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vv -1l I »> niia. u^L^^^^^xv^^xvr^vixvrxv^rxrv^v^u^u^^^s Schönheit zeigte. Dichte graue Silberstreifen durchzogen ihr reiches, welliges, am Hinter haupt noch völlig dunkles Haar. Ihre schlanke, feingeformte Gestalt zitterte in sei nen Armen. „Kann ich Ihnen irgendwie dienlich sein," fragil er weich, wie man zu einem Kinde spricht. „Wären Sie imstande, mit meiner Beihilfe sich zu erheben?" Langsam richtete sie sich in die Höhe. „Wie kam ich hierher, wo befinde ich mich?" fragte sie ängstlich, mit müder, ver schleierter Stimme. „In der Nähe der Rue Aventin!" erwi derte Düval freundlich. „Leider kamen Sie den Pferden unsres Wagens zu nahe und erlitten einen Unfall. Fühlen Sie sich nun wohl genug, Ihre Woh- nung aufzusuchen?" „In der Nähe der Nue Aventin, dem Stadtteil der vornehmen Welt?" fragte sie schweratmend, ein bitteres Lächeln kräuselte ihren Mund, „nein, da bin ich nicht zu Hause. Ich gehöre dahin, wo die Arbeit und die Ar mut eine Heimstätte hat, in das Viertel der einfachen Leute." Der weiche, biegsame Tonfall ihrer Stimme, noch mehr aber der schwermütige Blick der dunklen Augen er schütterten Düval bis ins Herz, schlugen eine längst verklungene Saite seines Innern an. Er suchte, suchte mühsam in seiner Erinne rung. „Benötigen Sie eines Beistandes, Ma- ! dame?" fragte er nochmals eindringlich. „Sie sind jung und gütigen Herzens, das tut wohl und ich danke Ihnen," gab sie leise zur Antwort. „Mir kann niemand helfen. ' Mein Leiden ist seelischer Natur. Recht- nnd heimatlos irre ich in der Welt umher. Verstoßen von meinem Vater, verraten und verlassen vom eigenen Gatten, vergessen von meinem einzigen Kind!" Ein wildes, ver zweifelndes Schluchzen erstickte ihre Stimme. Düval trat erschreckt von ihr hinweg. Hatte er es hier mit einer Abenteuerin zu tun, die ihn mit einer erlogenen Schauergeschichte zu täuschen, aus feinem Mitleid Kapital zu schlagen suchte, oder sah er eine Geisteskranke vor sich, die in einem unbewachten Moment ihren Wächtern entflohen war? Beide Mög- ' lichkeiten waren vorhanden. Im stillen be reute und verwünschte er seine überflüssigen Gefühlserregungen. Warum hatte er auch Mericourts vernünftigen Vorstellungen keine Folge gegeben und die Verunglückte ihrem Schicksal überlassen, statt sich derartigen Un gelegenheiten auszusehen: nun sah er sich ge zwungen, die Konsequenzen seiner Hand lungsweise auf sich zu nehmen. „Die Nachtlust wird sie schädigen, Ma- dame!" sagte er rauh. „Im Fall Sie sich leine äußeren Verletzungen zugezogcn haben, bitte ich Sie, zu bestimmen, wohin ich Sie bringen darf?" Willenskräftig bewegte sie sich einige Schritte vorwärts, doch die Füße versagten ihr den Dienst. Mit einem Wehelaut brach sie abermals zusammen. Ohne lange zu überlegen, rief Düval einen Wagen heran, gab dem Kutscher seine Adresse, hob mit dessen Beihilfe die Ohn mächtige hinein und fuhr in seine eigene Wohnung. Das Mitleid war stärker, als jedes andre, engherzige Bedenken. Hier be durfte es einer'erfahrenen, weiblichen Hand zur Pflege und da ihm die Portiersfrau sei nes Hauses, eine Bretagnerin, die ihm auch seine Junagesellenwohnung imstande hielt, als eine freundliche, gutherzige Frau bekannt war, erhoffte er ihren Beistand. Er sollte in seiner Voraussetzung sich durchaus nicht getäuscht fühlen. Auf sein Läuten öffnete Frau Rigault bereitwillig die Tür und ohne ihn lan^e mit neugierigen Fragen zu be helligen, half sie ihm auf seine höfliche Auf forderung und einige aufklärende Worte hin, die Reglose in seine Gemächer tragen und dort auf einen Divan betten. Nachdem sie ihm noch bei seinen Wiederbelebungsver suchen kräftig Beistand geleistet und die Fremde unter ihren vereinten Bemühungen zum Bewußtsein kam, zog sich Frau Rigault mit dem Bemerken, jederzeit zur Verfügung des Herrn Kapitäns zu stehen, in ihre eignen Zimmer zurück. Nach und nach wurden die ermatteten Lebensgeister der Verunglückten reger, ihr Atem frischer. Das geistige Verständnis und mit ihm die geistige Denkkraft kehrte zurück. Beide Hände vor das Antlitz schla gend, brach sie in ein leises, schmerzliches Weinen aus. „Beruhigen Sie sich, Madame!" Düval trat besorgt hinzu. „Sie befinden sich in guter Obhut. Sobald sich Ihr Schwäche zustand gehoben, können Sie in Begleitung meiner Hausfrau in Ihre eigne Wohnung zurückkehren. Alle Unkosten, die Ihnen aus dem Unfall entstehen, nehme ich auf wich!" Stolz richtete sie sich in die Höhe und stolz war der Blick ihres Auges, als sie er- widerte: „Ich benötige kein Almosen, mein Herr, und verdiene, was ich brauche. Ver zeihen Sie, daß ich Ihnen Ungelegenheiten brachte und nehmen Sie für Ihre Güte mei nen aufrichtigen Dank entgegen. Das Nebel meer hat mich verwirrt und unsicher gemacht, weshalb ich meinen Weg verfehlte. Ich fühle mich kräftig genug, mein eignes Heim wesen auszusuchen!" Der gebietende Ton, die gebietende Hal tung kennzeichneten die Dame der einstigen guten Lebensverhältnisse und guter, gesell schaftlicher Bildung und imponierten Düval! sichtlich. „Als Urheber Ihres Unfalls war es meine Pflicht, Ihnen nach besten Kräften , dienlich zu sein," erwiderte er sehr höflich. „Mein Anerbieten geschah durchaus nicht in der Absicht, Sie zu beleidigen, betrachten l Jie es als ungesprochen!" „Ich danke Ihnen von Herzen!" erwi derte sie einfach. Ihr Blick streifte gefesselt sein männlich schönes Angesicht, den edelge- .ildeten Kopf mit der üppigen, braunen Lockenfülle und den tiefblauen, von dunklen Wimpern verschatteten Augen, streifte eine kleine, rote Narbe, die an der linken Schläfe fortlief und in dem reichen Kraushaar sich verlor. Die Pupille ihrer dunklen Augen vergrößerte sich zusehends, ihr Blick suchte in der fremden Umgebung weiter, blieb auf einem Gemälde haften, welches im verblaß ten Goldrahmen, das Bildnis eines ergrau ten, vornehmen Herrn mit strengen, beinahe harten Gestchtszügen darstellte. Unter die sem Porträt hing ein kleines, lebenswahr ausgeführtes Bildnis eines rosigen, lachen den Knaben, der mit Hellem Kinderblick frohsinnig in die Welt schaute. „Raoul!" schrie sie im Uebermatz jauchzender Freude, unverhofften Glücks laut auf. Es war ein herzerschütternder Laut, ein Laut, der zum Herzen ging. Totenbleich, keines Wortes mächtig, stand Düval eine Weile reglos, das Unglaubliche kaum zu erfassen vermögend, dann ging es wie ein Blitz des Erkenntnisses durch seine Seele. „Mutter!" — — rief er in tiefer, innerer Bewegung, die bleiche, bebende Frau in seine Arme schließend, ihr feines, durchgeistigtes Antlitz, die von Silberfäden durchschimmer ten, seidenweichen Haare mit seinen Lippen berührend, „Mutter, Du lebst, Du bist bei mir, indes ich Dich längst als eine Tote be trauerte, indes man mich Dich wie eine Tote beweinen ließ." „Raoul, mein Kind, mein Liebling!" sie küßte ihn auf die Stirn, auf die rote Narbe unter den Haaren, dabei flossen ihr die Trä nen wie leuchtende Perlen über die Wangen und benetzten sein Antlitz, seine Hände. Äe hutsam zog er sie neben sich auf einen Divan nieder. iForlsetzung folgt.) Z MWWWZMWMßM Imnmmmmmnmnmnmmmmmmnv Vergiftet. Margot Evers, die junge Gattin K des Professors aus der ersten W Etage, wollte soeben in scheuer Eile die teppichbelegten Trep pen des hochmodernen Mietshauses hinauf schlüpfen, als im Hochparterre die Koni- dorthür geöffnet wurde und im Rahmen der selben eine elegante, auffallend schöne Frau erschien. Diese Begegnung, die Margot so gern vermieden hätte, blieb ihr also auch für heut nicht erspart. Resigniert erwiderte sie den Gruß der Hausgenossin, welche Margot mit einem spöttisch-erstaunten Blicke maß. „Aber meine liebe Frau Professor, werde ich Sie denn niemals anders sehen, als in Ihrem Straßenkleid? Wahrhaftig, Ihr Gatte versündigt sich an ihrer Jugend! Er kann es nicht verantworten, daß er Sie dauernd von jedem Verkehr fernhält!" Frau Toni Walden prunkte in großer Ge sellschaftstoilette. Der entzückende Abend mantel ließ nur ore lange Brokatschleppe des lichtblauen Seidenkleides frei. Den reizen den Kopf umhüllte wirkungsvoll ein weißer Spitzenshawl, hier und dort blitzte in dein dunklen Gelock ein köstlicher Brillant auf. .Fast täglich fand eine Begegnung zwischen den beiden jungen Frauen statt, Margot mochte nun vormittags oder am Abend ihren Spaziergang unternehmen. Es war, als treibe hierbei ein neckischer Kobold sein Spiel, lind immer strahlte Frau Toni in einer Ma ünee- oder SoireetoÜette, wogegen Margot ab wechselnd in ihren schlichten Tuchkostümen er schien, deren dunkle Farben, blau oder grau, Professor Evers selbst ausgesucht hatte. „Was soll ich beginnen," seufzte sie, „mein Mann behauptet, nicht schaffen zu können, wenn er am Gesellschaftstrubel teilnimmt. Er fühlt sich nicht wohl unter den Menschen, und — er hat ja kaum Zeit für mich. Die Arbeitsstube ist sein liebster Aufenthalt." „Natürlich, er hat keine Ahnung von der Rücksicht, die er seiner Gattin schuldet. Sie müssen ihn erziehen, Liebe, ihm begreiflich machen, daß er Ihnen gegenüber Pflichten zu erfüllen hat. Im Umsehen wird natür lich nichts zu erreichen sein, aber Sie dürfen nicht nachlassen — täglich eine Lektion —" Ein eleganter Wagen rollte vor die Thür, die Zofe erschien, um ihrer Herrin das Ge leit zu geben. Toni nickte flüchtig, mit einem gönner haften Lächeln, der jungen Frau zu, „mein Mann erwartet mich bereits, auf Wieder sehen! Vergessen Sie nicht, Ihrem Tyrannen eine Leküon zn erteilen!"