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MsdmfferTageblatt Montag, den 28 Februar1S27 üuhlancks Antwort an knglanck Briands Deutschlandrede. Wir Deutsche sind ganz außerordentlich zufrieden, wenn wir einmal aus Frankreich ein paar Worte hören, die unserem Standpunkte besonders in der Frage der Rheinlandbesatzung gerecht zu werden versuchen. Der französische Außenminister Briand wird sich deswegen in Deutschland viele Freunde erworben haben, daß er soeben in einer Unterredung, die er mit einem Berichterstatter des „Petit Parisien" gehabt hat, erklärte, er wundere sich gar nicht darüber, daß Deutschland die Befreiung seines Gebietes verlange. „Ist Deutschland nicht im Recht? Täten wir an seinem Platze nicht ebenso?" sagte er. überhaupt ist diese Rede recht vernünftig, vom deut schen Standpunkt aus gesehen. Briand sagte, man müsse überhaupt nicht immer auf das sehen, was noch erreicht werden soll in der Regelung der deutsch-französischen Be ziehungen, sondern man solle doch auch einmal zurück blicken, um die Strecke zu übersehen, die schon zurück gelegt worden ist. Freilich ist für Briand der Frieden von Versailles der unabänderliche Ausgangspunkt und mit einer für einen Franzosen verständlichen Genug tuung stellt er fest, daß der Versailler Frieden durch den Vertrag von Locarno aus einem Zwangsdiktat, das nur unter der Drohung der Bajonette angenommen worden ,st, zu einer freiwillig übernommenen Verein- barung wurde. Das ist an und für sich richtig, entbindet Deutschland aber mcht von der Pflicht, alles zu versuchen, um den Versailler Vertrag zum mindesten in seinen schlimmsten Bestimmungen unschädlich zu machen. Briand erkennt an, daß der deutsche Außenminister Dr. Stresemann nichts gesagt habe, was irgendwie mit dem Versailler Vertrag im Widerspruch stünde. Er stellt des weiteren fest, daß die Beziehungen Deutschlands zu seinen östlichen Nachbarn anderer Natur sind als die nach dem Westen. Freilich habe sich Deutschland auch nach dem Osten hin verpflichtet, von jed»r Gewaltanwendung abzusehen. Aber es gäbe die Hoffnung nicht auf, dort durch Verhandlungen eine Abänderung der Versailler Grenzziehungen zu erreichen. In den Beziehungen Deutschlands zum Westen ist nach Briands Meinung eine restlose Ordnung eingetreten, die stark zum Vorterl Frankreichs ausschlage. Briand stellt sich nämlich auf den Standpunkt, daß bei einem deutschen Angriff auf Frank reich, also bei einem Verstoß gegen den Vertrag von Locarno, ohne weiteres England und Italien Frankreich zur Seite stehen würden. Das ist richtig, ist uns auch bekannt. Sehr viel weniger erfreulich für uns ist aber, daß das offizielle Frankreich immer noch auf dem Standpunkt steht, es sei berechtigt, durch die neutrale Zone im Rheinland hindurchzumarschieren, wenn seine Verbündeten, also Polen und die Tschechoslo wakei, von irgend jemand angegriffen werden. Briand sagt keineswegs etwa, wer der Angreifer sein soll, be schränkt also sein sogenanntes Recht aus freien Durch marsch durch das Rheinland nicht auf den Fall, daß Deutschland der Angreifer ist; also müßte man mit der Möglichkeit rechnen, daß Frankreich nicht bloß durch die entmilitarisierte Zone, sondern durch ganz Deutsch land seine Truppen hindurchbefördern wollte, wenn etwa Polen von Rußland „angegriffen" wird, und diese Trup- penbsförderung als gutes Recht in Anspruch nimmt. Da mit würden die ganzen Streitfragen wieder ausgerollt, die sich um den Art. 16 des Völkerbundstatuts gebildet haben. In der Abwehr derartiger Anschauungen sind sich in Deutschland wohl alle Parteien einig, aber gewissen An schauungen in Deutschland gegenüber kann man das Wort zitieren, das Briand jenem französischen Journa listen des „Petit Parisien" gegenüber gesprochen hat hin sichtlich der sogenannten Beunruhigungen, die im Ausland wegen der Teilnahme der Rechten am Kabinett Marx entstanden seien. Briand meinte, das beste ist doch, erst einmal die Taten des Kabinetts Marx abzuwarten. Der französische Außenminister äußerte weiter die An sicht, daß die Deutschnationalen durch ihre Zustimmung zu den außenpolitischen Richtlinien des Kabinetts Marx die außenpolitischen Verpflichtungen Deutschlands garan tiert haben. Das ist richtig. Aber etwas merkwürdig klingt sein Wort, die Deutschnationalen hätten damit auch auf die Idee der Revanche verzichtet. „Revanche" ist ein französisches Wort und heißt auf deutsch „Rache". Vor allem ist Revanche aber auch ein französischer Begriff, der in Deutschland niemals ein Echo gefunden hat oder findet. Was alle Deutschen, nicht bloß die Deutschnatio nalen, wollen, das ist nicht Rache, sondern Wieder herstellung des verletzten Rechts. Darum ist der Versailler Vertrag für alle Deutschen zwar formaler Rechtszustand, aber im höheren Sinne moralisches Unrecht. Englandfeindliche Kundgebungen in Rußland. Nach einer Meldung der russischen Telegraphenagen- tur hat die Sowjetregierung dem englischen Geschäfts träger in Moskau die Antwort auf die Note Englands überreichen lassen, in der die englische Regierung mit dem Abbruch der Beziehungen drohte, falls die russische Agita tion gegen England in China nicht aufhören sollte. Der Text der Note wird demnächst veröffentlicht werden. Welche Stimmung in Rußland gegen England be steht, geht deutlich aus einer Moskauer Meldung der „British United Preß" hervor, nach der in allen russischen Städten englandfeindliche Kundgebungen stattgefunden haben. Es wurden Entschließungen angenommen, in denen die Arbeiter der Welt ausgesordert werden, gegen den britischen Imperialismus gemeinsam Front zu machen. „Evening Standard" veröffentlicht eine weitere Meldung aus Moskau, wonach die Garnisonen von Moskau und Charkow Entschließungen angenommen haben, in denen erklärt wird, daß die Rote Armee bereit sei, einen Angriff Englands abzu schlagen. Die Regierung wird ausgefordert, der Arro ganz Englands mit der größten Entschiedenheit entgegen- zutreten. Die „Prawda" veröffentlicht einen Artikel, der den Abbruch der diplomatischen und Handelsbeziehungen mit England fordert. Die öffiziösen „Jswestija" veröffentlichen kommen tierende Ausführungen ihres Londoner Berichterstatters zu der neuesten englisch-russischen Spannung. Es heißt darin: es sei heute schwieriger denn je, auch nur für die nächste Zukunft irgend etwas mit Sicherheit vorauszu sagen, denn die Basis, auf welcher die englisch-russischen Beziehungen aufgeüaut sind, sei mehr als schwan kens. Wenn es entgegen allen Erwartungen doch noch zum vollständigen Bruch kommen sollte, so wäre das nach Meinung des Berichterstatters ein drohendes Vor zeichen nicht für die Sowjetunion, sondern sür Eng land, denn ein solcher Bruch wäre nichts anderes als „ein Produkt blinder Wut, welche die Stimme der Vernunft erstickt." England beseht chinesisches Hoheitsgebiet Zuspitzung der Lage in Schanghai. ... Nach Meldungen aus Schanghai haben die eng- nschen Truppen, die zum Schutze der englischen Nieder lassungen in Schanghai aufgeboten worden waren, die Grenze der Fremdenniederlassungen überschritten und die Gegend des Jeßsield-Parks besetzt, das bereits auf chinesischem Hoheitsgebiet liegt. Dadurch hat die Lage in China eine neueZuspitzung erfahren. Der Schritt der Engländer wird denn auch schon von chinesischer Seite als offener Bülkerrechts- bruch bezeichnet. Eine Vereinigung zwischen Nord- und Südchina scheint bevorzustehen, um gemeinsam gegen England vorzugehen. Nach Berichten aus Hankau ist die euglandfeindliche Stimmung noch immer im Wachsen begriffen. Den Eng ländern ist geraten worden, sich nicht auf den Straßen zu zeigen. In London bespricht man die Frage des Oberkommandos über die internatio nalen Truppen im Falle eines Zusammengehens der Truppen. Man glaubt, der Senior unter den Kom mandanten werde sowohl zu Lande wie zu Wasser den Oberbefehl übernehmen, wie es seinerzeit bei dem Boxer ausstand geschah. Rationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, YNachenblatt für Wilsdruff u. Umgegend EhineMe Einheitsfront gegen England? Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Schanghai, 27. Februar. Der Führer der Südtruppen, Marschall Tschanokaischeck, hat eine Proklamation erlassen, mit dem Befehl, auf keinen Fall die Schautungtruppen, die Schang hai besetzt holten, onzugrcisen, da die diplomatischen Verhandlun gen über die Vereinigung von Nord- und Südchina zu gemein samer Front gegen England vor den Abschluß stünden. Sie Pariser Presse zu Briands AusWungen. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 28. Februar. Auf der Rechten ist man über die Ausführungen Briands im Petit Parisien ziemlich ungehalten. Man nennt sie ein Plädoyer einer Traumpolitik und eine neue außenminister zu folgenden Äußerungen über Lie Be deutung des Werkes. Der Reichspräsident von Hindenburg schreibt: „Wir haben die politischen Gehcimakten unserer Vergan genheit enthüllt, um der Wahrheit über die Entstehung des Weltkrieges zum Siege zu verhelfen. Unsere Akten publikation ist ein offenes Bekenntnis an die Welt. Wir erwarten heute eine ebenso offene Antwort der Welt auf dieses Bekenntnis." Reichskanzler Dr. Marx äußert sich: „Der hohe Ge danke der Völkerversöhnung kann auf geistigem Gebiete durch nichts so stark und nachhaltig gefördert werden, als durch u nbedingte Aufrichtigkeit über jene Ver gangenheit, die Europa in zwei feindliche Lager zerrissen hat. Haß, Verleumdung und Mißtrauen, diese bittersten Feinde aller Einheit, können nur dadurch bezwungen werden, daß ihre letzten Wurzeln, die politischen Gegen sätze, bloßgelegt und unparteiisch beleuchtet werden. Wir sind durch unsere Aktenpublikation, die jetzt beendet vor uns liegt, aus dem Wege zur geistigen Annähe rung der Nationen vorangegangen. Denn wir sehnen uns aufrichtig nach wahrem Frieden und nach Be freiung der Menschheit von den dunklen Mächten, die die Katastrophe von 1914 herbeigeführt haben." Reichsaußenminister Dr. Stresemann bemerkt: „Wie ich schon erklärt habe, sind wir Deutschen bereit, uns jedem unparteiischen Gerichtshof zu stellen, der die Ursache des Weltkrieges untersucht und deshalb will, daß die Wahrheit ermittelt werde. Die Aktenpublikation des Auswärtigen Amtes enthält das deutsche Material für einen solchen Gerichtshof. Sie ist zugleich für uns die wichtigste Quelle zur Widerlegung der gegen das deutsche Volk ausgesprochenen Anklagen. Denn jeder, der sich in ihren Inhalt vertieft, wird die Überzeugung gewinnen, daß Deutschland keineswegs, wie man ihm vorgeworfen hat, den Krieg bös willig betrieben oder absichtlich entfesselt hat." Die Bedeutung des großen Aktenwerkes des deut schen Auswärtigen Amtes wird durch die Äußerungen der Reichsleituna besonders wirkungsvoll hervorgehoben, wie befinden sich m einer oemnachst erscheinenden Schrift „Im Dienste der Wahrheit", die der Arbeitsausschuß Deutscher Verbände zum Abschluß der Aktenpublikation des Auswärtigen Amtes herausgibt. * Die Schuld am Welikn'eg. Senator Owen zur Kriegsschuldfrage. Amerikanische Blätter veröffentlichen unter der Über schrift „Frankreich und Rußland haben den Weltkrieg begonnen" ein Interview mit dem früheren Senator Owen. Dieser erklärt in der Uuter- redung u. a.: Frankreich und die zaristische Regierung in Rußland haben den Ausbruch des Weltkrieges ver* sckmldet Die Grundlage zu dem .uricgc lullte fran^ Gebeimvertraa vom Ermutigung für die Deutschen, die vorzeitige Räumung des be setzten Gebietes zu verlangen. Die Linke dagegen lobt Briands energische Haltung. Der rechtsstehende Gsulois erklärt, daß man gesaßt sein müsse, -aß Deutschland die Ersetzung der französischen Truppen im Saargebiet durch eine 8V0 Mann starke internationale Be satzung und die vorzeitige Rheinlandräumung im März in Genf verlangen werde. Die royalistische Action francaise macht Briand den Vorwurf, daß er seinerzeit den Völkerbund als eine tote Geburt bezeichnet habe und ihn nunmehr verteidige. Am schärfsten wenndet sich das konservative Journal de de- bats gegen Briand. Es bezeichnet die Aussührungen Briands ohne Zweifel als Einleitung zu der Märztagung des Völkerbunds rates. Es frage sich aber, ob es richtig sei, daß Briand diese Er klärungen abgegeben hat. Nach den deutschen Pressekommentaren zu urteilen, müsse man dies verneinen. Briand irre, wenn er meine, daß der Berliner Zusatzvertrag zwischen Stresemann und Tschitscherin ohne Bedeutung wäre. Man könnte höchstens sagen, daß die deutsche Regierung gegenwärtig sich mehr dem Westen als mit dem Osten befasse. Unter dem Einfluß Englands und des Heiligen Stuhles wolle das Kabinett Marx seine bösen Msichten gegen Polen weiter entwickeln. Im übrigen habe sich Marx be eilt, zu betonen, daß der Verzicht Deutschlands auf Elsah-Lvth- ringen kein endgültiger sei. Auch das Organ der Patriotenliga, das Echo de Paris, be kämpft die Ansicht Briands, daß sich Berlin und Moskau getrennt habe. Das Verhalten des deutschen Militärs in der Frage der Anlagen bei Königsberg beweise deutlich, daß zwischen Berlin und Moskau geheime Militärverträge bestünden. Auch habe Deutsch land weder im Osten noch im Westen auf die Revanche verzichtet. Das Blatt Caillaux, die Volonte, weist darauf hin, daß alle deutschen Parteien ohne Unterschied mit Aufrichtigkeit den Willen des deutschen Volles betonen, der Locarnopolitik treu zu blechen. Hoetzsch und Breitsch-id hätten betont, daß die deutsch-französische Enente die Grundlage sür ein neues Europa bilden müsse. Di eEre Nouvelle, das Blatt der Liga für Menschrechte, weist darauf hin, daß Frankreich zurzeit der Mittelpunkt eines mächtigen Bündnissystems sei. Die früheren Feinde Frankreichs haben den Wunsch geäußert, mit Frankreich zusammenzugehen. Briand und seinen Vorgängern Herriot und Pmnleve müsse man danken, daß sie das Gespenst des Krieges verscheucht haben. Im Dienste der Wahrheit. Der Abschluß der Akten-llblikation. Reichspräsident, Reichskanzler und Reichsaußenminister zur Kriegsschuldfrage. Der Abschluß der Aktenpublikation des Auswärtigen Amtes über die Entstehung des Weltkrieges veranlaßte den Reichspräsidenten, den Reichskanzler und den Reichs- für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Lernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 SurchFernrusübermittelte»Anzeigen — „Ah di- Nichtigkeit der — - - ,>°g.°°-.j°^w«d-n«ub°d--d.-A^agg.b--inK°nkur-g-r^ Da, Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nassen. Nr 49 — 86. Jahrgang. Tel-gr.°Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640