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in die Operationen gegen den Mullah rechnen und daß dementsprechend der britische Oberbefehlshaber in Somali land, General Manning, angewiesen worden ist, sich in Bohotle, seinem Hauptquartier, einstweilen noch zu halten. Aurze Lhrsnik Vermißt wird, wie aus Innsbruck gemeldet wird, seit Sonntag ein gewisser Hans Knispel, etwa 30 Jahre alt. Er machte einen Ausflug zur Kaisersäule oberhalb Hall, ist aber nicht zurückgckehrt. Wahrscheinlich ist er abgestürzt. Der Vermißte ist nach seiner Angabe Offizier in der deutschen Handelsmarine und befindet sich auf Urlaub. Eisenbahuunfall. Lugano, 16. Mai. Heute Vormittag ist ein deutscher Reisender beim Uebergang von einem Waggon zum andern in der Nähe des Bahnhofs Taverne unter den Gotthardzug gefallen. Er brach beide Beine und wurde nach dem Kantonsspital in Mendrisio verbracht, wo ihm die beiden Unterschenkel des Knies ab- genommcn wurden. Er Überstand die Operation mit großer Seelenstärke. Der Verunglückte heißt Gustav Sölle aus Kleingeschwenda, Fürstenthum Schwarzburg. Die tödtliche Mißhandlung des Berliner Schülers Koch, Sohnes des Direktors der Deutschen Bank, durch seinen Hauslehrer sw-j. sur. Andreas Dippold aus Drosendorf, dürfte der umfangreichen Voruntersuchung wegen, welche die Behörden in Drosendorf, Berlin, Ballen stedt und Bozen beschäftigt, erst im Herbste vor dem Bayreuther Schwurgericht zur Aburtheilung kommen. Das Ergebniß der bisherigen Erhebungen in der traurigen Angelegenheit scheint die Annahme zu rechtfertigen, daß Dippold bei Begehung der Ausschreitungen unzurechnungs fähig war; er dürfte zur Beobachtung seines Geisteszu standes zunächst in eine Irrenanstalt Überwielen werden. Es soll auf ein gutes Obstjahr zu rechnen sein. Wie verschiedentlich berichtet wird, sind die Obstbäume fast frei von allem Schädlichen, das Ungeziefer kann sich infolge der nassen Witterung nicht entwickeln. Die Städter würden eine gute Obsternte immerhin als eine Entschädigung für die Unbill des Wetters betrachten. — Wie tief die Tem peratur wieder gesunken ist, geht auch aus folgender Meld ung aus Torfhaus im Oberharz hervor: Während der Nacht ist hier heftiger Schneefall bei 2 Grad Kälte ein getreten. Der ganze Oberharz bietet eine herrliche Win terlandschaft. Wald und Wege hatten eine 10 Zentimeter hohe Schneedecke. — In einem Rückblick über die Witter ung des April sagt die Meteorologische Anstalt in Berlin. Im Gebirge wurden bis zu 8 Gr. (Brocken) und — 12 Grad (Schneekoppe) beobachtet, aber auch in der Ebene sank das Thermometer vielfach unter Null. Der unfreund liche Charakter des Monats wurde durch die große Häuf igkeit und Ergiebigkeit der Niederschläge verstärkt. Die Zahl der Niederschlagstage stieg an einzelnen Orten bis auf 27, die der Schneetage im Gebirge bis auf 22, in der Ebene bis 11. Heitere Tage wurden an vielen Orten gar nicht und nirgends mehr als 3 festgestellt. Die Zahl der trüben Tage schwankte zwischen 7 und 23. Ein deutsches Schiff auf hoher See verbrannt. Der große deutsche Hochseefischcreikuttrr „P. C. 23", Kapitän Bardenhagen, beheimathet in Cranz a. d. Elbe, welcher versuchsweise durch behördliche Beihülse mit einem Motor ausgerüstet worden ist, lag zwischen den ostfricsischcn Inseln Langeoog und Juist dem Fischfänge ob und hatte bereits eine halbe Ladung gefangen, als plötzlich der Motor explodirte und das Schiff Feuer fing. Der in der Nähe fischende Hochseefischereikutter O. 27" sowie ein eng- Uscher Fischdampfcr eilten sofort zur Hülfe herbei, und während der Fischdampfer seine Feuerspritze in Tbätigkeit setzte, versuchte man den brennenden Kutter nach Juist htnüberzuschleppen, um ihn dort auf Grund zu setzen. Hiervon mußte man jedoch bald Abstand nehmen, da das Feuer rasch weiter um sich griff und das Schiff bereits weg zusinken begann. Man brachte deshalb die Mannschaft an Bord des Kutters „k. O. 27" in Sicherheit und über ließ das brennende Fahrzeug seinem Schicksal. Der Hoch- seefischereikutter „L. O. 27" nahm darauf seinen Kurs nach der Elbmündung und traf auf der Reede vor Kuxhaven ein, um dann in den Fischerhafen einzulaufen, wo er die gerettete Mannschaft wohlbehalten landete. Triest, 19. Mai. In Campobasso bei Moutefalcone ist eine geheime Pulverfabrik in die Luft geflogen, wobei 2 Personen getödtet und 5 schwer verwundet wurden. Ein deutscher Offizier in China überfallen und verwundet. Aus Schanhaikwan in China ist jetzt die Nachricht in Oschersleben eingctroffen, daß auf den Sohn des dortigen Pastors Heine, den seit Oktober 1900 in Ostasien befindlichen Dolmetscher-Offizier Paul Heine, früher im Infanterie-Regiment Nr. 74, ein feiger Mord antall verübt worden ist. Ein Chinese hat den jungen Offizier durch einen Schuß verwundet. Die Kugel ist am linken Ohr eingedrungen und durch den Nacken aus der rechten Seite hinausgegangen. Eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des so heimtückisch Ueberfalleuen scheint der Saale-Zeitung zufolge mit der Verletzung er freulicherweise nicht verbunden zu sein, da die Wunde gut artig heilt. Das räthselhafte Verschwinden eines Gym nasiallehrers erregt in Elbing großes Aufsehen. Es handelt sich um den Oberlehrer Dr. Zimmermann vom Königlichen Gymnasium zu Elbing. Herr Zimmermann lebte in den besten Verhältnissen und es fehlt jeder An- halt zur Aufklärung des Vorfalls. Infolge von Pilzvergiftung erkrankte in Noskowo in Posen eine Arbeiterfamilie. Die Frau und drei Kinder starben, der Mann und zwei Kinder sind schwer krank. Die Ems und ihre Nebenflüsse führen infolge an haltender Niederschläge wiederum Hochwasser. Im nörd- Uchen Theile des Regierungsbezirks Osnabrück sind weite Strecken Landes unter Wasser gesetzt. Das russische Dorf Jelissawetinskoje im Gouvernement Stawvopol ist niedergebrannt. 3000 Menschen sind obdachlos. Die 76 deutschen Eisenbahnen vereinnahmten im April aus dem Personenverkehr 45,1 Mill. M. oder 4,4 Mill, mehr, aus dem Güterverkehr 95,1 Mill, oder 2,1 Mill. mehr. Diesmal fiel das Osterfest in den April, daher vor allem die erhebliche Einnahmesteigerung. Sie ist aber zugleich auch ein Zeichen für die Besserung der wirthschaftli'chen Lage. Wegen Majesiätsbeleidigung wurde in Straß burg i. E, wie dortige Blätter mittheilen, die letzte Nummer des Merkurs, einer von der Vereinigung junger Straß burger Sturmliteraten herausgegebene Zeitschrift, beschlag nahmt und cingcstampft. Der verantwortliche Leiter, ein Student, hat seine Geliebte und sich erschossen. Die Polizei ist in den spanischen Städten Barcelona und Salamanca boy'ottirt worden, weil sie bei den letzten Unruhen 24 Personen erschoß. Die Kaffeehäuser, Bäcker und Friseure bedienen keinen Polizisten. Der Genremaler Otto Fritz in Gießen erschoß sich. Die Ursache ist nach der Frks. Ztg. in einem Nerven- leiden zu suchen. Die Zahl der Opfer des Eisenbahnunglücks auf der Station Schönborn ist nach einer neueren Meldung leider noch größer, als man anfangs angenommen batte. Jnsgesammt wurden 25 Personen verletzt. Eine schwer zu Schaden gekommene Frau Klein ist ihren Wunden erlegen. Der Weichensteller Mittmann, der den Unfall verschuldet hat, sollte gestern definitiv angestellt werden. Gerichtliche Nachspiele zu dem Blutbad in Kischinew. Wie ein Telegramm berichtet, haben in Kischinew bereits mehrere Gerichtsverhandlungen gegen Personen stattgefunden, in deren Wohnungen Gegenstände entdeckt wurden, die bei Juden während der blutigen Kra walle geraubt worden waren. Im ganzen wurden bis jetzt 62 Personen zu Gefängnißstrafcn von 14 Tagen bis drei Monaten verurtheilt. Vaterländisches. Mittheilungen aus dem Leserkreise sind der Redaktton stets willkommen. Der Name des Einsenders bleibt unter allen Umständen Geheimnitz der Redaktton. Anonyme Zuschriften können nicht berücksichtigt werden.) Wilsdruff, 20. Mai 1903. — Zur Himmelfahrt ist Wandern und Fröhlichsein die Parole. In voller Lenzcsherrlichkeit prangt die Natur, tausende von Blumen blühen und duften in Garten, Wald und Feld, der Flieder erfüllt mit seinem Wohlgeruch di- Luft und die Kastauienbäume haben ihre weißen Blüthen- pyramiden aufgesetzt und gleichen riesigen Kronleuchtern im Festsaale des Frühlings, dem der Vögel vieltausend- stimmigcr Chor in Heller Lust entgegenjauchzt. Kann es da Wunder nehmen, wenn der Himmelfahrtstag außer als kirchlicher Feiertag seit alter, langer Zeit auch als der berufendste Tag des Jahres für Einzel- und Familien- Spaziergänge, für Maffevausflüge und Vereinsparthien gilt und wenn man ihn sozusagen als „Kleines Pfingstfest" feiert? Ganz und gar nicht; soll ja in solch froher Wander feier Geist und Herz aufgehen, das Vertrauen in die Zukunft neu sich beleben, neuer, froher und frischer Muth uns beseelen und anspornen zu weiterem ehrlichen Wirken und muthigem Vorwärtsstreben im ewigen Kampfe dieses Lebens; soll ja inmitten all der Pracht, die Gottes Huld und Güte uns bescheert, das Gemüth immer empfänglicher werden für alles Große, Gute und Schöne und hiermit zugleich der Mensch die Kraft finden, die er für alle Lagen dieses Lebens alltäglich «ufs Neue in reicher Fülle bedarf. Solcher Art den Himmelfahrtstag als Tag des Wanderns und Fröhlichseins, des Erholens und Ergehens gedacht, drängt sich uns mit Allgewalt auch die Frage auf: Was wirds für Wetter geben? eine Frage, die nicht nur zu Himmelfahrt, sondern ganz besonders auch zu Pfingsten eine ganz bedeutende Nolle spielt. Schließt man doch vom Himmelfahrtswette: allzu gern auch auf das Wetter zu Pfingsten. Hoffen wir, daß uns tadellos schöne Tage an beiden Festen bescheert sind, daß also der Himmelfahrtstag seinen Ruf, nicht ganz besonders dichte Himmelsschleußen zu besitzen, Lügen straft. All die tausende jung und alt, d,e sich auf Himmelfahrt freuen, sie kämen dann auf ihre Rechnung, und daraufhin ein schönes, licht- und sonnen- Helles HimmelfahrtSfest und ein frohes, seliges Pfingsten schon im voraus, lieber Leser! — Schluß des Vortrags von Herrn Schuldirektor Or. Schilling, gehalten im hiesigen Gewerbeverein. Von außen steht sich die Stadt an wie der Steinpulast eines Riesenkönigs; vom kleinen Platze am Binnenthore wie ein großes Dorf. In den Gassen der Stadt traben die Kühe; ein Schäfer führt mit seinem Hunde die Schaf. Herde auf die nahen Höhen; auch im Stadtwalde weidet das Vieh. Große Flüge von Tauben heben sich aus den Gassen; sie sind Lieblinge der Bürger; seltene Arten werden gesucht, einer sucht sie dem anderen wegzufangen und der Rath hat viel zu schlichten. Noch mehr Mühe machen dem Rath die Borstenthiere; denn sie fahren durch die Hausthüren in die Häuser und suchen überall auf dem Wege ihre Nahrung; zuweilen verbietet es der Rath, die Schweineställe an der Straßenseite zu bauen — so 1421 in Frankfurt; in Ulm wird ihnen — 1410 — das Recht freier Straßenpromenade auf die Zeit von 11—12 Uhr beschränkt. In den Flußarmen, die durch die Stadt führen, hat das Vieh seine Schwemmen; dort brüllt es und grunzt und verengt den Weg für Mensch und Karren. Da fehlt auch der Mist nicht; auf abgelegenen Plätzen lagern große Haufen, und wenn sich die Stadt einmal zu einem Kaiser besuche schmückt, dann läßt sie, um hübsch sauber auszu- sehen, nicht nur die Gehängten vom Galgen abnehmen, sondern auch den Dünger aus Straßen und Plätzen weg schaffen. Die Hauptstraßen der Stadt sind hier und da gepflastert, längs der Häuser sind besondere Steinwege und vornehme Städte, wie Aachen, Nürnberg, Ulm haben städtische Pflasterer. Aber nicht überall war man so weit. In Frankfurt wurden die Hauptstraßen bis 1399 nur durch Holzwellen, Sand und kleine Steine gebessert; doch muß der Weg oft sehr schwierig gewesen sein; es gab für die Domherren eine gesetzliche Entschuldigung, beim Convent zu fehlen, wenn der Straßenschmutz zu arg war. Wer überhaupt bei schlechtem Wetter ausging, fuhr in schwere Holzschuhe; von den Rathsherren wurde gefordert, daß sie diese vor der Sitzung auszogen. Auf der Straße sind die Brunnen häufig; es sind einfache Ziehbrunnen mit Nolle, Kette und Doppeleimer. Wo gutes Wasser fehlt, sind die Städte seit ältester Zeit bemüht, reine Quellen: und Bäche in die Stadt zu leiten. Sogar das kleine Gotha hat sich mit schweren Kosten eine Wasserader wohl 2 Stunden weit über Berg und Thal zur Stadt geführt. Denn am Vorhandensein reichlichen Wassers hängt das Gedeihen der Stadt. Für das Vieh und gegen Branb- Unglück, zum Schutze gegen außen und für das städtische Gewerbe vor allem ist es ganz unentbehrlich: Gerber, Weber, Färber und Wollspinner siedeln am Wasser; des halb wird der Fluß in vielen Armen zwischen den Straßen und uni die Mauer geleitet und gern die hinterste Seite der Höfe an das Wasser geführt. Auf den Plätzen der Stadt stehen lausende Brunnen, dabei Scköpftröge von Stein und Metall und an gelegenen Stellen gefüllte Wasserbottiche für den Fall einer Feuersgefahr. Sehr unähnlich moderner Bauweise sind die Straßen: sie ziehen sich in der Mehrzahl enge gewunden dahin. Die Häuser sind klein, aus Fachwerk, mit Stroh gedeckt. 1362 läßt der Frankfurter Rath bei seinen Bauten selber noch mit Stroh decken; 1317 werden Strohdächer in Erfurt ver boten. Die Häuser stehen mit dem Giebel auf die Straße, in der Regel nicht dicht aneinander; die Eingänge sind häufig mit Halbthür versehen; über der Thüre hängt, an einem Schilde, das gemalte Zeichen des Hauses. Oft wird der Besitzer nach seinem Hausbilde genannt. Die Häuserlinie läuft nicht einfach; ein Oberstock oder zwei springen über das Erdgeschoß vor, verengen das Licht und nähern die oberen Stockwerke der gegenüberliegenden Häuser. An dem Erdgeschoß sind auf der Straße Schuppen, — Vorkräme und Buden angebaut und der Kellerhals ragt bis auf den Fahrweg. In den Städten der Nieder sachsen, der Thüringer und Franken ist es Brauch, die Straßenwand der vorgerückten oberen Stockwerke durch Pfeiler zu stützen. Dadurch entsteht zwischen UntergestoL und Pfeilern ein gedeckter Gang: die Lauben, die an den Hauptstraßen und am Markte geschützten Durchgang ge statten. — Der Morgen wird den Bürgern durch Geläut verkündet. Allmählich werden auch Thurmuhren eingeführt. Solange es die noch nicht giebt, meldet das Geläut die Tageszeiten, daneben das Horn oder die Trompete des Thürmers. Die Stadt hat heute ihren Markttag; am Rathhause ist die rothe Fahne ausgcsteckt; so lange sie hängt, haben die fremden Verkäufer bas Marktrecht. Zu allen Thoren ziehen die Landleute der Umgegend herein, auch die Landbäcker und Metzger, die heute an besonderen Plätzen feil halten dürfen. Auf Ständen, Tischen, in Krambuden und den Stadtbänken sind die Waaren aus gelegt; das Handwerk der Stadt zeigt heute den Fremden, was der Fleiß des Bürgers im Laufe der Woche geschaffen. An dem Stadtthore ist Aufenthalt und Gedränge; denn jeder Wagen, der den engen Durchgang passiren will, wird sorglich beschaut. Der Fuhrmann zahlt indessen seinen Thorzoll und eine Abgabe von den Waaren. Frei können nur Lebensmittel, die die Stadt nicht entbehren kann, eingeführt werden. Ein Ritter aus der Nähe, ge folgt von seinem Knechte, sieht spöttisch auf das Gedränge der Bürger, deren Augen sich bei seinem Anblicke finster zusammenziehen. Es ist ein berüchtigter Fehder, mehrere Male schon hat er der Stadt abgesagt, hat Bürger ge fangen und in den Thurm gelegt, Bauern der Stadt er schlagen oder verstümmelt. Mit bestimmten Geschlechtern der Stadt ist er tödtlich verfeindet. Die letzte Fehde ist jedoch vertragen; er genießt augenblicklich den Frieden der Stadt; aber er weiß, daß er wenig guten Willen findet; denn die Bürger argwöhnen, daß er nur auf Gelegenheit spähe, aufs neue Stadtgut zu jagen. So knarren die Wagen und handeln die Menschen, bis die Marktfahne am Rathhause abgenommen wird oder das Glöcklein den Markt ausläutet. Dann ziehen auf allen Straßen die Karren und Menschen zum Thore hinaus; Stadt uni> Land haben ihre Bedürfnisse ausgetauscht, die Sonne HH freundlich geschienen und auch der Rath ist nicht unzu frieden; denn nur einer ist tödtlich verwundet worden, dagegen sind eine ganze Zahl frecher Marktdiebe gefangen worden, die dem Nachrichter überliefert werden. In der Stadt selbst dauert die Bewegung fort; wie die Sonne sinkt, treibt heitere Aufregung die Bürger wieder in die Straßen; jeder freut sich des milden Abends; jetzt erst beginnt der Genuß des Tages. Der Handwerksgesell und der junge Schreiber gassiren und zeigen sich den jungen Mädchen, die an Fenster und Thüren stehen und Grüße und Scherzreden erwidern. Eifrig werden die Neuigkeiten ausgetauscht. Ist ein Fehdebrief am Stadtthore abgegeben worden, dann ist die Aufregung groß; wer einen Ver wandten auf der Landstraße hat, ist Mittelpunkt eines Kreises von Theilnehmenden. Eifrig wird auch der Fa milienklatsch gepflegt: daß der alte, wacklige Rathsherr Muffel von neuem — und zwar eine ganz junge! — heirathen will und daß Stromer und Mitzel sich auf der Gesellenstube wegen ihrer gleichen Wappen heftig gezankt haben. Ist die Sonne gesunken, dann wird es finster und leer in den Straßen; denn Beleuchtung giebt es noch nicht. Nur wenn eine Reihe vornehmer Gäste oder fremdes Kriegsvolk im Orte liegt, befiehlt der Rath, daß jeder eine Laterne vor sein Haus hange, oder eine Fackel oder ein Blech mit brennendem Kienholze. Wer am Abende Geld im Beutel hat, geht in die Trinkstube. Sie sind zahlreich — Erfurt hatte um 1300 wenigstens 5 bis 6 in jeder Straße - und für jede Art von Ansprüchen. Die Vornehmen schreiten in ihre Geschlechterstuben; der Handwerker sucht die Zechstube seiner Innung. Wer in eme öffentliche Schänke tritt, findet laute Geselligkeit und allerlei Gäste. Das lustige Leben der Schänke hört auf, sobald die Rathsglocke zum ersten Male läutet. Alle Hauser müssen geschlossen werden und kein Wirth darf mehr im Hause schenken; nur über die Straße ist noch Verkauf erlaubt. Nach dem letzten Läuten soll Niemand mehr auf der Straße sein; er wird angehalten und auf die Wache geführt. Es ist auch nicht ganz rathsam, bei Nacht in der dunklen Stadt zu wandeln; denn trunkene Gesellen ziehen trotz aller Verbote johlend umher und fallen - sogar mit dem Messer in der Hand! — an, wen sie treffen. Der Lärm auf den Gassen ist vorüber; nur