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s s »»»»»»»»»»»»»»»»»»«»»»»»»»»»»»»»»»»»»»«»»»»»»»»»» s FIm deimileden fierä!K! Untewsttungsveiisgr rum „WiisüruNer Lagebislt" — Mmtsbistt. z Letzter Fluchtversuch. Skizze von Hugo Lerch-Hamburg. Elfriede stand vor dem schmalen Spiegel, der zwischen den beiden Fenstern der Wohnstube an der Wand hing, und steckte sich das Haar auf. Da Polterte es draußen auf der Diele, und fast in demselben Augenblick wurde auch schon die Tür geöffnet. Elfriede dachte, daß eine Nachbarin ihr einen Besuch aostatten wolle; doch als sie ihren Bruder Hinrich aus der Schwelle erblickte, erschrak sie heftig. Sie dachte daran, wie zwei Kriminalbeamte den Bruder erst vor einigen Tagen, als er aus der Besserungsanstalt ent sprungen war, aus der Wohnung seiner Mutter geholt hatten. Und nun war er schon wieder da! Bleich und verstört das Gesicht, das schwarze Haar in krausen Locken auf die Stirn hängend, Jacke und Hose durch Stacheldraht zerrissen, den Blick lauernd in das Dunkle der kleinen Wohnung gerichtet, — so stand Hinrich auf der Schwelle. Es fiel ihm sichtlich schwer, noch einen Schritt weiter zu tun. Elfriede hatte ihre Frisur noch nicht beendet — und konnte es auch jetzt nicht mehr tun; denn der Schreck hatte auch sie fast gelähmt. „Ich dachte mir schon, daß du wieder fortlaufen wür best", sagte sie mit zitternder Stimme. „Du solltest das doch lieber nicht tun; sie holen dich ja doch immer gleich wieder. Und dir wird es dadurch immer schlechter ergehen. Hast du es schon wieder vergessen — das von neulich? All die Sche rereien? Und was du Mutter für einen Kummer damit gemacht hast?" „Ja, warum holen sie mich denn wieder?" fragte Hin rich vorwurfsvoll. „Bin ich denn nicht ein Mensch wie du, so wie ihr alle? Was habe ich denn aetan? Nun, ich bin mit dabei gewesen, wie die Jahnkes die" Kohlen stehlen woll ten. Das ist alles. Mich haben sie zu fassen gekriegt mit dem alten Sack, weil ich auf den Pantoffeln nicht so schnell vor wärts kommen konnte, und die andern sind weggelaufen." „Du gehst nun ruhig wieder hin, in die Anstalt", sagte bie Schwester — und man sah es ihr an, daß sie mit ihren Tränen kämpfte. „Du machst es durch dein Ausreißen doch nicht besser. Im Gegenteil, du hast ja schon erfahren müssen, daß sie dich immer härter anfassen." Hinrich hatte die Tür ganz leise und vorsichtig geschlossen. Vorher hatte er aber noch einen Blick auf den Korridor hin ausgeworfen. Er wollte sich vergewissern, ob ihn auch nie mand von den Nachbarn gesehen hatte. Nun ging er leise in die Stube. Die Mutter war schon zur Arbeit gegangen, und Elfriede, die ebenfalls in der Stadt ihr Brot verdiente, wollte auch gerade gehen. Heute morgen würde sie wieder zu spät kommen; denn mit dieser Störung hatte sie nicht gerechnet. Hinrich lehnte wie unschlüssig am Fenster. Er glich einem jungen, zerzausten Vögelchen, das sein bißchen flatterndes Leben schon aus sechs Knabenhänden gerettet hat. Während der ganzen Nacht war er herumgestreift. Er hatte sich schon gestern abend davon geschlichen, das hohe, eiserne Gitter der Anstalt überstiegen, mehrere Stacheldrahtzäune bezwingen müssen und war erst nach vieler Mühe ins Freie gelangt. Aus beklemmter Brust holte er tief Atem, wie wenn er sich nicht, genugsam vergewissern könnte, daß er jetzt auch wirklich frei sei. Sein Blick schweifte durch die kleine Fenster scheibe hinaus auf die Dächer der Nachbarhäuser. Seine für «inen sechzehnjährigen Jungen viel zu großen Hände tasteten behutsam an den Blüten und Blättern der Pflanzen herum, die auf der Fensterbank standen und das matte Morgenlicht, das durch die Scheiben brach, gierig in sich aufzusaugen schienen. Da trat seine Schwester auf ihn zu und streichelte ihn. „Armer Junge, du!" sagte sie sanft. „Wenn ich dir helfen könnte, so würde ich es gern tun! Aber du siehst, ich kann nichts ausrichten. Ich kann dir nur immer wieder den einen Rat geben, freiwillig zurückzukehren. Das eine Jahr, das du in der Anstalt bleiben mußt, geht schnell zu Ende. Dann hist du wieder frei und kannst wieder machen, was du willst! Dann kommst du wieder zu uns, zur Mutter und zu mir. Du List uns immer herzlich willkommen. Wir verstoßen dich nicht; denn wir wissen, daß du nicht schlecht bist. Nur der Vater — der fehlt dir und mir. — Also, lieber Hinrich, ich bitte dich noch einmal: Geh nun! Ich muß jetzt ins Geschäft." „Wann kommt Mutter wieder?" fragte Hinrich, seine Hände schienen die Blumen auf der Fensterbank zu liebkosen. „Erst heute abend. Weißt du, Hinrich, Mutter darf gar nichts davon erfahren, daß du hier gewesen bist. Du siehst nun mit mir weg, und ich schließe die Wohnung ab. Wenn Mutter heute abend nach Hause kommt, dann ist alles so, wie es auch sonst war. Ihr Kaffee steht auf dem Herd; ihre Pantoffeln findet sie auf der Bank; die Fußspuren von dir — die würde sie sofort erkennen — wische ich noch schnell fort. Dann kann Mutter sich nach der schweren Arbeit doch ruhig hinlegen. Was meinst du, Hinrich, ist es so nicht am besten?" Hinrich wollte den lieben und verständigen Worten nicht widersprechen; aber er konnte den Rat der Schwester auch nicht befolgen. Er setzte sich auf den Stuhl, schlug die Beine übereinander und griff nach der Zeitung, die aus der Näh maschine lag. Einige Zeilen las er darin, dann warf er sie wieder von sich. Die Blätter fielen auf den Boden. Dann sprang er auf, um nach dem Kanarienvogel zu sehen, dessen Käfig in der Nähe des kleinen Fensters an der Wand hing. Er sagte ein Paar liebe Worte zu dem Tierchen. Dann ging er an den Schrank, um sich nach etwas Eßbarem umzusehen. Als Elfriede das sah, kam sie auf einen guten Gedanken. „Da ist Brot im Schrank", sagte sie. „Du hast sicher Hunger. Iß dich nun erst mal ordentlich satt, ich habe so lange Zeit. Komm, Hinrich, hier ist Kaffee. Soll ich dir eine Tasse voll einschenken?" Sie reichte ihm die Tasse und legte das Brot auf den Tisch. Hinrich machte sich gierig dahinter. „Ich hätte so gern Mutter gesprochen", sagte er. „Viel wicht kann sie mir helfen. Ich gehe nicht wieder zurück. Lie ber will ich gar nicht mehr leben." „Aber du hast dir die Geschichte doch selbst eingebrockt! Nun mußt du auch ein Mann sein und dein Schicksal stand haft ertragen, Hinrich! Du brauchst ja auch nicht ewig dort bleiben. — Aber um eines möchte ich dich noch einmal Men: Laß Mutter mit der Sache in Ruh! Aengstige sie nicht mehr! Vte denkt schon gfnug an dich. Fast an jedem Abend spricht sie von dir. Wenn sie nun aber erfährt, daß du wieder weggelausen bist — nun schon zum zweiten Mal, dann ist es um sie geschehen." „Und wenn das alles so ist, wie du sagst," meinte Hin rich, „ich kann doch nicht wieder zurückgehen." „Ich bitte dich", flehte ihn die Schwester geängstigt an. „Geh zurück! Denn wenn sie dich erst holen, dann ist es zu spät. Gehst du nun aber freiwillig, so kann es doch möglich sein, daß sie dein Fortbleiben gar nicht bemerkt haben." Kaum hatte Elfriede diese Worte ausgesprochen, da lärmte es aus der Treppe. Die beiden in der Stube wußten, wer es war. Als die Wärter der Anstalt hereinkamen, stand Hin rich wieder am Fenster, als betrachtete er die Blumen. El friede ging den beiden Männern entgegen, eine Bitte bereit haltend. Hinrich wollte sich wehren. Er hieb um sich. Er schrie. Es nutzte ihm aber alles nichts; er wurde gefesselt und ab- geführl. Elfriede nahm ihre Handtasche, schloß die Tür und ging, sich die Tränen verstohlen aus den Augen wischend, hinter den Dreien die steile Treppe hinunter. Sie mochte leise ahnen, daß sie ihren Bruder heute zum letzten Male sah. M EMeiiMg des Ministers. Humoreske von Bruno Prochaska- Tulln. Sektionsrat vr. von Haller schritt durch das hohe Tor des Ministeriums. Er war ein schlanker Mann in den besten Jahren und aus guter Familie. Seit Menschengedenken hatten seine Ahnen in den Präsidialkanzleien der Ministerien gewirkt. Er verkörperte eine vornehme Ueberlieferung, eine ganz eigenartige Kunst stilvoller Anwesenheit, die nur in alten Palästen, inmitten aristokratischen Mobiliars und takt voll schweigender Korridore gedeiht. Seine Stimme hatte jenes leichte aristokratisch-ministerielle Näseln, das nur bei jenen echt wirkt, deren Väter und Großväter schon genäselt haben. Minister wechseln, Präsidien bleiben. Mancher Mi nister, der sein Amt mit spielender Leichtigkeit verwaltet, ge riete in tödliche Verlegenheit, wenn er das Amt seines Präsi- dialisten übernehmen müßte. Das Ministerium arbeitete mit gewohnter Emsigkeit. Dennoch zeigte sich eine leichte Entspannung, die auf Ab wesenheit des obersten Vorgesetzten schließen ließ. Der Mi nister hatte die Regierung bei einer auswärtigen Feier zu vertreten und sollte heute nicht mehr im Geschäftszimmer er scheinen. Auch der Sektionsrat gedachte höchstens ein Stünd chen zu bleiben und dann zu schöneren Dingen zu enteilen. Um Vier Uhr erwartete ihn eine Dame, mit der ihn zarte außerdienstliche Beziehungen verbanden. Diese Begegnung war diesmal von besonderer Bedeutung. Denn Or. Haller hatte, um Almas Eifersucht zu beschwichtigen, sein Wort gege ben, pünktlich zu erscheinen. Und er wollte es halten. Im Vor gefühl des ^Triumphes lächelnd, betrat er sein Amtszimmer. Das Telefon schnarrt leise und gleichfalls irgendwie näselnd. Eine Frauenstimme erklang: „Ich wollte Dich nur erinnern, daß Du bestimmt um vier Uhr kommst!" „Gewiß, gewiß ... habe nur wahnsinnig zu tun ... Mi nister zu vertreten." — „Also bestimmt?" — „Tjä, bestimmt!" Er betrachtete lächelnd seine schön Polierten Fingernägel, zündete sich eine Zigarette an, verteilte Akten, Zeitungen und Gesetzbücher malerisch über die Schreibtischplatte. Denn er legte Wert darauf, auch vor sich selbst den Eindruck der Ueber- bürdung aufrecht zu erhalten. Allmählich rückte der Zeiger der Standuhr auf halb vier. Er erhob sich, zog die Weste glatt und Prüfte die Bügelfalte der Hose. In diesem Augen blicke ertönte eine Antohupe, und gleich darauf hallten schrille Klingeln durch doä Haus. Der Türsteher meldet, daß der Minister gekommen wi. Fast hätte ein Fluch zum erstenmale die Räume des Präsidiums entweiht. Doch der Sektionsrat beherrschte sich soson wieder. Alles Undienstliche sank von ihm ab, wie Blüten im Frühlingsfrost fallen. Bald leuchtete ein kleines Lämpchen auf. Er nahm seine Mappen, räusperte sich leicht vor der wattierten Türe, dann trat er ein. In der Tat, der Mimst er war zurückgekommen. Man hatte die Feier zur sichtlichen Befriedigung des Ministers — abgesagt. Gutgelaunt erging er sich in kleinen Betrachtungen über das Wetter, die Aussichten der Weinernte, den neuesten Mordprozeß und das Radioprogramm. Der Präsidialist stand mit aufmerksam gesenktem Kopfe da, hie und da höflich nickend. Die Uhr schlug mit Hellem Klange vier scharfe Schläge. Einen Augenblick bildete sich eine Falte auf der Stirn des Sektionsrates. Dann war es vorüber. Der Mi nister plauderte noch eine Weile, dann ließ er sich die Mappen geben und erklärte, nur ein Biertelstündchen bleiben zu wollen Mit einem leisen Schimmer neuer Hoffnung verließ vr. Haller den Raum. Er nahm wieder in seinem Lehnstuhle Platz und versank in Nachdenken. Die Stunde war versäumt. Es bestand nur noch die eine Hoffnung, daß der Minister wie versprochen nach einer Viertelstunde gehen würde. Dann ließe sich das andere Wohl noch versöhnlich regeln. Telefon: „Alfons, was ist geschehen?... Warum kommst Du nicht?... was bedeutet das? Du bist nicht allein... ich fühle es!" „Aeh, leider... Minister zurückgekehrt... fieberhaft« Arbeit. Aber um fünf Uhr ganz sicher... höchstwahrschein lich... jä..." Seufzend schwieg das Telefon. Es war so still, daß di« sonst zu Vergleichen herangezogene Grabesruhe gegenüber dieser Stille aufdringlich gewirkt hätte wie eine Jazzmusik. Wieder zogen die Minuten und Viertelstunden ihre Schnecken spur. Nichts regte sich. Der Minister mußte die Akten längst unterschrieben haben. Der Sektionsrat hatte ihm vorsichts halber nur Mappen belanglosen Inhaltes gegeben, die er sonst innerhalb weniger Minuten erledigte. Der Sektionsrat beschloß endlich, in das Rad des Schicksals zu greifen. Er nahm eine grüne Mappe, räusperte sich leise und trat ein. Doch plötzlich blieb er wie erstarrt stehen. Der Minister lag seitlich in den mächtigen Stuhl zurückgelehnt und hielt die Hände über der Weste gefaltet. Der Kopf ruhte an der ge polsterten Seitenlehne, die Augen waren geschlossen, der Mund offen. Der Minister war jedoch nicht tot. Er schlief; ruhig und friedlich wie ein Kind. Lange starrte der Sektionsrat den Schlafenden an, un fähig einen klaren Gedanken zu fassen. Dieser Fall erforderte augenscheinlich unendlichen Takt. Leise und erbarmungslos tropfte die Zeit in das Meer der Vergangenheit. Die Abend- fonne wanderte vom Stehpult auf den Bücherschrank. In feinem Zimmer hörte der Sektionsrat das Telefon stürmen wie das schäumende Leben, während hier das Schicksal ge lassen atmete, blind und schlafend wie immer. Heiß stieg es im Innern des Präsidialisten auf und schrie nach einer Tat. Er dachte einen Augenblick daran, den Briefbeschwerer zu Boden zu schmettern, um den Schläfer zu Wecken. Er schwankte. Doch nur einen Augenblick. Dann siegte die Tradition. Er konnte sich zu einer rohen Zweckhandlung nicht entschließen. Der Minister an seiner Stelle hätte es vielleicht getan. Doch e r vermochte es nicht. Geräuschlos kehrte er in sein Zimmer zurück. Der Telefonruf erklang: „Alfons, es ist fünf Uhr...!" „Leider wahnsinnig beschäftigt. Minister, Parlament, Staatsverträge... vielleicht um sechs Uhr... hallo ..." Doch er hatte bereits das unheilvolle Knacken vernom men; drüben war kein Ohr mehr bereit, seinen Worten , zu lauschen. Das bedeutete das Ende. So entschied der Schlaf eines Ministers über das Schick sal einer Liebe... Das ist viel vom Standpunkte des empfind samen Gemütes, jedoch unendlich wenig im Vergleich zu den Verheerungen, die ein Minister im Wachen Zustande anzu richten vermag. Natürlich nur in Spanien, dem Schauplatz dieser Geschichte. Ausnahme. Skizze von Paulrichard Hensel. Die Arbeiten zu dem großen Film der Rolandwerke kamen ins Stocken. Harro Wilms, der Regisseur, der aus; der ihm zugeteilten Aufgabe ein Meisterwerk schaffen wollte, - schalt über den Verfasser, dessen Angaben ihn hemmten und ! zwangen, nach eigenem Gutdünken und besserem Können! Szenen und Bilder einzuschieben, von denen nichts im Ma-! nuskript stand; der Verfasser wieder schalt auf den Regisseur, ! der mit unzähligen Proben die Vollendung hinausschob und ! immer unzufrieden mit dem schon Erreichten war. Einmal ; sogar wäre es fast zu einem Bruch gekommen, als der Ver fasser dem Regisseur drohte, seine Arbeit überhaupt zurückzu ziehen. „Man kann nicht mit Ihnen arbeiten", hatte er geschrien,. „ich will nichts mehr mit dem Film zu tun haben! Kunst ist j Erleben, soll aus dem Herzen kommen — Sie aber machen, nur Denkarbeit, Konstruktion, wollen mit pedantischer Ueber- legung Großes schaffen ..." Wilms hatte sich nur umgedreht und war wortlos hin-, ausgegangen. — Er gab dem Anderen nicht unrecht. Eri Wußte, Wie schwer es ist, in der nüchternen Umgebung des- Ateliers auf dem Gesicht eines Darstellers den Ausdruck zu! wecken, den später der Zuschauer als innerstes Erleben er-! kennen sollte. Von Tag zu Tag wartet« er auf Zufälle, die' ihm behilflich sein könnten, aus Leinwand, Licht und ge schminkten Gesichtern Bilder zu schaffen, die Bewunderung auslösen und sein Talent beweisen konnten. Daß es für ihn, der von morgens bis abends seine Nerven dem Beruf opferte,, noch andere Dinge gab, allzumenschliche Dinge, die über allen! Verstand hinweg nur das Herz angingen und die ihn oft! zögernd in sein Heim gehen ließen, war eine Sache, von der- niemand wußte, und die vielleicht auch im anderen Falle für die Fremden zu alltäglich war, um mehr dafür zu verwenden ' als ein Lächeln. Seit Tagen arbeitete Wilms im verschlossenen Atelier. Niemand außer denen, die unbedingt für die Aufnahme er forderlich waren, durfte die Räume betreten. Dann erprobte er, unbehindert von Neugierigen und Besferwissenden, neue Lichtwirkungen und Stellungen, erzwang aus den Mitwir kenden das Letzte an seelischer Ausdruckskunst — und an einem- solchen Tage fügte es sich, daß außer ihm nur Eva, seine Frau,! und Rainer Kinz, der neue schöne, männliche Star anwesend! waren. Nach kurzer Besprechung über die Ausführung der; geplanten Aufnahme ging Wilms fort, mit dem Beleuchter zu'! sprechen — fünf Minuten lang vielleicht — dann, beim Zu-si rückkommen, blieb er im Halbdunkel der Kulissen stehen, be-' troffen und doch kaum überrascht — Auf einem vor tiefdunklem Hintergrund stehenden Ruhe bett saßen Eva und Kinz und küßten sich, hastig, wie Kinder! naschen, die sich für kurze Zeit ungesehen fühlen. Wilms hatte das eitle, täppische Werben des selbstbewußten Schau spielers und das heimliche Gefallen der Frau an dem Reiz! eines neuen Erlebnisses trotz aller verhüllenden Liebe Wohl! lange gemerkt, und dies hier war nicht mehr, als er längst! gefürchtet hatte. Aber sehen und glauben müllen ist anders —! Plötzlich überspränge» seine Gedanken das eigene Emp finden. Geschah nicht Aehnliches oft hier in diesen Räumen? Was kümmerte es ihn, wer diese Menschen waren und was sie dachten? Durfte er denn hier auch Mensch sein? War er nicht vielmehr nur Werkzeug für die große Sache, die vielen zu Anerkennung und Reichtum, ja vielleicht der Kunst eines ganzen Landes zur Achtung verhelfen sollte? „Beleuchter!" schrie er hinauf zu den Gerüsten, an deneü die Scheinwerfer hingen. „Licht! Nur Oberlicht! Operateur, Achtung! Die Gruppe visieren! So machen Sie doch! Schnell — Achtung — Aufnahme!" Während das überraschte Paar erschrocken auffuhr, stand, Wilms schon an der Seite der Kulisse, und mechanisch, die! Absicht kaum begreifend, drehte der Operateur die Kurbel des! Apparates, während mit leisem Zischen grelles Licht aus den Lampen schoß. Dieser oft erlebte Vorgang hemmte die beiden Verliebten so, daß sie wie gebannt in ihrer Stellung ver harrten. Wilms aber oeugte sich vor, die Augen wie flackerndes Feuer, und sprach leise, bestimmt, messerscharf: „Küßt Euch! Küßt Euch doch! Ich weiß, daß Ihr Euch liebt! Spielt nicht, erlebt — Du darfst sie nehmen, Kinz, nicht Wahr, es ist Dir kein Scherz? Du wirst sie behalten, wirst ihr mebr Glück geben als ich — warum läufst Du denn fort . . ^2" '