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für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Nr. 107. — 86. Jahrgang Montag, den 9 Mai 1927 Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, erscheint an allen Werktagen nachmittag» 5 Uhr. Bezugrprei«: Bei Abholung I« «^mesqaft,stelle unb den Aurgabestellen r RW. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 RM., bei Postbcstellung ttiw^' Abtrag» . -- , , gebühr. Einzelnummern ^ «.All-Pllstanstalt-n Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend PoftbotenundunsereAus. rraserund Geschäftsstellen nehmen zu jeder Zeit Be. frellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung oer Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. 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Der „Mensch" wirtschaftlicher Mittelpunkt. Der bisherige Verlauf der Weltwirtschaftskonferenz in Genf ist kein sehr erfreulicher gewesen und es ist darum sehr zu begrüßen, daß die Christlichen Ge- Werkschaften den Versuch machen, durch Einreichung eines großen Programms die Beratungen vorwärtszu schieben. Dieses Programm kleidet sich in die Form einer Erklärung, die von den christlichen Gewerkschaftsführern Hollands, Belgiens, D e u t s ch l a n d s, der Schweiz usw. unterzeichnet ist. Diese Erklärung sagt u. a.: Befriedung der Weltwirtschaft und Befriedigung der wirtschaftlichen Bedürfnisse der Menschheit setzen voraus, daß man nicht die Produktion als solche als den letzten Zweck der Wirt schaft anerkennt, sondern den Menschen wieder in den Mittelpunkt der Gütererzeugung stellt. Erst dann kann es wieder zu einer wirklichen wirtschaftlichen Gemeinsam keit kommen, zu einem gemeinsamen Wollen bei der Er zeugung und Verteilung der Wellwirtschaftsgüter. Ist der Mensch und die Befriedigung seiner Bedürfnisse zum Zielpunkt der Produktion Armacht, dann werden in Handel "nd Verkehr leichter die Schranken fallen, die in mit unter falsch ausgefaßter Fürsorge für eine eigenstaatliche Erzeugung errichtet worden sind. In entschiedenen Aus drücken wendet sich darum die Erklärung gegen die sich übersteigernde Hochschutzzollpolitik. Darüber hinaus soll eine Gleichbehandlung von Ausländern und Staatsangehörigen durchgeführt werden, außerdem sollen endlich die einschränkenden Maßnahmen für den inter nationalen P e r s o n e n v e r k e h r fallen. Die Erklärung begrüßt grundsätzlich die internatio nalen Verbindungen der Unternehmungen im Kartell syndikatsring und in anderen Formen, ist aber der An sicht, daß bei diesen Vereinbarungen zwischen den In dustriellen der einzelnen Länder auch wieder allzusehr die Produktion als solche zum Endzweck gemacht worden ist, daß man dabei viel zu wenig an den Arbeiter denkt. Die Arbeit aber stellt die gleichberechtigte Kraft der Erzen- aung dar. Daher muß, um die Arbeit als Förde rungsmacht wieder in die ihr zukommende Stellung zu versetzen, bei der Schaffung zwischenstaatlicher und industrieller Vereinbarungen ein engstes Zusammen wirken nicht etwa nur der Arbeitgeber, sondern auch der Regierungen und bc: Arbeitnehmer erfolgen. Die Er klärung der Christlich.':: Gewerkschaften rührt in diesem Zusammenhang auch an die Rückwirkungen, die der Rationalisierungsprozeß der Wirtschaft m allen Landern auf die Arbeit «usübt. Sie bestimmt die Grenze der Rationalisierung an der Linie, von der ab der Mensch, der Arbeiter, allein die Kosten der Rationalisierung durch Verlust der Arbeit zu tragen hat. Immer wieder wird betont: Der Mensch ist die Hauptsache im wirtschaftlichen Prozeß, nicht etwa die Erzeugung sein Selbstzweck. Auch agrarpolitisch enthält die Erklärung eine Reihe Von Vorschlägen, in denen nicht bloß die landwirt schaftliche Erzeugung allein in die Mitte gestellt wird, sondern in denen besonderer Wert darauf gelegt wird, daß Erzeugung und Verbrauch unter Ausschaltung überflüssiger Zwischeninstanzen möglichst eng zusammen gebracht werden sollen. Darüber hinaus betont die Er klärung ganz allgemein, wie wichtig es für einen ge funden Wirtschaftsprozeß überhaupt ist, daß eine ein sichtige Zusammenarbeit der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber erfolgt. Nur auf dieser Grundlage könne mau eine gesunde Entwicklung des gesamten Wirtschafts, lebens erwarten. Diese Grundlage könne nur geschaffen werden, wenn die Rechte der Arbeiter und Angestellten von der anderen Seite anerkannt und zur Auswirkung ge bracht werden. So heißt es weiter: „Die Arbeitsbedin gungen sollen die Sittlichkeit, Menschenwürde, Kraft und Gesundheit des Arbeiters genügend schützen und die Frei entwicklung und Entfaltung seiner Persönlichkeit sowie die Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber Gott, der Fa milie und der Gesellschaft ermöglichen." Diese Erklärung will nichts wissen von einem Kampf zwischen Kapital und Arbeit, von einem unüberbrück baren Gegensatz zwischen Aroeitgebern und Arheitnehmern als den beiden Trägern des Wirtschaftslebens. Vielmehr sollen die Meinungsverschiedenheiten, die bestehen, und die entstehen können, in einem Geiste beseitigt werden, der unterbaut ist von der Überzeugung, daß an Gedeih und Verderb des Wirtschaftslebens beide Seiten in gleicher Weise interessiert sind und deswegen danach trachten müssen, nicht im Kampf, sondern im Verständigungswillen jedem das Seine zu geben. —o— Wei« NsMg. Eigener Fernsprechdienst Hes „Wilsdruffer Tageblattes". Nankings. Mai. In Nanking und im ganzen unteren Teil des Aangtsi ist die Ruhe wieder gefestigt. Auch das Schießen am unteren Bangtsi hat aufgehört. In der Stadt Nanking ist die Ordnung wieder hergestellt. Der Schaden durch die Be- schießung ist groß. DieS1ahlhelm1agung inBerlin Achte Tagung der Reichsfrontsoldaten. ki. Berlin, 7. Mai. Berlin im Zeichen des Stahlhelmtages! Es sind alle Vorkehrungen zu einem ruhigen Verlauf der Ver anstaltung getroffen, namentlich die Bahnhöfe sind durch Schutzpolizei stark gesichert, um Zwischenfällen vorzu beugen. In den, Straßen sieht man je nach der Stadt gegend vereinzelt oder auch häufiger schwarz-weiß-rote Fahnen, hier und da auch rote Fahnen. In Extrazügen aus allen Teilen des Landes kommen die Stahlhelmer an. Soweit sich bis jetzt übersehen läßt, scheint sich das Programm wie vorgesehen abzuwickeln, nur ein paar unbedeutende Kürzungen sollen vorgenommen werden. Oie Kundgebung in der Philharmonie. Zunächst schloß sich an die Schulungstagung die öffent liche Kundgebung des Stahlhelms in der Philharmonie an. Unter den zahlreichen Anwesenden sah man viele höhere Offiziere des alten Heeres und der Marine in Uniform und Zivil, u. a. den Generalleutnant von Cramon, Exzellenz von Lüttwitz, Kapitän Ehrhardt, Frei herrn von Walter, weiter eine ganze Reihe von Par lamentariern, darunter den Grafen Westarp und den Präsidenten des Reichslandbundes, Grasen Kalck- reuth. Nachdem die Fahnen unter den Klängen des Pariser Einzngsmarsches auf der mit schwarz-weiß- roten Fahnen geschmückten Bühne ausgestellt worden waren, begrüßte Major von Stephani, der Führer des Landesverbandes Groß-Berlin, die Gäste. Er dankte der Leitung dafür, daß sie den Stahlhelmtag diesmal nach der Reichshauptstadt zusammengerufen habe. Schon lange habe man darauf gewartet, daß in Berlin wieder einmal deutscher Geist sich öffentlich auf der Straße zeigen könne. Lebhaft begrüßt ergriff darauf der Bundesführer Seldte, der wenige Stunden vorher den ersten Teil der Schu lungstagung mit einer Ansprache geschlossen hatte, das Wort zu seinem Vortrag über: „Der neue Weg des Stahlhelms". Seldte wies einleitend daraus hin, daß die Nachricht von der Abhaltung des achten Reichssoldateniagcs in Berlin überall freudig begrüßt worden sei. Am Neichssrontsoldaiemag ge denke der Stahlhelm des alten, ruhmreichen deutschen Heeres, lege sich aber auch Rechenschaft ab über die Jetztzeit und fe-n Tun und Lassen für neue Pläne und iür seinen Weg m die Zukunft. In seiner Botschaft werde der Stahlhelm seine An sprüche und sich selbst anmelden. Der Redner gab dann einen Rückblick aus die Gründung des Stahlhelms im November 1918. Erster Bundesführer des Stahlhelms Seldte- Magdeburg. Für den Stahlhelm gelte es jetzt, eine Form zu finden, um den alten Frontsoldaten und dem Teil des Volkes, der nah natio nalem Wollen und nationaler Betätigung dränge, ein Gebiet hierfür zu erschließen. Aus dieser Gedankeneinstellung heraus sei der Stahlhelm den bewußten Weg der nationalen Opposition gegangen und ebenso den Weg der nationalen Freiheits bewegung. Er streite sich heute nicht um die Slaatssorm, aber er wolle einen Staat, den er frei, stark, mächtig und geachtet als sein Vaterland begrüße. Er ringe mit um die Form der neuen Gestaltung des deutschen Vaterlandes. Der Redner er innerte im weiteren Verlaus seiner Rede an das Wort Hindenburgs aus dem Kriege, daß die stärksten Nerven siegen werden. Nur durch den Stahlhelm als Gegenspieler kann es dem jetzt negativen Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold möglich werden, zum positiven Werre- zu werden, falls es sich znm nationalen Bekenntnis, zur vaterländischen Mitarbeit durch zuringen vermag. Der Stahlhelm allein hat die Kraft, das deutsche Volk und die Straße von der Pest der Roijront - beweg ung zu befreien. Wir kommen nichi nach Berlin als Antirepublikaner, nicht als Antimonarchisten. Wir kommen mit einem positiven Programm. Wir warten auf den großen Führer. Wir haben aus uns selbst Führer gewählt in harter Zuchtwahl und wir warten nunmehr auf den großen Führer oder Staats mann, der diese willige Schar und dieses willige Heer des Stahlhelms zu führen bereit ist. Wir stellen uns gern dem jenigen zur Verfügung, den der Herrgott begnadet Hal, Führer von Deutschland zu sein. Der Stahlhelm steht, der Stahlhelm ist in Form, der Stahlhelm arbeitet, aber er schm sich auch nach dem großen deutschen Führer, und ich schließe meine Worte auch in Berlin damit, daß ich sage: Gebt uns diesen Führer, aber hört auch, daß, wenn Deutschland nicht in der Lage ist. uns für unsere Heranwachsende Schicksalsausgabe den Führer zu stellen, wir selbst in eigenen Reihen uns nach dem Führer um schauen und ihn auch finden werden, den finden werden, der bereit ist, den Stahlhelm und Deutschland der inneren und äußeren Befreiung emgegenzuführen und Deutschland wieder frei, groß und mächtig zu machen. — Front Heil! Starker Beifall folgte den Worten Seldtes. Das Deutschlandlied bildete den Beschluß der imposanten Kundgebung. * Der Zapfenstreich. Berlin, 8. Mai. Der Stahlhelm veranstaltete Sonnabend abend im Stadion einen Zapfenstreich mit Schlachtenfeuerwerk. Bereits am spä ten Nachmittag setzte eine wahre Völkerwanderung nach dem Stadion ein, das bald aus sämtlichen Plätzen überfüllt war. Große Menschenmengen wohnten dem Anmarsch der Stahlhelm- züge bei. Die Polizei hatte sowohl die Züge selbst, wie auch die Umgebung und die Anmarschstraßen mit äußerst starken Kräften gesichert. Gegen acht Uhr abends begann die Veran staltung mit dem Einmarsch der Spielmannszüge und Musik kapellen des Stahlhelms. Nach musikalischen Darbietungen er folgte unter langanhaliendem Beifall der Menge der Ein marsch der Fahnen. Es mögen Wohl über 500 gewesen sein, darunter zahlreiche Marineflaggen. Nachdem die Fahnen abteilungen vor den Plätzen der Ehrengäste Aufstellung genom men halten, wurden diese vom Bundesführer mit kurzen Worten begrüßt. Ein prächtiges Bild bot sich, als nach Ein bruch der Dunkelheit die Fackeln angezündet wurden. Die Fahnen senkten sich zum Gruß der Ehrengäste. Unter Beleuch tung von zwei Riesenscheinwersern folgte das Dithmarfche Fahnenschwenken, ausgeführt nach alter noch in den holsteini schen Elbmarschen üblicher Sitte. .Nach weiteren musikalischen Darbietungen verließen die Fahnenabieilungen das Stadion, immer Wieder von anhaltenden „Frout-Heil"-Rufen begrüßt. Daraus begannn das Riescnfeuerwerk, das mit dem vielfarbigen rotaufleuchtenden Transparent „Willkommen! Stahlhelmkamcraden'am 8. Mai" begann und nach weiteren prächtigen Darbietungen mit dem Aufleuchten des Stahlhelm- zeichens und zweier riesiger Eiserner Kreuze schloß. Das Publi kum sang das Niederländische Dankgebet mit. Die Feier schloß mit der Absingung des Deutschlandliedes. Oie Ehrengäste. Bei dem großen Zapfenstreich des Stahlhelms im Stadion sah man aus der Ehrentribüne neben der Bundcsleitung des Stahlhelms die Generale von Huticr und von Walter» von Cramon, von der Goltz, die Prinzen Eitel- Friedrich und Oskar vonPreußen, den Herzog von Koburg, Admiral von Schröder, Kapitän Ehr hardt, Forstrat Escherich, Abordnungen der deutschen Ossiziersbünde sowie der früheren österreichischen und bulgari schen Armee nnd zahlreiche Reichs- und Landtagsabgeordnele, Die Kundgebung Lm Lustgarten. Planmäßig vollzog sich am Sonntag der Aufmarsch der Zchntausende. Aus allen Himmelsrichtungen strömten die Züge zum Lustgarten, der bald dichtgedrängt gefüllt war. Die Stimmung der aus dem ganzen Reich herbeigeeilten Stahl helmer war ausgezeichnet und brausender Jubel ertönte, als der Bundesführer Franz Seldte das Wort ergriff zu folgender Gtahihelmbotschast: Der Stahlhelm, der Bund der schlachtcrprobten, unbesiegt hcimgekehrien deutschen Frontsoldaten und der von ihnen zum Geiste der Wehrhaftigkeit erzogenen deutschen Jungmanuen, gibt am 8. Rcichsfronlsoldatentag in der Rcichshauplstadt die politischen Ziele bekannt, für die zu kämpfen er sich und alle feine Kameraden aufs neue verpflichtet. Der Stahlhelm sagt den Kampf an jeder Weichlichkeit und Feigheit, die das Ehrbewußtsein des deutschen Volkes durch Verzicht aus Wehrrecht und Wehrwillen schwächen und zer stören will. Der Stahlhelm erklärt, daß er den durch das Versailler Friedensdiktat und dessen spatere Ergänzungen geschaffenen Zustand nicht anerkennt. Er fordert deshalb die Anerkennung des Nationalstaates auch für alle Deut schen, die Wiederherstellung des deutschen Wehrrechls, wirksa men Widerruf des erpreßten Kriegsschuldbckenntnisses, die Regelung und Wiedergutmachung der Weltlriegsschäden auf Grund der solidarischen Haftung aller für den Weltkrieg ver antwortlichen Völker. Diese Ziele dürfen bei der Durchsetzung des vcrtragsmäßi- g enRechis aus die vorzeitige Räumung der besetzten Gebiete und bei der Berichtigung der Ostgrenzen nicht preisgegcben werden. Der Stahlhelm fordert die W i e d e r a n e r k e n n u n g der Farben sckwarr-weik-rnt. Nui-r w-l-, Ki>^-