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Lollar versichert war, Kar einen Schaden von 10 Mil lionen Zloty erlitten. Mit dem Brande sind auch 350 Arbeiter brotlos geworden. Schwere Stürme auf dem Schwarzen Meer. Nach Meldungen ans Moskau wüten im Schwarzen Meer schwere Stürme, so daß die russischen Hafenbehörden das Auslaufen der Schiffe verboten haben. Zwei russische Dampfer, die vom Sturm mitten auf dem Meere über rascht wurden, werden vermißt. Bunte Tageschponi?. Castrop. Aus der Zeche »Viktor Nl/tV ereigneten sich zwel tödl-che Unfälle. Der Arbeiter Joseph Sticht geriet in die Seilbahn. Ihm wurde der Kops glatt abgerissen. Ein anderer Bergmann geriet in der Grube unter hcrabstürzendes Gestein und war sofort toi. Paris. In der Nähe von Toulouse geriet in einem Zigeunerwagcn Benzin in Brand. Der Wagen stand sofort in Hellen Flammen und fünf Zigeuner kamen im Feuer um. Warschau. In Groß-Tarpnia bei Graudcnz hat der Sohn des Dorfschulzen Lewandowski seine aus sechs Köpfen bestehende Familie mit der Axt ermordet. Die Motive der Lat waren Habsucht und Familicnstreitigkeiten. Riga. Wie aus Moskau gemeldet wird, ereignete sich auf der Murmanbahn ein Zugzusammenjtoß, bei dem zwei Per sonen getötet und acht verletzt wurden. Budapest. Hier erbeuteten Geldschrankknacker bei einem Kasimeinbruch in der Ungarisch-Slowakischen Bank Wert papiere von einer Milliarde Kronen Werl. Kapstadt. Zwischen Krügersdorp und Ventersdorp in Südafrika sind neue D i a in a n t s e l d e r in einer Ausdeh nung von 40 englischen Meilen (rund 65 Kilometer) entdeckt worden. Glück und Ende eines Abenteurers. Karl May, dessen wunderbare Abenteuer wir als Zungen verschlungen haben und den man nachher der elenden Aufschneiderei anklagte, ist doch nur ein arm seliger Stümper der Phantasie gewesen gegen die Lebens wirklichkeit, wie sie sich im Dasein des kürzlich vom fran zösischen Kriegsgericht in Marokko zum Tode verurteilten ehemaligen Frsmdenlegionärs und gebürtigen Deutschen Hermann Klems abgespielt hat. Klems erblickte als Sohn wohlhabender Eltern 1887 das Licht der Welt am schönen Rhein in Düsseldorf, wo sein Vater das einbringende Ge werbe eines Wsinhändlers betrieb. Wie so mancher andere früh zu Abenteuern neigende Bursche, wurde auch ihm schon in verhältnismäßig frühen Jahren Frau Venus zum Verhängnis. In Paris ging ihm dieser Stern unter und Klems begab sich zürnend mit seinem „Schicksal" nach dem Orient. Von Konstantinopel schloß er sich einer Kara wane an, die ihn nach Afghanistan und Persien führte, wo er sich als Teppichhändler mit Erfolg betätigte. Sein „Vermögen" brachte er jedoch gar bald in Monte Carlo im Roulette und Baccarat „kavaliermäßig" unter und fristete nun in den nächsten Jahren sein Dasein wieder im Seine- babel Paris, wo er nacheinander als Stiefelputzer, Kasfee kellner, Chauffeur und Plakatträger sich durchhungerte. Mehrere phantastische Abenteuer brachten ihm auf ebenso phantastische Weise wieder etwas Geld. Klems zog als Hausierer nach Spanien, gewann im Casino in San Sebastian wieder ein erkleckliches Sümmchen, mit dem er sich in Madrid als Buchmacher und später in Sevilla als Stierzüchter und Barhalter einer Bodega selbständig machte. 1910 bereiste er als „geheimer politischer Agent" Marokko, trat dann auf französische Seite. In der Fremdenlegion brachte er es sogar bis zum Sergeanten, bis der schnöde Mammon ihn als Intendanturbeamten wieder zu Fall brachte. Unter mehr als abenteuerlichen Um ständen gelang es ihm, den furchtbarsten Strafen zu ent gehen. Bald darauf finden wir ihn bei einem Stamme in der Gegend von Taza, bei dem nur das Mitleid eines alten angesehenen Scheichs ihm das nackte Leben zu retten wußte. Mit einem ausgezeichneten Anpassungsverständnis begabt, gelang es ihm sozusagen vom gemeinen Sklaven nach Er lernung der Eingeborenensprache und Uebertritt zum Islam sich dank seiner militärischen Kenntnisse bis zum Oberkommandierenden eines weltberühmten Stammes emporzuringen und schon als solcher den Franzosen bei Borpoßen ujw. arg zu nyassen zu macyem «ein wayrer Srern aber sollte erst aufgehen, als der Kabilenführer Abd el Krim seinen nationalen Krieg gegen die fremden Unter drücker in Marokko durchführke. Klems, der inzwischen die Tochter eines angesehenen Scheichs geheiratet hatte, ver ließ ohne Zaudern seine Familie und schloß sich den sieg reichen Fahnen des genialen Kabilenfürsten an. Von diesem wurde er reich mit Gütern aller Art beschenkt, ihm dazu drei Frauen und viel Gesinde zuerteilt. Als Photo graph, Topograph und Dolmetscher leistete der gewandte, sozusagen mit „allen Wassern gewaschene" Deutsche dem marokkanischen Nationalhecos wichtige Dienste und wurde endlich zum Kommandeur der gesamten Artillerie Abd el Krims ernannt, dis er mit den zur Verfügung stehenden Mitteln neu organisierte und zu einer den Franzosen ms Spaniern sehr unbequemen Waffe in Händen der n as- ständischen" machte. Zweimal recht erheblich verwundet führte er die beiden Offensiven gegen Fez und Taza 1923 selbständig durch. °Mach dem Zusammenbruch des tapferen Kabilenhäuptlings versuchte Klems wiederum durch ein qeschicktes Manöver seine eigene Haut in Sicherheit zu bringen und ging zu einem befreundeten Scheich, der aber anscheinend schon dem guten Frankengold der Franzosen erlegen war. Er wurde hier verhaftet und wegen Fahnen flucht, Landesverrats und Aufstandes mit Waffengewalt vor das Kriegsgericht gestellt. Sein Kopf ist nun ver wirkt. Es dürfte kaum eine Aussicht selbst für den Viel- gewandten und oft seinem Schicksal im letzten Augenblick Entronnenen bestehen, auch diesmal noch aus der Schlinge zu kommen. Mit Klems geht zweifellos einer der inter essantesten Abentsurergestalten der neueren Zeitgeschichte hinüber. Es wäre wert, sein Leben einmal von starker Dichterhand gepackt geschildert zu verfolgen. Die mensch liche Phantasie kann sich kaum ein seltsameres und an eigenartigen Begebenheiten reicheres Leben aus sich selbst heraus gestalten, wie der Düsseldorfer Weinhändlerssohn Hermann Klems in seinen kaum vierzig Jahren seiner Wanderungen auf diesem Erdball in ganz realer Wirklich keit durchlaufen hat. Beginn des (1. Tag.- Z Berlin, 24. Februar. In Berlin begann vor dem Schwurgericht M unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Bombe die Verhandlung zegen den Landgerichlsdirektor Bernhard Jürgens und seine Lhefrau Marie Jürgens, denen eine ganze Reihe schwerer Verbrechen zur Last gelegt wird. Rach der Anklage soll Jürgens sich des Krcdilbctruges, der gewohnheitsmäßigen Hehlerei und des Versicherungsbetruges in zwei Fällen schul dig gemacht haben. Er ist außerdem wegen wissentlich falscher Anschuldigung und wegen eines Betrugsversuches gegen den Justizfiskus angeklagt, der darin erblickt wird, daß Jürgens rnter falschen Angaben Schadensersatzansprüche im Prozeß- Dege gegen den Fiskus gellend macht. Frau Jürgens wird lkreditbetrug in 36 Fällen, Meineid und Versicherungsbetrug )ur Last gelegt. Die Angeklagten beteuern ihre Unschuld. Die beiden Ehegatten, die aus der Haft vorgeführt wur den, mußten in der Anklagebank weit voneinander getrennt Platz nehmen. An der Verhandlung nehmen auch Vertreter des Justizministeriums teil. Nach Eröfsnung stellte der Vor sitzende fest, daß Jürgens in diesem Jahr 51 Jahre und Frau Jürgens 43 Jahre alt wird. Außerdem erklärt der Vor sitzende, daß in einer Reihe von kleineren Fällen die Straf kammer ein Hauptversahren abgelehnt habe. Nach Verlesung des Erösfnungsbcschlusses dürfen die Angeklagten im Ver- handlungssaäl vor ihren Verteidigern Platz nehmen. Als nun Jürgens das Wort erhält, betonte er, daß er sich nicht als Angeklagter, sondern als ein Mann sühle, dem schwerstes Unrecht zugefügt worden und dem daran gelegen sei, dieses so schnell als möglich aufzuklären. Eine unwahre persönliche Hetze, vielleicht aus durchsichtigen politischen Beweggründen, vielleicht in der Absicht, der Justiz etwas am Zeuge zu flicken, habe eine Ara geschaffen und ein Bild entworfen, das mit den Tatsachen in krassem Widerspruch stehe. Mit Politik und mit seinem Dienst habe dieser Prozeß nicht das geringste zu tun. Es lägen schwere Justizirrtümer vor, die im Interesse der Rechtsidee wieder gutgemacht werden müßten. Als An geklagter, so sagte Jürgens weiter, werde er sich streng sach lich äußern. Auch seine Frau halte er für strafrechtlich nicht Daraus erklärt die Angeklagte Frau Jürgens kurz, daß sie nicht schuldig sei und keinen Falscheid geleistet habe. Auch habe sie keinen Betrug begangen und keinen Einbruch fingiert. Der Erhschaftsstreit der Fran Jürgens. Der Vorsitzende ging daraushin nach der Anklage das Vorleben der Frau Jurgens durch, wenigstens soweit cs sich auf die Zeit vor ihrer Heirat mit Landgerichlsdirektor Jürgens erstreckt. Wie Landgericktsdirektor Bombe darlegte, war Fran Jürgens in erster Ehe mit dem Fabrikanten Kugler in Kassel verheiratet, der ein wohlhabender Mann war, Anteile an gut gehenden Unternehmungen besaß, eine große Villa sein eigen nannte usw. Im Mai 1913 starb Kugler und es kam nun zu einer ErbsÄastsauseinan Versetzung zwischen Frau Jürgens und der Mutter ihres verstorbenen Mannes. Kurz danach trat Fran Jürgens mit der Evaporator-Gesell schaft in Berlin in Verbindung, der sie die Patente der Ofen fabrik Kugler u. Gelbke, die dem verstorbenen Mann gehörte, znm Preise von 300 000 Mark überließ. Von dieser Summe behielt Frau Jürgens die Hälfte Die Anklage macht nun der Beschuldigten zum Vorwurs, daß sie ihrer Schwieger mutter diese Verkaufsverhandlungen verschwiegen und über den Eingang der Gelder im unklaren gelassen habe. Frau Jürgens erklärte zunächst, daß ihre Schwiegermutter bei Lebzeiten ihres Mannes recht nett zu ihr gewesen sei. daß sich das aber nach dem Tode Kuglers geändert habe. Sofort nach der Beerdigung habe die Schwiegermutter erklärt: „Alles, was hier ist, das Haus usw. gehört mir, denn Karl schuldete mir 150 000 Mark. Du kanust ja in Stellung gelten, das machen jetzt viele Frauen," und auf den Vorhalt der Schwiegertochter, daß das doch sicher nicht im Sinne des Verstorbenen gelegen habe, hätte die Mutter erwidert: „Was er gewollt bat, ist mir egal, ich verlange mein Recht und mein Geld." Ich habe im Gegenteil meine Schwiegermutter gebeten, mit mir zu den Verhandlungen nach Berlin zu fahren. Bis zur Mittagspause wurde die eingehende Vernehmung der Angeklagten in dieser Angelegenheit fortgesetzt. Landgerichlsdirektor Jürgens sagt aus. Nach einer halbstündigen Pause wurde Landgerichlsdirektor Jürgens vernommen. Der Angeklagte ist in dem zweiten Erb schaftsprozeß, den die alte Frau Kugler gegen die Schwieger tochter angestrengt hatte, als Zeuge vernommen worden. Da mals sagte er aus, daß er bet der Heirat über das Vermögen seiner Frau nicht orientiert gewesen sei. Er habe nur gemerkt, daß sie ungewöhnlich viel Schninck besaß, der Wohl einen Wert von 25 000 Mark gehabt haben muß. Von dem Rechtsanwalt des verstorbenen Kugler habe er aber erfahren, daß dis Ver mögenslage des ersten Mannes seiner Frau eine sehr schlecht« aewesen sei, daß Kugler zum Schluß Schulden hinterlassen babe. Der Angeklagte sagt dann wörtlich: „Ich stehe zu meinem Eide und werde alles aufklärcn." Jürgens gibt noch eine Anzahl wetterer Einzelauskünfte über das Vermögen und die Geschäfte seiner Frau, die mit unter in das Gespräch eingreift. — Gegen 2 Uhr mittags er klärte die Angeklagte Frau Jürgens, der Verhandlung nicht weiter folgen zu können. Infolgedessen wurde die Sitzung ab gebrochen und aus Freitag vertagt. Die friedliche Eroberung der Luft. Trotz der langjährigen Einschränkungen durch die ver gewaltigenden sögen. Begriffsbestimmungen des Ver sailler Vertrages hat Deutschland mit der ihm eigenen Zähigkeit und Arbeitskraft seinen Luftverkehr derart aus gebaut, dass dieier sich mit Recht mit dem der üblichen Grossmächte vergleichen lässt und die Beziehungen zum Weltluftverkehr in durchaus moderner Form aufrecht er halten hat. Die „Deutsche Lufthansa", die einen Namen aus Deutschlands grosser Zeit übernommen und zu ver treten hat, konnte bereits im ersten Jahre ihres Betriebes, das ihrem Aufbau und ihrer Entwicklung gewidmet war. auf recht ansehnliche Erfolge zurückblicken. Deutschlands Stellung in der Handelsluftfohrt, die bisher durch die Stammgesellfchaften „Deutscher Aero-Lloyd" und „Junkers Luftverkehrs A -G" nsrtrstsn wurde, wurde am 6 Januar .rsrniAt unä türkt Üerrenu. Kei X. Torn, ^Vilsckrukt, Dresdner 81r Nach dem Roman „Die Elenden" von Victor Hugo. 14s (Nachdruck verboten.) „O nichts," antwortete diese. „Mein Kind stirbt nun nicht an der schrecklichen Krankheit. Ich bin zufrieden." Sie zeigte der Nachbarin die zwei Napoleons, die auf dem Tische lagen. „Ich habe sie bekommen," sagte sie und lächelte. Es war ein blutiges Lächeln. Ihre Lippen waren rot gefärbt und im Munde hatte sie eine schwarze Lücke. Die Vorderzähne waren ihr ausgerissen. Sie schickte die vierzig Frank nach Montsermeil. Es war eine List Thenardiers gewesen, um Geld zu erhalten. Cosette war nicht krank. Den Spiegel warf Fantine aus dem Fenster. Lange schon hatte sie ihr Stübchen mit einem anderen unter dem Dache vertauscht, einem von denen, in welchen man nach der einen Seite nicht weit hingehen kann, ohne sich den Kopf zu stoßen. Die Scham hatte sie verloren; sie verlor auch die Lust, zu gefallen. Eines Tages entwickelte sich zwischen ihr und einem Manne ein Streit, der in eine Schlägerei ausartete. Eine Menge Schaulustiger bildete sich nm die Streitenden. Mit einemmal trat ein hochgewachsener Mann aus der Menge, packte das Frauenzimmer und sagte barsch: „Folge mir!" Fantine sah auf. Ihre Augen waren gläsern, sie wurde totenbleich und zitterte angstvoll an allen Gliedern. Sie hatte den Inspektor Javert erkannt. Im Polizeibureau, einem niedrigen Zimmer mit einem Ösen, einer Schildwache und einer vergitterten Glastür nach der Straße zu, machte Javert die Tür auf, trat mit Fantine ein und schloß die Tür hinter sich. Javert setzte sich, nahm ein Blatt Stcmpelpapier aus der Tasche und sing an, zu schreiben. Als er zu Ende gekommen war, unterzeichnete er seinen Namen, brach das Papier zusammen, übergab es vem Unteroffizier der Wache und sagte: „Nehmen Sie drei Man« und bringen Sie das Mädchen da in das Gefäng nis." Gegen Fantine setzte er hinzu: „Sechs Monate -«ft du." Ole Unglückliche zuckte und rief: „Sechs Monate Ge fängnis! Was soll aus Cosette werden? Mein Kind! Mein Kind! Herr Inspektor, wissen Sie, ich bin Thenar diers über hundert Frank schuldig." Sie rutschte aus den Knien, mit gefaltet emporgehobe nen Händen, aus dem Fußboden hin, der von nassen Stiefeln vieler Männer beschmutzt war, und jammerte: „Herr Javert, Gnade! Gnade! Ich beteuere, daß ich keine Schuld gehabt habe. Wenn Sie beim Anfänge zu gegen gewesen wären, würden Sie alles gesehen haben. Ich schwöre es Ihnen bei Gott, dem Allmächtigen, daß ich keine Schuld habe. Schicken Sie mich nicht in das Ge- Sie rutschte ans den Knien mit gesaftet emporgehobenen Händen. fängnis! Denken Sie sich, wenn man meine Kleine aus dem Hause stieße, mitten im Winter, was auch aus ihr werden möchte!" So sprach sie, niedergebeugt, gebrochen, vom Schluchzen geschüttelt, durch die Tränen geblendet, die Hände ringend. „Genug!" sagte Javert. „Ich habe dich angehört. Hast du nun alles heraus? Marsch nun! Sechs Monate hast du!" Javert wendete ihr den Rücken zu. Seit einigen Minuten war ein Mann eingetreten, ohne daß man ihn beobachtete. Als die Soldaten die Unglückliche, die nicht aufstehen wollte, mlfaßteu, trat er aus dem Schatten vor und sagte: „Einen Augenblick!" Javert sah auf und erkannte Herrn Madeleine. Er nahm seinen Hut ab, grüßte ärgerlich und linkisch und begann: „Ich bitte um Entschuldigung, Herr Bürgermeister." Diese Worte: „Herr Bürgermeister" machten aus Fantine einen seltsamen Eindruck. Sie richtete sich plötzlich von dem Boden auf wie ein Gespenst, das aus der Erde steigt, stieß die Soldaten mit beiden Armen zurück, ging gerade aus Herrn Madeleine zu, ehe man sie zurüühalten konnte, sah ihm starr und verstört in das Gesicht und rief: „Ah, du bist der Herr Bürgermeister?" Dann lachte sie laut auf und spuckte ihm ins Gesicht. Madeleine wischte sich ab und sagte: „Lassen Sie das Frauenzimmer frei, Inspektor Javert." Javert glaubte, den Verstand verlieren zu müssen. Nicht minder mächtig aber wirkten die Worte auch auf Fantine. „Frei! Frei soll man mich lassen? Wer hat das gesagt? Mein guter Herr Javert, sagen Sie, daß mau mich freilassen solle? Ja, Sie waren es; ich wußte es ja. Dieser Unmensch von Bürgermeister ist schuld an allem. Denken Sie sich, Herr Javert, er hat mich entlassen. Ist das nicht ein Greuel und cuie Schande? Ein armes Mädchen fortzuschicken, das seine Arbeit ordentlich tut uud ehrlich durchkommen will! Darauf verdiente ich nicht genug uud das Unglück kam." Herr Madeleine hörte sie mit großer Aufmerksam keit an. Sie weinte nicht mehr, ging nach der Tür hin, nickte den Soldaten zu und sagte: „Der Herr Inspektor läßt mich frei und ich gehe." Javert hatte bis zu diesem Augenblicke mit niederge schlagenen Augen unbeweglich dagestanden. Bei dem Türklinken erwachte er gleichsam und richtete den Kopf empor mit einem Ausdrucke souveräner Autorität. „Unteroffizier!" rief er, „sehen Sie nicht, daß das Frauenzimmer sortgeht? Wer hat sie gehen heißen?" „Ich!" antwortete der Bürgermeister. Fantine zitterte, als sie die Stimme Javerts hörte, und ließ die Hand von der Türklinke los wie ein Dieb von einem gestohlenen Gegenstands. Bei dem Worte Madeleines drehte sie sich um uud von diesem Augenblicke an wanderte ihr Auge, ohne daß sie ein Wort zu sprechen wagte, abwechselnd zwischen Madeleine und Javert bin und her, je nachdem dieser oder jener sprach. (Fortsctz. f )