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leicht von Vater eine Mark, und im Garten kann man spielen und an den Waldbach gehen und sich Weidenpfeifen schneiden. Nun, und Pfingsten? Da sitzen alle Kinder still und überlegen ein Weilchen. Pfingsten kommt weder der Knecht Ruprecht noch der Osterhase, da kriegt man gar nichts ge schenkt. Ist Pfingsten trotzdem schön? „Oh!" sagte Grete nach kurzem Nachdenken, „oh, Pfingsten, da holt Vater Maien und die ganze Stube ist wie eine Lande und dann gehen wir zur Tante in den Garten. Und der Flieder blüht und es gibt junge Enten und Hühnerküken und —" „und im Wald kann man auf Gras liegen,* ruft Liese begeistert, und Hans sagt: „Baden kann man auch im See und schwimmen und —" „Und gleich nach Pfingsten kommen die großen Ferien," fällt Max jubelnd ein, „dann fahren wir mit Mutter zur Großmutter." „Und wir zu Onkel Förster und ich komme in die Ferienkolonie!" Alle vier Stimmen schreien lachend durcheinander. Fahret Wohl, Weihnachtsmann und Osterhase, heute seid ihr abgetan, heute wissen sie alle nur das eine: Pfingsten, heissah, Pfingsten! „Psingsten ist das schönste aller Feste!" Wie Gold flimmerte die reiche Fülle des seidigen Haars, von dem das Gesicht des etwa sechsjährigen Mädchens um rahmt wurde, das auf dem Fenstertritt kauerte. Nun schob sich die Portiere zurück und Meta Arendt, in Hut und Überjacke, stand in der Tür. Suchend glitten ihre Augen umher und blieben an dem Kinde hängen, das schweigend verharrte. „Wie sie Herbert ähnlich steht," durchfuhr es die Frau. Das Leuchten erlosch in den nußbraunen Augen, die sich zu dem großen Bilde im matten Goldrahmen erhoben, das an der Wand hing. Aber rasch zu dem Kinde hinüberhuschend, rief sie fröhlich: „Nun können wir Pfingsten feiern, Liesel! Fertig ist die Arbeit! Jetzt komm rasch, laß dich recht schön machen, wir holen uns erst das Honorar und treffen uns dann mit Onkel Hans im Stadtpark." Die Kleine war bei den ersten Worren der Mutter er wartungsvoll hochgefahren, jetzt sank sie wieder zusammen, ließ den Kops sinken und sagte: „Ich mag nicht in den Stadt park gehen!" „Liesel — was soll denn das?" Dis Stimme der jungen Frau klang unsicher. Sie kniete neben dem Kinde nieder und sagte bittend: „Sei doch gut, Lieselchen, mach' Mutti die Freude..." — „Ich mag aber nicht!" — „Warum nicht, Liebling? Onkel Hans ..." — „Er ist nicht mein Onkel, ich mag ihn nicht leiden, ich will ihn nicht!" kam es von den Kinderlippen. über das Gesicht der Frau glitt ein Schatten; langsam sanken ihre Arme herab. Da warf sich ihr das Kind plötzlich an die Brust. Der leidenschaftliche Druck benahm der Be stürzten fast den Atem. „Lieselotte — was ist nur?" stammelte sie. Und da kam es halberstickt und stockend heraus, die wilde Abwehr des kleinen Mädels gegen den Mann, dem Meta Arendts Herz gehörte: „Du sollst ihn nicht liebhaben, du sollst nur mich liebhaben und den toten Papa, keinen sonst!" Meta Arendt war blaß geworden. Ganz leise strichen ihre Hände über das Haar des Kindes. Vier Jahre waren es, daß der Mann von ihr gegangen und sie einsam zurück gelassen hatte, sie und das Kind. Doppelt einsam, weil sie fühlte, daß der beste Freund von ihr gegangen war, aber ihre Liebe noch unerweckt in ihrer Seele schlummerte. Und viel leicht gerade darum hing sie sich mit ihrer ganzen Zärtlichkeit an das Kind. Alles wurde ihr die Kleine, für die sie arbeitete und sorgte. Und mit eifersüchtiger Liebe ließ das Kind sich den Kultus gefallen, den die Mutter mit ihm trieb. Bis der eine kam, dem ihre Seele zuflog, der sie zum Weibe begehrte. Und das Fest morgen, das sollte ihm ihr Jawort bringen, so hatte sie sich's ausgedacht. Aber nun wehrte das Kind sich. Ganz langsam löste sie die Arme der Kleinen von ihrem Halse und ging hinaus mit tiesgesenktem Kopf und müden Schritten. Gleich jetzt muß sie es ihm sagen, daß es kein Glück geben konnte für ihn und sie! „Lieselotte — wo ist denn Mama?" Das Kind war heftig erschrocken herumgefahren und starrte nun verstört auf den Mann, der mitten im Zimmer stand mit einem großen Strauß MM SON A roter Rosen in der Rechten. „Weiß nicht, wo Mutti hin ist," sagte sie unfreundlich. — „Ihr solltet doch in den Stadtpark kommen, Lieselotte —" — „Ich mag aber nicht mit dir gehen!" Die Kinderaugen glitten mit einem bösen Ausdruck über sein gütiges Gesicht. Das war es! Die Kleine stand zwischen ihm und der Frau. Ein Lachen huschte um seinen Mund; er setzte sich auf die Fensterbank, zog Lieselotte zwischen seine Knie und sagte: „Warum hast du mich denn nicht lieb, Lieselchen? Weißt du nicht mehr, wie der Onkel Doktor dir das Quälen im Halse Vertrieb? Und wie nett wir immer miteinander gespielt haben?" — „Ja — schon — aber —" — „Na, was denn, Lieselchen? So sprich doch!" „Du — du — Mutti gehört mir, nur mir!" brach es aus der Kleinen hervor. „Lieselotte, kleines Schaf, will ich dir denn deine Mutti nehmen?" — „Ja, — du — du guckst sie immer an, und überhaupt geh' doch wieder fort, wir brauchen dich nicht!" „Lieselchen, hast du denn deine Mutti gar nicht lieb?" — „Natürlich hab' ich sie lieb!" — „Und darum willst du schlecht zu ihr sein?" — „Schlecht?" Ganz bestürzt guckten die Kinder augen. — „Freilich, denn deine arme Mutti quält sich jetzt all die Jahre allein, arbeitet und sorgt, hat niemanden, der gut zu ihr ist, der achr auf sie gibt." — „Mutti hat mich!" — „Ja, aber Kleinnen, du bist doch selbst noch ein winziges Ding, aus das man acht haben muß! Wie willst du der Mutter helfen und beifiehen! Aber ich — siehst du — ich kann und will es so germ." -- „Du?" — „Freilich! Für deine Mutti denken und sorgen, sie liebhaben und behüten, so wie sie es immer mit dir rat! Und Mutti hatte sich schon so gefreut, daß ich ihr nun helfen kann, dich liebhaben." — „Mich lieb haben?" — „Und wie, Lotte, noch viel mehr als bisher wollen wir das beide, wenn du ein gutes Kind bist und deiner Mutti eine große Pfingstfreude machst." — „Was soll ich denn?" — „Du sollst ihr den Onkel Doktor schenken, damit sie wieder lachen, froh und fröhlich sein kann, du dummes Mädel!" Ganz fest zog er das widerstrebende kleine Ding an sich und, als müßte es so sein, legte Lieselotte zögernd beide Arme um seinen Nacken. Müde und verstimmt schlich Meta Arendt die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf. Daß sie mit dem Freunde nicht sprechen konnte, weil sie ihn versäumt hatte, bedrückte sie namenlos. „Mutti — wo bleibst du denn so lange?" damit öffnete Lieselotte die Wohnungstür und schmiegte sich an die Eintretendc. „Komm' doch nur schnell, ich habe eine Pfingst- Überraschung für dich!" drängte das kleine Ding und huschte der Mutter voran in das Zimmer. Und dann fühlte die Frau sich von zwei starken Armen umschlungen und ein paar heiße Lippen suchirn und fanden die ihrigen zu einem endlosen Kusse, bei dem den beiden Glücklichen Welt und Wirklichkeit versank. Bis sich zwei kleine, aber kräftige Kinderhände zwischen sie schoben und ein schmollendes Stimmchen vor wurfsvoll rief: „Aber Onkel Hans, ich habe dir Mutti doch nicht geliehen, damit du sie mir ganz zerdrückst." nabcnd PNngstSeilage zum „Mlstli'uNeb cagebialt § KLM