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Aus Hamburg wird gemeldet: Hier feiern gegenwärtig Tausende von Arbeitern. Die Werften stehen feit zwei Monaten leer, auf den Zimmerplätzen der nächsten Umgebung unserer Stadt ist die Arbeit eingestellt, die Schneiderwerkstätten sind geschlossen, die Eisengießereien haben ihre Thäligkeit eingestellt, die Tischler und Maler sind im Begriff, dem von den Schneidergcsellen gegebenen Beispiel zu folgen und bis zur Bewilligung einer verkürzten Arbeits zeit die Arbeit niederzulegcn. Der „Hamb. Corr." bemerkt dazu: .„Gegenüber den massenhaften Arbeitseinstellungen, welche in Ham burg eingetreteu sind, erscheint es als dringende Pflicht, einen Aus schuß angesehener Bürger zusammenzubringcn, der die Ansprüche der streitende« Parteien prüft und auszugleichen versucht." Die Deportation Nochefort's soll nun definitiv ungeordnet sei«. Man hatte in letzter Zeit vielfach gehofft, die Negierung werde für ihn eine Strafmilderung eintreten lassen, ja man wollte sogar von einem Briese Kenntniß haben, in welchem ein „früheres Mitglied der provisorischen Negierung" der Schwester Rochefort's Hoffnung gemacht hatte, daß man sein Entweichen begünstigen werde. Nach den neuesten Meldungen wird er aber mit dem dritten Gefangcuen- TrauSPvrt auf der „Dordogne" seine Neise nach Neu-Caledonien mntrcteu. Aus Fl ore uz vom 12. d. schreibt mau der „Presse": Ju Ita lien ist es Jedermann erlaubt, als Vertheidiger eines Angeklagtem vor Gericht zu erscheinen, ohne daß von ihm Beweise sür seine juri stischen Kenntnisse oder Unbescheidenheit verlangt werden. Seit drei Jahren nun lebte cm Mann hier unter dem 'Namen Sappone, er öffnete ein Comptoir und machte gute Geschäfte als Vertheidiger. Vor wenigen Tagen erfuhr mau endlich, daß dieser aus dem Nea- poliwnischen nach Florenz eingcwauderw elegante Herr, der immer im schwarzen Anzüge in den Gesellschaften erschien, der Häuptling einer Räuberbande war, welche sich in Calabrien berüchtigt gemacht chatte, vor drei Jahren aber gänzlich zersprengt wurde, ohne daß cs gelungen wäro, den Häuptling derselben, Eieconc, fangen zu können. -Ciccone hatte noch vorher den Advokaten Nappone ermordet und sich der Papiere desselben bemächtigt. Mit diese» Papieren .nun kam Ciccone nach Flore«;. Erst vor drei Tagen kam die Polizei auf seine Spur, doch gelang cs ihm, durch einen Sprung aus dem Fen ster zu entkommen. Gestern srüh jedoch wurde er festgenommen, um seinerzeit dem Scharfrichter übergeben zu werden. Ciccone war schon längst zum Tode vernrtheilt. Wie gewonnen, so zerronnen! Humoreske von Ludwig-Habicht. (Fortsetzung.) Das war durchaus kein duckmäuserisches, farbloses Dasein, daS die drei Kollegen führten, und wenn es auf de» letzten des Monats zuging und der letzte Pfennig ihnen schon Lebewohl gesagt hatte, dann wurde „von" und „in Phantasien" gelebt und weil cs selbst zu einem Glase Bier, zu einer „lumpigen" Cigarre nicht mehr reichen wollte, alle Hülfsqucllen erschöpft, alle Pumpvcrsuche fehlgeschlagcn waren, wurde in das Reich der Ideale geflüchtet und je kläglicher die Wirklichkeit, um so schönere Lustschlösser in die Zukunft gebaut.— „O, das Leben lag ja vor allen Dreien wie eine lange sonnen- lleglänzte Straße — Aus alle» Häusern warfen ihnen Lie Genien der Freude und des Glücks Kußhände zu und Jedem dufteteteu au diese» hängende» Gärten der Phautaste ganz besondere Genüsse her nieder. — Der frühere Kaufmann hielt sich noch am meisten auf dem Boden Ler Wirklichkeit. Das Ziel seiner Wünsche war ein Gasthof, denn or hatte es zu bitter empfunden, „mit leerer Tasche und trockener Kehle" durch die Welt zu wandern. Durst hatte er immer und das schwur er feierlich, all' seinen Gästen im Trinken voran zn leuchten nnd sollte seine Nase, um die sich schon ein sanftes Roth breitete, wie eine Kirchthurmspitze im Sonnenschein funkeln. Im Hintergründe von dem Allen ruhte natürlich eilt Hotel mit hin- und herfliegeudeu .Kellnern, die Frau an der Kasse und er selbst mit gnädigem'Kopf- zücken und goldgesticktem Käppchen in die Zeitungen versenkt. Reichhardt dagegen wollte nichts, wie ungeheuer reich sein, in Paris leben, Loge in der großen Oper, alle Jahre Ausflug nach Italien oder Spanien, feurige Augen, Nachtständcheu und wenn ihn seine Kollegen warnten, daß dann das dünne Stoppelfeld auf seinem Kopfe abgeerntet und nur hinten im Nacken noch ei» kleiner Schober übrig bleiben würde, entgegnete er heldenmüthig: „Schadet nichts! uud weun das letzte Haar davoustiebt, dann wird eine Stürze auf gesetzt." Nur Eines beunruhigte ihn: die fremde Sprache, der er nicht .gewachsen war und er meinte oft, „er wolle 50 Thlr. mehr Schulden haben, wenn er französisch sprechen könne." Der Dritte, Winter, schuf sich eiu Idyll, ein kleines Gut, mit recht vielen Schöpsen und ein Paar fetten Kühen, dahin verirrte sich seine Phantasie. Er hatte als kleiner Junge zu oft trocken Brod essen müssen, als daß nicht sein Auge hatte glänzeu sollen, wenn er daran dachte, wie fett er würde auflegcu können, wenn er seine eignen Kühe im Stalle haben würde, „und dann mache ich Karriöre," fügte er lachend hinzu, „uud werde so dick uud fett, wie meiue Kühe." Alle Drei warm wenigstens Nil dem einen Punkte einig, das ärmliche Schreiberdasei» aufzugcben und unter allen Umständen vom „schwarzen" Tisch wegzukommcn, wo sie sonst „grau" würden. Die beiden Letzter» batten, wenn auch recht luftige, dennoch schon Brücken zn ihren noch luftigeren Schlössern. Reichhardt wollte heirathcn und nur ein steinreiches Mädchen, mochte sie selbst einen „Verdruß" oder nur eiu Auge haben, mußte sie dann einmal in der Ehe eins zndrücken, um so bester sür ihn. Und er war ein hübscher schmucker Bursche, der Schnurrbart stand ihm allerliebst; wer ihn am Sonntag in seiner feinsten Toilette sich, hätte schwerlich in ihm eine» Schreiber entdeckt; aber Reichhardt wußte sich auch iu „Air zu geben", er bewegte sich in Gesellschaften mit einem Anstand, einer Grazie, I die vollendet gewesen wäre, wenn nicht manchmal das Studirtc durch- ! geblickt hätte. Doch bei den Damen hatte er verschiedenes Glück, da wurde er poetisch und die hochtrabendsten Reden glitte» wie Ho nigseim über seine Lippen. Es konnte ihm nicht fehlen! — er be kam eine reiche Frau. Winter dagegen spemlirte auf einen reichen Onkel, de: kinderlos sei und ihn zum Erben cinsctzc» müsse und dessen Erbe ihm einst über 'Nacht seine süßesten Traumbilder verwirklichen sollte. Nur Schneider hatte für seine Gasthansträumc auch nicht einen Funken Realität auszuwciscn, den daS Glück einst zur Flamme anblaseu könne und er wurde dafür auch am meisten verlacht; man wollte ihn grvßmüthig proicgiren, Reichhardt ihn nach Paris, zu de» schönsten Comtcssen, Winter aufs Land zu fette» Kühcu nehmen uud über diese« süßen Traumbildern vergaßen die drei College» die schnöde Wirklichkeit, die ihnen die Cigarre vom Munde und das Brod vom Tische nahm. Da plötzlich sollte ein kleines Ercigniß bedeutsam in ihr Phan- tasicnlebcu eingreisen. Unter den zahlreichen Clienten des Advokaten war eine nicke Witlwe, die eine schon ziemlich bejahrte Tochter hatte, und die sehr ost erschien, um ihre Zinsen einzuklagcu und dann auch mit dcu drei Kollegen zu verkehren hatte und sich geschwätzig, wie sie war, mit ihnen iu ein Gespräch einließ. Ihre Tochter, Scraphine, war leider sehr wählerisch gewesen. Sie hatte mindestens einen Assessor oder Doctor haben wolle» und da keiner in'S Netz gegangen Ivar, hatte sie mit der leise dahinstreichenden Zeil ihre Ansprüche hcrabstimmeu müssen. Vielleicht war »och ein Subalternbcamtcr, ein Registrator oder Rendant z» haben, und als selbst diese bestheidenen Forderung das Schicksal nicht verwirkliche» wollte, hatte sie nicht verschmäht, ihr Auge auf die beide», täglich an ihrem Fe»ster vorübergehenden Schreiber zu werfen, — waren es doch Herren vom Gericht und beide noch jung genug, daß sie bis zu dccy höchste» Ehrenstclle» avancireu konnten, und dann wurden sie auch jetzt schon Sekretaire genannt und „Frau Sekretair" das klang gar nicht so übel, denn ihre zarte Hand iu die schwielige, derbe eines ehrlichen Handwerkers zu legen, hätte'sie nie über'S Herz gebracht, eher wäre sie, trotz des täglichen Zurodenr ihrer Mutter zum Heirathcn, eine alte Jungfer geblieben, welch unfreundlich, abscheulich Prädikat Lie rauhe Welt ihr leider schon beiznlegcn wagte. Die holde Jungfrau hatte auch jetzt bei den beiden Sekretairen mit der Wahl die Qual, noch schwankte sie zwischen der Stimme der Vernunft uud der des Herzens. Ihr Herz hatte sür Reichhardt ent schieden, der ei» so interessantes Gesicht, einen so eleganten Bart und so ganz daS Aussehen eines Dichters oder Künstlers hatte; sie konnte sür ihn schwärme» und sei» Bild ruhte schon sauber Photographin auf dem Grunde ihres Herzens; aber die Mutter machte die Stimme der Vernunft geltend und erhob gegen diesen Geschmack ihr Bedenken, weil Reichhardt ein lockerer Zeisig, bei dein eS gefährlich sei, ihr Schicksal in seine Hände zu legen, und sie rieih zum Andern, zu Winter, der solider und zuverlässiger sei und gewiß die KündigungS- und Zinsenklage selbst machen könne, wodurch viel Geld erhalte» würde uud dann, ihn habe die „schwarze Kuh" getreten: er würde gewiß das bische» Hab und Gut zusammen halten, denn sie redete sich selbst immer vor, daß sie arm sei, um jeden Nothschrei des auf Halbsold gesetzten Magens zu unterdrücken und so wurde daS Bild des schon halb Geliebten von den rauhen Händen ihrer Mutter so ungeschickt retouchirt, daß Scraphine es kaum wieder erkannte uud uud ihr Herz mit der Außenwelt wieder in arge Konflicte kam. Das Hoffnungsschiff Reichhardts dagegen blähte die Segels als sich in den Gegengruß der Tochter eiu freundliches Lächeln mischte, das nur ihm gelten konnte. Gewiß hatte er einen Eindruck auf die reiche Erbin hervorgerufen und das Glück wollte ihm plötzlich all' seine kühnen Wünsche wahr machen! Doch sein Jubel war unendlich, als wieder nach einer kleinen Dienstleistung die beiden jungen Herre» von der Wiltwe zu einer Tasse Kaffee ringelnden wurden. Warum nur die beiden Unverheiratheten, nicht auch der Dritte? Damit war es entschieden, daß dieser Einladung eine tiefere Bedeutung zu Grunde liegen müsse. Vielleicht stand einer von den.Beidcn schon von diesem Kaffcetische als Krösus auf und Reichhardt war über jeden Zweifel erhaben, daß dies schlimmsten Falles nur ihm passiven konnte. — (Forts.'folgt.) Wieder wird ein furchtbarer Akt religiöse» Wahnsinns gemeldet. In Bootbah, Wisconsin, ermordete eine Mutter ihr eigenes einziges Kind uud versuchte sich selbst ans Kreuz zu schlage», um die sündige Welt zu cntsühneu.'st Die Erzählung von Abrahams Opferung des Isaac hatte ihr den Verstand berückt, und sie wollte dem Patriarchen nachahme». Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Sonntag Cantate Vormittags predigt: Herr?. Schmidt. Nachmittags predigt: - Herr Diakvnus Canitz.