doch gerade über dem Gurkeneinmachen war. Und mein Herr ist sooo nett und gefällig. Aber wissen Sie, meine Liebe, ich werde diese Weiber alle verklagen, und Sie werden meine Zeugin sein!" Jetzt kommt der Glanz eines Raubtierblickes in der anderen Augen, und freudig stimmt sie zu. Sie hat nämlich noch eine Rache «uszuüben! Damals, wo sie von ihr gesagt hatten, sie habe einen ganzen Eimer Schlagsahne geholt und sei ihn schuldig geblieben! Das war ja vor Gericht gekommen und sie hatte sich vergleichen mästen Diesmal aber würden sie gewiß Gefängnis bekommen, vielleicht gar Zuchthaus! O sie wollte schon aussagen! Armer Herr Friedensrichter, Sie bekommen wieder mal Arbeit! Es ist noch kein Vierteljahr her seit der Schlagsahne-Tragödie, und schon kommt wieder eine neue Klage aus der Neinz'n! And wie die Alten jungen, so zwitschern die Jungen! Kein Tag vergeht, an dem nicht die Rekordzahl von fünf Keilereien er reicht wird. In den beiden engen Höfen prügeln sich die Jungens, ärgern die Mädels einander und drohen, es dem Lehrer zu sagen. Kurz, das ganze Haus hat fieberhaft zu arbeiten, und hier wevden sogar mit Wonne Lleberstunden gemacht. Der Herr gebe uns liebe Freunde, getreue Nachbarn und der gleichen! Regina Berthold. Strandgut Roman von Horst v. Werthern. - r2. Fortsetzung Nachdruck verboten Mahon blickte neugierig in das ernste Antlitz seines Herrn. Sern zottiger, brauner Leib drückte in jeder Linie die Befriedigung aus, die es ihm gewährte, Wernleins Ansichten zu teilen, und wie der kleine Rattler ruhig an der Seite seines Herrn trottete, statt, so wie es sonst seine Gewohnheit hegend zu durchstreifen, zeigte er eine Art von edler WurA' E ste einem Doktorshund wohl ansteht. was mich veranlassen kann, um diese ungewohnl che Stunde ins Krankenhaus zu gehen, nicht «ahr, Mahon? scherzte Wernlein und blinzelte schelmisch, als sein Mick den ssunen Augen des Hundes begegnete, die fragend auf ihn gerichtet waren. „Ich muß eben nachsehen, weil ich rmt dem Befinden des neuen Patienten nicht zufrie den bin und mich überzeugen möchte, ob er jetzt schon mehr weiß, als heute morgen Vm Gotti es ist mir ein Gedanke gekommen!" ^ef er, sich plötzlich unterbrechend, mit einem nachdenklichen Blick m Mahons treue Augen, und wendete sich von dem schmalen Pfad, der ihn direkt zum Hospital ge- ührt hätte, um einen steileren Fußweg einzuschlagen, der ich am Hügel entlang zog. „Könnte ich einen Augenblick mit Fräulein Baumgar ten sprechen?" fragte er, vor dem weißen yaus angelangt, wo Hanna, die alte Magd, ihm die -ur öffnete. „Ah, da ist sie ja!" rief er, als Mela im selben Augenblick auf der Treppe erschien. Als sie ihn sah, durchschritt sie eilig die Halle und begrüßte ihn freundlich, den Blick fest auf ihn gerichtet. Mela war dem Doktor herzlich r-ugetan, und bei dem kameradschaftlichen Verhältnis, das Zwischen ihnen bestand, waren sie gewöhnt, alles zusammen zu besprechen. merkte «icht das Helle Aufleuchten in Franks Augen, als er ' rer ansichtig wurde, ahnte nicht, daß seine Pulse rasch s l P als ihre weiße Hand die seine berührte; es lag auch keine Spur von Ziererei in ihrem Benehmen, als sie sagte. Mine, Ir. Stresemann über die MgsWnng Der Kellogg-Pakt im Reichstag. Eineruhige Sitzung. Erwartungsfrohe Gemüter hatten etwas Besonderes «r- ivartet von dieser sonnabendlichen Sitzung und diese oder jene Zeitung hatte sogar vorschußweise und wichtig verkündet, siesmal steige ein »großer Tag" herauf, weil aus der Tages ordnung die erste Beratung des von der Reichsregierung akzeptierten Kellogg-Paktes und eine Rede des Reichs außenministers dazu stand. Aber trotzalledem blieb es eine ziemlich zahme Angelegenheit und als Dr Stresemann seine Darlegungen begann, zeigten sich im Saale nur einige Dutzend Abgeordnetensitze besetzt, während die Zuschauer- lribünen fast und die Diplomatenlogen ganz leer blieben. Stresemann beschränkte sich darauf, die Grundsätze anzu- führcn, derentwegen Deutschland dem Antikriegspakt bei getreten sei. Die dem Pakt als Basis dienenden Erwägungen hätten sich eben mit den Grundsätzen der heutigen deutschen Außenpolitik gedeckt. Deutschland wolle durch seine ent schiedene und schnelle Zustimmung, die zur Unterzeichnung des Paktes in Paris am 27. August vorigen Jahres führte, bekunden, daß es den aufrichtigen Willen zum Frieden und zur schiedlichen Verständigung der Völker an die Spitze seiner Politik stelle. Dieses ernsthafte Bestreben verkennen die- lengen, die heute noch von Hinterhältigkeit und Unaufrichtig keit, wenigstens von unserer Seite, bei den Abmachungen sprechen. Wir wollen den Krieg in seiner furchtbarsten Form, den vom Egoismus gewollten Krieg, verhindern und ihn recht lich aus der internationalen Ethik ausschalten. Derjenige, der einen solchen Krieg dennoch freventlich beginne, müße der Brandmarkung vor der ganzen Welt verfallen, wie es der französische Außenminister Briand bei der Unterzeichnung ausgesprochen habe. Die lebendige Entwicklung des Völker lebens wird sicherlich auch in Zukunft zu Gegensätzen führen. Solche muffen aber friedlich gemeistert werden. Und wir können hoffen, daß der Kriegsächtungspakt dazu beitragen und die Einleitung einer neuen Epoche bedeuten werde. Tie Zuhörer verhielten sich im allgemeinen zustimmend und nur unbedeutendes Gemurmel bekundete zuweilen, daß auch die Gegnerschaft, die in dem Pakt keinen Fortschritt lieht, nicht ausgestorben ist. Diese Gegnerschaft meldete sich denn auch in dem nationalsozialistischen Grasen Reventlow und dem kommunistischen Abgeordneten Stöcker, die über einstimmend die Zustimmung zum Pakt ablehnten, wobei sei letztere noch eine besondere Klinge für die Maßnahmen oct russischen Sowjetunion schlug. Aber schon der deutschnatio nale Abgeordnete von L i n d e i n e r - Wildau verhielt sich durchaus reserviert und empfahl die vorgeschlagene Ausschuß- beratung. Seine Partei werde sich ihre Stellungnahme füi die zweite Lesung Vorbehalten. Der Redner bekundete oamii den in allen großen Parteien deutlich hervortretenden Willen in diesem Augenblick keine große außenpolitische Debatte her- aufzubeschwören, sondern die innenpolitische Entwicklung ab- zitwarten. Noch einiges Geplänkel der Kommunisten um die Erwerbs- losenamräge, die schließlich auf Dienstag verwiesen wurden und der „große" kleine Tag war vorüber. Der NeichSrat konnte die Sonntagsruhe beginnen. io. * Sitzungsbericht. (38 Sitzung.) 6L. Berlin, 2. Februar. Mit kurzen Einleitungsworten des Präsidenten Löbe wurden der deutsch-litauische Handelsvertrag und das Abkommen zur Beilegung der finanziellen Streitfragen zwischen Deutschland und Ru mänien dem Auswärtigen und dem Handelspolitischen Ausschuß überwiesen. Reichsaußenminifter Or. Stresemann nimmt nunmehr sofort das Wort zu dem dritten Punkt der Tagesordnung, der ersten Beratung des Vertrages über die Achtung des Krieges, den Kellogg-Pakt. Von dem Augenblick an, so führt der Minister aus, als bekannt wurde, daß der ursprüngliche Gedanke eines französisch- amerikanischen Friedenspaktes durch den Entschluß der Ver einigten Staaten von Amerika sich umwandelte in den Ge danken eines allgemeinen Weltfriedenspaktes, ist sich die Reichsregierung der Tragweite dieses Vorganges bewußt ge wesen. Das große Problem der Herstellung einer tnter- nationalenFriedensordnung wurde ln einer ganz neuen Form angefaßt. Von den beiden großen Ideen des amerikanischen Paktentwurfes, die Möglichkeit kriegerischer Konflikte auszuschalten und den friedlichen Ausgleich der Gegensätze zwischen den Staaten zu gewährleisten, konnte mit vollem Recht und mit voller Aufrichtigkeit gesagt werden, daß sie die Grundsätze der deutschen Außenpolitik sind. So hat die Reichsregierung auch nicht gezögert, als erste der beteiligten Regierungen dem amerikanischen Entwurf ohne Vorbehalt zuzustimmen. Dr. Stresemann weist die Behauptungen zurück, daß die der feierlichen Unterzeichnung des Paktes vorausgegangenen Verhandlungen dem Vertrag einen Teil seiner Wirksamkeit genommen hätten. Die hohe Bedeutung des Vertrages liegt darin, daß er dem Krieg das nimmt, was ihn so "-jährlich macht, seine Rechtmäßigkeit im Völkerrc l. Wir Deutsche haben keinen Anlaß, die Bedeutung des Vertrages ungünstiger zu beurteilen, als es der französische Außen minister getan Hal. Die zum Teil schwierigen und verwickelten Erörterungen sind letzten Endes nur ein Beweis dafür, daß die beteiligten Regierungen den Vorschlag nicht nur als eine Geste und Demonstration, sondern als einen folgenreichen, bindenden Akt auffaffen mußten. Uber all- Auslegüngskünste hinaus steht es unwidersprechlich fest, welche Bedeutung es hat, wenn die in Paris vertretenen fünfzehn Regierungen sich feierlich verpflichten, auf den Krieg als Instrument der nationalen Politik zu verzichten. Wenn die Öffentlichkeit den Vertragsabschluß mit einer ge wissen Skepsis verfolgt hat, wo war das nicht ein Beweis für mangelnden Friedenswillen, sondern man vermißte die Folgen, die sich aus dem Pakt ergeben mutzten. Er bedeutet ein Versprechen auf weitere Ausgestaltung der rechtlichen Ord nung des Völkerlebens In diesem Sinne war auch die erste deutsche Note gehalten. Die neue Friedensgarantie mutz nicht nur der allgemeinen Abrüstung einen wirksamen Impuls geben, sondern es müssen auch diejenigen Möglichkeiten ge funden werden, die geeignet sind. Gegensätze der Völkerinter essen auf friedliche, gerechte Weife zum Auskrag zu bringen. (Zuruf bei den Kommunisten: Heuchelei!) Das rufen die Kommunisten in dem Augenblick, wo sich Sowietrutzland eifrig nm die Beschleunigung seines Beitritts zu diesem Pakt be müht. Der Minister erklärt zum Schlutz, daß der Pakt die Einleitung einer neuen Epoche sein muffe. (Beifall.) Die Diskussion. Nach der Rede Stresemanns wird die Zeit für die Dis kussionsredner auf eine halbe Stunde festgesetzt und als erster nimmt gegen den Pakt Stellung Graf Reventlow (Nat.-Soz.). Er wiederholt seinen schon mehrfach verfochtenen Stand punkt und sagt, der Pakt sei schon im Entstehen Gegenstand des Wcltgelächters gewesen. Die Hoffnungen der Neichs- regierung seien trügerisch. Der Pakt hätte Anlaß geben müssen, unter allen Umständen die Aufhebung der Besetzung als Vorbedingung zu fordern Dann wäre seine ganze Ver logenheit zutage getreten. Der Pakt sei ein Betrug der Völker und werde von den Nationalsozialisten abgelchnt. Abg. von Lindeincr Wildau erklärt ganz kurz tm Namen der DeutschnaUonalen, seine Fraktion sei für Nusschuß- beratung und behalte sich ihre Stellungnahme für die zweite Lesung vor. Abg Stöcker (Komm.) bezeichnet das Spiel mit dem Kettogg-Pakt als eine Heuchelei. Je mehr die Kapitalisten behaupten, den Krieg zu ächten, desto mehr rüsten sie. Die Sowjctrcgttrung habe durch ihre Abrüstungsvorschläge einen ehrlichen Schritt für Friedenspolitik getan. Die Unterzeich nung des Paktes durch Coolidge. Baldwin. Poinearö, Musso lini und Müller sei die widerlichste Komödie eines Massen- betrnges. (Der Redner erhält einen Ordnungsruf.) Solange nicht auch der Verteidigungskrieg verboten werde, bleibe der Pakt wertlos. Präsident Löbe stellt fest, daß sich weitere Redner nicht zum Wort gemeldet haben. (Lärm bei den Kommunisten. Abg. Heckert erhält einen Ordnungsruf.) Der Kellogg-Pakt wird dem Auswärtigen Ausschuß über wiesen. Erwcrbslosendcbattc DienStag. Ein kommunistischer Antrag, die Anträge über die Er- werbslosennoi auf die Tagesordnung zu setzen, wird gegen die Antragsteller abgelehnt. — Präsident Löbe erklärt, er werde dem Ältestenrat Vorschlägen, diese Anträge am Dienstag zu beraten. Das Haus vertagt sich auf Montag. Der To- in den Klammen. Eine zehnköpfige Familie verbrannt. Im Buckhannon (Westvirginia) brach im Wohnhaus der Familie Fines in der Nacht ein Brand aus, der mit so vernichtender Schnelligkeit um sich griff, daß sämtliche Mitglieder der Familie, zehn Personen, in den treten Sie ein, Großvater ist weggefahren, und ich war eben im Begriff, ins Dorf hinunterzugehen. Brauchen Sie mich?" Frank fühlte sich versucht, zu sagen: „Gewiß! Ich brauche dich jetzt und immer!" Aber er gab seinen Gedanken keinen Ausdruck, sondern sagte fröhlich, während er dem jungen Mädchen folgte. „Der arme Teufel, den Sie gestern am Strand aufge funden haben, macht mir viel Sorge. Sein Erinnerungsver mögen scheint bis zu einem gewissen Zeitpunkt zurückzurei chen, von da an jedoch ist es gänzlich erloschen. Er weiß sei nen Namen nicht und hat keine Ahnung, wo er sich befin det, woher er kommt oder wie es geschehen ist, daß ihn die Flut am Christmorgen ans Land spülte. Er scheint ein rei zender Mensch, aber er hat das Gedächtnis gänzlich verloren. Die Vergangenheit ist vollständig aus seinem Denken gestri chen. Er weiß nicht mehr über sich selbst als ich. Nun bin ich auf den Gedanken gekommen, daß möglicherweise Ihr An^ blick Erinnerungen in ihm erwecken könnte, und wollte Sie fragen, ob Sie mit mir ins Hospital hinübergehen wollten, um ihn zu besuchen. Ich kam eben auf den Einfall, als ich mit Mahon den Hügel hinanging." Mit Erstaunen bemerkte er Melas Erröten und einen seltsam verlegenen Ausdruck, der ihr sonst so offenes Wesen veränderte. „Wenn Sie meinen, daß ich irgendwie nützlich sein kann, will ich gern mit Ihnen gehen," antwortete sie etwas zögernd, „aber ich bin "dem armen Menschen ebenso fremd, wie alle anderen hier, und mein Anblick kann keine Erinnerung an die Vergangenheit in ihm wachrufen; ich kann nicht sagen, wer er ist oder woher er kommt, denn ich habe ihn nie im Leben gesehen, ehe ich ihn am Strand auffand." „Ja, das weiß ich." Frank war erstaunt über ihr ableh nendes Verhalten und ihre unverkennbare Verlegenheit. „Aber eben, weil Sie diejenige waren, die ihn aufgefun den hat, denke ich, Ihr Anblick könnte eine Ideenverbindung bewirken. Ich will ja nicht behaupten, daß ein Erfolg zu er warten sei, aber schon die große Möglichkeit scheint mir einen Versuch zu rechtfertigen; und sein Zustand macht mir viel Während Wernlein sprach, färbten sich die Wangen des jungen Mädchens noch tiefer; die erregte See. die felsige Böschung, der blaue Himmel, alles tauchte mit einem Mal vor ihrem Geist auf, und eine Stimme klang in ihrem Ohr, die leise flüsterte: „Ein glückliches Christfest, mein Liebling!" „Gew'ß, ich will kommen," sagte sie, eifrig bemüht, die Vision zu bahnen. „Großvater hat auch heute früh über den Fall gesprochen, es wird ihn interessieren, Näheres darüber zu erfahren. Haben Sie Freunde oder Verwandte des armen Fremden ausfindig gemacht?" „Wir wissen weder seinen Namen, noch welchem Schiff er angehörte, somit haben mir sehr geringe Anhaltspunkte. Eine Zeitungsnotiz, die natürlich sehr unbestimmt lautete, blieb erfolglos. Der arme Mensch befindet sich in einer schrecklichen Lage und ist in keiner geringeren Verlegenheit als wir; es muß doch furchtbar peinlich sein, gar nichts von sich selbst zu wissen." „Aber er muß doch manches wissen," sagte Mela. „Anscheinend nicht. Er ist vollständig aufrichtig, daran ist nicht zu zweifeln. Wenn Sie mit ihm sprechen, werden Sie sich davon überzeugen und sehen, welche Schwierigkeiten wir haben, wenn es uns nicht mit Gottes Hilfe gelingt, sein Erinnerungsvermögen zu erwecken." Mela stellte keine weiteren Fragen und das Gespräch nahm eine andere Richtung, bis sie das Spital erreichten und sie dem Arzt in das Krankenzimmer in der Männerabteilung folgte. Sie schalt sich, weil ihr Herz so stürmisch pochte, wäh rend sie den langen Saal durchschritten; am liebsten hätte sie die Flucht ergriffen, als Wernlein den Schirm von einem Bett in der Ecke des Saales wegschob. Aeußerlich zeigte sie kein Zeichen ihrer Aufregung, son dern trat, ohne ein Wort zu sprechen, zugleich mit Wern- > lein an dos Bett und betrachtete den Kranken. Er lag ganz ruhig; die Augenbrauen wie in Nachdenken zmammengezogen, den Blick starr vor sich hin gerichtet. Die schönen binnen Augen, die an jenem Morgen fest in die ihren ° geblickt hatten! Jetzt wandten sie sich ißr zu, wie sic neben dem Lager stand und ein Leuchten verklärte das blasse Antlitz. (Fortsetzung folgt.)
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