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Vtll I« »II«. !I<SL<VL^VV^L-VL^^V^V^VIXVI»VS»lX2^^L^>L^>L^>U-- wenigstens mein Freund Riemschneider, na, und der mußte es ja als Vater doch wissen. Ich meinerseits, der ich mich vorüberge hend zu Besuch bei ihm aufhielt, war jeden falls andrer Meinung und das schon inner halb der ersten zehn Minuten, die ich mich in der trauten Häuslichkeit meines Freundes befand. Riemschneider war ein alter Studien freund von mir; schon unsre beiderseitigen Väter knüpfte ein enges Freundschaftsband, das sich späterhin auf die Söhne, d. h. also uns — Riemschneider und mich — wahr scheinlich infolge Sympathie der Seelen übertrug. Wir hielten treu zusammen und unter den Kommilitonen hießen wir — abgesehen von unsern Kneipnamen „Spund" und „Loch" — allgemein die „Unzertrennlichen". Das war vor acht Jahren. O schöne Zeit! Welche köstlichen Erinnerungen knüpfen sich an dich O, «lt« Durschenherrlichkeit Wo bist Du hingeschwnnden? Unsre beiden Väter, die das Leben so in nig aneinander gekettet, vereinte, kurz nach Beendigung unsres Studiums, fast gleich zeitig der Tod. Während mich ein herbes Schicksal zu ewiger Tätigkeit verdammte, warf Fortuna meinem Freund alles in den Schoß. Der Glückliche! — Er trat in die Fuß tapfen seines Vaters und wurde Rentier^ ich aber schnürte mein Bündel, setzte mich aus die Eisenbahn und gelangte nach achtzehn stündiger Fahrt, mrt einer Kartonschachtel in der Linken, welche den Bratenrock nebst zwei Paar Strümpfen enthielt, den unvermeid lichen „Resedatopf" in der Rechten, einem Monocle und was sonst noch zur Ausstattung eines jungen Referendars gehört, in P., dem zukünftigen Bestimmungsort meiner Wirk samkeit, an. Kennst Du P., lieber Leser? — Nicht? — Sei froh und wünsche nie, es jemals zu erblicken. Als ich damals zum erstenmal in die Bahn hofshalle einfuhr, fie^n mir beim Anblick des Städtchens plötzlich alle meine Sünden ein und wer da weiß, daß ich mich mein gan zes Leben hindurch nie mit Kleinigkeiten be faßt habe, der wird ermeßen können, was das sür mich zu bedeuten hatte. Von meinem Freund Riemschneider hörte ich nur noch alle halben Jahre mal etwas. Auch ihn ereilte bald nach meinem Fortgang — auf die Gunst der Götter ist bekanntlich niemals, eher aber mit dem Neid derselben zu rechnen '— die rächende Nemesis, — er hei ratete nämlich. O, ihr Götter, wie pries ich mich nicht nur damals, sondern auch heute noch als den Glücklichsten der Sterblichen, als mir diese Nachricht wurde, und wie dankte ich meinem Schöpfer, daß er mich hierher versetzt in die ses öde Nest, welches im ganzen drei — na türlich nur in Betracht kommende standes gemäße heiratsfähige Töchter aufzuweisen hatte. Da war des Bürgermeisters, eines bereits ältlichen Herrn, besten Gattin das Zeitliche gesegnet, einziges Töchterchen, Aurora, welche das Hauswesen dirigierte. Aurora! Die Morgenröte! O, ich sehe sie noch wie heute an dem Fenster ihres auf die Straße mündenden kleinen Stübchens ste hen, als der unbeweibte Amtsrichter vorüber- ging. Es war ein stürmischer Tag. Ihre vor Ungeduld und Puder erblaßten Wangen er glühten plötzlich beim Anblick des um die Ecke biegenden kahlköpfigen Hüters der Gerechtig keit und unwillkürlich beugte sie sich, um be merkt zu werden, aus dem Fenster hinaus. Da — ein unglücklicher Zufall, ein, hef tiger Windstoß — die Perrücke sauste ihr vom Kopf, und der Chignon tanzte auf Flü geln des Windes vor dem hinter ihm herstür zenden, infolge Anpralls desselben seiner Kopfbedeckung gleichfalls beraubten Amts richters einher. Aurora hat seit jener Stunde nie mehr aus dem Fenster gesehen und hat sich von der bösartigen Menschheit losgesagt; — sie ist ins Kloster gegangen. Tochter der Brauereibesitzerswitwe Schmer bauch. Ich muß offen gestehen, ich wäre durchaus nicht abgeneigt gewesen, näher auf die Angelegenheit einzugehen. Es war vor allem alles da, reichlich da, und ich hätte mir eigentlich nichts Besseres wünschen können. Aber ich hatte immer noch meine Bedenken ge gen eine Ehe und wichtige, interne Gründe, welche mich immer noch in letzter Minute da von abhielten, eine Aussprache herbeizuführen. Wie eine Bombe aus heiterm Himmel schneite da plötzlich eine Einladung Riem schneiders, meine Ferien in der Metropole, voppetter korv. - Winken schon die saftigen Früchte verlockend ans dem Korbe der Gärtnerin, leuchten doch ihre glänzenden Augen noch viel minniger und verheißender. Aber die Kleine ist spröde wie ein Feuerstein, der auch wohl einen Funken gibt am rechten Stahl, aber dieser Rechte ist der Hackelbauer leider nicht. Scheinbar kauflustig hat er zunächst die saftigen Gaben zwar ein wenig durchstöbert, aber dabei dem Mädchen zu v.rstehen gegeben, ihre roten Rippen seien das Schönste, wonach er begehre. Verächtlich nahm darauf das prächtige Kind ihren Fruchtkorb und ließ dem Hackelbauer eiueu jener Körbe zurück, die fraglos erllaren: „Ade, lieber ann, wo anders klopf' anl" Die zweite in Frage kommenoe Partie war me Tochter des Sanitätsrats Kunkel. Was ihren inneren Menschen anbelangt, so war sie totsicher einmal aus dem Schneider, während man ihrem äußern nach zu urteilen auf das doppelte Quantum Gift nehmen konnte. Während sie anfangs bpide Augen auf den Assistenzarzt ihres Vaters, Doktor Pil lendreher, richtete, teilte sie kurz nach meiner Ankunst ihre Gefühle und warf das eine, sie schielte nämlich auf dem linken, stereotyp auf mich. Ich ließ mich jedoch nicht beirren und dem biedern Doktor aus Freundschaft für ihn die Vorhand, der sich schließlich auch, der Not ge horchend, nicht dem eignen Triebe, in anbe- tracht der reichen Praxis des Vaters und der zu erhoffenden Erbschaft ein Herz faßte und sie ehelichte. Der Himmel hab' sie beide selig. Schwieriger gestaltete sich schon die Sache mit der dritten heiratsfähigen Dame der Stadt. Es war die jüngste und hübsche in seinem Heim zu verbringen, in meine Bude herein. Ich überlegte mir das ob oder nicht, nicht lange, hatte ich doch offen gestanden Sehn sucht, nicht allein nach der Großstadt, son- dern auch zu siebenachtel Teilen nach dem al ten Genossen und seinem sogenannten trau ten Heim. Ich war begierig, ein Eheleben mal aus nächster Nähe zu betrachten und aus dem Studium desselben mir bei meiner Rückreise eventuell ein Vorbild zu schassen. Ich reiste also. Auf dem Bahnhof in B. erwartete mich bereits Freund Riemschneider und — war es eine Folge der langen Trennung oder ent sprang das mitleidige Gefühl einer andern Initiative — kurzum, mir traten die Tränen in die Augen, bittere Tränen, ich merkte es an ihrem Geschmack. Ich hätte ihn bald nicht Wieder erkannt. — Aus der blassen, schlanken Lilie war ein aufgedunsener Pfannkuchen ge worden und die ins farbige hinüberspielende Bläue seiner Nase, ließ alles andre eher ver-