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lichen Äußerungen. Auf die Mitarbett fall auch in Zukunft nicht verzichtet werden. Abg. Mumm betont namens seiner Freunde, daß sie zwar in der Konferenz Mitarbeiten wollten, aber Protest erhöben gegen dies« Konferenz, die unter einer Regierung stehe, Lie dem Präsidenten ihr Portefeuille zur Verfügung gestellt babe. Ebenso erhebt Herr Marx namens der katholischen Lebrervereinigungen und Schulorgamiationen Protest und erklärt, daß Lie Abstimmungen kein Abbild der Anschauung des Gesamtvolkes abgeben könnten. Nach kurzer Erwiderung des Reichministers Koch sprechen Lie Herren Kerschensteiner und Direktor Binder, der leb hafte Polemik namentlich gegen di? Anschauungen des Schul mannes Tews, denen dieser selbst entgegentritt, wobei es zu lebhaften Äußerungen, Für und Wider kommt. Damit sind die Arbeiten des ersten Tages erledigt. Neueste Meldungen. Aufrechte Stadtväter. Sonderburg, Die Stadtvertreter lehnten mit 13 gegen 8 Stimmen einen Antrag von dänischer Sette auf Be willigung von 20 000 Kronen für die Ausschmückung der Stadt anläßlich des Besuches deS dänischen Königs ab. Schwere Ausschreitungen in Graz. Wien. Die Regiemng hat infolge schwerer Aus schreitungen in Graz über diese Stadt den Belagerungs zustand verhängt. Bisher wurden 11 Todesopfer gezählt. Mandatsniederlegung in Österreich. Graz. Den Zeitungen zufolge, haben die sozialdemo kratischen Mitglieder der Landesregierung und des Landes rates, der Bürgermeister und die sozialdemokratischen Stadt- rate ihre Mandate niedergelegt. Frankreich und Rußland. London. Es ist Lloyd George gelungen, Frankreich davon zu überzeugen, daß die Verhandlungen mit Rußland über die Wiederaufnahme des Handelsverkehrs durchaus notwendig seien. Frankreich wird daher zu diesen Be ratungen ebenfalls Vertreter nach London entsenden. Russische Rubel für die Kommunisten. Stockholm. Nach einem Funkspruch aus Moskau kam cs in der letzten Sowjetsitzung zu einer lebhaften Aus einandersetzung über die Frage, weshalb die Kommunisten bei der Reichstagswahl in Deutschland so wenig Erfolg gehabt hätten. Man verlangte die Abberufung des bolsche wistischen Vertreters in Berlin, Viktor Kopp, dem doch zur Förderung des deutschen Kommunismus rund 50 Millionen llubel mitgegeben worden seien. Verschiedene Meldungen. Braunschweig. Die Wahl der neuen Landesregie rung ist wegen abermaliger Beschlußunfäbigkeit der Landes- oersammlung auf den 1ö. Juni vertagt worden. Nürnberg. Das Landesfinanzamt Nürnberg soll nach Bamberg verlegt werden, da die Stadt Nürnberg für die 500 Beamten keine Wohnungen stellen kann. * Eine neue Note der Entente. Die Alliierten haben an,Deutschland eine Note gerichtet, in der sie energisch gegen die Nichtausführung der wirtschaftlichen Bestimmungen des Friedensvertrages protestieren, da Deutschland die Neutralen und seine ehemaligen Verbündeten zum Nachteil der Entente mehr begünstigt habe. 4- Zusammentritt des Reichstages am 24. Juni. Der neue Reichstag wird am 24. Juni zu seiner ersten Sitzung einberufen werden. Man nimmt an, daß bis dahin die neue Regierungsbildung zustandegekommen lein wird. Letzte Drahtberichte de» , Wilsdruffer Tageblattes". Amerikanischer Kredit für Deutschland. Berlin, 12. Juni, (tu.) Nach Kabelmeldungen der Bosfische« Zeitung aus Washington hat da» ameri kanische Handelsministerium Deutschland benachrichtigt, daß ein Kredit von 45 Millionen Dollar mit Fleischs konservensabrikanten vereinbart ist und datz die sofortige Versendung von Lebensmitteln nach Deutschland erfolgen kann. Der Rücktritt des Kabinetts Reuner. Wien, 12. Juni, stu.) Der vorgestern in später Nachtstunde erfolgteüberraschendeBorftotzdersoziallstischen Parteimehrheit gegen Dr. Nenner, nach dem auch die Christlich-Sozialen au« dem Kabinett austraten, hatte den Rücktritt de» Gesamtkabinetts zur Folge. Präsident Seitz bat die bisherigen Kabinettsmitglirder, bi» zur Neubildung di« Geschäfte weiterzusühren. In der gestrigen Sitzung des Hauptausschufses erklärte Dr. Bauer, datz e» Sache der Rechtsparteien sei, die Regierung zu bilden. Die Vertreter der Christlich-Sozialen und Redner der Grotzdeutsche» regten an, vorerst die Obmänner der 3 Parteien zu hören. Diese Besprechung hat gestern stattgesunden. Scheidemann in Berlin. Kassel, 12. Juni, stu.) Der Abgeordnete Scheide mann ist gestern nach Berlin abgefahren, um an den Vie wilcke Hummel. 20s Roman von Erich Friesen. Aber wiederholt mutz sie bei derlei unverständlichen Bemerkungen an den blonden Jüngling denken, der da mals so urplötzlich in ihre Wüsteneinsamkeit hineinge- schneit war und der auch öfters eine ähnliche komische Sprache führte. Tas ist sicher „Berliner-Deutsch" denkt sie und grübelt nicht Wetter darüber nach. — Acht Tage sind bereits vergangen. Und noch nie mand von Gräfin Klothildes vielen Freunden und Be kannten hat Hummelchen zu Gesicht bekommen. Wenn unten vor dem gußeisernen Tor ein Auto vorfährt und gleich daraus der Diener irgend einen hochklingenden Namen oder Titel meldet — so wird das gnädige Fräulein" sofort nach ihrem Zimmer geschickt, mit der freundlichen Weisung, sich nicht blicken zu las sen, so lange der Besuch da ist; Franz werde sie später wieder holen. Al Hummelchen einmal nach dem Grund dieses seltsamen Gebührens fragt — da lacht Ihre Exzellenz leisc aus, nimmt den reizenden Mädchenkopf zwischen ihre schwachen Händchen und lispelt: „Kleine Unschuld! Tie Perle bedarf erst der wür digen Fassung, um im richtigen Glanz zu erstrahlen. Wart' nur, wenn die Tirektrice bei Gerson nit allen, fertig ist! Tann " Was das Abhängigkeitsgefühl des jungen Mädchens noch mehr empört, als dieses „Einsperren". wie sie es Verhandlungen der sozialdemokratischen Reichstagsfrak tion teilzunehmen. Umbau des ReichstagsgebSudes. Berlin, 12. Juni, (tu.) Präsident Fehrenbach traf gestern vormittag zu kurzem Aufenthalte in Berlin ein und reiste im Laufe des vormittag» nach Siiddeutsch- land ab. Sonntag dürfte er wieder in Berlin sein. — Da die Zahl der Abgeordneten aus 461 gestiegen ist, werden bauliche Aenderungen im Reichstagsgebäude nötig, um sämtliche Reichsboten «nterbringen zu können. Nach Schluß der Reichsschulkonferenz soll mit dem Um bau begonnen werden. Die BedeniW des 11. M MO. Wie wie bcr-üs mirgeieüt haben, hat öi« Entente den ff. Jul, lYM als Abstimmungstermin für Vst- und Westpreußtn festgesetzt. Ls handelt sich also darum, ob große Teile urdeutschen Bodens deutsch bleiben sollen oder unter die Fittig« des polnischen Weißen Adlers kommen. Leider ist in den breiten Massen des Volkes der Wert der in Frage kommenden Provinzen viel zu wenig bekannt. Vstpreußen war von jeher die Kornkammer des deutschen Reiches. Die dortselbs! hochentwickelte Landwirtschaft hat UNS nicht nur in reichlichem Maße mit Brotgetreide ver sorgt, sondern auch mit Fleisch, denn Ostpreußens vish- stand ist berühmt. Man kann deshalb begreifen, daß die Polen mit gierigen Händen nach diesen Perlen der deutschen Provinzen greifen. Aber auch Mestpreußen hat ein« hoch stehende Landwirtschaft. Wie brauchen nur daran zu er innern, daß unser Sacbscnland während des Uriegrs einen besonders großen Prozentsatz seiner Aanoffeln von dort geliefert bekam. Aber noch wertvoller sind di? n den Vst- provinzen vorhandenen Röhlen- und Erzgruben. Das Fehlen der oberschlesischen Kohlen und Erze würde unser volkreiches und industrielles Lachsen ganz besonders treffen. Unsere Fabriken sind direkt auf diese Bodenrrzeugnisfr an gewiesen und müßten stillstehen, wenn si-gdieselben nicht mehr erhielten, da man immer bedenken muß, daß uns im Westen schon reiche Erz- und Aohlenzruben verloren gegangen sind. Aus vorstehender Skizze ist ersichtlich, was in den in Rede stehenden Vstprovmzen olles erzeugt wird und ein Blick auf diese Rarte wird auch jeden An- ! eingeweihten davon überzeugen, daß es heiligste pfl-cht eines jeden Deutschen ist, sein Tei! mit dazu beizutragen, t daß diese Provinzen uns erhalten bleiben. HOOOOO Ab stimmende müssen zum Abslimmungsiage nach dem Vsten gebracht werden, um mn ihrem Stimmzettel für ihr Deutschtum und so für unser Vaterland zu kämpfe«. Da es sich zum Teil um minderbemittelte Landsleute handelt, müssen die Gelder, es kommen ca. 9 Millionen Mark in Betracht, von der Allgemeinheit des deutschen Volkes auf gebracht werden, da laut Versailler Friedensvertrag der Staat dazu keine Gelder hergeben darf. Ende d. M. wird von der Grenzspende der Ureishauptmannschaft Dresden für die Abstimmungsgebiete im Vsten deshalb gesammelt werden. Mögen sich recht viel reichgebente Hände finden, möge jeder nach seinen Verhältnissen spenden und dabei bedenken, daß es sich nicht nur um die Er haltung wertvoller Provinzen handelt, sondern auch nm das Deutschtum. Wir wollen mit dieser Gabe den im ganzen Reiche zerstreut wohnenden Vst- und Westpreußen und den Gberschlesiern auch ihr« engere Heimat erhalten. Also Deutscher: Du mußt geben! MWMW sSr »eil L SmÄ W TMilllk. Pfarrer Große-Sora. Heute zur Glaubensstärkung und zur Förderung auf dem Wege des Lebens zwei Lesefrüchl«, zu denen ich nichts weiter zu sagen habe, die dir, lieber Zeitungsleser, aber genug zum Nachdenken geben, um dir von neuem einen Stoß zu ewiger Bewegung nach dem lebendigen Golt hin zu ver setzen. Hugo Latimer, 7 16 Vktober j555 als evangelischer Märtyrer auf dem Scheiterhaufen in Vxford unter Maria der Blutigen, erzählt von früherer Gefangenschaft: „Ich wurde einst von fünf oder sechs Bischöfen verhört Dreimal jede Woche war ein verhör. Einmal ward ich m das Zimmer gebracht, wo ich gewöhnlich verhör! wurde. Aber es war etwas verändert. Sonst war immer Feuer im Uamin, diesmal nicht. Diesmal war «in Vorhang vor dem Uamin. Liner sagte: .Bitte, Herr Latimer, sprechen Sie laut, ich höre schwer, und manche sitzen weit weg'. Ich wunderte mich, daß ich laut sprechen sollte und begann verdacht zu schöpfen und nach dem Uamin hinzuhorchen, und da hörte ich eine Feder schreiben hinter dem Vorhang. Sie hatten jemand Hingesetz!, all mein« Antworten nieder zuschreiben, damit ich nicht nachher abweichen konnte. Gott war mein guter Herr und gab mir Antworten, sonst hätte ich nie frei kommen können". Später sagte Latimer in der predigt: „Mein Hörer, hinter dem Vorhang arbeitet be ständig eine Feder, die alles aufzeichnet, was du sprichst, und alles nicdrrschreibt, was du tust. Darum trage Sarge, daß deine Worte und Taten es wert sind in Gottes Buch der Erinnerungen eingetragen zu werden". — Ein während des amerikanischen Freiheitskrieges Gefangener war in eine Zelle «ingeschlossen, in welcher eine kleine Spalte war, durch die das Äuge eines Soldaten ihn fortwährend bei Tag und Nacht bewachte. Was der Gefangene auch tat, ob er aß oder trank, oder schlief, das Auge der Schildwache war beständig auf ihn gerichtet. Das war so schrecklich, daß es ihn beinahe wahnsinnig machte. Er vermochte den Ge danken nicht zu ertragen, daß dieses Mannes Auge ihn beständig beobachtete. Er konnte kaum schlafen, selbst das Almen wurde ihm schwer, denn nach welcher Seite hin er sich auch wandte, er konnte nie dem Bi.ck des Soldaten entgehen. Was sagt dir dies Gleichnis? Gottes Auge ist beständig auf jeden gerichtet. „Ich bin der Allmächtige Gott, wandle vor mir und sei fromm!" Amen. Ans Stadt und Land. fSr tttchML« «4« Wilsdruff, dm 12. Juni 1920. — Schützt die Natur! Schützt fremdes Eigentum! Gegen das Beschmieren und Bekratzen von Glasscheiben, Wänden, Gebäuden, öffentlichen Anstalten und Bänken, gegen das Verunreinigen unserer Parks durch Wegwerfen von Papierfetzen, Apfelsinenschalen und allerhand anderer Sachen, gegen das Einschneiden von Buchstaben und un nützen Meikmalen in Bäume, gegen unachtsames Weg werfen glimmender Zigarren- und Zigarettenstummel im ausgedörrten, harzreichen Walde, und das Beschädigen junger Anpflanzungen kann nicht energisch genug em- geschritten werden. Zumeist sind es junge, übermütige Burschen, die aus eitlem Beginnen, mangelndem Sinn für Ordnung und Schönheit oder gar aus Zerstörungswut derartigen Unfug treiben und sich darauf wunderwas zugute tun! In der letzten Stadtverordnetensttzung stimmte Herr Bürgermeister Küntzel ein bewegliches Klagelied darüber an, was an unserm Freibad, in unseren Parks und den anderen Anlagen rohe Hände alles zertrümmern und zerstören. Jeder Spaziergänger wird es ja täglich selbst beobachten können. Auch die Landleute haben in nennr, rsl, vag man ryr verooren yar, auern auszugeyen. Freilich fährt sie fast jedeü Tag mit der „Frau Tante' in dem eleganten blauen Automobil in die Stadt hinein — und die Inhaber der vornehmsten Geschäfte Unter den Linden und in der Leipziger Straße buckeln fast bis zur Erde, wenn die beiden Tamen ein treten und sich die wundersamsten Gegenstände, deren Bezeichnung und Bedeutung das -nfache Naturkind zumeist gar nicht kennt, vorlegen lassen. Aber es verlangt das Mädchen darnach, endlich ernmal etwas von der gepriesenen „Berliner GeseW- schoft" zu sehen, um deretwillen sie von Büffel-Gold feld fortmußte. „Noch etwas Geduld, bis Gerson fertig ist!" Ties gewichtige Wort hört sie den ganzen Tag über — sowohl von der „Frau Tante" wie auch von Jeanette. Und in ihrem Ungestüm beginnt Hummelchen fast, Gerson mitsamt seinen Toilettenkunstwerken zu hassen Ernes Morgens — Ihre Exzellenz schläft noch in 'hrem großen, blauseiden-verhangenen Himmelbett — steht die wilde Hummel wieder am offenen Fenster ihres Zimmers, mit sehnsüchtigen Augen hinausblickend auf die Kiefern vor ihr. E" ist ein ausnahmsweise schöner Herbsttag. Warm scheint die Sonne. Fast wolkenlos der Himmel. Ein paar Bögel zwitschern im Geäst der Bäume. Ta hält es Hummelchen nicht mehr hier oben. Sie eilt hinunter in die große Halle, schlüpft in ryren Nezfemamer, setzt ven runoen Fuzyur aus vte wogende Lockenfülle und verläßt rasch das Haus. Niemand hat ihr Fortgehen bemerkt. Tie ganze Dienerschaft ist im Erdgeschoß beschäftigt. Tiefaufatmend geht das Mädchen mit raschen, festen Schritten die Bismarck-Allee dahin. Tie Sonne scheint. Tie Bögel singen. Die „wilde Hummel von Büffel-Gold feld fühlt sich nicht mehr so einsam. Tas Naturkind har wieder Fühlung mit der Natur. Tie Allee ist fast menschenleer. Nur hier und da ein Fußgänger. Gar keine Wagen und Reiter. In Sinnen verloren schlendert Hummelchen weiter. Ihre Gedanken sind in Büffel-Goldfeld. Ihr ist, als sähe sie Karls gutes Gesicht vor sich, als höre sie die rauhen und doch so vertraut« Stimmen der „Jungens". Plötzlich wird sie jäh lPs ihrem Sinnen gerissen. Zwei Reiter sprengen daher — ein Herr und eine Tarne. Ein einziger Blick aus Hummelchens s .arfenAugen und sie weiß: der Herr beherrscht seinen feurigen Brau nen, die Tame jedoch fühlt sich unsicher auf dem jun gen mutigen Rappen. Und als jetzt gar ein großer Hund des Weges dah r gelaufen kommt und die beiden Pferde ankläfft — da scheuen die Tiere und bäumen sich hoch auf. Klopfenden Herzens sieht die wilde Hummel zu. Ter Braune beruhigt sich rasch; im Zaum gehalten von der sicheren Hand des Reiters, trabt er ruhig weiter. Ter Rappen jedoch wiehert und schlägt aus.