Volltext Seite (XML)
rücksiäsiigen die Menschliche Natur nicht, und so viel Schönes der Kommunismus in vielen Beziehungen auch einschließe, so könne er erst in einigen Generationen verwirklicht werden. Der Delegation ist ausgefallen, daß unter der bolschewistischen Regierung keine industrielle Freiheit besteht und daß Arbeits niederlegung nicht gestattet wird. Großbritannien. X In Erklärung der deutschen Zeppeline. Im eng lischen Unterhause sagte Churchill in Erwiderung aus eine Anfrage, die Auslieferung des deutschen Luftschiffes ,L 71' sei in den nächsten Wochen zu erwarten. Das Luftschiff werde zunächst in Fulham (Norfolk) stationiert. Man hoffe durch seine Probefahrten wertvolle Erfahrungen zu machen. Ein zweites Luftschiff werde in den Besitz der Vereinigten Staaten übergehen. Über drei weitere Luftschiffe, die sich noch im Bau befänden, stehe ein Abkommen bevor, durch das sie für Handelszwecke nutzbar gemacht werden würden. Auf die weitere Frage, warum „L 71- noch nicht aus geliefert sei, erwiderte Churchill: „Wir sind nicht unbefriedigt über die Art, in der die Deutschen ihre Verpflichtungen er ¬ füllen." Persien. X Englischer Rückzug auf Bagdad. Die Londoner Blätter veröffentlichen ein Moskauer Radiotelegramm, das besagt, daß in Rescht eine provisorische persische Regierung gebildet wurde, die den revolutionären Führer Mirza Kutschuk zum Oberhaupt hat. Die englischen Truppen haben sich nach Bagdad zurückgezogen, nachdem sie Rescht kampflos geräumt hätten, weil die Hindutruppen sich weigerten, gegen die Revolutionäre zu kämpfen. Aus Zn- und Ausland. London. Im englischen Unterhause sagte Bonar Law aus eine Anfrage, falls der Präsident der Vereinigten Staaten Las armenische Mandat ablehne, glaube er nickt. Lau England bereit lei, es zu übernehmen. Wsli- und DolkswirischasF. Der Stand der Mar?. Die nachstehende Tabelle besag-, wieviel Mark für 100 Gulden, dänische, österreichische, ungarische oder lichechucke Kronen, schweizer und üanzösische Frank und Lire sowie >ür l- Dollar und 1 Pfund Sterling gezahlt wurden. („Brief" -- an- geboten: „Geld" — geiuckt.) Börsenplätze 1«. «. Geld § Brief 9 Geld 6. § Brief Stand 1. 8. 14 Solland. . Gulder 1388,60 1401,40 1448.50 1^51,50 170 Mk. Dänemark . Kronen 649,85 650,66 669.30 670,70 112 . Schweiz. . Frank __ — — — 72 , Amerika. . Dollar — —— 4.40, England . Pjunü 151,80 152,20 153,80 154,20 20,20 , Frankreich . Frank — — 80 . Italien . . Lire 224,75 225.25 2Z9.75 230,25 80 „ Dt.Osterreich Kronen 28,22 88,28 28.22 26.28 85 . Ungarn . . Kronen 22,47 82,58 82.47 22.53 85 , Tschechien . Kronen 87,40 87.60 88,65 88.85 85 „ -tc Gesetzliche Senkung der ZeLensmiLtelpLcise. Eine Vorlage zur Senkung aller Lebensmittelpreise wird eines der ersten Gesetze sein, das von allen Parteien unterstützt, dem neuen Reichstage zugehen wird. Man denkt an normierte Friedenspreise, die vom Produzenten nicht über 15 V», vom Detaillisten nicht über 30°/« überschritten werden dürfen. Lebensmittelschieber und Wucherer, aber^ auch Schieber in anderen Waren, sollen außer mit hohen Strafen durch voll kommene Vermögenskonfiskation und Kassierung des Ge schäfts sowie das Verbot des Weiterhandelns bestraft werden. Wohnungswucher wird durch Einziehen der Mieten für den Hauswirt und durch zwangsweise Verwaltung des Haufes bestraft werden. yc Keine Erhöhung der Fleischpreise. Das Reichs- ernührungsministerium hatte die Absicht, die Flesichpreise noch weiter zu erhöhen. Durch energische Vorstellungen Bayerns ist, wie aus Augsburg mitgeteilt wird, jetzt erreicht worden, daß die erneute Erhöhung der Fleischpreise in Deutschland nicht eintritt. -k Billigere Schuhe. Die Schuhwarenhändler in Dern burg haben gemeinsam beschlossen, Lie Preise für Schuh- Vie «Ncke Kümmel. 19) Roman von Erich Friesen. „Natürlich. Wie gefällt es Dir übrigens in Deiner „Nun, ein bißchen schwarz alles. Besonders der neuen Heimat?" Himmel. Und kalt und naß — brrr! Sagen Sie mal, Frai Tante, scheint die Sonne hier nie?" Wieder muß Ihre Exzellenz lächeln. „Wie frisch und ursprünglich Tu bist, Kind! Wir werden gut miteinander auskommen. Ich bin eine sehr verträgliche Frau, wenn man mich machen läßt, wie in. will. Und Tu — hm, Du bist einfach entzückend!" „Na — ich weiß nicht recht " macht die wilde Hummel mit zweifelndem Achselzucken und beißt mit ihren festen weißen Zahnen in ein großes Stück Kuchen, daß Ihre Exzellenz ihr soeben höchsteigenhändig auf den Teller gelegt hat. Ihre Exzellenz, die Frau Gräfin Klothilde von und zu Lüttinghauson, unterdrückt ein leises Schaudern beim Anblick des Appetits, den ihr Mündel entwickelt. Aber er erweckt auch etwas wie Neid ru der vornehmen und hypermodernen Tanie, die gewohnt ^t, nur wie ein Vö gelchen an den Leckerbissen der Tafel herumzunaschen. Nachdem Hummelchen das sechste Stück Kuchen ver zehrt hat und nach einem siebenten langt, lehnt di. kleine Lame sich verblüfft in ihren Stuhl zurück. „Entwickelst Tu immer einen so guten Appetit?" „Warum nicht?" erwidert Hummelchen kauend. „O das ist noch gar nichts. Ich aß am meisten nn allen in Büffel-Goldfeld." „Wirklich?" lächelt Ihre Exzellenz und wundert sich nicht mehr über die frischen Farben des jungen Ge schöpfes und ihr blühendes, kerngesundes Aussehen. Voller Interesse erkundigt sie sich nach dem Umgang ihrer Mündel da unten in Kapstadt und besonders nach den Damen, mit denen sie verkehrte- „Damen?" lacht das Mädchen hell aus. „Die gibt's in Büffel-Goldfedl überhaupt nicht. Nur die alte Mut ter Wilhelmine. Aber die ist keine Dame!" „Wieso? WaS gibt es denn dort?" „Männer." „Nur — Männer?" -Ja. Tie „Jungens" nennen sie sich. Und heißen waren erheblich herabzusetzen. Sie erklären in einer Bekannt machung, daß die Zurückhaltung des kaufenden Publikums eine große Geschäftsstille und Arbeitslosigkeit in den Schuh fabriken hervorgerufen habe, und daß sie sich deshalb ver« inlaßt sehen, der gegenwärtigen Wirtschaftslage durch Herabsetzung der Preise ihrer gesamten Warenlager Rechnung Ul tragen. Sturz der argentinischen Getreidepreise. Man meldet aus Buenos Aires: Das teilweise Ausfuhrverbot für Getreide hat zur Folge gehabt, daß die Preise um 30 Ä> gesunken sind. Letzte Drahtberichte de» »Wilsdruffer Tageblattes*. Giolitti mit der Kabinettsbildung betraut. Berlin, 11. Juni (tu). Wiedas Berliner Tageblatt aus einer Quelle, die sich stets als sehr zuverlässig erwiesen hat, erfährt, hat der König von Italien gestern den Rück tritt des Kabinetts Nitti genehmigt und Giolitti mit der Kabinettsbildung betraut. Es verlautet, daß Giolitti sich über die Verteilung seiner Ministerien bereits im klaren sei und daß er schon mit den betreffenden Kandidaten ein Einvernehmen erzielt habe, so daß die Krists vielleicht schon im Laufe des heutigen Tages überwunden sei« könne. Berlin, 11. Juni (tu). Wie das Berliner Tageblatt aus Rom erfährt, werden als künftiger Minister für aus wärtige Angelegenheiten der Botschafter Demartin sowie der frühere Abgeordnete Bertolini genannt; sollte Gio littis Versuch scheitern, so dürste der König ans Orlando zurückgreisen, der ein perfönlicher Freund Lloyd Georges ist. Interessant ist, daß laut Messagers Giolitti eine« Antrag einbringen wolle, die für den Eintritt Italien« in den Krieg verantwortlichen früheren Minister Salandra, Sonnino und Genoffen vor den Staatsgerichtshofzustellen. Tatsächlich wurde Salandrain der Kammer schwer insultiert. Der Widerstand der italienischen Seeleute gegen das albanische Abentenee. Rom, 11. Juni, (tu.) Infolge des Widerstandes der Seeleute konnte bisher kein einziger Soldat zur Ver stärkung der italienischen Truppen nach Albanien gesandt werdend Aus Stadt und Laud. Wilsdruff, dsn 11. Juni 1920. Oeffentliche Stadtverordnetensitzung Donnerstag den 10 Juni nachmittags 6 Uhr. Entschuldigt fehlten die Herren Jahn und Seidel. Am Ratstisch anwesend waren die Herren Bürgermeister Küntzel, Stadträle Schlichenmaier und Wchnsr. Unter Eingänge und Mitteilungen unterbreitete Herr Vorsteher Hientzsch dem Kollegium die Bitte der hiesigen Lehrerschaft, bei dec Besetzung der freiwerdsndsn Foribil« dungsschullehrerstelle einem Zeichenlehrer für Volks- und Fortbildungsschule den Vorzug zu geben. Nach längerer Aus sprache einigte man sich dahin, den Rat zu ersuchen, vor Ausschreibung der Stelle die Stellung des Schulaus- schussss einzuholen. — Punkt 2 Brsnnholzdeschaffung, 3. Brenntorfbeschaffung, 4. Erwerbung von Baumbändern aus Heeresbeständen, 5. Hebung des Schuittgerinnes auf der Oftseite der Bahnhofstraße, 6. Wachsen ver Stühle im Sitzungssaale, 7. Fortgewähcung der Minderbemittelten- beihilfe im Juni, 8. Erhöhung der Nachtwächterbezüge, 11. Vergütung an die Wahlvorsteher und -gehilfen bei der Reichstagswahl, 13. Gesuch des Klempnermeisters Matthes um käufliche Ueberlassung der zwischen seinem und dem Ranftschen Hauss liegenden Schlupps, 14. Ersuchen der Fa. Bertholdt öc Kümmel um käufliche U-bsrlassung des von ihr erpachtsren Holzlagerplatzes oder des ganzen Ziegelei grundstückes, 15. Eingemeindung eines Teilflurstückes aus Rittergutsflur und 16. Wahl zweier Vertreter der Mit glieder des Beirats beim Bezirksamt für Kriegerfürsorge — Kari Peter, Anton, Martin, Fritz, Zim, Eddy, Johny, Taffy, Bobby —" „Allmächtiger!" stöhnt Ihre Exzellenz, die Frau Gräfin von und zu Lüttinghausen. „Wie fürchterlich!" „Warum?" meint Hummelchen verwundert. „Sie waren alle sehr nett zu mir. Famose Jungens!" dauert eine ganze Weile, bis Ihre Exzellenz sich von ihrem Schrecken erholt hat. Tabei benutzt sie wiederholt ihr Riechfläschchen, das an einer goldenen .Hettc an ihrem Gürtel baumelt und betupft sich ganz vorsichtig Singen und Schläfen. Tann lenkt sie das Ge spräch auf andere Bahnen, auf die zukünftige Stellung ihrer Mündel in der Berliner Gesellschaft... aus ihren immensen Reichtum ... auf die Art und Weise, wie sie ihr Leben standesgemäß einzurichtsn habe. Eine Kam merjungfer sei bereits engagiert; sie wäre ihr von einer gute» Bekannten, einer früheren Hofdame der Kaiserin, besonders empfohlen, scheine überaus geschickt zu sein und verstünde sich besonders auf Frisieren und Tou pieren und Ondulieren der Haare, sowie auf die Mani küre mit all ihren Feinheiten und Chikanen dabei betrachtet Ihre Exzellenz mit verliebten Blicken ihre rosig::- Fingerspitzen, deren überlange Nägel wie matte Perlen schimmern wenn Jeanette jedoch trotzdem nicht genüge, würde sie sofort weggeschiüt, und durch ein andere ersetzt werden. Tie Wilds Hummel hat selbstverständlich keine Ah nung, was eine Kammerjungfer ist. Ebensowenig, was Toupieren und Ondulieren der Haare oder Manikür: bedeutet. Toch interessiert es sie zu wenig, um danach zu fragen. Jh" ganzes Denken ist auf einen Punkt gerichtet, und der macht ihr direkten Kummer. di- „Frau Tante" hatte ihr vorhin im Laufe des Gesprächs freundlich und bestimmt erklärt, sie heiße vv. nun ab „Liane Arevallo" und werde „gnädiges Fräulein" tituliert werden. Mil Mühe verbeißt sie die aufsteigenden Tränen. Ihr ist, als falle mit dem gewohnten Namen „Hummel chen" die frohe Kindheit von ihr ab und sie schaue in eine dunkle Zukunft, hinter deren glänzendem Schleier sich Kumme und Sorge verbergen. Toch nicht lange wäbrt diese sentimentale Aufwal lung wurden nach den Vorschlägen des Rates, nachzulesen in den Nummern 123 und 129 unseres Blattes, erledigt. V. Dem Beschluß des Rates, die Neuordnung der Bezüge der noch auf Privatvertrag angestellten Hilfskräfte bis nach Verab schiedung der Besoldungsreform zu verschieben, wurde oei- getreten, des weiteren aber einstimmig beschlossen, in An lehnung an die Bestimmungen der Reichsbesoldungsreform den Aushilfsbsamten einen 40prozentigen Vorschuß rück wirkend vom l. April an zu gewähren. Ein Antrag Jähne auf 50°/« war zuvor mit 7 gegen 5 Stimmen abgelehnt worden. 10. Die Vergütung des.stellvertretenden Bürger meisters wurde gegen 1 Stimme entgegen der Ratsvorlage (1000 Mark) auf 750 Mark festgesetzt. — 12. Eins ins Politische hinüberspielsnde Debatte verursachte die auf Grund der ministeriellen Richtlinien entworfene Ordnung für den hiesigen OrtSsch^tz. Der Streit drehte sich im wesentlichen um die Auslegung der Wons in den Richtlinien »der Ausschuß soll möglichst aus allen Bevölkerungskressen zu sammengesetzt sein". Während dis Sozialdemokralen be haupten, daß nur wirklich verfassungstreue Elemente dazu- gehörsn — die beiden Rechtsparteien sind ihrer Meinung nach nicht dazu zu rechnen —, vertreten d e Bürgerlichen den entgegengesetzten Standpunkt. Bei der schließlich folgenden Abstimmung wurde die ausgestellte Ordnung mit 7 gegen i Stimmen angenommen, aber das sst so gut wie nichtig, denn zur weiteren Verfolgung der Sache ist dir Aufhebung eines kürzlich erst gefaßten Beschlusses notwendig, der die Zusammensetzung des Ausschusses für die ehedem geplante Einwohnerwehr auch für den Ortsschutz anerkennt. Die zur Aufhebung notwendige Zweidrittelmehrheit ist unter den gegebenen Verhältnissen nicht vorhanden. Um aus dieser Sackgasse h-rauszukommsn, wurde schließlich ein stimmig beschlossen, beim Ministerium um eine präzise Aus kunft über die betreffenden Worte in dsn Richtlinien nach zusuchen. — Einem Dringlichksitsantrag des Hrrrn Stadto. Schumann: „Der Rat wird ersucht, in der nächsten Stadt verordnetensitzung eine Aufstellung zum Vortrag bringen zu lassen, aus der zu ersehen ist, in welcher Weise über diejenigen Wohnungen verfügt wurde bzw. wird, die durch die erstellten 12 Wohnungen der Ballgesellschaft freigeworden bzw. dies demnächst werden', wurde stattgegeben, seine Beaniwortung vom Ratstisch aus zugesagt. Bei dieser Gelegenheit richtete Herr Bürgermeister Küntzel an die Hausbesitzer und Mieter die dringende Bitte, sich den Ver fügungen des Wohnungsausschusses, dis ja nur Notbehelfe seien, nicht wie bisher entgegenzustellen, da doch alle per sönlichen Wünsche des Einzelnen inbezug auf Größe und Beschaffenheit der zugewiessnen Wohnungen usw. bei der Undurchführbarkeil derselben hinter das Gemeininteresse zurückgsstellt werden müßten. — Ein Schmerzenskind der 'Stadt, das Freibad, behandelte Herr Stadtrat Wehner und beaniragte die Bereitstellung von Mitteln zur Errichtung einer dauerhaften Stauvorrichtung mit Schlammfang. Da zurzeit keine Mittel dafür vorhanden- sind, und die Badezeit auf längere Zeit hinaus beschränkt werden müßte, beschloß man die Einstellung von Mitteln in den nächsten Haushaltplan und die Verschiebung des Baues auf spätere Zeit. Auch hier mußte Herr Bürgermeister Küntzel wieder die Oeffent- lichksit zum Schutz des Bestehenden aufrufen, denn alles was nicht niet- und nagelfest ist, am Bad, in den Parks und öffentlichen Anlagen, wird durch ruchlose Bubenhände demoliert und vernichtet. Die Mithilfe aller Erwachsenen ist dringend notwendig, um dieser Zerstörungswut endlich Einhalt zu gebieten. Die Regierungskrise i« Sachse» Der Aeltestrnausschuß erörterte gestern vormittag bie politische Lage. Die Mehrheilsparteien entschlossen sich, die Konsequenzen aus der durch Lie Reichstagswahlen geschaffenen Lage ohne weiteres zu ziehen und erwarten Schon als vte „Frau Lame" sie glercy nacy oem Lee durch Lie ganze Villa führt und ihr sämtliche Zim mer zeigt, von denen eines immer mehr Hummelchens Bewunderung erregt als das andere — da strahlen die schwarzen Augen wieder in Hellem Jugendfrohsinn, und die frischen Lippen umspielt das gewohnte herzige Grüb- chenlächelu. Auch die Bekanntschaft der gerühmten Jeanette ist rasch gemacht. Nur wundert sich Hummelchen höch lichst, daß die elegante junge Lame, die sich ihr mit einem Knix als „Jeanette, die Zofe des gnädigen Fräu leins", vorstellt, die ausgestreckte Hand nicht zu be merken scheint und sich mit einem scheuen Blick auf die Frau Tante verlegen abwendet. „Ein bißchen stolz!" denkt Hummelchen. „Aber das wird sich schon geben!" Am nächsten Vormittag schon fährt Gräfin Klothilde mir ihrem Mündel zu Gerson. Ein halbes Tutzend junger Verkäuferinnen schleppt Wunderwerke von Stoffen und Spitzen und Stickereien und fertigen Kostümen herbei, und die Direktrice selbst läßt sich herab, bei „dem gnädigen Fräulein" Maß zu nehmen. Augenscheinlich steht Ihre Exzellenz die Frau Gräfin von und zu Lüttinghausen hier in hohem An sehen Und die neugierigen Blicke der Verkäuferinnen lassen vermuten, daß man auch bereits in die romanti sche Geschichte des schönen großen Mädchens eing-weih! ist, das mit so selbstverständlicher Sicherheit in ihrem unmodernen, billigen „Fähnchen" vor ihnen steht. Tie wilde Hummel versteht nicht die vielsagendsu Blicke, die die „Frau Tante" und die Direktrice aus tauschen, wenn ein besonders geschmackvolles Kostüm die herrliche Figur des jungen Mädchens aufs vorteil hafteste hervorhebt ... versteht nicht die ungekünstelte Bewunderung, mit der Jeanette heute früh das gold braune Haar ihrer jungen Herrin bürstete und kämmts und flocht und dabei wiederholt murmelte: „Wie wun dervoll! Und alles echt! Sogar die Farbe!" ... ver stehe nicht, weshalb die Frau Tante am zweiten Lage ihres Ankunft sie lange durch ein seltsam langgestiettes Ting mit zwei runden Gläsern, das sie vor beide Augen hielt, angeblickt, sie dann umarmt und enthusiastisch ausgerufen hatte: "Kind! Tu hast eine große Zutuns: vor Lir! Die ganze Berliner Gesellschaft wird Dir zu Füken liea««?"