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Dor- geschriebeneErscheinungs- —. _ tage und Platzvorschriften werden nach Möglichkeit Ker*NsvVSWLV: Amt WilSorUff Nr. b berücksichtigt. Anzeigen annahme bis norm.10Uhr. ---- ——— .. - ' — Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermitteltcnAnzcigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Aabatlansprv ch -clischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oderderAuftraggcberin Konkurs gerat. Anzeigeunehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr, 195. — 86. Aahrgang. Telegr.»Adr.: »Amtsblatt* Wilsdruff-Dresden Postscheck Dresden 2640 Mon ag, den 22 August 1927 Ein Schritt vorwärts. Belgien hat die deutsche Reichsregierung davon verständigt, daß es nichts gegen eine g e - meinsame Untersuchung der Vorgänge beim sogenannten Franktireurkrieg in Belgien im Jahre 1914 cinzuwenden habe Die deutsche Regierung hat daraushin der belgischen Regierung mitteilen lassen, daß sie die belgische Erklärung begrüße und damit einverstanden sei, alsbald in Ver handlungen über die Einsetzung einer unpartei ischen Untersuchungskommissiou einzutreten. Bald nach Unterzeichnung des Versailler Friedens diktates setzte die damalige deutsche Nationalversammlung eine ständige Kommission ein, die einmal die Ursachen des deutschen Zusammenbruches, dann die Deutschland vorgeworfenen Verstöße gegen das Völkerrecht und damit im Zusammenhänge auch die Frage der Schuld am Kriege genau prüfen sollte. Nebenher lief das große Unternehmen des Auswärtigen Amtes, das alle deutschen diplomatischen Urkunden seit 1870 bis zum Weltkrieg ver öffentlichen ließ. Es ist dies vielleicht das bisher größte je erschienene Aktenwerk und eine treffliche Unterstützung der Arbeiten des Untersuchungsausschusses. Deutschland wollte dadurch beweisen, daß es alles tun will, um die wahren Ursachen der Weltkatastrophe enthüllen zu helfen, und daß es andererseits in nichts das Licht der Welt zu scheuen habe. Deshalb wurden alle deutschen Aktenschränke geöffnet. Jeder, dem es wirklich ernst mit der Erforschung der Wahrheit ist, braucht nur zuzugreifen. Notwendig ist es allerdings, daß auch von der Gegenseite so verfahren wird. Damit hapert es allerdings gegenwärtig noch sehr. Der erwähnte Untersuchungsausschuß hat nun kürz lich eine seiner Arbeiten zum Abschluß gebracht, indem er all das Material zusammenstellte, das über die angeblichen Verstöße gegen das Völkerrecht vorgebracht war. Er hat es kritisch gesichtet mW sich auch nicht gescheut, ein Urteil zu fällen, das, wie in der Frage der Deportation der bel gischen Arbeiter während des Krieges, nicht einfach alle deutschen Maßnahmen guthieß. Ein großer Teil dieser Veröffentlichungen hat nun in Belgien großen Wider spruch hervorgerufen, da dadurch viele der Behauptungen erschüttert wurden, die man in Brüssel aufstellte, um das belgische Verhalten während und nach dem Kriege Deutsch land gegenüber zu rechtfertigen. Es kam zu Notenaus tausch und Meinungsäußerungen zwischen den Vertretern der beiderseitigen Regierungen, die schließlich zu dem Über einkommen führten, vorläufig einmal die Frage des Franktireurkrieges in Belgien und der von Deutschland angewandten Gegenmaßnahmen durch eine unparteiische Kommission untersuchen zu lassen. Ob man auch die anderen Streitfragen mit Belgien so erledigen will, darüber wird noch verhandelt. Es läßt sich denken, daß dieses Abkommen in der Öffentlichkeit nicht geringes Aufsehen erregte. Ist es doch das erstemal, daß eine der uns früher feindlichen Regie rungen in die unparteiische Untersuchung einer Sache ein willigt, die mehr oder weniger auch die ganze Frage der Kriegsschuld aufrollen muß. An diese Frage durfte bisher nicht getastet werden. Alle deutschen Anregungen nach dieser Seite hin wurden stets schroff zurückgewiesen. Der Grund dafür ist einfach und klar. Um eine Verteidigung für das Aufzwingen eines solchen Gewaltfriedens, wie es der Versailler ist, zu haben, mußte man schon gewichtige Gründe anführen. Ein solcher Grund war das Märchen von der Alleinschuld Deutschlands am Kriege. Man wollte sich vor dem eigenen Gewissen und dem Ge wissen der Welt entlasten, warum man das Deutschland bei Beginn des Waffenstillstandes gegebene Versprechen nicht hielt, sich streng nach den 14 Punkten Wilsons richten zu wollen. Was bei der in Aussicht genommenen unparteiischen Prüfung über die Vorkommnisse in Belgien herauskom men wird, kann man natürlich noch nicht wissen. Es wäre verkehrt, sich hier einer allzu großen Hosfnungsfreudigkeit hinzugeben. Dafür haben wir schon mit ähnlichen Ein richtungen allzu trübe Erfahrungen gemacht. Vielleicht läuft das Ganze für uns nicht so günstig ab, wie wir es er warten. Trotzdem hat das ganze Verfahren aber doch ein Gutes. Wir können immer wieder darauf zurückgreifen und darauf Hinweisen, daß hier eine alliierte Macht selbst zugab, daß solche Fragen nicht einseitig durch Macht spruch gelöst werden können. Das ist ja der Vorwurf, den wir der Entente immer gemacht haben. Früher war es bei Friedensverhandlungen üblich, daß beide Teile in offener Aussprache die schweben den Fragen erörterten. Natürlich zog schließlich der Be siegte meist den kürzeren. Aber es war doch der Stachel genommen, als ob es von vornherein auf eine Vergewal tigung abgesehen war. Die Sieger des Weltkrieges schlu gen alle solche Erwägungen in den Wind. Sie wollten allein eine neue Welt aufbauen. Sie haben bisher noch nicht offen einzugestehcn gewagt, welch schlechten Erfah rungen sie gemacht haben. Der frühere polnische Minister präsident Skrzynski betonte neulich, daß Clemenceau und Lloyd George recht schlechte Friedensverträge ge macht hätten. Lloyd George hat auch selbst einmal in einer schwachen Stunde bekannt, daß alle Völker gleich- wäßig in die Weltkatastrophe hineingetaumelt seien. Deutschland will von keiner Schuld, die es beaina. freiae- BclMWWftMd in MdchmeM. AlambeMchast wegen Sacco und VanM Schärfste Vorsichtsmaßregeln. Die Verwerfung des Wiederaufnahmegesuches im Fall Sacco-Vanzetti durch den Obersten Gerichtshof von Massachusetts hat zu außerordentlichen Maßnahmen der Behörden in den Vereinigten Staaten geführt, für die in ver bisherigen Geschichte — abgesehen von Kriegszeiteu — kaum ein Beispiel zu finden ist. Es wird gemeldet, daß über sämtliche nordostameri- kanische Städte, Ncwyork, Boston, Philadelphia und Chikago der „kleine" Belagerungszustand verhängt wor den ist. Urlaub an Polizisten wird nicht mehr bewilligt. Sämtliche öffentlichen Gebäude stehen unter verstärktem Polizeischutz. In Chikago wurde eine Anzahl von Leuten unter besondere Polizeiaufsicht gestellt. Die Polizei hat Anweisung erhalten, Demonstranten sofort zu zerstreuen, wenn Ausschreitungen zu befürchten sind. Die Polizeipräsidien erließen Befehl, an allen öffent lichen Gebäuden, Brücken, Untergrund- und Hochbahnen starke Polizeiwachen aufzustellen, um Bombenattentate zu verhindern. Außerdem patrouillieren vor sämtlichen be kannten Versammlungslokalen und auf öffentlichen Plätzen starke Polizeiaufgebote. Polizeiautos und be rittene Abteilungen durchstreifen die Straßen. Die New- Yorker Polizei hat Befehl, die Personen, die Pakete tragen, vor Betreten der Untergrundbahnhöse zu untersuchen, wenn sie es für notwendig hält. Wie die Verteidiger von, Sacco-Vanzetti bekannt- geben, ist einer der Verteidiger, Richard Evarts, auf die Sommerbesitzung des Richters Morton vom Bundes appellationsgericht gefahren. Er beabsichtigt, Richter Mor ton zum Eingreifen zu veranlassen, damit er den Befehl Richter Thayer. erläßt, Sacco und Vanzetti dem Appellationsgericht vor zuführen, womit gleichzeitig die vorläufige Hinausschie- vung ver Hinrichtung verbunden wäre. Ferner ist der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staten in Washington angerufen worden. Bei Richter Thayer (siehe Abbil dung), der seinerzeit das Urteil sprach, ist Aufschub der Hinrichtung beantragt worden. Vanzettis Verteidiger be hauptet, daß sein Klient wahnsinnig geworden sei. Von amtlicher Seite wird demgegenüber erklärt, daß die Verurteilten keine Anzeichen einer körperlichen oder gei stigen Krankheit aufweisen. * Gouverneur Fuller. „Schuhmacher gegen Schuhmacher", so nennt ein amerika nisches Blatt das Sensaiionsdrama von Massachusetts, das mit der Verwerfung der Berufung Saccos und Vanzettis sein vorläufiges Ende gesunden hat; nur das Schlußkapitel, das „Hinrichtung" oder „Begnadigung" überschrieben sein kann, steht noch aus Warum aber „Schuhmacher gegen Schuh macher"? Weil der Mord, der vor sieben Jahren den Anlaß zu dem Prozeß gab, sich in einer Schuhfabrik abgespielt hat, weil die Ermordeten in dieser Fabrik beschäftigt waren, weil der zum Tode verurteilte Sacco von Berus Schuhmacher war und weil, wie man jetzt hcrausgefunden hat, auch der Gouverneur Fuller, in dessen Hände das Schicksal beider Italiener gegeben war, gleichfalls aus dem Schuster handwerk hervorgcgangen ist. Fuller hatte als junger Bursche „Schuhmacher gelernt" und damals einen Wochenlohn von 7>4 Dollar bezogen. Fuller kam mit 19 Jahren — heute ist er 48 Jahre alt — nach Europa, wo er in das Autofach ging. Hier brächte er cs bald so weit, daß cr sich selbst ein Auto an schaffen konnte. Später trat er der Direktion einer Bostoner Automobilbaugefellschaft bei und hier erwarb er sein großes Vermögen, das aus 40 Millionen Dollar geschätzt wird. Mit dem Reichtum kam der politische Ehrgeiz und der ehemalige Schuhmacher Fullcr wurde Mitglied des Parlaments von Massachusetts, dann Mitglied des Repräsentantenhauses zu Washington und schließlich Gouverneur von Massachusetts. SorderMMvoWrekkungikAmmla Der Oberbundesrichter lehnt Aufschub ab. Der Oberbundesrichter Holmes hat für die oberste Berufungsinstanz den Antrag der Verteidigung Saccos und Vanzettis aus weiteren Aufschub der Strafvoll streckung aügelehnt, so daß die Hinrichtung erfolgen wird, wenn der Gouverneur Fuller die Verurteilten nicht be gnadigt. Der Erste Anwalt Hill hat in einem Schreiben an Gou verneur Fuller um weiteren Aufschub der Hinrichtung Saccos und Vanzettis ersucht, um eine Verhandlung vor dem Obersten Bundcsgericht zu ermöglichen. Die Vertei diger Saccos und Vanzettis konnten das Revisionsgesuch dem Obersten Bundesgericht nicht einreichen, da die Ge richtsbeamten erklärten, das Gesuch habe wegen Fehlens der Prozeßakten nicht die vorgeschriebene Fassung. Den Anwälten der Verurteilten ist auch die Erlaubnis zum Appell an das Bundesdistriktgericht für Berufungsfälle versagt worden. Damit scheint das Schicksal Saccos und Vanzettis besiegelt zu sein. Präsident Coolidge erklärte, er beabsichtige sich nicht in die Angelegenheit einzumischen, da es Sache des Gou verneurs Fuller sei, ob er die beiden Verurteilten be gnadigen wolle. Sowohl bei Coolidge wie bei Fuller liegen zahlreiche Petitionen vor. sprachen werden. Es will nur nicht als der Allein- schuldige dastehen. Bisher halten aus Furcht vor der Wahrheit unsere früheren Gegner ihre Archive noch immer größtenteils geschlossen. Belgiens Vorgehen schlägt hier die erste Bresche. Die übrigen werden folgen müssen, wenn sie sich nicht der Gefahr aussetzen wollen, ihr Zögern als das Eingeständnis dafür aufgefaßt zu sehen, daß sie seiner zeit bewußt ein großes Unrecht begingen unter dem Vor geben, Recht und Gerechtigkeit in der Welt wiederherstellen zu wollen. Oie Ehrung des Reichspräsidenten. Geschäftsbetrieb ohne Auftrag der Hindenburg-Spende. Der Geschäftsstelle der Hindenburg-Spende sind zahl reiche Mitteilungen zugegangen, denen zufolge Büsten unt Plaketten des Reichspräsidenten mit der Angabe vertrieben werden, daß ein bestimmter Teil des Erlöses der Hindern burg-Spende zugeführt wird. Es kann felbstverständlick keinem Geschäftsmann verwehrt werden, von dem Erlös seiner Ware einen Anteil Wohlfahrtszwecken zuzuführen Etwas anderes ist es aber, wenn durch entsprechende Re- klamemaßnahmen der Anschein erweckt werden soll oder entsteht, als ob vertragsmäßige Vereinbarungen mit der Hindenburg-Spende vorlägen oder als ob die Hindenburg- Spende mittelbar oder unmittelbar Verkäuferin wäre. Dis Hindenburg-Spende macht deshalb darauf aufmerksam, daß sie mit keinem Unternehmen Vereinbarungen über den Vertrieb von Plaketten und Büsten getroffen hat. Sie wird es auch in der Zukunft ab lehnen, derartige Vereinbarungen zu treffen. Ihrerseits gibt sie lediglich das Buch „Reichspräsident Hindenburg" heraus. Das Zeilschen um die Sesatzmigsvennmdentus Frankreich will 5000 Mann zurückziehen Allmählich erfährt man Näheres über den äugen blicklichen Stand der Verhandlungen über die Vermi n derung der Nheinlandbefatzung. Deutschland so meldet der „Petit Parisien", habe, als die vollständig! Räumung des Rheinlandes ausgeschlossen schien, die Ver Minderung der Besatzungstruppen auf die Garnisonstärk von 40 000 Mann, die sich vor dem Kriege im Rheinland, befand, verlangt. Diese deutsche Forderung, die eine Ver ringerung der 70 000 Mann starken Besatzung um fast di Hälfte bedeutet hätte, habe nicht angenommen Werder können. Nun habe England eine Verminderung um 14 00« bis 15 000 Manu vorgeschlagen, wovon 12 000 auf di französischen, 1200 auf die englischen und 1500 Mann au die belgischen Truppen entfallen sollten. Dieser Vorschlag