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iDB L U' A i LUM GU DD MM» sir WM Beilage zu Nr. 98. Donnerstag, den 20. August 1903. Vaterländisches. Wilsdruff, 19. August 1903. — Die Zwanzigpfennigstücke aus Nickel, die seit dem 1. Januar d. I. nicht mehr als gesetzliches Zahlungsmittel gelten, werden nur noch bis zum 31. De zember 1903 bei den Reichs- und Landeskassen zu ihrem gesetzlichen Werte sowohl in Zahlung bezw. Umwechslung angenommen. — Der „Dresd. Anz." schreibt: In einem Teil der Presse wurden kürzlich ziffernmäßige Nachweise über das finanzielle Verhältnis Sachsens zum Reiche ver breitet. Wie wir erfahren, sind die dort mitgetülten Zahlen nicht überall ganz zutreffend, weshalb wir kurz auf die Sache zurückkommen. In den sogenannten Ueberweisungs- steuerfonds Sachsens werden seit der Finanzperiode 1894/95 die durch Matrikularbeiträge nicht aufgezehrten Anteile Sachsens an den Ueberweisungssteuern des Reiches (Zölle und Tabaksteuer, Branntweinverbrauchsabgabe mit Zu- schlag, Reichsstempelabgaben) eingelegt, damit aus diesen Ueberschussen etwaige Mehrbedürfnisse an Matrikularbei- tragen bestritten werden können und nicht die laufenden Einnahmen dazu verwendet zu werden brauchen. Ende 1899 wies dieser Fonds 4307937 Mart Bestand auf. Bei der bekannten zunehmenden Verschlechterung der Finanz lage des Reiches haben seit 1899 die Bundesstaaten stets Matrikularbeiträge über den Ertrag der Ueberweisungs- steuern hinaus zu leisten gehabt. Im Jahre 1900 sind 2329436 Mk. und im Jahre 1901 2147507 Mk. Matri kularbeiträge mehr an das Reich abgeführt worden, als Sachsens Ueberweisungssteueranteile betrugen. Diese 4476943 Mark wurden aber, da der Etat 1900/01 keine derartige Ausgabe vorgesehen hatte, nicht aus dem Ueber- weisungssteuerfonds, sondern aus laufenden Mitteln ge- deckt. Dagegen soll der für die laufende Finanzperiove 1902/03 zu erwartende Mehrbedarf an Matrikularbeiträgen bis zur Höhe von 3 Millionen Mark dem Fonds ent nommen werden. Nach den ungünstigen Abschlüssen der Rechnungsjahre des Reiches auf 1901 und 1902 — der endgültige Abschluß für das letzte Jahr steht augenblicklich noch aus — und nach den Aussichten des laufenden Reichs etats für l 903 ist leider mit der größten Wahrscheinlichkeit zu besorgen, daß die bereit gestellten 3 Mill. Mk- zur Deckung des Mehrbetrages der Matrikularbeiträge Sachsens nicht ausreichen werden, und daß schon in der laufenden Finanzperiode 1902/03 und noch mehr in der nächsten zur Erfüllung der reichsvcrfassungsmäßigen Matrikularbeitrags- pflicht Sachsens auf die laufenden Einnahmen, und zwar in stets steigendem Maße wird zurückgegriffen werden müssen. Dadurch werden natürlich die Landesfinanzen in Sachsen, wie gleicherweise in den übrigen Bundesstaaten, auf das nachteiligste und bedenklichste beeinflußt. Hier kann nur eine großzügige Reichsfinanzreform helfen; diese ist uner läßlicher und dringender, denn je. — Die Geschäftsstelle des Landesverems der deutsch sozialen Refoimpartei im Königreich Sachsen erkltrt in der „Deutschen Wacht", daß die an der Kandidaten frage zur Landtagswahl beteiligten Reformvereine noch gar keine Beschlüsse gefaßt haben. Dieses soll vielmehr erst in den nächsten Tagen geschehen. Wahrscheinlich wird die von verschiedenen reformerischen Vertrauensmännern Vie Sonne. 88 Roman von Antou Freiherr von Perfall. Sie wagte nicht mehr zu forschen. Doch in wenigen Lagen hörte sie ibn wieder, immer deutlicher von allen Seilen. Sie schloß gewaltsam die Ohren, wich ihm aus. Sie la? ihn durchschossen gedruckt in Ausstellungsberichten und las nicht »eiter. Sie konnte ja nicht zweifeln, um was es sich handelte, »m ein Werk des Künstlers, welches Aufsehen machte. Wie war das nur möglich? Sie hatte ja die Kunstaus stellung wiederholt besucht, seinen Namen nicht gefunden. Bon nun an stellte sie die Besuche derselben gänzlich rin. Und doch quälte sie die Neugierde, dachte sie nur an den Ramen. Und wie es der Zufall wollte, niemand kam ihr mit einer Er- Aärung entgegen; man hatte mit der schönen Johanna anderes W» sprechen, als über einen Maler. Endlich kam die LSsung, wenn sie auch jemand brachte, ta» sie am letzten dazu ausgesucht hätte — Graf Leining! „Hast Du schon von dem unerhörten Dusel des Malers Marius gehört? Du erinnerst Dich doch noch? Ich traf ihn »ar einigt» Jahren in Eurem Hause, ein ganz unbedeutender Mensch, wie er mir damals schien — unglaublich." Johanna empörte diese Sprache, es war ihr, als müsse st«, ohne näheres zu hören, Marius in Schutz nehmen gWen diesen Mann. Mit Mühe verbarg sie ihre Erregung. - -Nu», und was ist mit ihm?" .Denke Dir, der Mensch stellt zwei simple MS«, reine Mlderkogen aus. Man lachte einfach darüber, da plötzlich tatdeckt Herr Simon, der unfehlbare Antiker von der „Revue,,, Meisterwerke in dem Zeug und erfährt, was wohl de» Haupteffrkt macht, daß dar eine im Pariser Sakon großes Aufsehen erregt hatte und von Goupil um 20 000 Mark an- ßtkauft wurde. Große Artikel — alle Zeitungen sind davon »oll —alles glaubt und lauscht. Die hohe StaatSreglsrun- tz« .das andere pflicküchullM Ur dv Lf6§pgsgnkpie anoe gewünschte Aufstellung antisemitischer Kandidaten beschlossen werden. — Auf der Kanzlei der Gewerbe-Kammer in Dresden, Ostra-Allee 27, liegt wochentags in der Zeit von 8 bis 12 Uhr vormittags und 3 bis 6 Uhr Uhc nach- mittags (Sonnabends von 8 Vorm, bis 2 Uhr nachm.) eine Abschrift des Verzeichnisses der bis zum 31. Dezember 1902 in das Handelsregister des Kaiserl. Gerichts in Kiautschou eingetragenen Firmen nebst einer Liste der im Jahre 1902 eingetretenen Veränderungen in den Firmeneinträgen zur Einsichtnahme für die Beteiligten ans. — Ein Madrider Berichterstatter schreibt: Es ist un begreiflich, daß der häufigen eindringlichen Warnung der Presse vor dem spanischen Schatzgräberschwindel noch immer habgierige und törichte Menschen auf diesen krassen Betrug hineinfallen. Der soeben Beschwindelte ist ein Pariser Damenschneider namens Leon Piasecki, der in der Rue d'Astory, 28, wohnt. Der schlaue Mann kam vor einigen Tagen nach Madrid, um einen Scheck über 125000 Franken in Empfang zu nehmen, für den die spanischen Schwindler eine Gegenleistung von 6100Franken verlangten. Vor den Toren des hiesigen Zellengefängnisses wurde das Geschäft abgewickelt. Als Piasecki aber sah, daß er ein wertloses Papier in der Hand hielt, waren die Gauner verschwunden. Der Betrogene eilte jetzt zu den Behörden, die ihn selbstverständlich auslachten und ihm bedeuteten, daß er ein Opfer seiner eigenen Habgier geworden sei. Die Verfolgung der Gauner wird natürlich nicht den aller geringsten Erfolg haben. Ob dieser neue Fall als War nung dienen wird, ist zu bezweifeln. — Der Freisinnige Volksverein und der Deutsch, freisinnige Verein in Dresden haben gemeinschaftlich folgende Resolution einstimmig beschlossen: „1. Der Freisinnige Volksverein und der Deutschfreisinnige Verein erklären sich gegen jedes Klassen-, Stände- und Berufswahlrecht, wie es die evangelischen Arbeitervereine, Herr Stadtrat Wolf- Leipzig und andere in Vorschlag bringen. 2. Sie erklären sich in erster Linie für Einführung des Reichstagswahl- rechts für die Landtagswahlen unter Proportioneller Ver teilung der Mandate auf die konkurrierenden Parteien, 3. in zweiter Linie für Rückkehr zum früheren Landtags wahlrecht unter Aufhebung der Drittelmajorität und Pro portioneller Verteilung der Mandate nach den für die einzelnen Parteien maßgebenden Stimmenzahlen. 4. In jedem Falle fordern sie gleiches, geheimes und direktes Wahlrecht. 5. Sofern man nicht auf Einführung der Proportionalwahlen kommen sollte, ist der Stadtbevölkerung eine stärkere Vertretung als bisher in der Zweiten Kammer zuzubilligen. 6. Den Vorberatungen zur Aenderung des Landtagswahlrcchtes sind auch Vertreter aller in Sachsen konkurrierenden Parteien zuzuziehen." — Ein ähnlicher Beschluß ist kürzlich auch von den Freisinnigen der Lausitz in Bautzen gefaßt worden. — Lohnender Nebenverdienst wird häufig in den Zeitungen empfohlen; Damen, Beamte, Kaufleute u. s. w. werden eingeladen, diese Gelegenheit, reich zu werden, nicht ungenutzt zu lassen. Ein Herr wandte sich, wie die „Neuen Westpr. Mith." erzählen, dieser Tage an eine solche Adresse in Zürich unter gleichzeitiger Einsendung der Verlangten Nachweisgebühr von 3 Mark, war aber nicht wenig erstaunt, als er postwendend folgenden Ratschlag erhielt: „Es gibt nichts Häßlicheres und Entstellenderes für ein Zimmer, als wenn die Bilder, Spiegel u. s. w. vom Miegenschmutz bedeckt sind, was gerade in den Sommer monaten häufig zu geschehen pflegt. Es ist also für jeder mann eine gewiß lohnende Arbeit, (!) in den Musestunden die Bilder vom Schmutz zu reinigen und dadurch dem Zimmer wieder ein sauberes, anmutiges Aussehen zu ver leihen." Daß der Herr von dieser Auskunft nicht sehr er baut war, nachdem er seinen Taler dafür losgeworden, läßt sich begreifen, um so mehr, da er noch Junggeselle ist. — Dresden, 16. August. Die Reichs-, Staats-, Gemeinde« und Privatbeamten haben eine Petition an das Königliche Ministerium des Innern entworfen, in der dieselben um Aufrechterhaltung der gesetzlichen Be stimmungen bitten, wonach festes Diensteinkommen bei der Gemeindeeinkommensteuer nur zu 4 Prozent berechnet wird. — Dresden, 17. August. Der Redakteur Fahren bach veröffentlicht in den heutigen Abendblättern folgende Erklärung: „Die Mitteilungen über die beabsichtigte Grün dung einer Tageszeitung in Dresden entsprechen nicht den Tatsachen. Zunächst ist festzustellen, daß weder Herr Geheimer Hofrat Mehnert, noch irgend eine politische Partei mit der Neugründung zu tun hat. Herr Geheim rat Mehnert gehört weder dem Gründungskonsortium an, noch ist er finanziell an dem Unternehmen beteiligt. Ferner entspricht es nicht den Tatsachen, wenn gesagt wird, das neue Blatt solle agrarische Ideen propagieren. Es handelt sich vielmehr um die Gründung einer Zeitung, die alle politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse und Vorgänge aus den Lebensverhältnissen des Königreichs Sachsen beurteilt. Hieraus ergibt sich schon von selbst, daß die Zeitung der hervorragenden sächsischen Industrie in erster Linie zu dienen berufen ist. Schließlich sei noch bemerkt, daß Herr Direktor Wauer schon vor Wochen aus dem Gründungskonsortium ausgeschieden ist." — Der Nachteil des Submissions-Verfahrens wird wieder einmal an einem Vorkommnis in Leipzig illustriert. Ausgeschrieben waren die Schlosserarbeiten an zwei Brücken. Bei einer derselben war die Höchstforderung des Anschlages 2630 Mk., die niedrigste Forderung stellte sich auf 927 Mark. Der Submittent dieser Forderung erhielt den Zuschlag. Derselbe führte die Arbeit also fast dreimal fo billig aus, als der Höchstfordernde. Wenn auch anzunehmen ist. daß letzterer in seinem Anschlag einen respektablen Nutzen einkalkuliert haben mag, so be greift man nicht, wie der Unternehmer, der die Arbeit auszuführen hat, dabei seine Rechnung finden will. Bet der anderen Submission variieren die Kostenanschläge zwischen 1737 Mark und 5200 Mark. Im Interesse des soliden Handwerks sollte der verwerflichen Unterbietung gesteuert werden. — Eine völlige Begnadigung hat König Georg dem am 26. Juni d. I. vom Kriegsgerichte Leipzig wegen tätlichen Angriffs auf einen Wachtposten zu zwei Jahren Gefängnis und zur Degradation, der geringsten gesetzlich zulässigen Strafe, verurteilten Unteroffizier im Königs- Jnfanlerie-Regiment Nr. 106, Edmund Reinhold Schaller, zuteil werden lassen. Sch., der sich beim Militär tadellos geführt hatte, hatte in übertriebenem Diensteifer sich an dem Posten vergriffen, um einem Befehl seines Haupt manns schnell nachkommen zu können. Das Kriegsgericht kaust- HerrMariuS ist ein berümmer Msnu." „Und die Bilder? Hast Du sie gesehen?" fragte Jo hanna gespannt. „Ich sage Dir ja, die reinsten Bilderbogen. Zwei schmutzige Bengel in einer spinatgrünen Wiese, ein Arbeiterweiö. aas den Mond betrachtet, der wie eine Niesenmelom. Lw Himmel hängt!" Johanna stieg das Blut ins Gesicht. Sie hoffte noch immer von einem neuen Werk des Künstlers, das ihr fremd ivar, zu hören. Also diese beiden Bilder, die sie ebenso v-r- achtet, wie der Graf, deren Anblick sie jede Hoffnung auf- geben ließ auf Marius, die in ihr den Entschluß reist-n, ihn aufzugeben, ihre damals im Atelier von neuem erwachende Liebe niederzukämpfen, gerade diese brachte» ihm den Erfolg! — Einen Scheinerfolg natürlich, wie Treuberg ihn ja auch errungen. Sie verstand doch etwas von Kunst, ihr Urteil wurde all gemein geschätzt. Und doch, der Pariser Salon, Goupil — der erste Kunsthändler — kauft um 20 000 M., Simon von der „Revue," das Orakel der Kunstwelt — das ist mehr als bloßer Schein! Wenn sie Marius wirklich nicht verstanden hätte? Es gab eine Zeit, wo sie ihn als Künstler verehrte, eine Genie in ihm sah, aber damals war sie ein unerfahrene? Kind, ohne jegliches Verständnis, ohne jede Erfahrung in Kunst- fachen. Wenn es das wäre! Wenn sie grade das verloren hätte, was allein wahres Verständnis schafft, den Blick für das Wahre, wirklich Gute. Wenn es wirklich da läge, wo Marius er gesucht und gesunden. Darin aller wahrer Erfolg, alle wahre Ruhe, alles wahre Glück! — Alles andere Täuschung, Lüge, eine hohle Nuß, ihr ganzes Leben und Streben — ihre Liebe! —Sie mußte die Bilder sehen! Vielleicht dachte sie jetzt anders darüber. Das absprechende Urteil Leinings, mit dem sie in Kunst- Sre ging allein, um durch lein Urteil gestört zu eui. Sie eilte rastlos durch die gefüllten Säle, an allen Nationen vor über, um die zwei Bilder zu? sehen, welche einst solches Mit leid mit ihrem Schöpfer in ihr wachgerufen. Ein Diener glaubte in dem suchenden Blick die Wände entlang ihre Absicht zu erkennen. „Sie suchen wohl die Bilder des Herrn Marius?" und wies sie zurecht. Eine dichtgedrängte Gruppe von Beschauern raubte ihr die Aussicht. Sie sah nur zwei große Gemälde von prächtiger Wirkung. Eine vornehme Dame in modernster Toilette auf einem brennroten Soia, den Körper eines nackten Weibes im Sonnenlicht gebadet, mit unruhigen grüneu Reflexen auf der leuchtenden Haut, dazwischen förmlich eingeklemmt mußten Marius' Bilder sein. Sie drängte sich rückhaltlos vor und prallte förmlich zurück. — Da hingen sie und wirkten "ans den ersten Blick noch kindischer, noch reifloser auf sie, als vor Jahren. Sie juchte sich zu sammeln, zu fassen, sie flehte in ihrem Innern um Er leuchtung. Alles vergebens, alles Fraget! Die Bilder gaben ihr keine Antwort. Die Stärke der Empfindung wird es wohl sein, die man darin zn sehen glaubt. Sie freute sich dieses Schlagwortes, welches ihr eben einsiel, und itieß sich förmlich den Sporn ins Herz. Es reagierte nicht. JdreBl.cke schweiften hinüber zu der Dame aus dem roten Soja. Dis verstand sie. Dieses zarte Gesicht, in einen feinen Dunst ge hüllt, mehr geahnt als gezeichnet. Diese durchsichtigen Hände in dem Rot! Da lag Raffinement, darin, Geschmack! Dann kehrten sie wieder zurück zu den Kindern auf dem Hügel. — Das ist es eben, flüsterte sie sich wieder zu. Die Naivetät, die darin liegt! In der Einfachheit liegt die größte Kunst. Sie erzielt die größte Wirkung — aber auf sie nicht — nein — sich belügen hilft nichts. Dann horchte sie auf die Urteile um sie ber. Doch die einen schwiegen, mit leerem Blick, die anderen jchüttellen die Köpfe Wd UMM. ML