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Wilsdruffer Tageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, »Ml,»r>Erk «Ich«« <m »I« Wrr»t«g«- «-LAitt«,- 5tl!»r. «tj t« »« »«jchrft.strlle u»d »« A»»,a»eft»Leii 2 «W. im bei ZsftcllM!» d«rch «e B»!«n r,zo «M., dei Po»bkft«ll«7!g Wochenblatt für Wilsdruff lt. Umgegend Poftdotrnu»»onsrr««uL. 0ch^r»»d«k«chSsl.ftrII«u — " nrhmr« ,» jeder Zeil Br, »«>vm,e» en«ge,en. I« Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger BetriebrstSrnngen besteht kein Anspruch ans Lieserung d« ZeitNN, oder KLr,»n, der BejUgrpreiser. — Nückjendang eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porta beUicgt. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Rr. 299. — 86. Jahrgang Tetegr.-Adr.: .Amtsblatt- Wilsdruff- DrKdsW Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, Len 24. Dezember 1927 für Lürgertum, Leamte, Angestellte u. Arbeiter. Unzeigenprris: dir S yefPaltnie Stanmzeilr LV Rpfg., die I gespaltear Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 4V Reich»- Pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile tm textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungegebühr 20 Aeichspfennige. Vsa- geschriebene Erscheinung»- tage und Platzoorschrift« «erden nach MSglichkrit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 derü^sichtigt. «a-eiee»- ar-nabmedi» oorm.lVUHr. -- - — Für die Richtigkät v« durch FernrufübermittcltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn derBetrag dnrch Klage ringezogeu werden muß oder derAuftraggederin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Bcrminlungsstellen entgegen. Weihnachten 71927. Kein Fest gibt es, das sich gerade in Deutschland immer wieder so stark geltend macht, wie das Weihnachts fest. Wenn in den Straßen der Großstädte die ersten Christbäume auftauchen, dann geht ein seltsames Leuchten über die Züge auch des Erwachsenen, wird das Auge mit Sehnsucht nach dem Einst erfüllt. Und es ist, als ob des Wcihnachtsbaumes Lichter ihren Schein schon ausstrahlen, ehe das Weihnachtsfest selbst da ist. Und diese Weih- nachtskerzen strahlen den Wethnachtsfrieden ans. Es ist, als ob mit dem ersten jubelnden Kinderlachen, mit dem ersten Aufglänzen der Kinderaugen vor dem Weihnachts baum der Haß und der Streit sich in dunkle Winkel zurück ziehen, gehobene Fäuste sinken, drohende Mienen sich glätten. So wird auch in unserem Leben von heute, durch das der rücksichtslose Kampf ums Dasein tobt, das nur den rücksichtslosen Gebrauch der Ellenbogen kennt, das nur unter der Parole des .Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles!" steht, die Erfüllung des Engels wunsches für kurze Tage Wirklichkeit: Friede auf Erden! Fast zweitausend Jahre hindurch klang dieser Engelsgesang und immer wieder lauschte das deutsche Volk sehnsüchtigen Sinnes. Viermal wurde der Engels gesang durch das Brüllen der Kanonen übertönt, ein fünftes Mal zerschnitten wie mit einer Säge diesen Engels gruß die Maschinengewehre in den deutschen Städten, durch die Aufstand und Bürgerkrieg rasten. Und im Osten Deutschlands war es dunkel, ganz dunkel geworden, durfte kein deutscher Weihnachtsbaum brennen, weil deutsches Land der Gewalttat der Polen anheimgefallen war. Dort und in Südtirol, im Elsaß und im Böhmer- kand, allüberall, wo Deutsche wohnen, ertönt auch jetzt wieder das deutsche Weihnachtslied, umsteht die Familie den deutschen Weihnachtsbaum am deutschen, deutschesten Weihnachtsfest. Aber dnnkel sind die Augen, leise ist das Lied — venn draußen schleicht der Unterdrücker, horcht und lauscht der Aufpasser. Kein Friede ist's, keine Liebe, sondern Verfolgung, Haß und geistige Not. Und schier hoffnungslos starren dort die brennenden Augen in die Lichter des Weihnachtsbaumes. Besser geworden aber ist es iu Deutschland, äußer lich wenigstens. Verstummt ist das Gebrüll der „Rede"- kanonen; man hat keine Sehnsucht, hat nur tiefste Ab neigung im Schatten des Weihnachtsbaumes gegen alles, waS irgendwie mit Parteipolitik zusammenhängt. Man will ein paar kurze Tage wenigstens den Frieden haben, will von sich fernhalten die mehr oder minder — meistens minder — wichtigen Dinge des Lebens und des Kampfes dort draußen auf der lärmenden Straße. Und in jedem einsichtigen, von diesem Leben und diesen Kämpfen noch nicht ganz durchtränkten und zerrütteten Menschenhirn regt sich die Sehnsucht danach, daß der milde, frieden bringende Weihnachtsglanz doch nicht in demselben Augenblick erlöschen möge, wenn die Kerzen des Weih-- nachtsbaumes herabqebrannt sind. Daß neben den Feier stunden der fröhlichen, der seligen Weihnachtszeit auch ein wenig von ihrer frieoenbringenden Sehnsucht in den Alltag des Lebens hinausgetragen wird. Stilles Hoffen. Die stabilisierte Lira. — Radikale Lustbarkeitssteuer. Ein Anfang. Man ist ja an allerhand Überraschungen schon fast gewöhnt, seit Italien von Mussolini beherrscht wird! Aber die Stabilisierung der Lira ist eine Überraschung an genehmer Art. Sie stand ja schon seit etwa zwei Jahren ziemlich fest, die arme, unglückselige Lira, nachdem sie bis auf den sechsten Teil ihres Wertes gesunken war. Da mals hatten wir Deutschen uns gerade an der Rentenmarl ""werichtet und wer nach Italien zog, der lebte dort blnrg, herrlich und in Freuden. Nachdem die Fremden uns m der schrecklichen Inflationszeit ausgepumpt und ausgequetscht hatten, konnten endlich auch wir den Jtalrenern und Franzosen dies ein wenig vergelten. Aber lerder dauerte für uns die Freude nicht lange, denn Musso- Kni hat es tatsächlich fertig bekommen, die Lira wieder ein bißchen m die Höhe zu bringen. Das war ein Ex periment, das sehr interessant wurde, weil mit brutaler Energie durchgesetzt wurde, was in anderen Jnflations- ländern nicht erreicht werden konnte: die rückläufige An passung der Prene an die gestiegene Lira. Wehe dem Hauswirt, der nicht die Mieten entsprechend herabsetzte! Gefängnis oder gar Verbannung war die rasch verhängte Strafe, überall der Zwang, den Preis der Waren sicht bar zu machen, überall schärfste Preiskon- trolle und — die Waren verschwanden nicht. Bei uns in Deutschland sind m solche und ähnliche Verordnungen und Maßnahmen von der steigenden In flation schnell genug fortgespült worden; die steigende Lira und der feste Glauben, daß sich dieses Steigen fortsetzen würde, ließen aber jede Hoffnung darauf verschwinden, die alten hohen Preise jemals wieder erzielen zu können. Nicht einmal murren durfte der italienische Geschäftsmann, der für seine Waren einen geringeren Preis erzielte als den, für welchen er sie gekauft hatte! Öffentlich kam die Unzu- 'Nedenbeit nicht zum Wort. Man dielt sich an die Fremden. ver beMM« Mmst WMmMMM Bon W. Rudolf Leonhardi, Wilsdruff. Nimm bei den Häuden mich, du schöner Tag, Auf daß cs in mein Herze ziehen mag Und last mich deine Wunder voll erfassen, Wie milder Sternenglanz auf stillen Gassen. Hernieder steigt die Liebe leis und zag, Der Alltag schweigt, vorüber Streit und Haffen. Was mich bedrückte, floh in Fernen weit Und lieblich grüßt mich deutsche Weihnachtszeit. Schließ' mir die Seele aus, du Weihnachtslicht, Du Heimatzauber, daß mir's keiner raube, Was wie aus tausend Wurzeln sieghaft bricht Als fester, lieber, deutscher Weihnachtsglaube: Der finstern Mächte Kraft gelingt es nicht, Man schlug uns tief, doch nimmermehr zu Staube, Solange Deutsche noch Vorm Christbaum stehn, Kann deutschen Volkes Art nicht untergehn. Senk' dich in's Herz mir, trautes Weihnachtsbild, DaS bei der Heimat Anblick mir erstanden, Vertreib daraus, was unecht, fremd und wild Es füllte als ein Geist aus fernen Landen. Und Frieden gib, wo Sehnen ungestillt Mich freudlos schlug in seine trüben Banden. Vom Lichterbaum, der in der Heimat blinkt, Gib einen Schein mir, der in's Herze dringt. Schau in die Augen, Heller Kerzenglanz Bom schneebedeckten, silbern-grünen Baume, Den Turm und Dächer rings gleich wie ein Kranz Umgeben mit der Zinnen weißem Saume, Auf daß des Leuchtens Widerschein nun ganz Erfülle mich mit ewig-schönem Traume. Von Menschenliebe und von Erdcnglück Strähl aus dem Auge selig es zurück. Der „Baum für Alle" auf dem Marktplatze in Wilsdruff sshot. Sieschcing'AaufbaH lange ist es her, daß die bunten Farben des unser Auge ergötzten, daß das gleißen- M Ä M Gold des Laubes die Wälder und Straßen schmückte und die Vöglein das alte Lied vom WU WV Scheiden saugen. Und nun ist auf einmal aus dem Gold weißes, glitzerndes Silber geworden. Das Lied der Vögel ist verstummt. Dafür aber hat sich eine feine, liebliche Melodie auf die Lippen der Menschen gedrängt, die Glocken singen sie vom Turme und aus dem Zauber der weiten, schneebedeckten Landschaft zittert es klingend empor: Die liebe, alte Weise von deutscher Weihnacht. Deutsche Weihnacht! Das Fest der Liebe, des Schen kens und Gebens, des Verzeihens und Verstehens wohl überall, aber das Fest des heimatfrohen Gemütes nur in unserem Vaterlands. Der strahlende Lichterbaum am Ga bentisch ist ein Zeichen, ein Grus; des deutschen Waldes im kleinsten Haus. Und dazu das Lied, aus alten frommen Zeiten uns übernommen, von Kind auf in die Herzen ge pflanzt, so lebt es in uns und rund um uns und bildet in Verbindung mildem brennenden Baum das unlösliche Sinnbild der deutschen Weihnacht, der stillen, heiligen Nacht. Und selbst da, wo der alte Kinderglaube im Herzen erstorben ist, wo neuer Geist sich neue Götter geschaffen, auch da lebt der alte Weihnachtsbrauch und das fromme Lied in diesen Tagen auf als eine Aeußerung des deutschen Gemütes. Mit in's blutige Feld hinaus zog die deutsche Weihnacht und zur alten Weise fanden sich neue Worte: „Stille Nacht, heilige Nacht, Zünde an Sternenpracht, Daß ein strahlender Chriftkerzenbaum Zeige den Kriegern die Heimat im Traum Leuchtend durchs Dunkel der Schlacht." Bis endlich auch für uns der Frieden wiederkehrte und die Herzen, die getrennt einander entgegenschlugen, wieder vereint das Weihnachtsfest feierten, — es sei denn, daß der gottlose Krieg sie nimmer heimfinden ließ unter den Baum der Liebe. Der Baum der Liebe! Eine schöne Sitte unserer Tage hat ihn mitten in den Ort, in die Stadt verpflanzt, wo er in dem Hasten des Alltags Besinnen und Nachdenken in die Gedanken der Menschen senken soll: „Es naht das Fest der Liebe — hast auch du liebend der Armen gedacht?" Und noch ein anderes, ebenso wertvolles: „Vergiß in deiner Arbeit nicht, daß in der Heimat die Wurzeln deiner Kraft liegen!" Denn das ist die große Lehre des „Baumes für Alle", der unserem heimatlichen Stadtbild unvergeßliches Gepräge gibt vor allem am Abend, wenn durch die Weiße Flockendecke hindurch der stille Glanz der Kerzen dringt: „Erhalte Dir Dein deutsches Gemüt, wenn auch alles rings nach Aeußerlichkeit, Oberflächlichkeit und Ausländerei strebt." Im heimischen Märchen war einst die unansehn liche Kohle, die sich später in eitel Gold verwandelte, der köstlichste Schatz, den Jörge sich bergen konnte. Und so soll auch uns der Ruf mahnen, „Vergiß das Beste nicht!" Im Blinken der lieben Weihnachtskerzen sollen wir ihn erken nen, diesen schönen Hellen Edelstein, den schönsten unserer Heimat: Das treue deutsche Herz! Wer in diesem Jahre in Italien war, der weiß, daß viel fach enorme Preife verlangt wurden, freilich auch hier nur bei solchen Waren, deren Preise nicht behördlich festgesetzt waren. Das hat aber auf den Fremdenverkehr geradezu verheerend eingewirkt, viele, viele Tausende sind der „bella Italia" ferngeblieben. Nun ist die Lira endgültig stabilisiert worden, genau wie die Reichsmark auf Goldfuß gestellt. Freilich wird man ebenso wie in Deutschland vergeblich darauf hoffen, ein Goldstück wieder einmal in die Hand zu bekommen. Im übrigen war Italien schon immer das Land des — oft sehr schmutzigen — Papiergeldes, aber gerade aus diesem Gebiete haben wir ja einst jede „Konkurrenz" weit aus dem Felde geschlagen. Der Italiener wird die Stabilisierung der Lira mit einem heiteren und einem nassen Auge betrachten und innerlich Ziemlich bektia föbimvfen. Wir Deutkcbe aber haben gottlob! noch immer das'Recht, laut zu schimpfen! Das wird auch reichlich besorg'». Sehr häufig sogar mit Recht. Ein besonders beliebtes Thema dabei ist die Lustbarkeitssteuer. Genau wie der Italiener zum großen Teil mit der Herabsetzung der Warenpreise der steigenden Lira nicht folgte und sich dadurch vielfach schweren Schaden bereitete, führt ein leider sehr häufiger städtischer Bureaukratismus praktisch zu schweren Schädi gungen, weil die Lustbarkeitssteuer viel zu hoch ist. Dra ftisches Beispiel dafür ist die große Protestversammlung, oie — ein weltbekannter Zirkus iu Dresden veranstalten ließ. In der sächsischen Hauptstadt gibt es nämlich einen wunderschönen großen Zirkusbau mitten in der Stadt; der Zirkusunternehmer ist auch da, aber er kann keine Vorstellung veranstalten, weil die Lustbarkeitssteuer ihm jeden Gewinn radikal wegnimmt. Natürlich bedeutet das auch eine Schädigung für die Geschäftsleute, die von dem Auftreten des Kirkus fick aroke Vorteile verkvrechen