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MM, !i, MM Beilage zu Nr. 106. Dienstag, den 8. September 1903. Gerettete Ehre. Ans dem Leben der Kadetten S. M. Marine an Bord. Vor Leonh. Asmussen. (Nachdruck verboten.) „Kinder, heute wird eins geschmort, mein Geburtstag muß begossen werden!" Damit tritt ein Fähnrich zur See in die Messe unter seine Kameraden. „Hurra, Hurra, Hurra!" rufen ihm gleich darauf seine Gefährten zu, „das ist recht von Ihnen, daß Sie den Geburtstag würdig feiern wollen. So gehört sich's auch für einen Fähnrich zur See!" „Ist ja schon gut, Kinder, laßt mich nun einmal los!" sucht der von den Kameraden Umringte sich jetzt zu be freien. Es wäre nämlich schlecht angebracht, hier auf einem Schiffe und besonders noch in der Messe geschaukelt" zu werden, man könnte da leicht mit der Decke Bekannt schaft machen, da die bedeckten Räume auf einem Schiffe, um Platz zu sparen, sehr niedrig sind. Eine etwas große Person muß sich hier beim Gehen schon bücken, damit sie nicht mu dem Kopfe gegen einen Decksbalken läuft; hier wäre also keine geeignete Stätte für handgreifliche Huldi- gungen. Bald hat sich der die „Feuchtigkeiten" in Aus sicht Stellende seiner Kameraden entledigt. „Aber jetzt einmal Ruhe, Kinder! Der Kapitän, der erste Offizier und einige andere Offiziere haben die Einladung ange nommen. — Ein „Blauer" geht heute darauf. — Schadet aber nichts:" „Wir sind aus reichem Hause, Unser Luxus ist bekannt; Papa ist Banquier Krause — Baron wird man genannt." trällerte er, sich in den Hüften wiegend, worin die meisten Mit einstimmen. „Nun aber schnell die Bücher weg, Kinder!" kommt es wieder von seinen Lippen. „Wir wollen die Messe etwas „aufklaren" lassen und nachher Fidelitas." — Schnell werden die Bücher zusammengepackt, in den Spind expediert und die Fähnriche schicken sich an, die Messe zu verlaffen Nur einer der jungen Leute bleibt auf seinem Platze, behält sein Buch in den Händen und studierte. Das ganze Gesicht dieses jungen Menschen kennzeichnet den Streber. Langsam bewegen sich die Lippen, um eine navigatorische Formel nach der anderen herzusagen. Er überhört sich selbst. — Meistens hat er davei die Augen zugedrückt, um durch nichts irritiert zu werden, nur wenn er an einer Stelle stockt, wirft er einen flüchtigen Blick auf die betreffende Seite, um gleich darauf wieder die Augen zu schließen. — Seine Kameraden wissen, daß er ein Streber ist, denn er „ochst" und „büffelt" denn doch etwas zu viel, auch neidisch sind sie gar auf ihn. Bei leder Prüfung ist er der Beste, „der dumme Bürgerliche", sein emsiges Lernen trägt gute Früchte. — Ja, dieser junge Mann kann nicht anders, er kann sich nicht mit seinen reichen Kameraden auf eine Stufe stellen. Er hat sich zwar selbst diesen „hohen Beruf" erwählt — wenigstens ist ein See offizier sein ihm stets vorschwebendes Ideal — deshalb will er auch ein ganzer Seemann werden und wenn's möglich ist, — einst ein hoher Offizier. — Er weiß sehr gut, daß, wenn er es zu etwas bringen will, er nur durch seine Kenntnisse dazu kommen kann, denn Geldmittel stehen ihm keine zur Verfügung. — Er hat deshalb auch nicht einmal aufgeschaut, als sein lustiger Kamerad das fröh liche Gelage in Aussicht gestellt hat, ihm wäre es lieber gewesen, wenn alles ruhig geblieben wäre und er bei seinen Büchern hätte sitzen können. — Aergerlich geworden, hatte er deshalb die Stirne gerunzelt. Auch als seine Kameraden schon die Bücher fortgepackt hatten, saß er noch immer da und lernte. — Ec wollte jeden Augenblick ausnutzen. — Die Fähnriche schicken sich an, die Messe zu räumen, damit die Stewards „aufklaren" können, als die Augen einiger auf den „büffelnden" Kameraden fallen. „Mensch, werfen Sie doch das Buch an die Seite und kommen Sie mit an Deck, damit die Messe „aufge klart" werden kann oder wollen Sie etwa diese Arbeit beaufsichtigen?" fragt der eine der Fähnriche ihn mit einem Anflug von Spott. „Mein Buch kümmert Sie garnichts und das Ver weilen in der Blesse ist vollständig meine Sache, wenn Sie wollen, können Sie ja an Deck gehen, ich werde Ihr Ver gnügen nicht stören," entgegnete der Streber gereizt. „Seht doch einmal an, Kinder!" lacht der andere jetzt, „das ist reizend, ein Fähnrich zur See beaufsichtigt den Auf räumungsdienst in der Messe. — Viel Vergnügen, Herr- Kamerad!" wendet sich der Sprecher noch einmal an den ruhig Dasitzenden, worauf die ganze Gesellschaft lachend und scherzend die Messe verläßt, um an Deck zu gehen. „Wartet nur," zischelte der Zurückbleibende durch die Zähne, „nächstens greife ich mir doch einen von Euch her aus, die Hänselei nimmt überhand!" Auch er klappt jetzt sein Buch zusammen, packt es in seinen Spind und geht an Deck, wobei er sich gänzlich isoliert von seinen Kameraden aufhält. Immer muß er über eine Formel nachdenken, die ihm nicht recht in den Kopf will. — Er nimmt sich vor, nachdem die Gesellschaft sich in der Messe aufgelöst hat, noch einmal sein Buch hervorzuholen. * 4b Es ist elf Uhr abends* Der Kapitän und mit ihm sämtliche Offiziere verlassen die Messe. Es war eine ziemlich hitzige Feier gewesen, denn das Geburtstagskind hatte eine Flasche nach der andern auffahren lassen und zum Schluß noch ein Fäßchen „Aechtes". Ganz selbst redend hatte jeder der jungen Leute einen kleinen Schwips wegbekommen. Auch der junge Streber hatte der Pflicht -genügen und einige Gläschen mittrinken müssen. Erhalte jedoch immer nur dran genippt. Ter Kapitän und die meisten der geladenen Offiziere hatten sich, seinen Fort strebungsgeist kennend, mit ihm, den Kameraden zum Neide, unterhalten, — jetzt waren sie hinausgcgangen. — Das Gelage war damit aufgehoben und er hatte keine Ver pflichtungen mehr, sich dem weiteren Trinken anzuschlicßen. Er nahm deshalb sein Buch zur Hand und studierte eifrigst weiter, seine Kameraden brauchten sich nun, nachdem die Vorgesetzten die Messe verlassen, keinen Zwang mehr antun und die fröhlichste Ausgelassenheit herrschte bald unter den jungenLeuten. „811," ruft das Geburtstagskind, „eher lasse ich nicht nach, bis alles „voll" ist. — Fidelitas!" Plötzlich wird man den lernenden Kameraden gewahr. Schwankenden Schrittes erhebt sich das Geburtstagskind, tritt an den Lesenden heran und heißt ihn das Buch zu machen. „Jetzt wird getrunken und nicht gelernt!" Er versucht dabei nach dem Buche zu greifen, jedoch schlägt der Angegriffene damit den Angreifer auf die Hand, daß dieser sie mit einem Wehlaute zurückzieht. „Was geht Ihnen mein Lernen an? — Stört Sie das etwas? — Ich habe genug getrunken?" Und mit einer nicht mißzuverstehenden Bewegung heißt der junge Mann den angetrunkene» Kameraden ihn zu verlassen, welcher sich denn auch umdreht und an feinen Platz geht. „Kinder, der Herr dort in der Ecke hält nicht mehr mit, der lernt jetzt! — Ist das Anstand, frage ich Euch?" ruft er, an seinem Platz angekommen, aus. „Und als ich ihm das Buch zumachen will, haut er mir damit auf die Haud!" „Was, er hat Sie geschlagen?" springen gleich einige der jungen Leute auf, bei welchen die schweren Getränke ihre Wirkung nicht verfehlt batten. „Und dann fordern Sie noch nicht einmal den Schuft, der die Hand gegen Sie gehoben?" Hetzen gleich einige der Hitzköpfe. „Gewiß, die Säbel in die Hand und dann los! — Das lassen Sie sich gefallen?" rufen wieder einige andere in das Durcheinander hinein Bald haben mehrere der jungen Leute die Säbel und Floretts, welche unter der Decke hängen, in die Hand genommen und unter Schimpf reden umringt man den jungen Streber, kreuzt die Säbel über seinem Kopfe, um ihn zu „krönen". Blaß vor Wut, mit zusammengekniffenen Lippen sitzt der junge Mann da, sein Buch hat er fortgelegt. Einen nach dem andern mustert sein Auge und endlich ringt es sich von seinem Munde: „Ihr seid ja alle benebelt, sonst würde ich Euch etwas anderes lehren", teilt seine Kameraden auseinander und will die Messe verlassen. — Die Hitzköpfe legen dieses Nachgeben für Feigheit aus und wollen dem Fortgehenden den Weg vertreten. — Das war denn doch zu viel für den jungen Mann. — Erbost greift er den ihm am nächsten Stehenden an der Brust und schleudert ihn zwischen die ihn Umringenden. Der Gestoßene fällt und reißt die an deren mit um. — Jetzt hat der junge Mann freie Bahn und, von den Schimpfredcn der Kameraden begleitet, ver läßt er den Raum. — Er wird der Vernünftigste von allen sein und schlafen gehen. — Morgen findet sich das Uebrige. n * Zwei Wochen darauf erhält der junge Streber mit einigen anderen Fähnrichen zusammen eine Vorladung vor bas Ehrengericht. — Er hatte nämlich die Affäre ge- meldet und wohl oder übel hatte sich der Kapitän dazu verstehen müssen, dem jungen Manne Gelegenheit zu geben, seine beleidigte Ehre zu retten. Der Kapitän hatte deshalb ein Ehrengericht berufen, vor welchem die Parteien heute erscheinen mußten. — Ein Vertrag kam nicht zu Stande und verurteilte der Gerichtshof die beiden Hauptbeteiligten, mit dem Säbel in der Hand die Sache auszufechten. „Geschützt, mit scharfen Säbeln!" — das war eine Freude für unsern jungen Streber. Er hatte zwar einen guten Fechter zum Gegner, jedoch wollte er ihm schon eins aus- wischcn und ihn kennzeichnen. Er würde seine Ehre retten und dann sollten seine Kameraden schon etwas mehr Respekt vor ihm haben. — Mit festen Schritten betrat er daher am Nachmittage desselben Tages das Achterdeck — den Kampfplatz. Nochmals wurde ein Vertrag versucht, aber keiner der Beiden wollte sich dazu verstehen. — Der an- Vie Zsnm. IvL Roman von Anton Freiherr von Perfall. Sie dachte einmal lange darüber nach, als alles schon zu Dette war, in dem Winkel am blank gescheuerten Herde. Der Schein der kleinen Lampe trieb sein Kobold-Spiel in deni Kup er und Zinn an den Wanden. Sie dachte ihrer eigenen Jugend. Mein Gott, sie war Arbeit, nichts als harte Arbeit, da aebt er einein freilich nie aus, der Appetit. Sie suchte lanae vergebens den denkwürdigen Tag. — Plötzlich lächelte sie still vor üch hin und nickte mit dem schweren Haupte: qn '' „ marschieren sie ein, die braven Buab'n, die Seck- ä -7 »'«m. «l- S.-M M-.'- 'in, m t Kranz und Lorbeer! Hurra, haben's heremg'rufe» m di' Adicrknck. - Mein Gott, der alte Herr hat auch noch g'^bt. Grad sind's beim Essen g'iefsen "Dampfnudeln hats ge^en, ihre «eibspeis — Aus war's, kein Biffen hatS mehr .'nuntel'bw< als wenn Kanon'kugel g'legen wären in der Vanille,auce. Kommt ja der Franzl niit, der liebe, herzgute Franzl! En' Bart er jetzt — hat er glchrieben vor zwei Monat. — Ach, das muß g'spasfig sein, der Franzl mit em großen Bart! Aber wenn er nur kommt —wenn er nur st'" ZEroni noch lieb hat. — Wär ja nicht übel — von einer Französin ausg'stochen werden? Na, das gibt's nicht! Beim Franzl nicht!« Ja, das war der Tag — „„d dann der nächste! Die Sechzehner sind einmorichiert mit Kranz und Lorbeer, aber der Franzl war nicht dabeu — «gor Paris haben» 'n einge graben, den armen Buab'n. — " " Veroni liesen die Hellen Tränen über die glänzenden Backen, und ans den blinkenden Kasserollen sah der Franzl auf sie herab, ohne großen Bart, wie sie ihn so ost geküßt und ge herzt, den armen Buab'n. — Und könnt's bei M WMn^Mt auch so AE DÄ sie ein' ermatt', der nicht kommen will? Ten windigen Grafen coch nicht — der's so schändlich verlaffen — das wär noch schöner. — Heiliger Kott! Der Maler? — Ja, ja, der Blaler! — d' Lieb ist's, die ihr den Appetit verschlagt — nix als d' Lieb'!" jubelte sie, die Tränen sich aus den Äugen wischend. — „Und da muß g'holfen werd'n, ehe es zu spät ist. Her muß der Maler, die Johanna muß wieder ihren guten Appetit kriege», alles andere macht sich dann von selbst." - Gleich den andern Tag verriet sie ihre Entdeckung der Adlerwirtin. Diese bestärkte nur ihre Vermutung, meinte aber, da sei e§ schwer etwas zu macken, nachdem Johanna den Maler entschieden abgewiesen. Noch dazu jetzt, nach all den Ereignissen. Er sei jetzt ein berühmter Mairn und habe wohl die Auswahl unter den jungen Mädchen in der Stadt. Da aber brauste Veroni auf, sie vergaß ganz den gewohn ten Respekt vor der Herrschaft. —Ob es denn überhaupt keine Mannsbilder mehr gebe auf der Welt! Wenn er die Johanna einnral gern hätte, könnt' doch alle Berühmtheit und alle Mädel der Wett nichts daran ändern. Als sie einitze Tage darauf Johanna wieder einmal in Gedanken verloren jn der Geisblattlaube neben dein Küchen garten sitzen sah, ging sie, die Schürze voll duftendem Gewürz zeug, an ihr vorüber uH flüsterte ihr zu: „Kümmern b Hua nicht, lieb's Fiäul'u, er kommt schon!" Johanna fuhr erschreckt auf. „Werr denn, Veroni?" „Der Herr Maler! Ich hab ihm ein Briesel g'jchrieben!" Sie lächelte dabei ßo gutmütig, pfiifia, und verschwand rasch, ehe Johanna erwidern konnte, im Gebäude. Das Mäd chen sah ihr traurig nach. „O du gute, liebe Veroni, dein Brieferl ist vergeblich ge schrieben, es wird ihn nur schmerzlich erinnern an das, was er auf immer verloren glaubt." Sie freute sich aber im stillen über diesen Schmerz, den ihm di« Veroni bereitete. Manus' Briese über das Befinden Rmgelmanns waren stets nur cm Fra« Regina gerichtet. Der Inhalt war ein vtzMlwiSMM HMMgxudU: der UZttMAtt» ertrug sem Schicksal mit Ergebung, wenn auch ties geäcugt. Seine qe- iun e Natur widerstand auch dir'em schwere» Angriff, und se» einziger Gedanke war, nach Han'e zu seinen Lieben, an de« emsigen Ankcrgnmd, der seinem wracken Lebensschiff noch ge blieben. Dock Johannas geschah in diesen Briefen nie mit einer Silbe Erwähnung, obwohl Regiya es nie versäumte, in ibrcr Erwiderung den Namen irgendwie einznflechten. Dass härmte sie arg. Wo hatte nur dieser Maun mit dem Gold herzen seine Liebe hingebrackt? Sie hatte nur mehr eine schwache Hoffnung auf die Rückkehr des Vaters. Vielleicht brachte sie beiden Heilung, der Mutter und der Schwester. Es war in den ersten Tagen des Juni, ein weicher ^ommerabend. Frau Ottilie hatte seit einer Woche zu Bett gelegen. j Der Arzt machte ein bedenkliches Gesicht, wenn sich di« Ernährung nicht bald hob, war das schlimmste zu sürchten.^ Man brachte die Leidende auf seine Anordnung nachmittag» in das Freie, in das windgeschützte Gärtchen hinter dem Adl«.s Sie weigerte sich entschieden, vor Sonnenuntergang auf da» Himmer gebracht zu werden. Der Blalzduft, behauptet» si^ stärke sie wunderbar, welcher von der Brauerei herüberweht»: Der Abend war mild, und so gab man nach. Johanna «id Regina leisteten ihr Gesellschaft. Jn weiche Kiffen gebettet blickte sie hinaus in die weite Landschaft; der Gatten befand sich auf dem ehemaligen Befestigungswall LangfeldenS und bot herrliche Aussicht. Das Leid hatte dem schönen Antlitz schon längst alle Härte genommen, ihm eine ueuL schwermütig« Jugend verliehen. » Die Sonne sank hinter den waldigen Hügeln, Purpurgl^ hinausschleudernd über Wald und Flur. Frau Ottiliens Blick hastete auf ihr. Jetzt war nur mehr eine rote Sichel zu sehe«, die Buchenkronen erzitterten in ihrer Glut — dann nur mehlt eiu roter strahlenloserPunkt. Auch der erlosch. —Sie winkt» mit der schmalen durch sichtigen Hand einen Abschiedsgruß. —