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MMufferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, D«« »Wilsdruffer Ta-eblattE erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 AM., bei Postbestellung 2 AM. zuzüglich Abtrag- ___ ., . „ _. . gebühr. Einzelnummern !»«»,«.All-Pos,anst.ttm Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten und träger und Geschäftsstellen nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung d« Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 20 Rpfg., die 1 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachrveisungsgebühr 2V Reichspfennige. 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Der bekannte bayerische Novellist Ludwig Thoma hat einmal eine entzückende kleine Geschichte erzählt von zwei Schäfern, die wegen eines unerheblichen Vergehens vor Gericht erscheinen sollten. Der Gerichtsdiener beging die Unvorsichtigkeit, den Schöffenaufruf so undeutlich vorzu nehmen, daß die beiden Schäfer als Schöffen ihre Sitze einzunehmen genötigt wurden. Erst im letzten Augenblick konnte unter großer Heiterkeit des Gerichts und der Zn- Hörer dieses Versehen rückgängig gemacht werden. Diese kleine dichterische Erzählung wurde in einer etwas anderen Form, aber viel ernsthafter, in einem Schöffengericht ein mal zur Wirklichkeit. Allerdings mußte der „gute Freund«, der für den zum Schöffenamt Ausersehenen eingetreten war, nun vor Gericht erscheinen und ist wegen dieses „Liebesdienstes« zu einer harten Gefängnisstrafe verurteilt worden. Man wird dies ohne weiteres billigen, aber es darf doch nicht unwidersprochen bleiben, daß in der Gerichtsverhandlung der Angeklagte geäußert hat, er habe auf seine Frage, was er denn nun eigentlich als Schöffe zu tun habe, lediglich die Antwort erhalten: Man muß nur ja und amen zu dem sagen, was der Gerichts vorsitzende vorschlägt. Die Gerichtsreform des früheren Justizministers Emminger hat 1923 das eigentliche Schwurgericht aus Sparsamkeitsgründen und zwecks Be schleunigung des Gerichtsverfahrens abgeschafft, aber natürlich ist damit nicht die Teilnahme der Schöffen be seitigt worden. Es wäre eine völlige Verneinung des Gedankens, einer juristisch nicht vorgebildeten Volksstimme Einfluß auf die Rechtsprechung zu geben, wenn nun die Schöffen ihre Aufgabe lediglich darin erblicken wollten, ohne weiteres das zu billigen, was der „gelehrte Richter« entwickelt. Es gibt ein lateinisches Sprichwort: Lummum jus, summa injuria«, das bedeutet, daß es zu schwerstem Unrecht werden kann, wenn man das geschriebene Rech^ dem Buchstaben nach zur Anwendung bringt. In diesem Sprichwort liegt erfahrungsgemäß ein tiefer Sinn. Nicht etwa, daß man dem Richter Weltfremdheit vorwerfen will, — aber er ist verpflichtet, das Recht wortwörtlich so anzuwenden, wie das Gesetz es ihm befiehlt. Nur läßt sich angesichts des vielgestaltigen Lebens nicht alles in die bisweilen spanischen Stiefel des Gesetzes ein pressen, wird die Anwendung des Rechts zum Unrecht, weil es die Wechselfälle und bisweilen sehr eigenartig gelagerten Vorkommnisse des Daseins nicht berücksichtigen kann. Die BeratungendesRechtsausschusses im Reichstag, die ein neues Strafrecht schaffen sollen, geben hierfür den besten Beweis. Man hat sich dort bei spielsweise unterhalten über den Begriff der Not wehr und dabei platzten die Ansichten hart aufeinander. Auf der einen Seite verfocht man die Meinung, daß eine Überschreitung der Grenzen, die der Abwehrung eines rechtswidrigen Angriffes gesetzt sind, schon strafbar ist. Auf der anderen Seite aber wurde betont, daß dann, wenn man genötigt ist, zur Notwehr zu greifen, gar nicht die Möglichkeit besteht, sorgsam auf die Innehaltung dieser Grenzen zn achten. Beide Seiten haben natürlich recht. Erfolgt ein rechtswidriger Angriff, erfolgt sogar die Hilfe leistung eines Außenstehenden, um die Notwehr des Ange griffenen zu unterstützen, so urteilt das R e ch t s g e f ü h l des Volkes, daß dabei die schärfsten Mittel ohne weiteres angewandt werden können. Bisher urteilte der Jurist aber anders; er stellte sich auf den Standpunkt, daß nur die „geeigneten Mittel« angewandt werden dürfen; und so manches Mal mußte der, der zur Notwehr zu greifen genötigt war, sich vor Gericht deswegen verant worten, ob er diese „geeigneten Mittel« nicht überschritten habe. Namentlich aber, wenn jemand dem in Notwehr Befindlichen zu Hilfe sprang, konnte er sich vergegenwär tigen, vor Gericht seine Hilfeleistung rechtfertigen zu müssen. Selbstverständlich mutz das Strafgesetzbuch hier Be stimmungen treffen, doch ist das Bestreben des Rechtsaus schusses nach dieser Richtung hin verständigerweise darauf gerichtet, daß diese Bestimmungen auch dem einfachen M a u n aus dem Volke verständlich sind. Sitzt er doch oben am Richtertisch und soll als Schöffe nach bestem Wissen und Gewissen darüber entscheiden, ob der Angeklagte Unrecht begangen hat oder nicht. Daß hier beträchtliche Schwierigkeiten vorliegen in der Formu lierung des Strafrechtes, ist natürlich dem Rechtsaus schuß gerade in diesem Falle besonders bewußt Und dabei soll nun über die natürlich engen Grenzen des geschriebenen Rechtes hinaus die Anschauung des mitten im Leben stehenden Menschen die Entscheidung treffen, damit nicht buchstabenmäßige Rechtsausführung zum Un recht wird. Gewiß wird dabei geurteilt werden aus den Anschauungen der Gegenwart heraus, in der übrigens der Richter selbst mitten drin steht. Aber wir haben immer noch die Überzeugung, daß dies ebensowohl seitens des Richters wie seitens des Schöffen nach bestem Wissen und Gewissen geschieht. Man mag das Urteil, das den falschen Schöffen für Monate hinaus in das Gefängnis sperrte, vielleicht als hart empfinden, aber die Rechtsprechung urteilt hier in eigener Sache: sie will dieses Zutrauen zu der Unversehrtheit des Gerichts mit allen Mitteln aufrechterhalten und das Gewissen desjenigen, der da berufen ist, Recht zu sprechen, wieder einmal so scharfen, daß er sich immer des tiefen E r n ste s s e i n e r A u f - gäbe bewußt ist. Er entscheidet über Menschenschicksal. RWlUM iv Polen und Litauen. Warschau, 9. Oktober. Wie die polnische Ostagcn- tur meldet, haben sich in Wilna die polnischen Militärorga nisationen des Generals Haller und des Generals Dowbor sowie die Legionäre und die Reserveoffiziere zusammenge schlossen. Warschau, 9. Oktober. Kurjer Warszawski meldet von der litauischen Grenze, daß am Freitag in Litauen die Mobilisierung der Litauer Freischärler begonnen hätte. Die sich meldenden Mitglieder erhielten Waffen. Es wür den Kompagnien und Bataillone gebildet, die an die pol nische Grenze entsandt würden, wo sie die litauische Grenz polizei in ihrem Dienst unterstützen. Warschau, 9. Oktober. Wie sich die Polnische Ost agentur aus Kowno melden lätzt, wird in Litauen an der polnischen Grenze in mehreren tausend Exemplaren eine von einer Reihe militärischer und patriotischer litauischer Verbände gezeichnete Flugschrift, die den Namen: Zur Tat! trägt, verteilt. In dieser Flugschrift wird zum Kamps gegen Polen und zur Eroberung der Jahrhunderte alten litauischen Hauptstadt Wilna aufgefordert. Oie Unruhen auf dem Balkan. Neue Untaten in Mazedonien. Durch die Ermordung des jugoslawischen Generals Kowacevic, den bulgarischen Parteigänger erschossen, ist mit einemmal der alte Brandherd Europas, der Balkan, wieder in bedenkliche Unruhe versetzt worden. Wie gemeldet wird, hat der südslawische Gesandte dem bulgarischen Außenminister Buroff eine Note feiner Regierung überreicht, in der unter Stellung einer Frist Mitteilung über die Maßnahmen der bulgarischen Regierung zur Verhinderung von neuen Zwischenfällen erbeten wird. Nach dem Besuch des südslawischen Ge sandten trat sofort ein Kabinettsrat zusammen, der jedoch zu keiner Entscheidung gelangte. Die Antwort an Bel grad wird wahrscheinlich in einem neuen Kabinettsrat formuliert werden. Die Lage wird in Belgrad als sehr ernst beurteilt, weil die Regierung keine Möglichkeit zu haben glaubt, Er eignisse, wie sie sich in Südslawien abspielten, durch eine neue, schärfere Grenzkontrolle unmöglich zu machen. Die Belgrader Blätter treten dafür ein, daß Jugoslawien an gesichts der ernsten Lage, die durch das Bestreben gewisser Staaten, sich auf dem Balkan Einfluß zu verschaffen, er schwert werde, im Interesse des allgemeinen Friedens und vor endgültigem Handeln die Aufmerksamkeit der Groß mächte auf die dauernden Gefahren lenken solle, die sich aus einer derartigen Lage ergeben. Voraussichtlich heilte Weiterflug der L IM von LWon. Wie die „L. N. N." berichten, sind alle Vermutungen und Andeutungen über eine Havarie bei der Landung der D 1230 im Nebel und dergl., die in einem Teil der Presse wahrscheinlich auf Grund unklarer Meldungen veröffent licht wurden, hinfällig. Die D 1230 ist vollkommen intakt und wartet startbereit nur aus den gegebenen Moment, den Flug nach den Azoren anzutreten. Nach einem Funkspruch vom Sonntag soll der Start, vorausgesetzt, daß die erwar tete Besserung des Wetters eintritt, heute Montag erfolgen. Der Kampf um Rakowski. Eine Note in Moskau überreicht. Die französische Regierung hat sich entschlossen, einen außergewöhnlichen Schritt zu tun und die Abberufung des Sowjctbotschafters Rakowski aus Paris zu verlangen. Der französische Botschafter Herbetts in Moskau erhielt den Auftrag, dem Volkskommissar Tschitscherin eine schriftliche Note zu überreichen, in der die französische Regierung formell die Abberufung des Botschafters Rakowski fordert. In der Rote wird die Abberufung mit folgenden Punkten begtlindet: 1. mit der Unterzeichnung des be kannten Manifestes an die fremden Soldaten durch Rakowski, 2. mit den wiederholten Unkorrektheiten, die Rakowski später begangen habe, nämlich der Veröffent lichung der letzten russischen Vorschläge in den Schulden- verhandluugen gleichzeitig mit ihrer Überreichung beim Quai d'Orsay, 3. mit verschiedenen Presseäußerungen und Interviews, in denen Rakowski so weit gegangen sei, den Darstellungen der französischen Regierung zu wider sprechen. Attentate und Bandenübsrfätte. Einige neue Gewalttaten reihten sich an die Ermor dung des jugoslawischen Generals an. Vier mazedonische Banden überfielen das Dorf Klisura an der bulgarischen Grenze und warfen zwanzig Bomben. Die Gendarmerie station, das Steuerhaus und das Postgebäude wurden er heblich beschädigt. Menschenopfer sind nicht zu beklagen. Die Gendarmerie hat sofort den Kampf ausgenommen und die Banden vertrieven. «meuyzemg yaven Kampfe ser bischer Gendarmen mit Komitatschis (bulgarische Frei schärler) bei Skotschinwira an der albanischen Grenze statt gefunden. Am Zrnarekafluß und im Kajmaktschalagebirge ver suchten bulgarische Banden in die jugoslawischen Ort schaften einzudringen. Die Gendarmerie vertrieb die Banden nach heftigem Kampfe. Sie Mansche AWvrtMe an 3W- slamen Verreicht. Berlin, 9. Oktober. Die bulgarische Antwortnote an Jugoslawien ist gestern in Sofia dem jugoslawisch. Ge sandten Mcwic überreicht worden. Zwischen ihm und dem bulgarischen Außenminister fand hierbei eine Unterredung statt, die eine viertel Stunde dauerte. Newic, wie das bulgarische Außenministerium verweigerten jede Erklärung über den Inhalt der Note und über die Unterredung. In Sofia war man gestern abend pessimistisch. Auch die In formationen der Belgrader Morgenblätter stellen die Lage als ernst dar. So schreibt der Sofiater Korrespondent der Belgrader Politika, daß die Lage in Sofia Aehnlichkeit mit der Lage habe wie im vorigen November während des Höhepunktes des Konfliktes zwischen Jugoslawien und Bulgarien in Tirana herrschte. Interventionen auf -em Balkan. Ruhige Beurteilung in London. Wie Reuter erfährt, sind die Großmächte bemüht ge wesen, der jugoslawischen und der bulgarischen Regierung zur Mäßigung in der Angelegenheit der Grenzzwischen fälle zu raten. In maßgebenden Londoner Kreisen besteht, wie Reuter hinzufügt, keine Neigung, die Lage mit über triebenem Pessimismus zu betrachten. Bisher liegt kein Vorschlag auf Verweisung der Angelegenheit an den Völkerbund vor und man hofft, daß sich ein solcher Schritt auch nicht als notwendig erweisen wird. Nach den letzten Meldungen aus Sofia soll sich auch die Erregung in Bulgarien und Jugoslawien etwas gelegt haben. Kein Abbruch der französisch-russischen Beziehungen Die Überreichung der französischen Note in Moskau nach Abberufung des russischen Botschafters in Paris, Ra kowski, wird jetzt vom französischen Ministerium des Äußeren bestätigt. Der Überreichung der Note gingen persönliche Verhandlungen voraus, bei denen der fran zösische Botschafter in Moskau, Herbette, im Auftrage seiner Regierung dringlich darauf bestand, daß Ra kowski unverzüglich abberusen würde. Moskau bat um eine schriftliche Begründung dieser Wünsche, worauf jetzt die Pariser Note übergeben worden ist. Nach Mitteilungen aus bester Quelle soll die Gefahr eines Abbruchs der diplomatischen Beziehungen zwischen Rußland und Frankreich beseitigt ist. kskowski Zbberulen Kowno, 9. Oktober. Wie aus Moskau gemeldet wird, wird heute abend ein neues Kommuniquee der Sow jetregierung über die russisch-französischen Beziehungen herausgegeben werden, in der die Sowjetregierung erklä ren wird, daß die russisch-französischen Beziehungen trotz der Forderung Frankreichs auf Abberufung Rakowskis keine Unterbrechung erfahren werden. In dem Kommuni que werde die russische Regierung erklären, daß sie bereit sei, der Forderung auf Abberufung Rakowskis nachzukom men, die Sowjetregierung werde aber betont, daß die Ar beit Rakowskis in Paris immer das Vertrauen der Sow jetregierung genossen habe und sich Rakowski trotz dieser Affäre als russischer Diplomat an der russischen Außenpoli tik beteiligen werde. Die Sowjetregierung wird wahr scheinlich heute die neue Antwort an Paris durch Botschaf ter Herbette übergeben. Von gut unterrichteter Seite wird mitgcteilt, daß Rakowski Mittwoch oder spätestens Don nerstag Paris erlassen wird, um sich nach Moskau zu be geben. Heute abend, so heißt es, wird der Vorsitzende des Bollzugskomitees der Sowjetunion, Kalinin, das Dekret