Volltext Seite (XML)
MsdmfferTageblatt Montag, Len 18 Juli 1927 Nr. 165. — 86. Jahrgang Jie MWlW des AldsBiilmseiis Entspannte Lage in Oesterreich t diese nach e iS Dieser grund- daß aus der der unmittel- ovenerwaynten christlichen Gemeinschaftsschule — Schulen den Charakter erfahren müssen, der ihnen dem neuen Gesetzentwurf zukommt. Vielfach ist nämlich in Deutschland besonders die Bekenntnisschule in einer Weite unter staatlichem Zwang verwässert worden — es sei hier an Sachsen erinnert —, daß dort von einer Er ziehung gemäß dem Glauben kaum noch die Rede sein kann. sr » ns L' 8- Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschvtft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. baren fachmännisch vorgebildeten Schulaufsichtsbeamten auf die Art der ihnen unterstellten Schulen Rücksicht ge nommen werden soll. Dadurch wird beispielsweise ein Zustand wegräumt, der vor kurzem in Westfalen zu einem Schul streik führte, weil ein Dissident Schulauf sichtsbeamter über evangelische Schulen war. Des weiteren wird auf Vorschlag der betreffenden Religionsgesellschaft durch die Schulaufsichtsbehörde je ein geistlicher Vertreter der betreffenden Religionsgesellschaften (evangelischer oder katholischer Pfarrer bzw. Rabbiner) in die örtlichen Sckul- Oie Schulaufsicht über alle Schulen führt lediglich der Staat, sätzlichen Bestimmung steht nicht entgegen, einen Seite bei der Besetzung der Stellen Der Justizpalast in Wien. Wien sich ein klares Bild zu machen. Nach Meldungen, die auf Umwegen in die Außenwelt gelangt sind, ist es nach den blutigen Zusammenstößen am Freitag nachmittag gegen Abend der Polizei und dem Militär gelungen, die Ruhe wiederherzustellen und die Plätze vor dem Parla mentsgebäude, dem Justizpalast und anderen großen öffentlichen Gebäuden mit starken Kräften zu besetzen. Allerdings haben die Aufrührer in Wien schon schweren Schaden angerichtet, denn das I u st i z g e b ä u d e soll bis auf die Umfassungsmauern niedergebrannt sein, da die Feuerwehr von der Menge daran gehindert wurde, rechtzeitig die Flammen zu bekämpfen. Hart mit genommen wurden auch einige rechtsstehende Zeitungen, deren Mobiliar und Maschinen zum Teil vernichtet wurden. Natürlich hat sich bei diesen Vorgängen auch wieder der Mob hervorgetan und auch die Kommunisten versuchen, aus den blutigen Vorgängen in Wien für ihre Sache Kapital zu schlagen. Die Kommunistische Internationale soll einen Aufruf erlassen haben, in dem die Arbeitermassen in Wien aufgefordert werden, gegen die bürgerlichen Klassen in Österreich zu kämpfen, außerdem soll das Voll zugskomitee der Kommunistischen Internationale beab sichtigen, zur Unterstützung der österreichischen Arbeiter Geldspenden zur Verfügung zu stellen. Die sozialdemokratische Parteileitung in Österreich und die Gewerkschaftskommission haben sich in einem Mitteilungsblatt an ihre Anhänger in einem Aufruf ge wandt, in dem sie zur Ruhe mahnen. Bei den Fremden, die jetzt in Österreich Erholung suchen, scheint dieser Auf ruf aber keinen besonderen Eindruck gemacht zu haben, denn viele verlassen fluchtartig das Land. Kämpfe zwischen Nationalsozialisten und sozialdemokratischen Studenten gewesen ist. Warum die wütende Menge die Akten, die im Justizpalast verwahrt werden, vernichtete, ist nicht recht erklärlich, da im Justizpalast nur Zivilgerichtsbarkeit geübt wird. Sollten auch die Grundbuchakten, die sich im Justizpalast befinden, ver brannt fein, so wäre dies ein geradezu unersetzlicher Schaden. Tirol ist ruhig. Die Tiroler Landesregierung hat alle Maßnahmen getroffen, um die Ruhe im Lande aufrechtzuerhalten. Militär, Gendarmerie und Polizei liegen in höchster Be reitschaft. Nach einer Führerbesprechung des Republikanischen Schutzbundes wurde der Tiroler Bundesführer von der Landesregierung aufgefordert, im Interesse des Landes auf seine Anhänger beruhigend einzuwirken, da jede Aktion des Bundes, die zu Ruhestörungen führt, auf energische Abwehrmaßnahmen der Tiro ler Landesregierung stoßen würde. Die Sozialdemokratische Partei will die letzten Er eignisse dazu benutzen, um sie für sich politisch auszuwer- tcn. So hat sie an den Bundeskanzler Seipel, der der Christlichsozialcn Partei, die etwa dem Zentrum in Deutschland entspricht, nahesteht, das Ersuchen gerichtet, von feinem Amte znrückzutrcten; auch verlangt sie, daß der Polizeipräsident von Wien, Schober, der ebenfalls christ lichsozial ist, von seinem Posten verschwindet. Bundes kanzler Seipel soll es indessen abgelchnt haben, dem sozial demokratischen Wunsch nach seinem Rücktritt nachzukom men, doch sollen, wie es heißt, umfangreiche Veränderun gen in der Zusammensetzung des jetzt rechtsstehenden Wiener Kabinetts Vorgenomnien werden.» Oie Stätte der Unruhen. Die Stratzenkämpfe in Wien erinnern in ihrem Verlauf an den Putschversuch, der in Wien in den Osterlagen des Jahres 1919 stattfand. Auch damals entstand plötzlich in den linls- radikalen Arbeiterkreisen wegen angeblicher ungerechter Urteile eine Ausstandsbewegung, und die Demonstranten marschierten aus den äußeren Bezirken auf die Ringstraße. Aus dieser Prachtstraße stehen die meisten öffentlichen Bauten: das Parla ment, das Rathaus und der Justizpalast, der auch die höchsten Gerichtsstcllen beherbergt, bilden eine architektonische Einheit. Dicht daneben liegt die Universität, die in den letzten Wochen der Schauplatz zahlreicher Demonstrationen und heftiger für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. AnzeigeuprÄs: die Faespalteue Rarnuzeile 20Rpfg., di?. 4 gespalten« Zeile der amtlichen Bekanntmachungen pfennig, 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile I Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. Bs*- geschriebene Erscheinung»- „ tage und Platzvorschrift« werden nach Möglichkeit ! ÄM1 Nk. 6 berücksichtigt. Anzeig««- annadme bis vorm.1VUHr. — Für die Richtigkeit d« durch FernrufübermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werdenmuß oder der Auftraggeber in Konkurs gerat. An^gen nehmen alleDexmittlungsstellenentgegeu. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, ^E« »Wil»dnlffer Tageblatt" erscheint an «Len Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in «»»gadrfiellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 RM., bei Postbestellung 2 «M.-uzügltch «bttag- gebühr. Einzelnummern leRPfg.AllePüftanstalteu Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgehend Postboten und unsereNus- trL-erund Geichaftsstelleu - — U L—: nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. vcrwaltungskörper derjenigen Schulen berufen, an denen Religionsunterricht ordentliches Lehrfach ist/ Und schließ lich bestellt der Staat im Schulwesen erfahrene Beauftragte, die von der Religionsgesellschaft vor geschlagen werden und eins Einsichtnahme in den Religionsunterricht der betreffenden Bekenntnis schule zur Aufgabe haben. Diese Einsichtnahme steht übrigens auch den obersten Stellen der Religionsgesell schaften zu. „Die Wiedereinführung der geistlichen Lokal- fchulinfpektion ist in keiner Weise beabsichtigt," sagt ausdrücklich die amtliche Erläuterung zum Schul- gcsetzentwurf. Die größten Stärken des Entwurfs sind die klaren Scheidungen der Schulform, vor allem aber, den Richt linien der jetzigen Regierungskoalition gemäß, die vor gesehene Durchführung des Willens der Er ziehungsberechtigten. Nach der jetzigen Ver öffentlichung des Gesetzentwurfs wird sicher ein Streit der Meinungen entbrennen, von dem man nur wünschen kann, daß er in vornehmen Formen geführt wird. Daß es hier um eine der wichtigsten innenpolitischen Fragen geht, ersieht man ja daraus, daß der Reichstag sich in einer besonderen Herbsttagung mit der Angelegenheit be schäftigen wird. Generalstreik für Oesterreich proklamiert. Alle Grenzen abgesperrt. Österreich ist von der Außenwelt abgeschlossen. Das Präsidium der österreichischen Sozialdemokra tischen Partei hat, um die Aufruhrbewcgung wieder in seine Hände zu bekommen, den General st rcik prokla miert, der auch bei den öffentlichen Verkehrsmitteln sofort im vollen Umfange eingesetzt hat. Post, Telephon und Eisenbahn haben ihren Betrieb eingestellt und auch zahl reiche Privatbetriebe sind stillgelcgt worden. Durch die Sperre der Nachrichtenübermittelung ist es natürlich außerordentlich schwer, über die Ereignisse in Oer Reichsschulgesttzentwurs. Die Vorlage der Reichsregierung über das Neichs- schulgesetz, die nach strengster Geheimhaltung jetzt der Öffentlichkeit übergeben worden ist, will die im Artikel 146 Abs. 2 der Reichsverfassung niedergelegte Bestim mung erfüllen, daß alles Nähere über das deutsche Schul wesen durch ein besonderes Gesetz geregelt werden soll. Sie will nicht die Frage zur Entscheidung bringen, ob der Gemeinschaftsschule durch die Verfassung eine be sondere Vorzugsstellung einzuräumen ist, will vielmehr den drei Schularten, die in der Verfassung vorgesehen sind, im Nähmen der Bestimmungen des neuen Gesetzes freie Entwicklungsmöglichkeiten geben. Für diesen Zweck werden zunächst einmal die Formen der deutschen Volks schule genau unterschieden. Ihnen allen ist gemeinsam die Aufgabe, „die schulpflichtige Jugend durch Unterricht auf der Grundlage des deutschen Kulturgutes zu körperlicher und geistiger Tüchtigkeit herauzubilden und sie in Unterstützung, Ergänzung und Fortführung der elter lichen Erziehung zu sittlich wertvollen Menschen und zu Staatsbürgern zu erziehen, die fähig und bereit sind, der deutschen Volksgemeinschaft zu dienen." Hinsichtlich der Formen der Volksschule werden die nach Bekenntnissen nicht getrennte (Gemein schafts-), die Bekenntnis- und die Bekenntnisfreie Schule (weltliche oder Weltanschauungsschule) unterschieden. Die Gemeinschaftsschule, die grundsätzlich allen schulpflichtigen Kindern offen sieben soll, hat ihre Unterrichts- und Erziehungsaufgaben auf „relig-öS- sittlicher" Grundlage, aber ohne Rücksicht auf die Besonrcryci: einzelner Bekenntnisse und Weltanschauungen zu erfüllen, wo bei der Religionsunterricht, natürlich nach Bekenntnissen gt- trennt, ordentliches Lehrfach ist. Wohl zu unterscheiden von dieser neuen Gemeinschaftsschule ist jene and.ee im Südwesten Deutschlands bestehende, die .en Charakter einer ausdrücklich christlichen besitzt und die -am Artikel 174 der Reichsvcrsassung besonders berücksichtig: werden mutz. Der Entwurf erfüllt diese Forderung dadurch, daß diese Schulart zunächst einmal fünf Jahre hindurch nicht abgeändcrt werden soll; durch Landesgcsetzgebung kann be stimmt werden, datz sie auch weitere fünf Jahre hindurch in -ftt erhalten bleibt. Da die Länder zur Durchführung .Wsschulgesetzentwurfes erst binnen zwei Jahren vc> ltet sind, so würde jene christliche Gemeinschaftsschule vor> Zkwlf Jahren bcstchenbleibcn. Erst dann ist s.S möglich, sie in eine der drei anderen Schulsormen umzu- andern, wenn die Erziehungsberechtigten von wenigstens zwei Dritteln der die Schule besuchenden Kinder sich dafür aus- sprechen. Bekanntlich haben sich die volksparteilichen Minister des Kabinetts gegen diese Regelung ausgesprochen. Die zweite weitaus verbreitetste Schulform in Deutschland ist nun die Bekenntnisschule, die nur zur Ausnahme von Kindern eines bestimmten Be kenntnisses dient und ihren Charakter nicht verändert, wenn aus besonderen Gründen auch andere Kinder eingeschult werden. Sie erfüllt die Unterrichts- und Erziehungsaufgaben der deutschen Volksschule gemäß dem Glauben, in dem die Kinder erzogen werden, wobei Lehrpläne, Lehr- und Lern bücher dieser Eigenart der Schule anzupasscn sind. Die Be stimmungen über diese Lehrmittel für den Religionsunterricht nnn werden im Einvernehmen mit den betreffenden Religions gemeinschaften durch den Staat festgesetzt; ebenso ist eine Mit wirkung der Religionsgesellschaften bei der Feststellung der Stundenzahl für den Religionsunterricht vorgesehen. Selbst verständlich ist dieser Unterricht für alle Klassen ordent. l«wcs Lehrfach; für Kinder eines Mindcrheitsbekcnnt- Nlsscs wird zwecks Erteilung besonderen Religionsunterrichts Miuderheilsbekcuntnis angehörige Lehrkraft an- die Anwesenheit Volk zwölf Kindern eines genüg«, die Einrichtung eines solchen besonderen ReUgionsumern zur Pfüch, zu machen. emcr Gemeinde die Einrichtung Von mindestens v i e r z i g Erziehungsberechtigten notwendig, nur m solchen Gemeinden in denen überhaupt Ilgten >wlwcnd.g, nur in solchcn Gemeinden, wo überhaupt weniger als zweihundert schulpflichtige Kinder vorhanden sind, kann unter jene Zahl von vierzig hernniergegangcn werden. Zweite Voraussetzung aber ist dabei noch, datz eine solche Schule nur dann eingerichtet werden darf, wenn sie einen „geordneten Schulbetrieb gewährleistet; dadurch wird eine neue Schule nur dann einzunwien möglich, wenn sie nach Ausbau und Zahl der Klassen Nicht hinter derjenigen.Mindest höhe der Schulorganisation zurückbleibt, die bisher rechtlich zulässig war. . Die Bckcnntnisfrcic Schule, in der Religionsunterricht nicht erteilt Wird, erfüllt ihre Unter richts- und Erzichnngsausgaben aus allgemein sittlicher Grund lage ohne bckenntnismätzige oder weltanschauliche Bindung. Ein bestimmter Weltanschanungsunterrichl wird aber dort er teilt, wo eine Vereinigung mit den Rechten einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besteht und zwei Drittel der Er ziehungsberechtigten dieser Schule einen solchen Weltanschau- ungsnitterricht im Sinne jener Vereinigung beantragen. Wichtig ist nun die Bestimmung, daß alle bisher be stehenden Volksschulen als „beantragt" gelten, also ohne weiteres bestehenbleiben. Hierbei greift aber die weitere Bestimmung Platz, daß umgehend — abgesehen von jener Telegr.-Adr.: .Amtsblatt' WilSdrUff-DrSSde« Postscheck: Dresden 2640