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Sonntags-Kettage Nr. S WilsaruNer cageblatt 2. 2. IY2Y Der letzte Historische Skizze von Georg Paul Lücke. „Mit Permission Eurer Allerchristlichsten Majestät sub- missester Diener ..." Der ehemalige Kolmarer Advokat, heute Sekretarius dessen von Lützelburg, schob die Hornbrille gegen die Nasen spitze und harrte gewogener Worte seines Herrn ob dieser so schwierigen Antwort auf den Befehl der Breisacher Rsunions- kammer, sich dem Edikt zu unterwerfen. „Potz Fluch! — Was faselt Er da?" Rollend kam die Frage aus des Lützelburgers Bartwild nis. Dann brach es los: „War als Troßbub bei Breitenfeld dabei, als der Tilly fiel, stand mit dem Gallas bei Nördlingen gegen den Schweden, hab' ihm am Rhein gedient gegen die welsche Brut und den Weimarer Bernhard, den Verräter. — Potz Donner und Küraß! — Schreib' Er: ,Hannes Donner von Lützelburg ist ein Teutscher und schließt mit dem welschen Teufel keinen Pakt!' Mit ungelenker Faust riß er den Namen unter die Ant wort. „Da! — Nehm Er's und bring' Er meine Antwort nach Breisach! — Und das da!" — Mit einem Ruck zerriß er die Pergamentrolle, die ihm verkündet hatte, daß das Elsaß französisch sei, trat das Siegel des vierzehnten Ludwig mit dem Wuchtenden Neiterstiefel in Fetzen, und als das Schreiberlein bebend, mit wankenden Schritten den Berg hinunter stieg, dröhnte des Lützelburgers Lachen hinter ihm her. Hannes Donner schloß das Tor und ließ die Kette raffeln, an der sich in rostenden Scharnieren die Zugbrücke über den fauligen Graben senkte. Er war allein, so wie er dahergekommen mit seinen drei Hunden, auf schwarzem Rotz, dem die Knochen die zerschnittene Haut spannten. Kolmar, Schlettstadt, alle adeligen Herren im Umkreise hatten sich dem Franzosen ergeben. Mitten im Frieden war Straßburg durch Ueberrumpelung gefallen. Der Nassauer, der voy Veldenz, der Markgraf von Baden-Durlach und wie sie alle hießen, die sich einmal „deutsch" genannt, legten die Waffenröcke ab, hüllten die muskelharten Glieder in Bur gundische Seide und Brabanter Spitzenzeug, vertauschten das schartige Schwert mit dem Kavaliersdegen und gingen an den Hof zu Paris, der Montcspan zierliche Worte zu sagen. „Potz Teufel!" — Drüben über dem Rhein gluteten Nacht für Nacht die Feuerbrände. Der MÄac trat, was noch deutsch war, in Grund und Boden. Nacht für Nacht durch heulten seine trunkenen Rotten die Stille der Vogesentäler. Ueber zerfallende Treppen stieg Hannes Donner in den Keller, den einzigen Raum, der noch bewohnbar war, griff zum Humpen und spülte den Aerger vom Herzen. Ein Perückenschütteln begann zu Breisach, daß der Puder stäubte, als der Sekretarius des Lützelburgers Ant wort brachte. Der Parlamentsrat Roland de Raveaux er bleichte unter der rosig aufgelegten Schminke und zupfte ver legen die zierlich aufgedrehten Schnurrbartspitzchen. „lmpossjbls! ksrksitsmsnt impossibls", stöhnte er und wischte mit duftendem Spitzentüchlein den Schweiß von der Stirn. — Wegen des Tollkopfes da in der Bergwildnis konnte man doch nicht Krieg führen und eine Armee aufstellen. Mochte er dort sitzen und am Hungertuche nagen. — Nur keine Bla mage, nur Seine Allerchristlichste Majestät mit so etwas nicht langweilen. Hatte der MÄac drüben aufgeräumt, würde er wohl Mittel und Wege finden, dieses Aergernis aus der Welt zu schaffen. So traf man einstweilen die Verfügung, daß der von Lützelburg zu zernieren sei, im weiten Umkreis natürlich, da mit kein französisches Blut unnütz vergossen werde. >> r Hannes Donner aber hetzte mit seinen Bluthunden die >ctagerer aus dem Dickicht. Im Nachtsturm, der über die oaewnkamme brach, klana sein Lorridob. und itolr bauickte Deutsche. sich'das Lützelburger Fähnlein —"durchsiebt und' durchlöchert — auf dem Belfried der Ruine. Andere Zeiten ... Zu Versailles hielt man Hof, scharmuzierte um Kurtisanen, machte gemessene Reverenz vor des Königs Maitresse. Friede war, und der Bauer drunten in der Ebene stieg hinter der Pflugschar über das Brachfeld. Was dreißig Kriegsjahre vernichtet, erstand langsam unter fleißiger Hand. Man vergaß über Spiel und Liebesgetändel, daß dort im Bogesenwald noch immer einer saß, der mit Frankreich Krieg führte. Noch bestand das Edikt von Breisach, das ihn geächtet hatte. Irgendwo unter Aktentürmen verstaubte ein Befehl, sen man zu widerrufen vergaß. Nach zwanzig Jahren standen die Vedetten im weiten Umkreis um die Lützelburg. Starb einer, so kam ein anderer zum Ersatz, und keiner wußte mehr, warum man da Wache hielt. Die Würfel rollten,, die Gläser klangen, man ließ sich's auf des Königs Kosten wohl gehen. Ueber morsche Mauern wucherte der Efeu. Von Jahr zu Jahr drängte der Schlehdorn näher gegen die Umfaffung der Burg. Stein um Stein fiel von den Zinnen und baute mit an dem Wall um die kleine Enklave deutschen Bodens im fremd gewordenen Land. Zuweilen aber, wenn der Nachtwind ging, konnte man fernher die Weisen eines Reiterliedes hören, wie es des Gallas Schwadronen einst gesungen am Tage der Schlacht. 1789! ... Vorbei das Getändel einer mürbe ge wordenen Zeit. In Straßburg peitschte das Lied von Rouget de l'Jsle die Herzen zum Sturm. Entmenschte Horden tanzten um die Guillotine. Im Bergwald loderte die Brandfackel, wo noch Adelsburgen standen. Wie ein Märchentraum, von Menschenhand unberührt, vom Efeu eingesponnen, lag die Lützelburg. Keiner wagte es, daran zu rühren, denn die Sage ging, daß in Wetternächten dort der letzte Lützelburger mit seinen Hunden hetzte, im Leder koller, die Sturmhaube auf verwettertem Haupt, den Pallasch in der eisernen Faust. Nur einmal wollte einer der Mär spotten. Ein Leutnant Perrier war es, der sich in durchzechter Nacht vermaß, mit dem „letzten Deutschen" die Klinge zu kreuzen. Bleich und stumm kehrte er zu seiner Truppe zurück und erlag nach wenigen Tagen einem hitzigen Nervensieber. Im verschimmelten Sessel saß dort im Keller Hannes Donner von Lützelburg, den leeren Humpen vor sich auf dem faulenden Eichentisch, den verrosteten Pallasch von den knöchernen Fingern der Rechten umkrampft. Zu seinen Füßen drei Hunde, nur noch Mumien, wie ihr Herr, dem sie die Treue gewahrt. Bruder Studio. Kulturgeschichtliches Kaleidoskop von Kurt Bock. 1598 Wittenberg. Enge Gasse windet sich bergan zwischen verwinkelten Häusern, deren bunte Giebelnasen sich fast aneinander lehnen. In einer Hoftür flackert die verstaubte Laterne. Zwei Jungen in verschlissenen Kleidern stehen darunter. Der eine greift aus grober Laute ein paar verstimmte Akkorde, der andere hält ein fleckig Pergament in der Hand; und sie singen. Hoch oben springt ein Butzenfenster auf, heraus gucken mit Hellem Lachen Kei Blondköpfe, und auf dem Holperpflaster klingeln dürftige Münzen. Die Scholaren Winken Dank mit dem Barett und drücken sich weiter. Gegenüber aus dem Wirtshause „Zum güldin spieß" juchheit die lärmende Zechfrende. In der Burse harrte der Magister heut wieder einmal veraeblick. dak das BöMein