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Wilsdruffer Tageblatt : 02.08.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-08-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192708023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19270802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19270802
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-08
- Tag 1927-08-02
-
Monat
1927-08
-
Jahr
1927
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 02.08.1927
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Tantcnmord auf Anstiften des Onkels. In dem in Hietzing liegenden Teil Wiens, der Schmölz, wurde ein Mord entdeckt. Der 25jährige Drogist Jaros hat seine 39jährige Tante Anna Matz, eine Geschäftsinhaberin, er drosselt. Bei seiner Festnahme stellte es sich heraus, daß er den Mord auf Anstiften seines Onkels, Gottfried Matz, verübt hat, der ihm eine Belohnung von 100 Schilling zugesichert hatte. Auf Grund dieses Geständ nisses wurde im Laufe der Nacht auch der Ehemann Matz verhaftet. , Drei Kinder beim Segeln ertrunken. Ein schwerer Segelbootunfall ereignete sich bei Bornemouth (England). Dort hatten die vier Kinder eines englischen Majors eine Segeltour unternommen. Infolge widriger Winde kenterte das Boot. Ein vorüberfahrendes Schiff bemerkte auf dem gekenterten Boot ein junges Mädchen, das sich mit letzter Kraft festklammerte. Das Mädchen wurde gerettet. Sie teilte mit, daß nach dem Kentern des Bootes die übrigen Insassen beschlossen hatten, daß die älteste Schwester an Land schwimmen sollte, um Ret tung herbeizuholen. Sie ist aber ertrunken. In der Zwischenzeit erlitt auch der elfjährige Bruder einen Schwächeanfall, ging unter und ertrank. Bei dem Versuch des ältesten Bruders, eines Ssekadetten, den elfjährigen Knaben zu retten, ertrank auch er. Chamberlins Flugexperimente. Der Atlantikflieger C h a m b e r l i n ist mit der „Leviathan" von Newyork ab gereist. Er beabsichtigt, auf einem Fokker-Zweidecker mit einem Wright-Motor von einem 114 Fuß langen Gerüst aufzusteigen. Er hofft, 30 Fuß vom Start eine Fahrtgeschwindigkeit von 30 Meilen gegenüber 24 der „Leviathan" zu erreichen. Die Hochflut der Ehescheidungen. Der Newyorker Bischof Manning in Paris hat sich in der amerika nischen Kirche in Paris gegen die Unmoral der Gegenwart gewendet und erklärt, die in Paris auf Antrag reicher Amerikaner ausgesprochenen Ehescheidun gen, die dazu beitrügen, die Heirat zu einem Gegenstand des Spottes zu machen, gereichten Frankreich zur Unehre und schwerem Schaden, ebenso wie die Scheidungen in Amerika den Vereinigten Staaten zur Unehre gereichten und eine schwere Bedrohung für das amerikanische Volks leben seien. Dunte Tageschronit. Paris. 29 Berber sind wegen Waffendiebstahls und Er mordung eines französischen Sergeanten vom Kriegsgericht in Fez abgeurteilt worden. Da die Verurteilten einem damals noch nicht unterworfenen Stamm angehörten, beantragte der Staatsanwalt Zwangsarbeit. Newyork. 138 000 organisierte Musiker ersuchten die Ein wanderungsbehörde, alle fremden Musiker, die sich besuchsweise nach den Vereinigten Staaten begeben wollen, nicht zuzulassen, wenn sie nicht nachweisen können, daß sie wirkliche Künstler sind. Bombay. Die Besserung der Lage in Indien dauert an. Das Hochwasser geht zurück. Die telegraphische Verbindung nach Baroda ist noch immer abgeschnitten. In Ahmadabad sind 40 000 Personen ohne Unterkunft. Jazz und Volksianz. Seil der Jahrhundertwende brechen Jahr für Jahr immer neue amerikanische Tänze über Europa herein und versuchen, sich Länder und Völker zu erobern. Mit One- Step und Two-Step begann es, Foxtrott, Shimmy, Charleston und Genossen folgten. Und heute ist der I a z z große Mode! Auch die schärfste Gegnerschaft, die sich mit Recht gegen die Auswüchse der amerikanischen Tänze richtet, hat sie noch nicht vertreiben können. Die Ursache hierfür liegt in der Einstellung unserer Zeit. Man brauchte diese Art stark bewegter Tänze. Denn mit der sich stetig steigernden Mechanisierung des Lebens, be sonders in den Großstädten, in denen diese Tänze zuerst Boden faßten, wurde das Körpergesühl und die Natür lichkeit der Bewegung bedroht. Immer größer wurde die Not der Menschen, die eingepfercht waren in Miets kasernen oder den ganzen Tag an der Maschine saßen und standen. Jede Not aber erzeugt neue Kräfte, löst Reaktio nen aus: die Einengung erweckte Sehnsucht nach Natur nähe, nach freier körperlicher Bewegung. Aus dieser Not wurden Jugendbewegung, Sport, Gymnastik und der neue Kunsttanz geboren, erwuchs in weiten Kreisen ein Widerstreben gegen die ruhigen, schönen Gesellschaftstänze des 19. Jahrhunderts. Man wünschte sich starke Bewegt heit, „Austoben", Lösung aller Glieder. Und wie immer in der Geschichte des Tanzes übernahm man die Tänze primitiverer Völker, deren Bewegungen elementarer und ungehemmter sind. Gleichzeitig mit dem Eindringen der Negertänze be gann in der deutschen Jugendbewegung die Wiederbele bung der alten Volkstänze. Man sammelte die zahl reichen schönen Tänze und Tanzlieder aus alter Zeit, die sich bis ins 19. Jahrhundert, vielfach sogar noch bis in die Gegenwart auf dem Lande, bei den einzelnen deutschen Stämmen erhalten hatten. Innerhalb der Jugend ent standen überall Volkstanzkreife, die in froher Gemein schaft in die Natur hinauszogen, tanzten und sangen. Jazz und Volkstanz — beide in ihrer Art so ver schieden — sind Ausdruck desselben Gefühls, des Verlan gens nach Bewegung. Aber der Jazz wird ver gehen, der Volkstanz bestehen, vielleicht sogar an die Stelle der amerikanischen Tänze treten. Ein Zeichen des Wandels ist es, daß in diesen Tagen bei der Kon ferenz der deutschen Tanzlehrer in Köln, also aus den Reihen der Vertreter des modernen Gesell schaftstanzes, immer und immer wieder die Einführung der alten Volkstänze gefordert wurde. Vor allem ver langt man nach dem ewig jungen Walzer, dem auch die modernen Tänze erfreulicherweise nicht ernstlich schaden konnten. Aber noch von einer anderen Sette her wird der Jazz überwunden werden: durch den neuen Kunst tanz. Die Kunst- und Bühnentänzer wollen, wie es auf dem Internationalen Tänzerkongreß in Magdeburg aus gesprochen worden ist, eine Tanzbewegung erwecken. Eins neue Tanzform soll entstehen, die in sich die Elemente des Volks-, Gesellschafts- und Kunsttanzes wieder zur großen Einheit zusammenschließt. Wie dieser neue Tanz aus sehen wird, weiß man noch nicht. Vermutlich wird er ein schöner, belebter Schreittanz sein, der durch eine Fülle von Touren, die den alten Tänzen entnommen sind, Be wegung und Abwechslung erhält. Sicherlich aber wird Rhythmus und Form bestimmt und prägnant sein wie heute in der modernen Musik. Der Tanz muß wieder zum schönen Spiel der Glieder, zum Ausdruck der Freude und der Lebensbejahung werden, muß wie im 16. Jahrhundert, als es noch keine Kluft zwischen Volks- und Gesellschaftstanz gab, wieder Aus druck aller sein! A. H. Spie! und Sport. Andrang zu den Rudermcisterschaflen. Die deutscher Rubermeisterschaften, die am 14. August bei Schwerin vor fick gehen, haben ein gutes Meldeergebnis zu verzeichnen. Ins gesamt haben 57 Boote mit 232 Ruderern gemeldet, davon füi die Meisterschastsrennen allein 39 Boote mit 162 Ruderern. BMW. siegt im Motorradrennen. Im Kolberger inter nationalen Bäderrennen, das am Sonntag beendet wurde, siegte in der Hauptbewertung Henne-München auf BMW. mn 106,6 Kilometer. Neue Leichtathletiksiege. Der Leichtathletikländerkamp: Deutschland—Schweiz im Düsseldorfer Rheinstadion endete an Sonntag mit dem überlegenen deutschen Siege von 90,5 : 45,k Punkten. Es gab Rekordleistungen und einige Überraschungen: 200 Meter Schüller 21,4 Sekunden, 800 Meter Engelhard: 2:01,2, Weitsprung Dobermann 7,415 Meter, Speerwerfer Molles 59,47 Meter, 100 Meter Houben 10,6, 400 Meter Büchner 50,2 Sekunden, 4mal 100 Meter Deutschland 41 (der Weltrekord der Amerikaner egalisiert; die Mannschaft lies in der Aus stellung: Büchner, Wichmann, Houben, Schüller), 2. Schwei; 43 Sekunden. ,, Tennismeisterschaften. Die deutschen (nationalen) Tennis meisterschaften in Braunschweig ergaben folgende Meister: Herreneinzel: Moldenhauer, Dameneinzel: Frau Ste phanus. Amtliche Berliner Notierungen vom 1. August. Börsenbericht. Tendenz: überwiegend fest. Nach schwachem Beginn interessierte sich die Spekulation für einige Spezial- Werte, namentlich für Elektroaktien. Im Zusammenhang mit dieser Spezialhausse gewannen dann auch die anderen Papiere 1—2 Prozent. I. G. Farben wurden mit 321 Prozent ge handelt. — Am Geldmarkt war die Situation wenig ver ändert. Tagesgeld stellte sich aus 6)4—8 Prozent. Die Nach frage war etwas größer als in der vorigen Woche. Monats geld bedang 8)4—9 Prozent. Devisenbörse. Dollar 4,20—4,21, engl. Pfund 20.40—20.44. boll. Gulden 168.33—168.67. D ä n z. 81.35 bis 81,51; fränz. Frank 16,45—16,48; schtveiz. 80,91 bis 81,07; Belg. 58,41—58,53; Italien 22,86—22,90, sch Wed. Krone 112,58—112,75; d ä n. 112,46—112,68; norweg. 108,40 bis 108,71; tschech. 12,45—12,47; österr. Schilling 59,14 bis 59,26; poln. Zloty (nichtamtlich) 46,85—47,12. Produktenbörse. Das anhaltend sehr günstige Ernte- wetter hemmte die Unternehmungslust der Käufer außerordent lich; unterstützt wurde die matte Tendenz durch das reichliche Angebot von Roggen, der in schönen und schweren Quali täten, besonders von leichterem Boden, vermehrt angeboten War. Auf Lieferung blieb das Geschäft still. Die Preise aber ließen mehrere Mark nach. Die Neigung zu neuen Geschäften war übrigens auch verringert durch die neuen Änderungen in den Frachten, welche für Entfernungen bis zirka 100 Kilometer zwar eine mäßige Verbilligung darstellcn, indessen für weitere Entfernungen eine Erhöhung der Frachtsätze bedingen. Auch Weizen war auf Grund der schönen Witterung im Preise nachgiebig, und die erhöhten Cifforderungen des Auslandes machten keinen Eindruck. Wintergerste blieb über Bedarf angeboten. Hafer zeigte bei weiter sehr mäßigem Angebot schwache Tendenz. Mais in rumänischer Ware fest, argen tinische williger. Für Weizenmehl blieb die Haltung still. Für Roggenmehl machte sich Konsumfrage für sofortige Liefe rung bemerkbar. Getreide und Olsaaten per 1000 Kilogramm, sonst per 10» Kilogramm in Reichsmark. Wetz., mark. I. 8. SO. 7. Wetzll.s.Brl. 1.8. 13,7 30. 7. 13,7 pommersch. — — Rogkl. s.Brl. 15.5 15,5 Nogg., märk. 227-230 234-237 Raps 285-295 295-30» pommersch. — — Leinsaat — — westpreuß. — — Vikl.-Erbsen 44-58 44-58 Braugerste 189-196 189-197 kl-Speiseerb. 28-32 28-32 Futtergerste — — Fvttererbsen 22-23 22-23 Hafer, märk. 259-266 260-267 Peluschken 21,5-23,5 21,5-23,5 pommersch. — — Ackcrbohnen 22-23 22-23 westpreuß. — — Wicken 22,0-24,0 22,0-24.» Weizenmehl p. 100 Kg fr. Vln.br.inkl. Sack (feinst. Mrk. ü.Not. 34,5-36,7 34,7-37,0 Lupm.,blane Lupin., gelbe Seradello Raps'uchen Leinkuchen 14,7-15,7 15.7-17.7 14,8-15,0 21,2-21,6 14,7-15,7 15.7-17.7 14,8-15,» 21.2-21.6 Roggenmchl p. 100 Kg fr. Berlin br. tnkl Sack 32,2-34.0 33.7-34.5 Lrockennu Soya-Schroi Torfm 30/70 KarwOelklck 12,5-13.0 19.5-20,4 12,5-13.» 19.5-20.4 34.7-85» Eierpreise (in Pf. per Stück). Jnlandseier: große, Voll frische, gestempelte 13,50, frische über 55 Gramm 11,50—12, srische unter 55 Gramm 10,50, aussortierte Schmutz- und kleine Eier 8—8,50. Auslandseier: extra große 13,50—14, große 12,50, normale 9,50—11,50, abweichende 8,50, kleine und Schmutzeier 7,50—8. Tendenz: Behauptet. Kartoffelerzeugerpreise je Zentner waggonsrei märkischer Station. Deutsche Frühkartoffeln, weiße 4—5 Mark, gelbe 5—6 Mark. s kuiMunk-pi'-gi'amm Rundfunk Leipzig (Welle 365,8), Dresden (Welle 294). „ .,Mi"w°ch, 3. August 16 30:. Albert Wil!, erzählt aus Hugh Dolüte und !emc naere". « 1g,05: Morlekurs. » Fichtelgebirge zur Fränkischen Schweiz. Bosgneck: Die Liebe der Geschlechter. S 20.15: Aus N Schatten. Mitw.: A. Linke «Gesang!, Männerte), Loren, (Fagott!, A. Simon Mao.) Fluge!: Blüthner. Nonzeri Zur Fagott. - Meine Lieder, meine Sange. — Ich sah cm Rosiem am Wege stehn. — Der Schwer' 2ch dLM? dein! Der kleine Fritz an seine jungen Freunde — Reigen. — Grand Duo concertant. s 21,15: Orchesterkomert ..Landlchaftentt' Mendelssohn: Hebriden. - Ansew Bilder aus Steppenslizze aus Mittelasien. — Smetana- ' beschichten aus dem Wiener Wald'. Mittwoch. 3. August. Berlin Welle 484, 566. 13.45—14.15: Übertragung des Glockenspiels von der Parochialkirche. * 15.30: Anna Drewitz: Süße Speisen auf mancherlei Weisen. * 16.30: Dr. Franz Nagelschmidt: Strahlenbehandlung und Geschwülste. 4- 17.00—18D0: Letztes Kinderfest. Anschließend: Ratschläge fürs Haus — Theattr- und Filmdienst. 4- 19.05: Kurt Kramarski: Hinter den Kulissen der Kulissenwelt. « 19.30: Rechtsfragen des Tages. (Geh. Justizrat Prof. Dr. Eduard Heilfron.) 4- 20.00: Pros. Franz Görke, Direktor der Urania: Im Tal des Todes. (1. Teil: Die Königsgräber von Theben.) * 20.30: Was unsere Mütter und Väter tanzten . . . Dr. Becces Kammerorchester. H 21.00: Herm. Vallentin (Rezitationen): Arkadij Awcrtschenko. -t- 21.30: ... Und was ihre Kinder tanzen. Dr. Becces Kammerorchester. Anschließend: Wetterdienst, Tagesnach richten, Zeitansage, Sportnachrichten. 4c 22.30: Wanderlust. Mitwirk.: Kapelle Gebrüder Steiner, die Märkische Singschar. Singführung: Alfred Kroner. Was Liebe vermag. Roman von Erica Grupe-Ldrcher. (7^ (Nachdruck verboten.) Er hatte die Empfindung, als müsse er sie leise bei der Hand nehmen, um sie aus diesem Kreise fortzuführen. Ms müsse er sie schützen! Aber besaß er ein Recht hierzu? War es nicht eine höchst verfängliche Sache, sich in die Herzensangelegen heiten anderer zu mischen? Und doch! In allen seinen stummen Zweifeln rang sich ei« Gedanke immer wieder zur Klarheit in ihm empor: Er würde Liane nicht aus den Augen lassen! * Die Stunden nach der gemeinschaftlichen Hauptmahlzeit ver- lickn verschieben. Manchmal fuhr man in den zwei Equipagen des Hauses rum Abendkonzert hinaus, das auf der Promenade unmittelbar an der herrlichen Meeresbucht stattfand und fast immer die ganze elegante Gesellschaft der Stadt vereinigte; zu weilen vereinigte man sich im gemütlichen Wohnsalon und laS Zeitungen und Zeitschriften, besonders wenn ein Dampscr aus Deutschland neue Post gebracht. Oder man musizierte, da Mar tens ein guter Klavierspieler war und Herr Bauer, sein Kollege, gut sang. Oder man machte ein kleines Kartenspiel. Jeden Montag hatte im Hause ein öffentlicher Empfangsabenü für alle hiesigen Bekannten stattgefunSen, eine Gepflogenheit, die man jetzt nach der Rückkehr von Frau Schürmann wieder aufnehmen wollte. Oder Mutter und Sohn fuhren zum Besuch von Bekann ten aus, und die Herren schrieben an diesen Abenden Briefe in die Heimat. Kurz, es gab kein bestimmtes Programm für die Abendstunden. Heute hielten die drei Herren vom Geschäft es für taktvoller, sich nach der Mahlzeit zu empfehlen, um den Verwandten Ge legenheit zu einer ungestörten Unterhaltung zu ermöglichen. Man verabschiedete sich durch Händedruck. — Liane batte vorhin bei der Vorstellung die Namen der drei Herren kaum verstanden. Bei Herrn Bauer und Sem jungen Spanier, den man mit Rück sicht auf Sie überwiegend spanische Kundschaft in die Apotheke genommen, war die Verabschiedung höflich-kühl; aber Kurt Martens' Blick machte sie wach. Er sah sie, während er sich flüchtig über ihre Hand neigte, kurz und warm und fest an. Der Blick tat ihr wohl. Es war ihr zum ersten Male, seit sie beute den Fuh auf dieses neue, fremde Land gesetzt, als würde ihr ein Halt geboten- Sie muhte nicht eigentlich, was sein Blick ihr sagte. Aber sie fühlte: das war ein klarer, ein auf rechter Mann! Und so wurde auch ihr Blick aufmerksam und ivarm, als sie für Sekunden in diese ruhigen, blauen Augen sah. Die drei jungen Herren blieben noch in ihrem Wohnzimmer zusammen, das in einem Flügel des geräumigen Hauses neben ihren drei Schlafzimmern lag. Herr Bauer war ein untersetzter, kräftiger Bayer mit großem, blondem Bollbart. Seine junge Frau war vor einigen Monaten nach Europa zurückgckehrt, da sie das mörderische Tropenklima nicht vertragen konnte. Es war der einzige Sehnsuchtsgedanke Bauers, ihr bald für immer nach der deutschen Heimat folgen zu können, sobald sein Kontrakt mit der Firma Schürmann hier abgelaufen war und seine Erspar nisse cs gestatteten, in Deutschland eine neue Existenz zu gründen. Der irmge Spanier setzte sich an seine Mandoline und klimperte mit eilfertigen Fingern ganz leise und gedämpft ein spanisches Volkslied. So hörte er nicht auf die Unterhaltung, welche die beiden anderen jetzt auf Deutsch führte«. Kurt Martens schätzte Herrn Bauer als Menschenkenner. .Mas haben Sie für einen Eindruck von der jungen Dame?" fragte er in halblautem Tone. Bauer schritt auf und ab und tat ein paar bedächtige Züge aus seiner dunklen, schweren Manila-Zigarre. „Wenn ich offen gestehen soll, ich habe nicht viel auf sie geachtet. Frau Schürmann ist in München mit meiner Frau zusammengctrofsen und brachte mir Grüße. So waren meine Gedanken beim Essen anderswo. Aber auf Sen ersten Blick schien mir Sie junge Nichte nicht nur sehr schön, sondern auch sehr lieb reizend und anziehend. Ich glaube, Saß sie hier im Handum- brchen eine gute Partie machen wird, bei dem Mangel an jungen Damen hier." „Wenn sie nur nicht in unrechte Hände gerät." Herr Bauer hielt im Aus- und Mwanöern inne. „Wie meinen Sie das?" „Nun, ich meine, es könnte jemand ein frivoles Spiel mit ihr treiben —" Da Bauer vor Martens stehen blieb und ihm aufmerksam ins Gesicht sah, sprach Kurt weiter: „Wären sie aufmerksam gewesen, Herr Kollege, hätte cs Ihnen nicht entgehen können, daß unser junger Chef jedenfalls im Begriff zu stehen scheint, bei seiner schönen jungen Cousine Feuer zu fangen!" Herr Bauer schnipple leicht die Asche in den chinesischen bronzenen AschebcKer, dcr auf dem niedrigen, kunstvoll ge schnitzten runden RauchtisKchen stand. Nicht nur in seiner Hand» öewegung, sondern auch in seinem Tone lag etwas leicht Ver ächtliches. „Strohseuer! Bei unserem jungen Chef ist alles Stroh» feuer! Wir beiden sind ja unter uns, Sa brauchen wir kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Sic wissen doch, Martens, wie er diese Woche eine junge Spanierin poussiert, nächste Woche einer iungen Amerikanerin, einer Frau, den Hof macht. Uebernächste Woche erklärt er eine Französin, die er hier auf ihrer Durch reise kennengelernt, für das entzückendste Wesen. Und wenn einmal eine Operettengesellschaft Manila berührt und hier Gast spiele gibt, ist er bei den jungen Künstlerinnen der Hahn im Korbe!" „Ja, gewiß, bas weiß ich. Aber es wäre doch schade um ein unberührtes, glaubendes junges Wesen, dem er vielleicht seine seelischen Schwingen versengt. Glauben Sie, er würbe bei seiner Cousine etwa Ernst machen und sie heiraten?" „Ansgeschlossen!" Bauer sprach mit aller Bestimmtheit. „Soviel ich aus Aeußerungen von Frau Schürmann weiß, wird sie nur ein sehr vermögendes Mädchen als Schwiegertochter am» nehmen. Das bat sie mir selber gesagt. Diese Nichte ist un vermögend, bat auch keine gesellschaftlichen Verbindungen. So viel ich übersehe, steuert Fran Schürmann auf den Plan hin, ihren Sohn mit der jungen Carmen Torrechon zu verheiraten. Die Tochter des ersten spanischen Arztes hier. Die Familie gilt für vermögend. Der Arzt beschränkt sich nicht etwa nur auf seine Praxis, sondern er hat auch mit Glück spekuliert. Ich versönlich halte nicht viel von der Familie. Sie lebt auf großem Arche. Wer weiß, ob die Verhältnisse solide sind. Und da unser junger Chef mehr mit Reden als mit Taten bei der Hand ist, wird er ganz gewiß als gehorsamer Sohn sich von seiner Mutter eine Frau bestimmen lassen. Niemals wird er den Charakter haben, etwa eigene Wünsche gegen seine Mutter durch zusetzen." Martens antwortete nicht. Er schätzte das klare, ruhic Urteil Bauers und mußte ihm innerlich Recht geben. Der Kollege ging wieder auf und ab, wie immer, wenn il: innerlich etwas stark beschäftigte. Nach einer Weile meinte cr (Fortsetzung folgt.)
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