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«<N >« »I>». L<>L^2^>>VL^>I<>^1^1^^LI/L^2V^V^^>2^»2L<L)>L nicht! Wie strahlte sie, wenn sie mit dein hübschen Herrn Seume über das Eis oder durch den Tanzsaal flog. Da hab' ich sie — offen gestanden! — wirklich manchmal beneidet, aber jetzt nicht mehr. Das schwöre ich Dir zu." „Beneidet?" lachte die andre. „Ei, ei! Das läßt ja tief blicken. Ich glaube, Du hast wahrhaftig ein kleines kaidla für Herrn Seume." „Wer hätte das nicht?" ertönte ein tiefer Seufzer. „Ist aber natürlich verlorene Lie besmüh! In dessen Augen sind wir doch alle unglaubliche Gänschen neben Luise, dem königlichen Schwan. Ich bin fest davon überzeugt, daß er im stillen so denkt und sie noch heut leidenschaftlich liebt. Wie sollte man es sich denn sonst erklären, daß er sich durchaus nicht verlobt, obwohl er die nettesten und reichsten Mädchen haben könnte? In dem letzten Kaffeekränzchen bei meiner Mut ter waren alle Damen darüber einig." „Albernes Geschwätz!" knirschte der Ge genstand dieser Vermutungen und verließ heut überaus pünktlich die Gesellschaft. — Die Frau Kanzleirätin schaute seit diesem Abend wieder etwas weniger kummervoll drein als sonst. Ihr Sohn schien sich mit irgend einem entscheidenden Entschluß zu be schäftigen und bevorzugte sichtlich den Verkehr im Möllerschen Hause. Und wirklich! Eines sonnigen Vorfrüh- lingstages trat er mit sehr ernsthaftem Ge sicht an ihren mit Primeln und Veilchen ge schmückten Fensterplatz und setzte sich in den braunbezogenen Sessel, wohin Trude Möller schon als kleines Mädchen sich so gern aus der ewigen Unruhe ihres Elternhauses ge flüchtet hatte. „Ich habe heut um Gertrud geworben und ihr Jawort erhalten," sagte er mit un terdrückter Stimme. „Daß ich mir früher meine Zukunft anders dachte, das weißt Du ja, Mutter! Aber dergleichen überwindet sich. Die Hauptsache ist, daß man recht schaffen bleibt und vernünftig handelt. Aus diesen Gründen schließe ich meine Ehe, und Gertrud will sich damit bescheiden." „Das hättest Du ihr ausgesprochen?" fragte Frau Seume entsetzt. „Ja," erwiderte ihr Sohn mit finsterer Stirn. „Ich hielt es für meine Pflicht." Wenn Otto Seume seiner Mutter aus sprach, daß vor allem der Wunsch, ein recht schaffener Mensch zu bleiben, ihn zu seiner Werbung um Gertrud Möller veranlaßt habe, so gab er mit diesen Worten seiner vollen lleberzeugung Ausdruck. Durch das Gespräch der beiden jungen Damen war es ihm plötzlich klar geworden, wie gefährlich das Spiel war, welches er mit feinem eignen Herzen trieb. Liebte er Luise noch, die ihm jetzt als Gattin eines andern unerreichbar war und bleiben mußte? Er vermochte nicht, sich eine bestimmte Antwort auf diese Frage zu geben. Gewiß war von jener ersinn, blind bewundernden Liebe nicht mehr die Rede. Zu Urs war die Enttäuschung ge wesen. Aber auch die lächelnde Gleichgiltig keit, welche er vor ihr und andern zur Schau trug, war nicht echt. Luise besaß noch eine Macht über ihn — eine geheime, unheilvolle Macht, und es war seine Pflicht als Ehren mann, mit allen Mitteln gegen dieselbe an zukämpfen. So wie bis jetzt durfte es nicht weiter gehn, wollte er nicht sich und vielleicht auch die schöne, launenhafte Frau an den Ab grund der ärgsten Versuchungen führen. Als er mit sich allein war, zog er ein Bildchen hervor, welches er sich von Gertrud erbeten hatte, und betrachtete es aufmerksam. Der Photograph hatte unleugbar etwas geschmeichelt. Es war ein sehr gutes Bild. Hatte sie wirklich so feine, wohltuende Züge, so schön gewelltes Blondhaar? Bisher hatte er gemeint, daß ihre Augen das einzig An ziehende an ihr wären, denn diese waren in der Tat besonders hübsch — tiefblau unter dunklen Wimpern — und wenn Gertrud er regt war, wie heut morgen, erschienen sie fast schwarz. „Ein Barometer für die Stimmung der Frau Eheliebsten!" dachte Otto mit halbem Lächeln, unterdrückte dieses Lächeln aber bald. Wie ernst hatte sie ihn angesehn, als ihre kleine, warme Hand so fest und treu in der seinen lag! „Ich weiß," hatte sie mit tiefem Erröten gesagt, „daß Du mich nicht so lieb haben kannst, wie — wie ich Dich schon lange liebe. Aber ich will's doch wagen, weil ich manche Gelegenheit zu finden hoffe, um Dir durch meine Liebe wohlzutun." Ganz ohne Sturm ging es in den ersten Ehejahren des jungen Paares nicht ab. Assessor Seume wünschte ein geselliges Leben zu führen, um der Welt zeigen zu können, daß er keines Menschen Mtkeid brauchte, obwohl Luise Bartels einen reichern Be werber ihm vorgezogen hatte. Seine kleine Frau war im Sonnenschein des so heiß von ihr ersehnten Glückes über Erwarten erblüht. Der müde, traurige Ausdruck, welcher ihr Gesicht früher so reizlos erscheinen ließ, die matten Farben, die gedrückte Haltung ihrer schmächtigen Gestalt — sie waren einer fröhlichen Frische, einer heitern, unwidersteh lichen Anmut gewichen. Es fiel niemandem ein, an eine Vernunstheirat zu denken, der die beiden blonden, liebenswürdigen Menschen nebeneinander sah, während Luise Bartels neben dem alternden Gatten, sowohl durch ihre Erscheinung wie durch ihr zuweilen recht auffallendes Benehmen, oft genug mit Kopf schütteln betrachtet wurde. Es gewährte Otto Seume immer neue Befriedigung, als beneidenswerter und glücklicher Ehegatte ihr gegenüber zu treten, und dies wurde der Grund zu den ersten Meinungsverschieden heiten zwischen ihm und seinem sonst so nachgiebigen Frauchen. „Was kümmert uns der äußere Schein!" sagte sie oft. „Was geht es andre Leute an, daß wir uns so wohl ineinander gefunden haben, obgleich Dich ruhige Erwägungen, nicht eine blinde Leidenschaft zu mir führten? Ach, lieber Schatz! Völlig glücklich werde ich erst in dem Augenblick sein, in welchem wir beide sagen können, daß wir nach der ganzen Welt nichts fragen, wenn wir nur einander haben!" „Aber beste Trude!" erwiderte er dann wohl gereizt, „Du verlangst zu viel. Meine Natur ist eben mehr auf das Aeußere ge richtet. Ich brauche Menschen, brauche ein heitres, glänzendes Treiben um mich her. Und es macht mir Freude, wenn unser be hagliches Heim und vor allen Dingen meine nette kleine Frau bewundert werden." Nach solchen Unterredungen gestand sich Gertrud unter bitteren Tränen, daß er sehr viel anders reden würde, wenn er aus wirk licher Liebe um sie geworben hätte, bis die Aufmerksamkeiten und scherzenden Zärtlich keiten ihres Gatten sie wieder auf freund lichere Gedanken brachten. Vier Jahre später. Das äußere Glück Otto Seumes lag in Trümmern. Bei seiner Verheiratung hatte er die juristische Laufbahn aufgegeben, um in das Geschäft feines Schwiegervaters einzutreten und bei dessen Tode dasselbe zu übernehmen. Er fand bei genauer Einsicht die Verhältnisse durchaus nicht so glänzend, wie man allgemein an nahm. Ein gewiegter Geschäftsmann wäre mit den vorliegenden Schwierigkeiten wohl fertig geworden, ihm mißglückten die ersten felbständigen Unternehmungen gänzlich, und als ein ehrlicher, aber ganz mittelloser Mann ging er aus dem plötzlichen Zusammenbruch der Firma hervor. Auf Grund seiner juristischen und kauf männischen Kenntnisse erhielt er eine beschei dene Stellung bei einer Versicherungsgesell schaft und zog mit seiner Frau und feinen Kindern in das einfache Häuschen seiner Mutter. Anfangs hatte er namenlos unter dem Umschwung der Verhältnisse gelitten, und wenn irgend etwas ihn aus seiner Ver zweiflung herausgerissen hatte, dann war es das Erstaunen über Gertrud. Sie schien erst jetzt in ihrem Element zu sein, war die glückseligste Mutter ihrer beiden reizenden Kinder und fand abends nach all der unge wohnten Arbeit noch Zeit und Lust, mit.ihm zu. musizieren und die wenigen, wirklich treuen Freunde in anspruchsloser Gesellig keit um sich zu sehn. Und was das selt samste war, nirgends merkte er einen Mangel trotz seiner kargen Einkünfte. Gertrud klei dete sich mit eleganter Einfachheit, wie er es liebte, die Kinder sahen immer wohlgepflegt und peinlich eigen aus, und in die anfangs kahlen Zimmer kam manches schöne, neue Möbelstück. „Wie machst Du's nur, Trude?" fragte er oft verwundert. „Wir verstehen eben zu sparen, das Müt terchen und ich," erwiderte Gertrud dann er rötend, und damit war's abgetan. Durch einen Zufall kam er hinter die Wahrheit. Eines Sonntagnachmittags trat plötz lich Luise Borchardt in ausgesucht kostbarem Anzug in seine Wohnung, wo er sich gerade in fröhlicher Stimmung mit seinen jauchzen den Kindern herumjagte. „Entschuldigen Sie, Frau Seume," sagte Luife hochmütig, als sie sich dem Ehepaar gegenüber sah, „daß ich Sie so unvermutet überfalle, aber ich möchte Sie dringend bit ten, den Wandschirm, den Sie ßür mich malen, recht bald abzuliefern. Ich müßte mich sonst an jemand anders wenden." Hilflos, mit Blut übergossen, schaute Gertrud ihren erstaunten Gatten an, fagte dann aber rasch entschlossen:. „Sie verraten ja mein Geheimnis, gnädige Frau! Mein Mann hat bis jetzt nichts von meinem kleinen Atelier unterm Dach gewußt, und nun wer den Sie wohl mit anhören müssen, daß er mich ausschilt." Erwartungsvoll blickten beide Frauen zu Otto hinüber. Der aber sah nur die eine, die tapfere Gefährtin seiner Kämpfe. Er ergriff ihre Hände und bedeckte sie mit Küssen. „Mein liebes, treues Weib!" sagte er. „Ja, Du beschämst mich, und doch danke, danke ich Dir!" Luise ging bald, und als sie — freundlich verabschiedet — allein durch den niedrigen Hausflur schritt, lehnte die stolze, schöne Frau ihr Haupt an die Wand und weinte bitterlich.