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Veil l» klick. L^2L»v2»vt>VI>VA«>t>VL<SL^r2^rL^>)>21>7>Z>V^r!^rL^S^»L^2 »us aen Wogen aes Lebens. Roman von Louise Camm erer. s4^ utter und Sohn hielten sich schweigend umschlungen. Es danerte lange, bis die hochgehen- —den Gefühlswogen beider sich be sänftigt hatten. Den Kopf an feine Wange geschmiegt, fragte sie im scheuen Flüsterton, auf das Bildnis des alten Herrn deutend: „Schied er im Groll oder Frieden? Mit einem Fluch oder Segenswort?" „Er schied im Frieden," gab er ernst zur Antwort, „und nun schaffe mir Klarheit, Mutter, löse den Konflikt in meiner Seele. Erkläre mir, weshalb wir uns trennen, ich Dich entbehren und in der Finsternis leben mußte, nachdem ich vorher im Sonnenschein gewandelt, Mutterliebe im überreichen Maß genoß!" Die reinen, zarten Linien ihres Ange sichtes verschärften sich in Bitterkeit, den Mund hob ein herbes, hartes Lächeln. „Der Wille Deines Großvaters war ent scheidend für unser beider Leben, Raoul. Nur auf dem Machtgebot, daß ich Dich bedingungs los auf immer in feine Hände gab, tot für Dich sein wollte, sicherte Dir, der strenge, kalte Mann Aufnahme und Schutz zu." „Und wo blieb mein eigener Vater, der mir dies alles zu geben verpflichtet war? Warum entzog er sich der Pflicht?" Aufschluchzend barg sie das Gesicht an seinem Haupte. Mit düster gefalteten Brauen fchaute er auf die bleiche, verzweifelnde Frau. „Du forderst Wahrheit und hast ein Recht, sie zu fordern, mein Sohn. Sie soll Dir nicht länger vorenthalten sein!" Tief Atem schöpfend fuhr sie mit gedämpfter Stimme fort. „Ich verlebte meine Kindheit in dem Eden Frankreichs, in der sonnigen Provence. Da ich das Glück hatte, nur einen Bruder zu besitzen, der frühzeitig eine Kriegsschule besuchte, so wurde ich der verhätschelte, ver wöhnte Liebling meiner geliebten Mutter, die ich leider nur allzu früh durch den Tod ver lor. Mit ihrem Scheiden schwand das Licht und die Wärme aus meinem Leben. Mein Vater, ein Lebemann und Verschwender schlimmster Sorte, lebte ausschließlich nur seinen vornehmen Neigungen und glaubte seinen Pflichten vollauf genügt zu haben, wenn er mir gutbezahlte Erzieherinnen hielt und meinen Bruder Ernst alljährlich durch einen Besuch erfreute, um von besten Fort schritten sich zu überzeugen. Eingehender mit der Erziehung und dem Seelenleben seiner zwei Kinder sich zu beschäftigen, fehlte es ihm an der nötigen Zeit. Sorgenlos lebte er in den Tag hinein, sorgenlos gab er das Geld mit vollen Händen aus, selbst dann noch, als unser bedeutendes Familienver mögen bis auf einen bescheidenen Bruchteil zusammengeschmolzen und unsre Familien güter weit über den reellen Wert belastet waren. Die gesetzliche Entmündigung, die in unserm Interesse erfolgte, setzte seiner Ver schwendungssucht einen Damm und sicherte ihm eine kleine Rente zu, mit der er sich, grollend und zerfallen mit allen Menschen, seine eigenen Kinder eingerechnet, auf unfern Familiensitz zuriickzog. Mit dem Gleichmut unerfahrener Jugend vernahm ich die Bot schaft unsrer Verarmung, indes mein Bru der Ernst, der inzwischen zum Offizier eines der angesehensten Regimenter Frankreichs be fördert worden war und einen bedeutenden Zuschuß zu seinem höchst bescheidenen Ein kommen sich erhofft hatte, bei der Nachricht unsres Vermögensverlustes außer sich geriet, den Vater mit Vorwürfen überhäufte und nach einer stürmischen Auseinandersetzung ohne Gruß und Abschiedswort dem Vater haus auf immer den Rücken kehrte und nach Algier sich versetzen ließ. Mir wurde die Tragweite des Wortes Armut erst später, als ich das Gnadenbrot bei einer Tante, der Witwe eines Obersten in Paris, genoß, in seiner vollen Bedeutung klar. Mein Vater sah mich nur allzu gern scheiden, herzliche Familienbande hatten uns nie verknüpft, so mochte er denn innerlich froh sein, mich auf eine anständige Art los zu werden. In Paris fand ich freundliche Aufnahme, und geschah von Seite meiner Tante alles, mir eine gute Position zu sichern. Sie suchte neue Verbindungen mit der Welt, führte mich in Gesellschaften und Theater, kurzum sie that alles, mir zu einer vornehmen Partie zu verhelfen. Daß dieselbe nicht zu stände kam, war wahrlich nicht in ihrem Verschulden zu suchen, sondern vielmehr der kühlen Zurück haltung, die ich gegen alle ihre Heiratspro jekte an den Tag legte. Mein besseres Selbst lehnte sich dagegen auf, eine jener öden, leeren Konvenienzehen einzugehen, bei denen die äußere Höflichkeit, das mangelnde seelische und geistige Verständnis zu ersetzen suchen soll. Es widerstrebte mir, mein junges Leben an einen jener älteren Lebemänner zu ketten, wie sie vielfach in den Salons meiner Tante verkehrten. Aus reiner Herzensneigung Wollte ich wählen und gewählt werden, und da für das verarmte Adelsfräulein kein so törichter Freier sich fand und ich mich anders nicht bestimmen lassen wollte, wurde meine Tante nach mehrfachen verunglückten Ver suchen allmählich der Geschichte müde und gab mir auf eine ziemlich unverblümte Weise zu verstehen, daß ich anfinge, ihr lästig zu fallen. Von meinem Vater erhielt ich, auf meine Bitte in das Vaterhaus zurückkehren zu dürfen, eine noch weit schroffere Abferti- gung. „Er fühle sich durchaus nicht berufen, einen phantastischen, überspannten Kinds kopf in seinem Eigenwillen zu bestärken," schrieb er mir kurz zur Antwort, „und gebe mir den wohlmeinenden Rat, in allen Dingen den vernünftigen Anordnungen der Tante mich zu unterwerfen, andernfalls er mich un besorgt meinem Schicksal überließe.' Da stand ich nun mit der Weisheit mei ner siebzehn Jahre auf dem glatten, gefähr lichen Boden von Paris, dessen Freuden mein Vater dereinst bis auf die Neige ausgekostet, rat- und hilflos. Die Heimkehr war mir verboten. Meine Tante verstimmt über meine selbständige Denkweise, sah mein Gehen lieber als mein Bleiben, was sollte ich beginnen? Meine Sprachkenntnisse waren zu unfertig, um einer Erzieherinnenstelle vorsteLen zu können, zu niederen Dienstleistungen fehlte es mir an der nötigen Körperkraft und Ar beitslust. Ziel- und planlos durchirrte ich die Straßen der Weltstadt und konnte .zu keinerlei Ergebnis kommen und wagte mich an nichts heran. Mein Weg führte mich an der oomaäio krantzaistz vorüber. Einem inneren mächtigen Impulse folgend, ging ich hinein und ließ den Direktor um eine Unterredung bitten. Das Herz klopfte mir zum zerspringen, als ich vor ihm stand und in flehentlichen Worten um eine, sei es auch noch so untergeordnete Thätigkeit auf der Bühne bat. Nach vielen Bitten, die der Direktor geduldig angehört, versprach er, mich demnächst zu einer Probe heranzuziehen. Von diesem Tage ab begann meine Bühnenlaufbahn!" Mit steigendem Interesse hatte Düval der Erzählung feiner Mutter gelauscht, bei ihren letzten Worten erhob er sich und ging mit un ruhigen Schritten in dem großen Gemach auf und ab. „Erst jetzt wird es hell in meiner Seele, wird mir so manches Rätselhafte aus meinen Knabenjahren klar, Mutter!" fagte er mit gepreßter Stimme. „Jedenfalls bliebst Du auch späterhin der Bühnenwirksamkeit treu und kamen die Geldsendungen, die in be stimmten Zeiträumen an den Großvater ein liefen, aus Deinen Händen?" „Gewiß, mein Sohn, namhafte Summen überwies ich ihm," erwiderte sie mit einem ernsten Aufblick, „Summen, die ich mir durch verdoppelte Berufsanftrengung auf meinen Gastreisen erwarb und die er vielleicht der Laune eines Augenblicks oder seiner Spiel wut opferte. Für Deine Erziehung war das Geld bestimmt, Raoul, und nach allem, was ich insgeheim in Erfahrung brachte, handelte er dem Enkel gegenüber weit forgfältiger und gewissenhafter, als es einst gegen seine eigenen Kinder geschah und sühnte somit manches, was er an uns gesündigt." Abermals zuckte es herbe um ihren schön geschwungenen Mund. Eine Weile blickte sie vor sich hin, dann nahm sie ihre Erzählung wieder auf. „Höre weiter, Raoul," fuhr sie mit weicher, vibrierender Stimme fort, „denn es ist Dein Vater, von dem ich Dir erzählen will, und dem ich die glücklichsten, zugleich aber auch die dunkelsten Stunden meines Lebens ver danke. Anfangs trat ich mit kleinen Leistun gen vor das Publikum und gefiel. Nach dem ersten Beifall perlor ich die Scheu, belebte sich mein Mut und das Vertrauen auf mein Können um ein Beträchtliches. Mit wahrem Feuereifer warf ich mich auf das Studium größerer Rollen und suchte mich in den Geist derselben hineinzuleben. Nach und nach ge lang es mir, den Höhepunkt der Kunst zu er- reichen, mit meinen Glanzleistungen dem an spruchsvollsten Kritiker ein warmes Lob ab zuringen. Der wachsende Erfolg brachte mir Gönner und Freunde in Menge, brachte mir ehrenvolle Heiratsanträge, die ich ablehnte. Aus eigener Kraft hatte ich mir eine ange sehene Stellung geschaffen und ich wünschte sie vorerst zu behaupten und mich nicht in Fesseln zu begeben. In vollen Zügen genoß ich das freie Leben, das die Bühnentätigkeit mit sich brachte, ohne jedoch meine Freiheit je zu mißbrauchen, ohne je auch meine weib liche Würde oder Ehre zu vergessen. Mein Name wurde stets mit Achtung genannt und ich wußte mir die Achtung zu erhalten, trotz dem es mir an Anfeindungen keineswegs fehlte. Zu meinen eifrigsten, treuesten Ver ehrern zählte ein junger, deutscher Graf, dessen vollen Namen ich Dir nach dem Schluß meiner Erzählung nennen werde. So oft ich auftrat, war er im Theater zu fehen, über schüttete er mich mit seinen Beifallsbe zeugungen. Der Zufall vermittelte unsre persönliche Bekanntschaft. Ich lernte in ihm einen hochgesinnten, gütevollen Menschen kennen, einen Menschen von wahrhaft adeliger Gesinnung, der es streng mit den eigenen Pflichte.n nahm, die Schwächen andrer jedoch mit Milde und Nachsicht beurteilte. An feiner Seite, unter seinen verföhnlichen, friedevollen Worten klärte sich alles, was verworren und unklar in meiner Seele lag. Mein Herz schlug ihm entgegen. Ich liebte, liebte von ganzem Herzen und wurde in gleicher Weise wiedergeliebt. Ueber dem Glück unsrer jungen Liebe vergaßen wir alle nationalen Zwistia