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Wilsdruffer Tageblatt : 10.06.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-06-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192706107
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19270610
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19270610
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-06
- Tag 1927-06-10
-
Monat
1927-06
-
Jahr
1927
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 10.06.1927
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Nel-volitSt in kußisntl. Rigo, 9. Juni. Wie aus Moskau gemeldet wird, ist über den Bezirk Minsk der Kriegszustand verhängt worden. Der Grenzschutz im Gouvernement ist verstärkt worden. Die Sowjet- regisrung Hot ungeordnet, daß die in Zentralrußland stationierten Truppenteile durch sibirische Truppen ersetzt werden. Die Kon trolle über die einlausenden ausländischen Schiffe in Kron- sicHt ist verschärft worden. Das Komitee der Leningrader kom munistischen Partei hat die Untersuchung des Leningrader Atten tats übernommen. Zum Gouverneur von Leningrad ist mit außer ordentlichen Vollmachten Messing ernannt worden. Nsue Revolution in Portugal. Havas meldet aus Badajoz, das Gerücht laufe um, daß eine revolutionäre Bewegung in Portugal aus gebrochen sei. Die Regierung habe den Truppen dec) Nordens Befehl erteilt, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen. Die Truppen seien in Entroncamento konzen triert. Die Bahnhöfe von Coimb; r und Pampilhosa seien militärisch besetzt. Die Ordnung sei jetzt wieder hergestellt. Man wird erst weitere Nachrichten abwarten müssen, bevor man sich über die Lage in Portugal, das in den letzten Jahren fortwährend von Revolutionen heim gesucht wird, ein klares Bild wird machen können. Der jetzige Diktator des Landes, General Carmona, ist seit dem 20. Mai vorigen Jahres am Ruder, regiert also für portugiesische Verhältnisse schon ziemlich lange. Die portugiesische Regierung ist erst jüngst mit einem um fassenden Neformprogramm hcrvorgetreten, das den An schein erwecken sollte, als ob die Periode der Gefährdung des neuen Regimes durch die Opposition der ihr feindlich gegenüberstehenden Teile des Ofsizierkorps, überwunden sei. Das scheint aber durchaus nicht der Fall zu sein. Re Abfindung des Kaufes Württemberg. Vertrag mit der württembergischen Regierung. Die württembergische Regierung hat zur endgültigen Abfindung des Hauses Württemberg mit dem General feldmarschall Herzog Albrecht von Württemberg einen Vertrag abgeschlossen, der dem herzoglichen Hause aus dem im Gewahrsam des Staates befindlichen Privateigentum des herzoglichen Hauses und aus solchem Privateigentum, das dem Staate übertragen wurde, eine Rente von jährlich 123 500 Mark festsetzt. Die Rente be zieht sich einmal auf die sogenannte Kunstkammer, deren Wert zur Hälfte mit 1X Millionen Mark anerkannt wurde, sodann auf die dem Krongut überwiesenen Gegenstände, deren Wert ebenfalls zur Hälfte mit Millionen Mark Anerkennung fand. Diese drei Millionen Mark sind die Grundlagen des Abkommens. Ein Teil der Kronjuwelen, Silber und andere Gegen stände im Werte von 530 000 Mark wurden an das herzogliche Haus zurückgegeben. Aus dem Rest von 2 470 000 Mark werden ihm 5 Prozent Rente mit 123 500 Mark gewährt. Gleichzeitig wurde die Rente der früheren Königin von 36 000 auf 70 000 Mark erhöht. An sprüche des herzoglichen Hauses in bezug auf die frühere Zivilliste wurden von der Regieruna nicht anerkannt. i » SÄIuWienlt * j Abschluß Ser Danziger Anleihe in London Eigener Femsprech-ienst L>es „Wilsdruffer Tageblattes". Danzig. Nach den gestrigen Erklärungen des Finanz- kvmmissors Dr. Volkmann ist der Danziger Anleihevertrag in London abgeschlossen worden. Die Anleihe läuft auf zwanzig Jahre und ist durch Unterbeteiligung von deutschen holländischen und schweizerischen Banken internationalisiert. Der Emissivnskurs ist 01X- Prozent. Nach Abzug von 6 Prozent sür Slcmpel- gebühren und Provisionsverlusten wird die Anleihe einen Netto erlös von 85 X Prozeirt bringen. Neunzehn Hehler in Berlin festgenommrn. Berlin. Die Berliner Polizei verhaftete neunzehn Per sonen wegen Hehlerei, bei denen Beute aus großen Einbrüchen in Geschäfte im Norden und Nordosten der Reichshauptstadi beschlagnahmt wurde. Überfall auf einen Kasscnboten, Frankfurt a. M. Bei einem Gang von der Reichsbank zu, Deutschen Bank wurde ein bei einer hiesigen Firma beschäftigter junger Mann von einem Unbekannten, der sich als Kriminal beamter ausgab, ain Roßmarkt angehalten und zum Polizei präsidium gebracht. Dort nahm der angebliche Kriminal beamte dem jungen Mann die Aktentasche, in der sich 2600 Marl Bargeld und zwei Schecks über 3886 Mark befanden, ab und ließ ihn im ersten Stock warten. Als der angebliche Kriminal beamte nicht wiedcrkam, schöpfte der junge Mann Verdacht. Er mußte aber erfahren, daß er einem Räuber, der ihn bei der Abhebung des Geldes beobachtet hatte, zum Opfer gefallen war. Autounglück in Nordschleswig. Hadrrsleben. In der Nähe von Christiansfeld fuhr ein Auto, in dem sich vier junge Leute aus Christiansfeld befandest, gegen einen Baum. Das Auto wurde vollkommen zertrümmert, alle vier Insassen sehr schwer verletzt: einer der Verletzten isi bereits gestorben. Schweres Brückenbauunglück. Duisburg. Infolge Bruches einer Querstange an einem beim Brückenbau auf der Düsseldorfer Landstraße benutzten Hängegerüst stürzten drei auf dem Gerüst befindliche Arbeitet aus etwa fünf Meter Höhe aus die Straße. Einer erlitt einen Oberschenkelbruch, die beiden anderen schwere Quetschungen. Die Nachforschungen nach Nungesser und Coli. Paris. Havas berichtet aus Ottawa, die Regierung dei Provinz Quebec habe die Nachforschungen nach dem Verbleib der beiden vermißten französischen Flieger Nungesser und Coli aufgegeben. Trotzdem zwei Wasserflugzeuge sorgfältig die Nordküste des Golfs von St. Lorenz und die Küste von Labrador abgesucht hätten, hätten sie keine Anzeichen feststellen können, die die Annahme erlaubten, daß die beiden französi schen Flieger diese Gegend erreicht hätten. Die Muttei Nungessers hat übrigens an die Mutter Colts einen Brief ge richtet, in dem sie erklärt, daß ihr Glaube, daß Rungeste- und Coli zurückkehren, noch immer so stark ist wie bisher, denn, so schreibt sie, mein Herz würde aufgehört haben, zu fchlagen, wenn das meines Sohnes sür immer aufgehört hätte, zu schlagen. ivv ONO - Dollar - Angebot an Chamberlin für den Rückflug Newyork. Der Zeitungsverleger Hearst hat Chamberlin für den Fall, daß er die Rückreise über den Atlantik mit dem Flugzeug vormhmen will, 106 000 Dollar angeboten. Es ist unwahrscheinlich, daß er das Angebot akzeptieren wird. Wilsdruff, am 10. Juni 1927. Merkblatt für den 11. Juni. Sonnenaufgang 3'" !i Mondaufgang 4°' N. Sonnenuntergang 8'° ü Mondunlergang 2°° V. 1864 Der Komponist Richard Strauß geboren. Taschen zu! Ihr alle habt sicher schon einmal vom Kümmelblätt chen gehört und vielleicht auch mitgemacht, wenn es im trauten Kreise gespielt wurde! Wer noch jung und naiv ist, hält es für ein reguläres Kartenspiel, sagen wir: Glücksspiel; wer aber durch Schaden klug geworden ist und einige Erfahrungen gesammelt hat, weiß, daß man gewöhnlich ganz gehörig dabei beschuppt wird, denn es ist im Grunde nichts weiter als ein schön frisierter Be trug. Eiu Herr Bankier bestimmt die Spielenden, auf eine von drei verdeckt aufzulegenden Karten zu setzen, unter der Voraussetzung, daß es eine gewisse schon vor her offen gezeigte Karte sei; hat der Spieler richtig ge setzt, so gewinnt er, andernfalls gewinnt der „Bankier". Ja, macht das mal! Ihr könnt dann eurem Einsatz ein paar Tränen nachweinen, denn der „Bankier" gewinnt immer, weil er beim Mischen, Abheben und Abziehen der Karten großartige Gelegenheit hat, zu gaunern. Das Kümmelblättchen ist ein organisierter Bauernfang zur Ausbeutung derer, welche nicht alle werden, und wenn du siebst, daß wirklich einmal einer dabei gewinnt, so EntjchMLköenes Lklrö. Von Elisabeth v. Aster. An meinem Iqgendlande hängt mein Herz mit starker, fest wurzelnder Liebe — die nun zu einer schmerzlichen Liebs ward. Deutsch waren Erziehung und Schuls, deutsch unsere Kirche, deutsch die Sprache, deutsch das Land, das der silberne fröh liche Strom durchzieht... deutsch war mein Iugendland, das nun mir entschwunden, weil es in Feindeshand siel. In Feindes hand —! was das heißt, weiß und fühle ich nun erst, da ich wieder durch die engen Straßen und Gäßchen der Festung wandele, da ich wie träumend die Stätten grüße, die mir einst lieb und vertäut, immer mir in der Seele lebten. Erinnerung steht mir zur Seite gleich einer Engcisgestalt, die mir ein Pa radies weisen will, in dem ich einst lebte — unbewußt. Rauh reißen welsche Laute mich zurück zur Wirklichkeit, stampfender Schritt französischer Bataillone, Musik, die schrill mir in den Ohren klingt, die nichts in meinem Herzen weckt als Schmerz... die es nicht höher schlagen läßt wie einst, da unsere Truppen Hellen Blickes und strammen Schrittes durch die Straßen marschierten. Der strenge, gefürchtete Kämpe ritt damals an der Spitze — der alte „Gottlieb" (Generalfeldmar- schall Graf v. Haeseler). — Französische Firmenschilder und Stra ßennamen fallen mir ins Auge, und auf einem hohen Gebäude weht die Trikolore. Unter ihr schreite ich dahin und balle die Hände, wenn meine Augen sehen, was deutscher Fleiß und deutsche Mittel rings geschaffen. Was deutscher Unternehmungs geist und deutsche Ordnung aus dieser Stadt gemacht. Deutscher Ordnungssinn! Wohl schuf er Einrichtungen, die gut und zweck mäßig waren, wohl hat er seine Hand über die Stadt gehalten, doch nur, bis harte Kriegszeit kam, bis der Franzose Einzug hier hielt. Da ist er gewichen... Groß und ernst ragt der dunkle Bau der Kathedrale. Wie als Kind trete ich aus Hellem Sonnenschein in den Dämmer des Kirchenschiffes. Wie damals leuchtet der Hochaltar, schim mern die Kerzen auf Seitenaltären, vor denen hie und da Andächtige knien. Und dann umfängt mich wieder Sonne und Wärme des großen Platzes. Immer vertrauter grüßen die Stra ßen, die ein wenig abfallen zum Fluß hinunter. Es ist kein Traum, da ich auf der alten Brücke stehe und den Weibern zusehe, die drunten die Wäsche schlagen und spülen wie vor langen Jahren. Es ist kein Traum, daß mein Blick das Eck haus umfängt, in dem ich einst daheim war, behütet, umsorgt — ein glückliches Kind. Wie deutlich sehe ich die Mutter droben am Fenster stehen, wenn der Vater in blitzender Uniform über die Brücke ritt und mit weißbehandschuhter LZand Grüße zu ihr hinauf winkte! Lange stehe ich vor dem Tor in stillem Wundern, wie eng doch die Straße ist, wie verrußt die Häuser, die in meiner Er innerung die schönsten der Welt waren Immer weiter zieht es mich: ich muß die Kirche, die Kelle mit dem icklankcn Turm sehen, in Ser ich einges?gnet wurde... Das Portal ist ver schlossen. so weiß ich nicht, ob fremde Religion in fremder Sprache nun in ihrem schönen lichten Raum gelehrt wird. Vor meinem innern Auge weicht die schwere Tür, und ich sehe wieder die vollbesetzten Bänke mit den vielen Soldaten aller Waffen gattungen, die Offiziere in ihren farbigen Röcken, die weiße Kanzel, den schlichten Altar. Und ich höre die vollen Stimmen die schöne alte Kirchenlieder singen, lausche dem prächtigen Soldatenchor... Vorbei ist es dahin... Fröstelnd gehe ich an den grünen Wällen entlang zur Toten brücke, die trotz des düsteren Namens frohe Erinnerungen weckt an Plantschen und Fische sangen und an die Glacis, in denen wir spielten. Auch an die Trambahn, die mit ihren zwei Pfer den für unsere Begriffe sehr schnell über die Brücke fuhr. Jetzt hasten Autos und die Elektrische darüber, und die Brücke wim- melt von französischem Arbeitervolk in flachen Mützen, das re dend und gestikulierend von außerhalb liegenden Arbeitsstätten in die Stadt heimkehrt. Noch will ich hinauf zur Esplanade, von der man über das schöne fruchtbare Tal hinsteht und auf die Höhen mit ihren Forts und Befestigungen. Wieder möchte Trauer meine Seele beschatten, doch ringt ein anderes Gefühl sich durch, das der Gewißheit, die mir in diesen Tagen wurde: deutsche Kultur und deutscher Sinn sind tief in dieses Land eingedrungen, zu tief, um ganz unterdrückt, ganz ausgerottet zu werden! Wie ein leuchtendes Band windet der Fluß sich tief unter mir dahin. Er zieht zur Stadt und dann weiter nach Nordosten in deutsches Land hinein. Mir ist, als müßte ich ihm folgen, so schnell es geht, dorthin, wohin es ihn zieht zum Rhein, zum deutschen Rhein, der deutsch ist und bleibt und den der Feind uns nicht rauben soll, so wie er das schöne, blühende Land meiner Jugend nahm...! Mensch, ärgere Dich nicht! Humoreske von W. B a l t i n e st e r - Wien. So war es nun einmal. Herr Christoph Muckel hatte zu zeiten seinen Koller. Es gibt Menschen, die öfters ihre schlechte Laune haben müssen, wie es Menschen gibt, die öfters Karten spielen, trinken oder verliebt sein müssen. Die Leidenschaft schlecht gelaunt zu sein, ist eine Leidenschaft wie jede andere. Manche Leute ärgern sich mit Genuß. Solcher Art war Herr Christoph Muckel. Als er einmal mit seiner Frau bei Bekannten zu Besuch war, entdeckte seine weniger zornige Ehehälfte über dem Schreib tische des Hausherrn die sinnige Mahnung: „Mensch, ärgere Dich nicht!" Und zwar auf einem weißen Leinwandstreifen mit qift- aruner Seide in Kreuzstick gestickt.. Lu Same stickte Trau Me- kannst du sicher sein, daß es ein abgekartetes Spiel ist, daß jener eine mit dem „Bankier" unter einer Decke steckt, und daß du, der du zunächst bloß ein bißchen zusiehst, ein gefangen und ausgebeutet werden sollst. In Berlin hat dieser Tage wiedereinmal die Polizei die harmlosen Leute vor den Knmmelblättchsnbankiers, die ihre Spieltische ost in aller Öffentlichkeit, an besonders belebten Stellen, auf schlagen, ernstlich gewarnt. Aber solche Warnung geht nicht bloß die Berliner und andere Großstädter an. Über all in Deutschland gibt es Bauernfänger, und Arbeiter befonders, die am Lohnzahlnngstagc mit ihrem sauer ver dienten Wochenlohn> nach Hause ziehen, sollten ihnen in weitem Bogen aus dem Wege gehen und die Taschen fest znhaiten, wenn sie freundlichst zum Spielen ein geladen werden. Der Mensch soll, wenn er so ein Spiel chen mitansieht, nicht gleich einen Schwächeanfall kriegen und begütigend zu sich selber sagen: „Einmal, nur ein mal mach' ich mit!" Einmal wird in diesem Falle be stimmt vielmal und dir Folge ist Not und Zerrüttung und moralischer Verfall. Alfo: Taschen fest zu! * Wasserwärme im Schwimmbad Wilsdruff: 17 Grad Celsius. Beginn der festkosen Ze-st. Der kommende Sonntag, der erste nach Pfingsten, führt den Namen Trinitatis- oder Drei- falWests-Sonntag. Er schlicht die Reihe der kirchlichen Feste - und eröffnet die fchlose Zeit des Kirchenjahres. An ihm saßt die Christenheit zusammen, was sich in der Heilsgeschichte vom Ad vent dis zu Pfingsten abgespielt hat. Das Trinitatisfest wurde zuerst im Men Jahrhundert in den Klöstern zur Ehrung der göttlichen Trinität (Dreieinigkeit) gefeiert und hatte also lediglich inneren Charakter. Die im Nähre 1260 zu Arles in Frankreich ab- gnhaltene Synode beschloß demgegenüber die kirchliche Festlegung der Feier, die aber erst siebzig Nähre spater allgemein eingeführt wurde. Die Regierungsbildung in Sachsen. Die ursprünglich für den Donnerstag angesetzten interfraktionellen Besprechungen über die Regierungsumbildung -haben nicht stattgsfunden. Die -Zeit seit der Psingstpause ist aber zu verschiedenen Beratungen zwi schen einzelnen Parteien und auch mit dem Ministerpräsidenten ausgenutzt worben. Am Sonnabend soll dann die interfraktionelle Beratung im Landtage stattfinden. Wenn die bisherigen Be sprechungen auch noch kein bestimmtes Ergebnis gebracht haben, so hat ihr Verlauf doch die Zuversicht gestärkt, daß bis zum kommenden Dienstag, an dem der Landtag wieder zusammentkitt, bas neue Kabinett gebildet sein wird. Die Deutschnattonalen zur Regierungsumbildung. Am Mitt woch nachmittag fand in -Dresden Ue Bertrelewersammlung der deutschnationalen Volkspartei-für den Wahlkreis Ostsachsen statt, an der auch -die Mitglieder der Landtagsfraktion und einige Reichstagsabgeordnete teilnahmen. Der stellvertretende Fraktions vorsitzende Abgeordneter Dr. 'Eberle berichtete über die mit den Regierungsparteien gepflogenen Verhandlungen. Nach längerer Aussprache wurde einstimmig folgende Entschließung angenom men: „Die Versammlung billigt einstimmig das Verhalten der Unterhändler der deufichnationalen Landtagsfiaktion und hält nach wie vor die Umbildung der sächsischen Regierung unter Beteili gung -der Deu-tschnattonalen entsprechend -der Bedeutung der Partei im Lande für ein Gebot der Gerechtigkeit und eine Not wendigkeit für eine gösunde -und stetige Führung der Staatsge schäfte." Auto und Eisenbahn — ein Zusammenstoß in letzter Minute verhnrdert. Noch steht das Unglück an dem Eisenbahnübergang zwischen Wilsdruff und Grumbach in schlimmer Erinnerung, bei dem ein Meißner Autofahrer sein -Leben einbüßte, -und schon kommt wieder 'die Kunde, daß gestern abend an derselben Stelle ein Zusammenstoß nur durch die Geistesgegenwart des Lökomo- tivpersonals und -des Krastwagenführers in letzter Minute ver hindert werden konnte. Der 8-Uhr-jAug hatte den Bahnhof Grumbach in Richtung Wilsdruff verlassen und war kurz vor dem Straßenübergange, -als das Lastauto der Firma Mögel-Tharandt ebenfalls die Schienen überqueren wollte. Rasch entschloßen riß der Kraftwagenführer das Steuer nach links, während -das iLoko- motivpersonal den Zug fast zum Stehet brachte. Nur ganz knapp wurde -der Zusammenstoß -vermieden. — Der Fall zeigt wieder, daß die Sicherungsmaßnahmen keineswegs mehr den Erforder nissen der Zeit genügen, vor allem aber nicht mehr dem gesteiger ten Autvmobilverkchr Rechnung tragen. Man muß sich wundern, daß die aus dem letzten schweren Unglück aufgetauchte Forderung nach Schaffung freier Sicht nach beiden Seiten hin von den käme Muckel in heimlichen Stünden denselben Spruch als philo sophische Mahnung, die über ihres Eheherrn Schreibtisch hängen sollte. Und außerdem war sie stolz darauf, daß sie den Einfall bekam, waschechtes Stickgarn zu verwenden. Herr Christoph Muckel wurde zum Geburtstage mit dem sinnigen Geschenk über rascht. Er fand, der Ausspruch sei klug und seine Frau gut. Das Band mit den grünen Kreuzstichen hing in Ehren über seinem Schreibtisch. Dreimal schon hatte sein Anblick bewirkt, daß Herr Christoph Muckel den Jähzorn unterdrückte und sich lächelnd mahnte: „Mensch, ärgere Dich nicht!" Ja, es war sine gute Weisheit. Man gewöhnt sich an alles. Auch das Schöne und Gute stumpft sich mit der Zeit ab. Man liegt vor einer wunderschönen Frau, wenn man sie einmal geheiratet hat, nicht dauernd auf den Knien,- man speist einige Male mit Entzücken von goldenen Tellern und ißt dann schließlich ganz selbstverständlich davon: man beherzigt nicht alle Sprüche, die man als weise anerkennt und über seinem Schreibtisch anbringt. Frau Melanie Muckel brauchte Wirtschaftsgeld. Das gab jeden Monat einen kleinen Auftritt. Diesmal auch. Frau Me lanie verlangte Aufbesserung; dies und jenes sei teurer gewor den, sagte sie. Herr Muckel gab zwar, aber er gab wütend. Das war der Auftakt zu einem bösen Nachmittag. Ein Ange stellter benahm sich unverantwortlich, und eine Warenlieferung war unbrauchbar. Zuletzt noch kam Frau Muckel wie eine Henne mit gesträubtem Gefieder und meldete, sie habe die Börse mit dem Wirtschaftsgeld auf der Straße verloren, glatt ver loren! „Weil ich über unsere Auseinandersetzung so aufgeregt war!" Da stieg in Herrn Christoph Muckel der große Koller auf, heiß tobte es in ihm. Er ärgerte sich mit Leidenschaft, er ärgerte sich mit Leib und Seele, mit Augen und Mund, mit Händen und Füßen. „Aber!" beruhigte ihn Frau Melanie. „Schau doch dorthin!" Sie wies aus die weise Mahnung. Das war nun ganz falsch, und sie hätte es nicht tun sollen. Herr Muckel ergrisf ein Tintenfaß und ließ es sausen. Klatsch! Die Weisheit in grü nem Kreuzstich hatte einen handgroßen Tintenfleck mit schön gefransten Rändern, die immer weiter liefen. Frau Melanie entsetzte sich. Verunstaltet hing die Weisheit an der Wand. „Mensch, (Klecks) Dich nicht!" Das „ärgere" war verschwunden. Zum Glück hatte Frau Melanie waschbare Seide genom men. Sie nahm die besudelte Mahnung gleich in Behandlung, ein leiser schwarzer Schimmer blieb aber auch nach sorgfältigem Waschen um das Wort „ärgere". Und so hängt es jetzt über Herrn Muckels Schreibtisch, das weiße Leinenband mit dem ) weisen Ausspruch als Beweis für menschliche Hemmungslosig keit und als Beweis dafür, daß sich alles abstumpft, auch der Anblick einer klugen und sanften Mahnung, die Frauenliebe in giftgrünem Kreuzstich als Besänstigungsmittel sür alle Ewig keit verfertigt zu haben glaubte.
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