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90 ihr Lungenübcl gesucht hat, soll nun vollständig hergesteüt sein. Der Jubel in Wien war außer ordentlich; leider begünstigte das Wetter das Fest sehr wenig und es mußte der große schon arran- girtc Fackelzug für einen andern Tag verspürt werden. — In Italien noch keine Entscheidung. Gari baldi bat Sicilien noch nicht verlassen. Aus wel chem Wege er ziehen, in welchem Hasen er sich ein- schiffen und gegen Rom ziehen wird — Niemand kann bas sagen. Die Streukräfte, über die er verfügt, schwanken in den Berichten zwischen 1500 und 30,000 Mann. Der Name Garibaldi geht in Italien über alle Namen, er ist ein Magnet, der nicht nur aus Italien sondern aus allen Län dern Männer anzieht, die ihm folgen. In seinem Lager sind alle Stände, vom Herzog bis zum Bett ler, vertreten. Selbst Knaben von 15 Jahren kom men bei ihm an, die er aber ihren Eltern wieder zmücksendet. Zum Unterhalte seiner Schaarcn flie ßen enorme Summen aus den Privattassen der Sicilianer. Ucbrigens mehren sich die Anzeigen dafür, daß die Regierung nicht so böse darüber ist, als sie sich anstellt. Die königlichen Truppen haben zwar den Beseht, die Freiwilligen auseinan der zu treiben; beide Theile machen auch täglich Märsche, hüien sich aber wohl, einander nahe zu kommen. Freiwillige, die in Palermo landen woll ten, dursten zwar Nicht über die Landungsbrücke gehen; man sah sie aber nicht, als sie einzeln in Kähnen ans Land fuhren. Als Garibaldi die ab mahnende Proklamation seines Königs durch Ge sandte überbracht wurde, antwortete er, ohne das Schreiben zu öffnen: Ich kenne es; es ist nur ein Stück Papier, eine diplomatische Note. Was Vic tor Emanuel von mir denkt, weiß ich besser, als Sie, meine Herren. — Warschau, 16. August. Ueber das am 15. August Abends verübte neue Attentat auf den im offenen Wagen vorüberfahrenden Marquis Wielopolski wird der „Schl. Ztg." berichtet: Der Mörder fiel den Marquis mit einem großen Dolche an; doch bevor er an den Wagen heran kam, gab ihm der Kutscher mit der Peitsche einen Hieb über den Kopf. Als der Verbrecher seinen Mordstoß gegen den Marquis führen wollte, zog dieser seine Pistole aus der Seitentasche, worauf der Bursche entfloh, mit seinem Dolche sich vor den Verfolgenden schützend. Der jüngere Sohn des Marquis und dessen Bedienter ergriffen den Misse- thäter. Dieser heißt Johann Rzonca und ist in derselben lithographischen Anstalt beschäftigt, wie der neuliche Attentäter Ryll. Der Bursche tst nicht ganz 19 Jahr alt, der einzige Sohn einer armen Wiitwe. Er war in den letzten Tagen aus der Wohnung seiner Mutter nach derjenigen eines Be kannten, eines Junkers, Sohn eines hiesigen Arztes, gezogen, der nun auch verhaftet ist. Die Eonsuln haben den Marquis kurz nach dem Attentat be glückwünscht. — — Ein Warschauer Correspondent der„N.P.Z." schreibt: Der junge Mensch sprang während des lang samen Fahrens auf den Tritt des Wagens und stieß mit einem langen vergifteten Dolch, wie ibn hier die Tscherkessen im Gürtel tragen (Kindzial), auf den Grafen WielopolSki los. Dieser entging dem Stoße durch eine Wendung und wollie nun mit dem Revolver, den der Graf seit dem letzien Angriff auf sein Leben durch Ryll bei sich führt, den Mör der niederschießen; aber das Zündhütchen versagte und der Mörder suchte zu entfliehen, als er sah, daß der im nachfolgenden Wagen fahrende junge Graf, dessen Begleiter und die Kutscher ihn ergrei fen wollten. Während andere Eivilpersonen ihn aufhielten und er dann von dem jungen Grafen und andern Personen festgenommen wurde, mußte der Mörder, eben so wie seine beiden Vorgänger Zaroszynski und Ryll Gist genommen haben; denn als man ihn zum Polizeicomnnssar auf der Neuen Weit (9. Zirkel) brachte, zeigten sich deutliche An zeichen der Vergiftung. Es wurden alsdann die geeigneten Gegenmiltei zwangsweise angewendet und Rzonca am Leben erhalten. Beim heutigen Ver hör hat derselbe bekannt, daß er zum Nachfolger des Ryll, welcher am 7. den Mordanfall auf Wiclo- polski ausführte, für den Fall des Mißlingens durchs Loos bestimmt gewesen sei und nur das Seinige gethan habe. Wie aus den Geständnissen des Jaroizynski, des Ryll und des Rzonca hervor geht, eMirt hier eine ganze Genossenschaft solcher Banditen, die von einem leitenden obersten Blut tribunal als Werkzeuge gebraucht werden und längst dazu eingeschult und enthustasmirt wurden. Amerika hat seit dem Bürgerkriege schon weit über 1000 Millionen Thaler Schulden ge macht, ohne etwas ausgerichtct zu haben. Jetzt er hält ein Freiwilliger 150 —LOO Dollar Handgelds mit dem es ihm leicht wird, nach einigen Tagen das Weite zu suchen; und doch melden sich immer weniger. Die Deutschen und Irländer, die bis jetzt am tapfersten gekämpft, werden bei jeder Gele genheit zurückgesetzt; ja eine Zeitung des Nordens hatte die Unverschämtheit zu schreiben: Der große Verlust in der letzten Schlacht bei Richmond schade Amerika nicht viel, da es meist deutsche Söldlinge seien, die er betreffe. — Locales. Die Fruchtbarkeit im heurigen Jahre bezeigt sich nicht allein im Getreide und Obste, sondern auch die Blumen wollen in ihrer Fülle nicht nach stehen. So blühen (was gewiß selten vorkommt) einige Rosenstöcke (gewöhnliche Eentifolien) im Garten des Herrn Mauermeister Hoyer allhier zum zweiten Male über und über. — Eine eigenthümiiche Extrafahrt veranstaltete am Dienstag Nachmittag ein von der Nossener Straße kommender Obsthändler. Er hatte nicht allein seinen Wagen, sondern auch sich selbst ge- geladen und lenkte sein Gespann über die Stufen zum Conditoreigewölbe Herrn Sebastians; das edle