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Wilsdruffer Tageblatt : 30.06.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-06-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192706305
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19270630
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19270630
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-06
- Tag 1927-06-30
-
Monat
1927-06
-
Jahr
1927
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 30.06.1927
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? n N - »t R ! 0151m deimilcden 6ercl! ß I f llntrrballungrbeilsgr rum ..lvilrai'uNer cageblatt" — Amtsblatt Durch Radio serngelenkte Wg- und Fahrzeuge. Von Anton Lübke-Münster. Zu den interessantesten Ergebnissen auf flugtechnischem Gebiete gehört das führerlose Flug- und Fahrzeug. Die Erfin der haben sich in den letzten zehn Jahren eingehend damit be schäftigt. Der Gedanke der drahtlosen Fernsteuerung geht auf das Jahr 1911 zurück. Damals gelang es dem deutschen Er finder Wirth, auf dem Wannsee bei Berlin ein Motorboot durch Radiowellen vom Seeufer aus zu steuern. Sowohl sämtliche Bewegungen des Bootes als auch das An- und Abstellen des Motors ließen sich durch Radiowellen bewerkstelligen. Aber im Laufe der Versuche machten sich Schwierigkeiten bemerkbar, und die Führung durch die Radiowelle wurde unsicher, sobald man das Boot aus dem Auge verlor. Im Jahre 1913 baute der Italiener Ermanno Fiamma ein Flugzeug, das durch elektrische Wellen von der Erde aus ge lenkt wurde. Bis aber die neue Erfindung in die Tat um gesetzt wurde, dauerte es über 10 Jahre. Erst Im Juli 1924 stellte die italienische Marine mit dem Torpedozerstörer Cosenz und dem Versuchsschiff 223 Versuche an. Im Vorderteil dieses Versuchsschiffes wurden der Empfangsapparat und die sieben Selektoren angebracht, die zur Aufnahme der von der Sende station aufgegebenen Wellen dienen sollten; und zu beiden Seiten stand je eine Akkumulatorenbatterie von 40 Volt mit insgesamt 400 Amptzrestunden zur Speisung der Hilfsmotors, die zum Antrieb und zur Steuerung dienten. Technische Zeit schriften betonten damals, daß die Erfindung Fiammas für kommende Kriege große Bedeutung haben könne, weil dadurch auf drahtlosem Wege Torpedos, Minen, Fahrzeuge und Flug zeuge gelenkt werden können, ohne daß dabei Menschenleben in Gefahr kommen. Die friedensmäßige Ausbeute der Er findung bestehe darin, Flugzeuge ohne Bemannung für den Transport von Waren- und Postsendungen zu benutzen. Mit der drahtlosen Fernlenkung von Fahr- und Flugzeugen beschäftigte sich im Jahre 1913 auch Anton Flettner, der Erfin der der Flettner-Rotor'en. Er meldete vor dem Kriege gemein sam mit den damaligen Felten-Guilleaume-Lahmeyer-Werken in Frankfurt a. Main ein diesbezügliches Patent an. Flettners Idee bekam zu Anfang des Krieges erneut Bedeutung. Kein Geringerer als Graf Zeppelin interessierte sich lebhaft dafür. Er selbst trug sich mit dem Gedanken, sein Luftschiff durch Fern- lenkunb von der Erde aus zu steuern und durch sie auch eine Waffe in Tätigkeit zu setzen. Flettner wandte seine Erfindung während des Krieges, als man nach neuen Vsrteidigungsmitteln suchte, auch auf Fahrzeuge an. In den Sommertagen 191ö sahen die Berliner in ihren Straßen ein eigenartiges Fahrzeug sich bewegen. Es war ein ferngelenkter Flettner-Tank, mit dem es möglich sein sollte, ohne Bemannung über Schützen gräben hinweg vorzugehen und Drahtverhaue zu zerschneiden. Die Berlin-Anhattische-Maschinenban-A. G. . (Bamag) und das Inaenieurkomitee des Kriegsministeriums wurden für die Er findung gewonnen, leider aber lehnten die militärischen Sach verständigen sie ab. Die Fernsteuerung der Motorboote fand ebenfalls schon während des Krieges Beachtung. Es ist den Wenigsten bekannt, daß man bei den Kämpfen In der Nordsee ferngesteuerte Motor boote verwendete, die mit Sprengstoff beladen und mit Auf schlagzündern versehen waren. Leider schlug dieser Versuch fehl, weil die fremden Radiowellen den Mechanismus der Boote in Unordnung brachte und ihren Lauf ablenkten. Damals war man noch nicht so weit in das Wesen der Radioweste eingedrun gen, und die Kurzwellentechnik besaß noch nicht die Erfahrung von heute. Die Versuche, ferngelenkte Fahrzeuge zu schaffen, wurden in den Jahren nach dem Kriege emsig fortgesetzt, und man kann ' heute sagen, daß die technische Entwickelung auch hier bedeutend vorangeschritten Ist. Die Aufgabe der Zukunft wird aus diesem Gebiete vor allem darin bestehen, die Empfangsstationen aus fern gelenkten Fahr- und Flugzeugen so zu gestalten, daß sie gegen Einflüsse fremder Radiowellen unempfindlich sind. Die Ver suche der letzten Zeit haben gezeigt daß ja auch Telefonsender sich gegenseitig nicht mehr stören, wenn die Wellenlängen ver schieden sind, und zwar um 10 000 Frequenzen. Würde beispiels weise eine Station mit einer Wellenlänge von 300 Metern arbeiten, was einer Frequenz von 1000 000 entspricht, so könnte die nächste Station schon mit einer Wellenlänge von 297 Meter --- 1010 000 Frequenzen arbeiten, ohne die andere zu stören. Je kleiner die Welle ist, desto mehr Möglichkeiten sind gegeben. Die Empfangsstation eines ferngelenkten Fahrzeuges müßte natürlich auf diese Frequenzen eingestellt sein. Amerika widmete sich der Aufgabe, ferngelenkte Flugzeuge zu schaffen, mit besonderem Eifer. Der Chefredakteur der ameri kanischen Zeitschrift „Radio News", Hugo Bernsback, sagt über ein solches Flugzeug: Das ferngesteuerte Flugzeug, ausgestattet mit Selenaugsn, steigt auf und wird über das entsprechende Ge biet geschickt. Während jeder Sekunde seines Fluges sieht der Ingenieur in der Steuerstelle, mag er auch Hunderte von Mei len entfernt sein, alles das, was um das Flugzeug herum vor sich geht, und zwar so genau, als säße er selbst In diesem Flug zeuge. Ja, er sieht es noch besser, denn er sieht gleichzeitig, was in jeder Richtung geschieht, was man bei unmittelbarer Beobachtung niemals kann. In Frankreich wurde ein ferngelenktes Flugzeug schon im Jahre 1928 in den Dienst gestellt. Das Flugzeug, das nicht be mannt ist, wird von einer elektrischen Sendestation aus gelenkt und auch die Post durch Fernwirkung an einer bestimmten Stelle abgeworfen. Deutschland ist der Bau dieser Flugzeuge untersagt. Ferner war die Technik seit langem bemüht, dem Flugzeuge ohne Zutun des Führers ein vollkommen sicheres Landen zu er möglichen. Bereits im Jahre 1926 wurden In Deutschland eine Anzahl Flugzeuge probeweise in Dienst gestellt, die mit fern- elektrischen Apparaten ausgestattet waren. Diese gestatten dem Flugzeugführer, sein Flugzeug an jeder gewünschten Stelle zu landen. Es handelt sich dabei um den Kreisel-Neigungsmesser, den fernelektrischen Fein-Höhenmesser und den fernelektrischen Richtungsweiser. Der Kreiselneigungsmesser stellt einen sich schnell drehenden Kreisel dar, der auf ein empfindliches Zeiger- system wirkt und so jede Vor- und Ssitenbewegung des Flug zeuges im Lufträume anzeigt. Der fernelektrische Höhenmesser stellt die elektrostatische Kapazität des Flugzeuges gegenüber dem Boden fest. Je mehr sich das elektrostatisch geladene Flug zeug seinem Gegenpol, der Erde, nähert, um so größer wird di« Kapazität und um so stärker schlägt das Instrument aus. Da durch läßt sich eine unbedingt sichere Landung bei Tag und bei Nacht ermöglichen. Der fernelektrische Richtung-weiser gibt dem Flugzeugführer fortgesetzt Laut-Zeichen, aus denen e, heraushören kann, ob er sich im richtigen Kurse befindet. Die mit diesen Apparaten vor einigen Monaten angestellten Ver suche haben die überraschendsten Erfolge gezeitigt und werden in Zukunst dem Luftverkehr von unendlichem Nutzen sein. Englische RaumwoNe. Im Bestreben, vom amerikanischen Baumwostmarkt nach Möglichkeit unabhängig zu werden, macht England in den ver schiedensten Teilen seines Weltreichs grobe Anstrengungen, um tine eigene Baumwostindustrie großzuziehen. Diese Bemühun gen werden zusammengefaßt in der „Empire Cotton Growing Corporation", aus deren Jahresbericht einige Mitteilungen Er wähnung verdienen. Die Baumwollkultur hat mit verschiedenen Schwierigkeiten zu Kämpfen, die zu beseitigen die Gesellschaft sich zur besonderen Aufgabe gemacht hat. An erster Steile steht das Studium und die Bekämpfung zahlreicher Krankheiten und tierischer Schäd linge, unter denen die Baumwolle stark zu leiden hat. So wird z. B. ein bestimmter Schmetterling, der seine Eier in die Kapseln der Baumwollstaude zu legen und diese dadurch zu zerstören pflegt, nach einem neuen, von der Gesellschaft erfundenen Ver fahren dadurch bekämpft, daß man die Tierchen auf ein eigens zu diesem Zwecke mit Baumwolle bestelltes Stück Land lockt und dort vernichtet, während die übrigen Felder dann von den Schädlingen verschont bleiben. Ferner befaßt sich die Corpo ration mit Untersuchungen über die für die einzelnen Länder und Landstriche am besten geeigneten Sorten, denn nicht jeder an sich zur Baumwollkultur geeignete Boden gibt mit jeder be liebigen Sorte auch zufriedenstellende Erträge. Was die Berichte aus den einzelnen Reichstellen angeht, so hat man in Südafrika im letzten Jahre wenig befriedigende Er fahrungen gemacht. Hauptsächlich infolge ungünstiger Witterung hat die Ernte durchaus enttäuscht. In Rhodesien ist der Baum wollanbau zurückgegangen, da die Grundbesitzer es vorgezogen haben, Tabak zu pflanzen, der besser lohnt. Im englischsägypti- schen Sudan dagegen hat die Baumwollkultur einen großen Aufschwung genommen. Nach einem Bericht des General-Gou verneurs des Sudan wird Baumwolle von den Eingeborenen Nordost- und Zentralafrikas mit Vorliebe angebaut. Die Neger müssen aber erst noch dazu erzogen werden, auch schlechte Zeiten durchzuhalten. Heute neigen sie noch dazu,' beim Sinken der Marktpreise sofort den Anbau aufzugeben, weshalb Ernte schätzungen aus diesen Bezirken stets ein großes Moment der Unsicherheit enthalten. Nach Ansicht der Cotton Growing Corporation ist die eng lische Baumwolle der als American Middling bekannten Sorte in Güte und Stapel überlegen, nur ist der Ertrag je Hektar noch unbefriedigend. Vor allem muß aber die Transportfrage gelöst werden. Die Transportkosten stellen sich heute überall noch so hoch, daß man daran denkt, zur erfolgreichen Lösung dieser Frage eine eigene Gesellschaft zu gründen, die sich über aste Baum wolle erzeugenden Teile des britischen Reichs erstrecken und von diesen finanziert werden soll, um so Mittel und Wege zu finden, wie der Transport billiger gestaltet und der britischen Baumwolle der Kampf um den Weltmarkt erleichtert wer den kann. Reise Lurch Kolumbien. Von Liselotte Weber (Medellin). Bon Kolumbien hat der Europäer nur einen verschwom menen Begriff. Der Globetrotter Lateinamerikas fehlt ganz, und auch der Forscher, der die Kultur der vorkolumbischen Chibchastämme untersucht, bleibt eine vereinzelte Erscheinung. Am häufigsten trifft man noch den Geschäftsreisenden an. Aber mögen auch die dauernd steigenden Zahlen der Ein- und Aus fuhr einen gewissen Begriff von der Bedeutung des Landes im Welthandel geben — einen tieferen Einblick in sein unberührtes, ungewecktes Wesen werden sie uns vorenthalten. Nur eine Reise durch dieses wunderschöne Land vermag die Dornröschen hecke zu zerteilen. Alle Verkehrsmittel der Welt stehen zur Verfügung, vom Flugzeug, dem Dampfer, der Drahtseilbahn, dem Auto, der Eisenbahn bis zum Reittier. Und mag das Reisen noch so be schwerlich und zeitraubend sein, so wird doch gerade durch diese Vielseitigkeit der Verkehrsmöglichkeiten ein weit intimeres Bild des Landes vermittelt als durch die herkömmlichen Eisenbahn fahrten. Kolumbiens Hauptverkehrsader ist der Rio Magdalena, der allein zwei Drittel des Personen- und Wagenverkehrs nach der Küste bewältigt. Eine Dampferfahrt an den malerischen Urwald ufern des Stromes entlang gehört zu den schönsten Eindrücken meiner Reise. Das sonnenüberflutete Bild wird belebt von Kro kodilen, die im glühenden Sande schmoren, von anmutigen Rei hern, die in dem Fischreichtum des Flusses schwelgen. Blaue Aras, Affen und Schildkröten tauchen auf, und zuweilen gleiten malerisch gelegene Ranchos (Hütten) mit ihren freundlich win kenden Bewohnern vorbei. Dann wieder lange Strecken unbe rührten Urwaldes, dessen dunkles, undurchdringliches Geflecht von Baumriescn und ihren Schmarotzern bis an die Ufer herantritt. Meine Fahrt, die ich am Anfang dieses Jahres antrat, stand unter einem ungünstigen Stern. Der Wasserstand des Flusses war so niedrig, daß trotz listigster Navigationsmanöver und Dynamit sprengungen im Flußbett keine Weiterfahrt möglich war. Jetzt ist die schon lange geplante Regulierung des Magdalenenstromes einer deutschen Firma übertragen worden, so daß die ustunter brochene Benutzbarkeit dieses Hauptverkehrsweges in absehbarer Zeit sichergestellt sein wird. Hinsichtlich der Regelmäßigkeit seines Flugzeugdienstes da gegen steht Kolumbien in Südamerika heute schon an erster Stelle. Herrlich ist es, aus der Vogelschau einen bequemen Ein blick in Gebiete zu erhalten, die noch keines Menschen Fuß be treten hat. Unübersehbar breitet sich unten die Schweigsamkeit der Urwälder aus, durchzogen von dem blitzenden Bande des Stromes. Man sieht in die ausgeglühten Krater erloschener Vulkane, und bei klarer Sicht winken in der Ferne die schnee bedeckten Gipfel des Ruiz und Tolima. Mit fast sechstausend Meter Höhe gehören sie zu den bedeutendsten Erhebungen der Kordilleren. Die Eisenbahnen Kolumbiens, so mangelhaft auch ihr Schie nennetz noch ist, können im übrigen einen Vergleich mit euro päischen Verhältnissen gut aushalten. Die Züge verkehren mit einer anerkennenswerten Pünktlichkeit, und die Wagen sind mit bequemen Bolstern und Eiswasserbehältern ausgestattet. Wie interessant ist das Volks- und Marktleben an den Stationen! Erfrischungen und seltsame herrliche Früchte werden uns dort angeboten, und der einfachste Verkäufer all dieser Genüsse weiß uns durch seine natürliche Ritterlichkeit zu bezaubern. Zu den unvergeßlichsten Erlebnissen meiner Reise gehört ein Ritt auf dem Maultier von Medellin, der entzückend ge legenen, handelstüchtigen Departementshauptstadt Antioquias, nach dem weit über 2000 Meter hoch gelegenen Manizales und nach Cali. Wenn mir das Flugzeug die Landschaft in massigen Strichen näher brachte, so verdanke ich diesem Ritt ast die in timen Einzelheiten des Volkslebens in einem mir bis dahin fremden Lande. Nie möchte ich trotz ihrer Beschwerlichkeit die Erinnerungen an diese Tage missen, nie vergesse ich die zauber haften Ausblicke, wenn sich Höhenzug hinter Höhenzug in der Ferne verliert. Tagelang ritt ich bergauf und bergab, durch Ge biete menschlichen Fleißes und durch Höheneinsamkeit, durch großzügig angelegte Kaffeepslanzungen und durch wafsersall- durchtosten Urwald, wo in Mondschoinnächten fremdartige Tier- laute erklangen und große Leuchtkäfer funkelten. Ich rastete in urwüchsigen Posadas, umgeben von der Liebenswürdigkeit der Wirte, bewunderte Blumen, Früchte und Schmetterlinge von unerhörter Größe und Farbenpracht. Der Reichtum des Landes aber offenbarte sich in den zahlreichen Karawanen geduldiger Eselchen, die das wertvollste Erzeugnis Kolumbiens, den Kaffee, an die Sammslstellen beförderten. Mein letzter Eindruck war Buenaventura, der Hafenort an der pazifischen Küste. In dem feenhaft erbauten Regierungs- Hotel konnte Ich im Anblick des Stillen Ozeans und den pfahl bauartig ins Meer vorgeschobenen Eingeborenenhütten, in der Treibhausluft der Tropen und angesichts der schwarzen Ein wohner ein Märchen von der Südsee träumen. Um dieses Land zu wecken und seinen Reichtum zu er schließen, bedarf es vor allem des Ausbaues und der Neuanle- aung von Verkehrswegen. Die Kolumbianer haben selbst er kannt, daß von ihrer Verbindung mit dem kaufenden Ausland der Gewinn aus ihren Land- Zeugnissen abhängt, und große Kundgebungen fordern den von Straßen und Eisenbahnc Lind erst Verkehrswege geschaffen, so steht der Einwander- nichtiger Kräfte nichts mehr im Wegs. Mujik-Kurm«. Von Richard Zantner-Busch. Die fanatische Theater- und Konzertfreude der goldenen Biedermeierzeit brachte für die deutsche Bühne und die ihr nahestehenden Gebiete eine Zeit der höchsten Entfaltung. Frei lich einer Entfaltung, die sich — wenn man hier so sagen darf — lediglich zahlenmäßig auswirkte, denn die deutschen Theater standen damals nicht gerade auf einer künstlerischen Höhe. Selbst sie größten und glänzendsten Bühnen des vormärzlichen Deutsch lands brachten abwechselnd Opern, Ballette, Zaubereien, Schau spiele, Ringkämpfe und Maskenseste. In den Konzertsälen lie ßen sich nicht nur Rossini, Paganini und andere Liebsinge des Publikums hören, sondern auch Regimentskapellen, die seiner zeit nicht ungern auf „Kunstreisen" gingen, neben „Gefühls quartetten", die Wiener Lieder süß und rührend zum Vortrag brachten, davon aber nicht mehr als ein halbes Dutzend be herrschten, außerdem allerlei Erfinder, die dem staunenden Pu blikum ihre mehr oder weniger gut geratenen Geisteskinder vor Augen führten. So erschien gegen Ende des zweiten Jahrzehnts des vorigen Jahrhunderts in der Presse, die neben Stadtneuigkeiten fast nur noch über Theater, Oper'und Verwandtes berichtete, eine Auf sehen erregende Nachricht mit der Ueberschrift „Eine große Re volution steht uns bevor". Danach verkündete Herr Amadäus Tissot eine neue Violine eigener Erfindung samt einem neuen, von ihm erdachten Bogen, mit dem er zweifelsohne aste bisher gefeierten Geiger mühelos übertrumpfen werde. Das Geniale seiner Tat bestand darin, daß er zur Bespannung Frauenhaare verwendete, die, wie er sagte, „süßere Däne wecken als Roß haare; dies nur zu bezweifesn, wäre schon Lästerung". — „Herr Amadäus Tissot beruhige sich," meinte dazu der Berichterstatter einer Zeitung, „wer lacht, der lästert nicht. Wer wird nicht die äße, obwohl bei den Haaren gezogene Galanterie bewundern?" Eine andere, für die musikalische Massenproduktion der da maligen Jahrzehnte sicherlich sehr wertvolle Erfindung machte etwa zu derselben Zeit ein vr. Stegmann in Frankfurt a. M. Dieser stellte einen Mechanismus her. der sofort alles aufschrieb, was man auf einem Flügel oder sonst klavierähnlichem strumente spielte, so daß dem Komponisten weiter nichts zu tnn übrig blieb, als diese Notizen in das übliche Notensystem um piseizen. Dazwischen hörte man jedoch auch wieder von wirklich sonderbaren Erscheinungen, die selbst zu ihrer Zeit einiges Be fremden erregten. So besaß die Königin Christine von Spanien, die Gemahlin Ferdinands VII., einen in Paris für 30 000 kl. verfertigten Betstuhl. In seinem Gehäuse war ein Spielapparat mit 10 Walzen eingebaut, der neben Stücken aus Rossinis „Othello" auch die Ouvertüre und das Mpenlied aus dem „Test" „sehr laut und wunderbar" wiedergab. Düese ausgefallene Er scheinung stand aber keineswegs vereinzelt da, sondern eine derartige Verwilderung machte sich auch in der kirchlichen Mu- sikpslege bemerkbar. So klagt 1828 ein frommer Biedermann darüber, daß man in verschiedenen Kirchen Fanitschnrenmusik eingeführt habe, die den Eindruck erwecke, als wolle man dem Allerhöchsten nicht mit dankbarer Verehrung im Gebete nahen, sondern ihm eher mit Pauken und Trompeten den Krieg er klären. Daß man auf die Idee verfiel, die musikalischen Er rungenschaften gerade der Türken damals aufzugreisen, mag sich aus der Begeisterung erklären, mit der man den Befrei ungskampf der Griechen gegen die Türken verfolgte. Dieser Krieg hat auch noch in manch anderer Hinsicht das europäische Kulturleben beeinflußt. So wurde es in Paris eine Zeitlang Mode, in türkischer oder griechischer Tracht in der Oper z" erscheinen. Eine der sonderbarsten Nachrichten, die in der Presse des vorigen Jahrhunderts aus dem Gebiete der Musik erschienen, ist ein Bericht aus Stralsund, wonach ein dort lebender Organist eine Orgel erfunden habe, durch die er mühelos zum Orpheus des 19. Jahrhunderts wurde. „Dieses Instrument" heißt es wörtlich, „lockt nämlich durch seine Töne die größten See- und Landtiere an. Ein Schiffskapitän Hal daher dasselbe in seinem Schiffe, welches zum Walfischfange und auf die Eisbärenjagd ausgelaufen ist, angebracht und Versuche angestellt, die aufs glücklichste gelungen smd, denn sobald die Töne dieser Wunder harfe erklangen, versammelte sich ein Publikum von 14 Wal fischen und 92 Eisbären, die den lebhaftesten Beifall äußerten." — Zu bemerken wäre, daß diese Notiz nicht etwa Anfang April -.schien, vielmehr vollkommen ernst aufgefaßt und besprochen Heilere LLmfchau Es geht nicht anders. Zwei Herren sprechen im Klub mit einander. Der eine fragt: „Gehen Sie heute in den Vortrag Von Kitschmeher?" — „Jawohl," erwidert der andere. — „Nehmen Sie meinen Rat an und gehen Sie nicht. Er ist schrecklich langweilig." — „Ich muß," sagte der andere; „ich bin Kitschmcycr selber!" Geheilt. Aus der Straße faßt mein Freund Emil mich am Arm und sagt freudig erregt: „Si... si... siehst d« den He... He...Herrn da vorn mit dem w... w... Weißen B...B... Ba... Ba... Barte?" — „Ja, gewiß sebe ich ibn. Was ist's mit ihm?" — „Das ist der Po... Po... Pro. ...Pro... Professor, der mich ge...ge... geheilt hat vom St...St...Sto... Sto ... Stottern." Der Glückliche. Zwei Herren treten in ein Kasfeehaus. Beim Eintritt sagt der eine zum andern: „Siehst du diesen Menschen da? Der hat in unserem Geschäft nichts als Feinde." — „Der Glückliche!" — „Glücklich? Wieso?" — „Na, weil er dann sicher sein kann, daß ihn niemand anpumpt." Unhöflich. Ein Huthändlcr, der in ein Lokal tritt, sieht einen seiner Schuldner dort sitzen und begrüßt ihn. Der aber tut, als hätte er seinen Gläubiger nickt gesehen. „Na, wenis" stens," murmelte der Huthändler vor sich hin, „hätte er — meinen Hut abnehmen können!"
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