Volltext Seite (XML)
unsere Pferde untergeöracht waren. Wahrscheinlich wurden sie durch das Brausen des herannahenden Gespensterschiffes aufgeweckt. Sie stampften mit den Hufen, als wollten sie sich ihrer Fesseln entledigen, um fliehen zu können, fliehen wie vor einem Gewitter. Bald waren sie wieder beruhigt und wir setzten unsern Gang fort. Eine unheimliche Ruhe herrschte, und man hörte nur noch mehr aus den Ruinen den weithin schallenden Ruf der Eulen und die klagenden Töne der Käuzchen. Wir weckten unsere Ab lösung, um zwei Stunden zu ruhen und uns zu erwärmen. Ich bat noch die Kameraden, mich zu benachrichtigen, wenn der Zeppelin wieder zurück kommen sollte, denn erhaben ist der Anblick dieser Waffe in der Luft. Ein Zeuge deutschen Mutes und deutschen Fleißes. Aber er mußte einen wei ten Weg zurückgelegt haben, denn erst als wir selbst wieder eine Stunde patrouillierten, kam er in eiligem Fluge zurück, diesmal brauchte er keine Leuchtfeuer. Wie ein Raubtier kam er daher, welches seine Beute in Si cherheit gebracht hat und nun zurückkehrt, neue Kräfte zu sammeln, um noch furchtbarer die Feinde zu schlagen, die ihm nachstellen. Beim Mor gengrauen, als es in den Quartieren lebendig wurde, war unsere Pa trouille beendet, und wir konnten uns am Tage der Ruhe hingeben. Schon in den Vormittagsstunden kam die Nachricht, daß ein Luftschiff mehrere Eisenbahnanlagen zerstört habe. Und wir, die wir jetzt weit hinter der Front liegen, aber alle Gefahren in der Nähe des Feindes kennen, wir wissen, wieviel Mut ja der Erfolg erfordert, wir verehren und bewundern unsere jüngeren tapferen Kameraden und vertrauen unserer Führung. Wir vertrauen uns selbst und wissen, daß jeder deutsche Kanonenschuß, jedes Knattern der deutschen Gewehre, jedes Surren der deutschen Propeller, uns dem Frieden, dem lang ersehnten deutschen Frieden näher bringt. Und Otto Wehner dichtet: Seljozky, im April 1916. Deutscher Frühling. Ich möchte dich, Heimat, sehn in deinem Blütenkleid. Am Hange möcht ich stehen, wenn leis die Lüfte wehem die Augen groß und weit. Wie wollt ich talwärts schauen auf diese Blütenpracht! i ein selig Sicherbauen bis über Flur und Auen den Schleier senkt die Nacht. schmückt auch die fremden Halden ler Lenz mit jungem Grün, ich will die Hände falten: Der Herrgott mög erhalten das heimatliche Blühn! Otto Wehner, Rußland, Seljozky, im April 1916. 56 (Fortsetzung folgt.) Np. «4 „UMrapuiirp rrsgrbiatt" r r. lyr- Untere Heimat im Weltkriege Bearbeitet von A. Kühne, Wilsdruff. Sonntag, 2. April. Wir wandern mit großen Jungen und Mädels durch knospendes Blühen nach Dresden zur Tell-Aufführung. Mit uns gehen die Gedanken und Gefühle Gustavs Schülers: Erde, meine Heimaterde, tu deine Pflicht! Deine Menschen tuns auch und sperren sich nicht. Gib mehr als du kannst, gib über die Kraft, Daß dein lebendiges Blut Meere von Körnern schafft! Ob du brauu und stark, ob du sandig matt, Schaffe Brot, deutsche Erde, und mache satt! (Unerschütterlich bereit! Deutsche Kriegslieder 1911/15.) Montag, 3. April. Luftangriffe über Loudon. Es wurde dabei ein deutsches Luftschiff verloren. Die übrigen sind gut heimgekehrt. Der Deutsche Kaiser spricht in einem Handschreiben dem Flieger- leutnant Jmmelmann seinen Dank aus für die Vernichtung des 13. feindlichen Flugzeuges. Man denkt an Seelenleben und Nerven dieses unvergleichlichen Luftkämpfers: Raubvogel erster Klasse! Dienstag, 4. April. Beruhigung in Holland. In allen neutralen Staaten, be sonders in der Schweiz, in Dänemark und Norwegen wird viel über die Lage der Neutralen im Krieg geschrieben. Materiell hat sich der Krieg für die unbeteiligten Nachbarn als ein gutes Geschäft erwiesen, obwohl ex die Militärkosten der Neutralen steigerte: Dieser Nutzen aber beruht im we sentlichen auf der Möglichkeit des Handels mit den mitteleuropäischen Mächten: Absatz eigner Produkte, Einfuhr überseeischer Erzeugnisse und Ausfuhr zentraleuropäischer Waren. Je mehr England die Beweglichkeit der Neutralen vermindert, desto mehr tritt für sie eine Schmälerung der Kriegsgewinne ein. Andrerseits bringt natürlich die deutsche Methode des