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* Veit ,« kill». hren^m Burkhardt seinem Wesen entsprechend, >lein!urz und rauh, aber ohne Bedenken, die väter sei-Ijche Zustimmung zu diesem Verlöbnis er- adt,-eilt, das keine Feierlichkeit in der Reihe der sge-Tage äußerlich kennzeichnete. dem> Es ein Oktobersonntag, noch warm "'s'and sonnig, aber doch schon erfüllt von den kräftigen, herben Düften des Herbstes. Bar- E^bara, die Magd, schaute gelangweilt aus H^ ihrem Fenster. Rosel saß auf einem kunst- "'M »ag aus Birkenästen gezimmerten Garten- !stuhl, einem Produkt der Hausindustrie ihres Naters, unter dem Rankenportikus, dessen Blätterschmuck bereits sein Sommergrün «Mi gegen das satte Rot und Gelb der herbstlichen W« Farben ausgetauscht hatte. Sinnend schaute WV Rosel in die Tiefen des schon gelichteten Wal- NA ^des hinein, während sie die kleinen hartgear- W beiteten Hände gefaltet im Schoße hielt. In W ihren Augen lag heut ein trüber Ausdruck, M Und wenn auch nicht erregt, waren die Ge- W danken doch sicherlich nicht freundlich, die AD.'augenblicklich hinter des jungen Mädchens LW weißer Stirn arbeiteten. Neben der Nachsinnenden ging Rudolf UW Mit starten Schritten in dem kurzen Lauben- M gang auf und nieder. Auch sein gewohnter W Ernst zeigte sich heut um einen merklichen HM «chatten trüber gefärbt. Nur gesellten sich bei ihm Zeichen innerer Unruhe, ja eine leichte Erregung hinzu, von welcher Rosel W« nichts anzumerken war. Vielleicht empfand 8M auch sie etwas davon, nur daß bei ihrem ganz »W nach innen gerichteten Wesen nicht so leicht 8 ein stärkerer Wogengang die Oberfläche ihres S Empfindungslebens zu bewegen vermochte. Noch eine Weile blieb Rudolf neben seiner E Braut stehen und stützte die rechte Hand leise MA laber gleichwohl mit festem Griff auf die kW Lehne des Lattenstuhles. Rosel fühlte förm- W lich, daß die Bewegung einen besonderen, eben gefaßten Entschluß ihres Verlobten ankün- - digte. „Was willst Du tun, Rudolf?" fragte sie aufblickend. „Dieser Ungewißheit, diesem Tasten im Dunkeln, diesem bedrückenden Gefühl vor einem fremden und uns doch zweifellos sehr Nahe angehenden Geheimnis zu stehen, ein Mde machen!" antwortete der junge Mann Hei- agd- das als ente. inne lich- scheu ngs- haft- hat. eine allen urk- effen nger bald sein än- nge- den rsten ngeu ichen zlln- war, mch- bestimmt. Rosel nickte. „Es wäre das Beste, ja. Allein, wie willst Du diesen Zweck erreichen, Liebster?" „Durch eine offene und dringliche Frage lnach dem Geheimnis, das Dein Vater uns verbirgt und besten Vorhandensein sich doch Ins zu deutlich in seinem besonders gegen lMich so Plötzlich veränderten Wesen kennzeich net, seitdem er durch Zufall vor drei Tagen die Photographie meiner verstorbenen Mut ter erblickte. Welcher Grund bestimmt ihn, Won dieser Stunde an ohne jede Erklärung schroff, nein, mehr noch, feindselig gegen mich zu sein, nachdem er bisher in mir gern ! seinen zukünftigen Schwiegersohn sah?" „Kannte der Vater vielleicht Deine Mut ter früher einmal?" fragte Rosel gedanken voll. „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Er weicht mir förmlich aus, wenn ich ihn darum be frage. Doch mag der Zusammenhang auch beschaffen sein wie er will, ich werde ihn heut so eindringlich fragen, daß er mir dieses un- erquickliche Geheimnis enthüllen muß, damit Mir endlich wieder frei von dem bangen Druck der letzten Tage aufatmen und uns, wie sonst, unsers Lebens und unsrer Liebe freuen können." Er ergriff im Eifer seiner Worte die bei den Hände seiner Braut und drückte sie zärt lich. Rosel aber schüttelte trübe den Kopf. „Ich fürchte, jede Frage ist umsonst!" seufzte sie, „Du kennst den Vater noch nicht so gut wie ich. An diese verschlossene Brust pocht jede Frage um ihre Geheimnisse ver gebens, wenn er nicht selbst die Absicht hat, darüber zu sprechen. Ist er Deinem Drängen bis heut ausgewichen, so fürchte ich, daß er's auch fernerhin tut." „Wir werden ja sehen, mein Lieb!" be harrte Berner kurz, während der heut beson ders stark um seinen Mund gekennzeichnete Zug von Entschlossenheit sich noch verschärfte. Er zog sich einen zweiten Stuhl neben den Rosels und still, fast wortlos, hingen die beiden Verlobten stundenlang ihren bangen, unfreundlichen Gedanken nach, während sich halb unbewußt zärtlich Hand in Hand legte. Die Schatten des Abends stiegen bereits unter den Bäumen auf, als Burkhardt end lich wieder heimkehrte. Nach dem einsilbig verlaufenen Mittagessen, bei welchem der finstere alte Mann sich wie in den letzten Ta gen wieder unzugänglicher gezeigt hatte als je in seinem Leben, war er mit Büchse und Vorstehhund in den Wald hinausgeHangen, ohne ein Wort gegen die zurückbleibenden drei Hausgenossen zu äußern. Gejagt hatte er nicht, wie man jetzt bei seiner Rückkehr wohl sah; denn in solchem Falle pflegte der tüchtige alte Waidmann niemals ohne Jagdbeute zu- rllckzukehren. Schweigend, ohne Gruß und Wort schien Burkhardt an dem Brautpaar vorüber ins Haus gehen zu wollen. Plötzlich blich er je doch stehen und drehte sich kurz auf dem Ab satz zu seinem Eleven zurück. „Wie hieß sie denn?" Rudolf blickte den Alten bei dieser rauhen und wenig wortreichen Erkundigung be troffen an. „Wer?" fragte er zögernd zurück, wäh rend eine leichte Röte ihm in das Gesicht stieg. Burkhardts buschige weiße Brauen zogen sich finster zusammen. Flüchtig zuckte ein flackernder Blitz in seinem Auge auf. In dessen erlosch er ebenso schnell auch wieder; denn der alte Förster gab sich sichtlich Mühe, den in seiner Brust wogenden Aufruhr zor nig entfesselter Gefühle niederzukämpfen. „Wer?" wiederholte er Rudolfs Frage mürrisch, „sie natürlich, die Frau, deren Bild Du da in der Tasche trägst!" Eine neue Blutwelle schoß Berner jetzt ins Gesicht, dunkler als die vorangegangene flüchtige Röte, Unwillen verkündend. „Meine tote Mutter meinst Du!" versetzte er ernst, dem Worte Mutter eine besonders scharfe Betonung gebend; „wenn Dir daran liegt, ihren vollständigen Namen zu erfahren, so hättest Du mich schon neulich darum be fragen können, Vater. Meine Mutter hieß Annemarie Berner." Burkhardts Hände ballten sich zusammen. Er schob die Arme mit einer brüsken Bewe gung auf dem Rücken ineinander und ließ das weißbärtige Kinn auf die Brust herabsinken. Halbabgewandt von Rudolf, brachte er sein Ohr dessen Lippen unwillkürlich näher. Die ganze Seele schien sich bei dem alten Mann im Gehör konzentrieren zu wollen. Er sah we der seine Tochter noch Berner an; er bemerkte nicht die ängstliche, atemlose Spannung, mit welcher beide ihn beobachteten; er hörte nur, wollte nur hören. „Also Annemarie! — Annemarie!" mur melte er tonlos, „und ihr Geburtsname, wie hieß der? Das wirst Du doch auch wissen." Ein seltsames Frostgefllhl rieselte Ru dolf den Rücken hinab. Was sollte dieses Examen bezwecken? „Meine Mutter war eine geborene Her der," antwortete er. Seine Stimme klang heiser und zitterte von einer inneren Span nung, welche jede Fiber, jeden Nerv bei ihm ergriffen hatte. „Annemarie Herder! O o!" Es klang wie ein wildes, schmerzliches Aufstöhne», hervorbrechcnd aus den innersten Tiefen eines Menschenherzens, das sich nach langem, aufreibendem Kampf erschöpft den Strudeln seiner qualvoll die Brust durch stürmenden Gefühle überläßt. Burkhardt hielt minutenlang den starren Blick unbeweg lich auf den Erdboden geheftet. Seine Lippen bewegten sich zuckend, während die starke, knorrige Gestalt des Greises sichtlich in sich zusammensank. „Vater!" sagte Rosel sanft und ging auf ihn zu. Burkhardt wies sie jedoch mit einem stummen Kopsfchütteln von sich. „Vater, fei nicht so verschlossen. Sage Rosel und mir, was Dich so furchtbar be wegt!" bat nun auch Rudolf. Er wollte be ruhigend seine Hand auf des alten Försters Schulter legen. Diese Bewegung brachte wie der Leben in des Greises völlig gebrochen scheinenden Körper. Burkhard wich einen Schritt vor der ausgestreckten Hand seines wohlmeinenden Schwiegersohnes zurück. „Nicht jetzt! Heut nicht mehr! Komme morgen früh in mein Zimmer. Vielleicht habe ich Dir dann etwas zu sagen, sogar wich tiges vielleicht!" antwortete der Alte mit klangloser Stimme. Er wendete sich schwer fällig ab und ging müden, fast schleppenden Schrittes in das Haus hinein. Im Innersten erschüttert und Zugleich noch mit verdoppel ter Bangigkeit folgten ihm die beiden jungen Leute mit den Augen. Dann schauten sie sich ratlos und verzweifelt in die bleichen Ge sichter. „Mein Gott, welch schwere Prüfung mag unsrer Liebe bevorstehen!" seufzte Rosel, Ru dolfs Rechte mit ihren eigenen zitternden Händen umklammernd. Der junge Eleve strich mit der linken Hand leife und zärtlich über den braunen Scheitel seiner Braut. Klar und ernst rich teten sich seine Augen nach dem Himmel em por. Hier unten lag schon das Dunkel des Abends äusgebreitet; dort oben aber erfüllte noch der entschwindende Lichttraum des Tages die unermeßlichen Lufträume mit einer mat ten, dämmerigen Helligkeit. Rudolfs Blick schien förmlich hineinzutauchen in diesen letz ten Abglanz der scheidenden Lichtwellen. „Es wird sich alles aufklären und zu un serm Glück wenden, liebste Rosel," sagte er weich; „das ist die Nacht. Das Licht, dessen Glanz uns so lange erquickte, scheint zu ver gehen. Scheint! Am nächsten Morgen ist er doch wieder da und wir wähnen, es leuchte noch schöner wie zuvor. Gibt es etwas auf der Welt, was uns trennen könnte?! Ich wüßte nichts, es wäre denn etwas, das heut noch kein Gedanke erreichen kann!" Er gab Rosel den Gutenachtkuß und beide drückten sich noch einmal stumm die Hände. Dann fchulterte Rudolf sein Ge wehr und trat langsam und gedankenvoll den Heimweg nach seiner Jagdhütte an. — Am andern Morgen, nachdem er bereits früher als sonst einen Teil seiner beruflichen Obliegenheiten erfüllt hatte, fand der junge Eleve sich zum Morgenkaffee im Forsthause ein. Burkhardt erschien nicht an dem in der Wohnstube gedeckten Kaffeetisch, sondern ließ sich den Frllhtrunk nach seinem Zimmer bringen. Bald danach verfügte sich denn auch Rudolf dorthin. (Schluß solgl.)