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2. Jeilage zu Ar. 81 des Wochenblattes für Wilsdruff. Virtevländisehes. Wilsdruff, 10. Juli 1903. — Dresden. Die Sauggasanlage der Firma Gebr. Körting in der Deutschen Städteausftellung war die ein zige große Anlage dieser Art, die bei der Eröffnung der Ausstellung im Betriebe vorgeführt wurde. Seit dieser Inbetriebsetzung hat die Anlage anstandslos gearbeitet und sowohl bei der Maschine, als auch im Generatorenraum ist nie eine Geruchsbelästigung aufgetreten, so daß die Firma, ohne irgend welche Anstände gehabt zu haben, bereits seit Jahren große Anlagen mitten in den belebtesten Straßen größerer Städte im Betriebe hat. Zum Betriebe der Maschine hat bis jetzt ein Anthracitgenerator gedient; später soll der Anthracitbetrieb durch Braunkohlenbetrieb abgelöst werden, für welch letzteren ein besonderer Gene rator aufgestellt ist. Die Braunkohlenvergasung wird zuletzt durch Vergasung von Klärschlamm abgelöst, um Interessenten den Betrieb mit allen drei Brennstoffen vorgeführt zu haben. Der Hauplvortheil der mit Kraft gas betriebenen Gasmotoren ist die außerordentlich große Billigkeit im Betriebe, der geräuschlose ruhige Gang der Maschinen und der Fortfall jeglicher Geruchs- und Ruß belästigungen, da das Brennmaterial der Generatoren fast vollständig vergaßt wird, und dem Auspuffrohr des Gasmotors nur die verbrannten Gase entweichen, die den Schornsteingasen der Zimmerheizungen gleichen, aber nicht der letzteren Ruß enthalten. Bemerkt sei noch, daß diese Anlagen völlig ungefährlich funktiouiren. — Ueber das Familiendrama in der Mohnstraße in Dresden verlautet weiter, daß der 37 Jahre alte Kupfer schmied Seltmann aus Opladen den ersten Schuß auf seine Ehefrau hinterrücks abgab. Die Frau war zur Mittagszeit damit beschäftigt, ihr Zimmer zu reinigen, zu welchem Zwecke sie auf dem Fußboden kniete. In dieser Stellung empfing sie von dem hinter ihr stehenden Manne den ersten Schuß in den Kopf. Die Frau sprang auf und versuchte ihrem Manne den Revolver zu entreißen, und als ihr dies nicht gelang, zu entfliehen. Der Mann hatte aber die Thür verschlossen und gab in unmittelbarer Folge noch weitere fünf Schüsse ab, die die Frau zweimal am linken Oberarm, in die Brust, am kleinen Finger der rechten Hand und an der linken Körperseite trafen. Dar auf ergriff Seltmann die Flucht, wurde aber später er griffen. Die schwer verwundete Frau raffte sich auf und lief in den Hof hinab, Blutflecke bezeichnen den Weg, den sie gegangen ist, kehrte dann aber in ihr Zimmer zurück, bis sie nach dem Eintreffen von Hilfe in das Stadt- krankenhaus gebracht wurde. Der von dem Mann guf der Flucht weggeworfene Revolver wurde unweit des Straßenbahnhofs in Mickten in einem Vorgarten aufge- fundeu. Wie man hört, ist der Thäter nur einige Jahre älter als seine Frau. Sie haben fünf Kinder am Leben, drei davon waren mit der Mutter hier, zwei sind noch in Opladen, dem Wohnort des Vaters. Lediglich Eifersucht hat dies Verbrechen gezeitigt; die Frau soll beabsichtigt haben, sich scheiden zu lassen. Ihr Befinden ist verhält- nißmäßig günstig. — Kaitz. Der Kaitzer Gemeiudevertreter Haupt be zichtigt das Mitglied des Kaitzer Armenamtes, Klügel, er habe mehrmals als Armenpfleger seine Gelüste bei unter stützungsbedürftigen Frauen befriedigen wollen. Um diesen Zweck zu erreichen, habe er, nach Aussage der in Betracht kommenden Frauen bez. Wittwen, die durch die Armen kommission auf Antrag Haupt's vernommen wurden, diesen Frauen zu wiederholten Malen gewisse Anträge gemacht. Klügel habe bei einem dieser Anträge ei« Dreimarkstück und schließlich 5 Mark geboten. Bei einer Wittwe habe Klügel einen Versuch 14 Tage vor ihrer Niederkunft ge macht. In einer Sitzung des Kaitzer Gemeinderathes beantragte Haupt, daß man ein 13jähriges Mädchen, welches Klügel von der Gemeinde zur Pflege gegeben, wieder zurücknehme mit der Begründung, Klügel könnte wegen seines Lebenswandels noch größeres Unheil an- richten. Die Sachs schwebt noch. — Weinböhla. Am Montag wurden zwei hiesige Einwohner, welche beschuldigt worden sind, sich an schul pflichtigen Kindern in strafbarer Weise vergangen zu haben, verhaftet. Einer ist bereits wegen gleichen Verbrechens vorbestraft. - Mühlberg (Elbe), 8. Juli. In der Elbe bei Tauschwitz ertrank gestern der Fleischermeister und Kriegs veteran Otto aus dem benachbarten Belgern. Er fuhr mit einem Handkahne über den Strom, bekam dabei das Uebergewicht und stürzte über Bord. Als man den leeren Kahn treiben sah, war der Verunglückte bereits in den Fluten verschwunden. - Erschossen aufgefunden wurde gestern in der Nähe des Waldschlößchens der aus Kem berg gebürtige Schriftsetzer Max Barthels. Liebeskummer soll das Motiv zur That gewesen sein. — Pirna. In der Vollkraft seiner Jahre durch einen verhängnißvollen Sturz ums Leben gekommen ist der hier wohnende Hilfsweichensteller Gössel. Derselbe war am Dienstag nach der von alten hochragenden Linden bestandenen Praschwitz-Graupaer Straße gegangen, um dort Lindenblüten zu pflücken. Zu diesem Zwecke ist er auf einen der Bäume geklettert und hat sich dabei wohl an einem dürren Ast angehalten, der schließlich unter der Last abbrach, so daß Gössel aus nicht unbeträchtlicher Höhe herabstürzte. Der Fall geschah so unglücklich, daß G. einen Bruch des Rückgrates erlitt. Ein in seiner Be gleitung befindlich gewesener Arbeitsgenosse sorgte für die Ueberführung des Schwerverletzten nach seiner Wohnung in der Neustraße. Der zur Hilfe gerufene Arzt ordnete jedoch die fofortige Ueberführung Gössels nach dem Johanniterkrankenhause in Dohna-Heidenau an. Dort- selbst ist der Bedauernswerthe gestern früh ^6 Uhr ge storben. Gössel wäre am 15. Juli 33 Jahre alt geworden. An seiner Bahre trauert eine Wittwe mit zwei Kindern. — Mit Rücksicht auf die bisherige verschiedenartige Schreibweise des Namens der Ortschaft und des Berges Porsberg (Pohrsberg, Borsberg) im Bezirke der Amts hauptmannschaft Dresden-Neustadt hat das Königliche Ministerium des Innern verfügt, daß die Schreibweise Borsberg künftig ausschließlich auzuwenden ist. — Borna, 9. Juli. Außer Verfolgung gesetzt wurde der Soldat Hagen des hiesigen Karabinier-Regiments, gegen den vom Kriegsgericht Leipzig die Voruntersuchung wegen fahrlässiger Tödtung eingeleitet worden war. H. hatte am Abend des 28. Juni als Krümperkutscher einige Offiziere zu fahren gehabt. Auf der Straße zwischen Kieritzsch und Lobstädt waren der Bergarbeiter Küster und Maurerpolier Wehrfritz aus dem benachbarten Wißnitz auf ihren Fahrrädern, als sie ein Geschirr überholen wollten, direkt in den von dem Krümperkutscher H. geleiteten Landauer hineingefahren. Die beiden Radfahrer wurden, nachdem ihnen von den Insassen des Landauers die erste Hilfe geleistet worden war, sofort in das hiesige Kranken haus übergeführt. Die inneren Verletzungen Küsters waren so schwer, daß er am folgenden Morgen starb. Die Ver letzungen Wehrfritzs waren zwar auch erheblich, aber zum Glück nicht lebensgefährlich. Eine dieser Tage vom Kriegsgericht Leipzig entsendete Kommision stellte fest, daß nach den Angaben des Verletzten dem Krümperkutscher durchaus keine Schuld an dem schweren Unglücksfall bei- zumeffen ist. Es wurde daraufhin gegen H. das Ver fahren eingestellt. — Ein schändliches Sittlichkeitsverbrechen ist in der Nähe von Kamenz verübt worden. Das Opfer ist eine 40jährige Frau aus Teichhäuser bei Räckelwitz. Sie wurde von einem anscheinend schlafend am Wege gelegenen Strolche verfolgt und überwältigt. Glücklicherweise konnte man des Uebelthäters, eines 18jährigen Burschen, habhaft werden. — Das Opfer von Kümmelblättchen-Spielern wurde in Leipzig ein stellungsloser Hausdiener aus Radeburg. Die drei Gauner verschleppten den unerfahrenen jungen Mann in eine Restauration der inneren Stadt und nahmen