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— 4S8 — «staunten, fragenden Blick sagte er: „Ja, ich habe Sie gesucht, Lora, weil ich Ihnen danken wollte. Oder werden Sie auch meinen Dank verschmähen? Sie sind ja so stolz." Sie ^e^te tief den dunklen Kops. Mn einem heitzen Blick umfatzte er dir geliebte Gestalt, die so rührend in dem schwarzen Gewand aussah. "Ich habe nichts, was ich Ihnen anbieten könnte — —" und dabei dachte «r unwillkürlich: nur mein Herz und meine 'Hand — aber sein wägender Verstand liest eine solche Vor- «ilrgkeit doch'nicht zu. Der Legationsrat Gras von Allwör den — und «ine schlichte Erzieherin — das war «ine Un möglichkeit. Er war sich dessen vollständig klar, selbst in den Stunden, in denen sein« Sehnsucht gebieterisch nach dem schönen Mädchen verlangte. Er^ mutzte darüber hinwegkommen. Lora Berger war ihm wie ein schöner, unerfüllbarer Traum! „So stolz sind Sie?" wM>erholte «r leise. ,H«rrr Graf, bitte, nicht^davon! Trüben auch Sie mir doch die Erinnerung nicht an das, was ich Ossi in seinen letzten Wochen noch sein durfte! — Diesem Bewußtsein kommt nichts gleich, und es ist mir Belohnung genug,''' sagt« sie mir schmerzbebender Stimme. „Ja, wie eine Mutter, wie eine ältere Schwester waren Sie ihm! Für solch« Aufopferung gibt e^keine Belohnung. — Wir Allwördens müssen ewig in Ihrer Schuld bleiben." Er schwieg «inen Augenblick und sah sinnend vor sich nieder. „Und was gedenken Die nun zu tun?" „Mir so bald wie möglich einen Wirkungskreis suchen. Daheim kann ich nicht bleiben ohne Beschäftigung. Vielleicht datz ich gleich um eine Schulanstellung nachsuche. Ich mutz Arbeit haben, damit ich über das alles doch einmal hinweg- komm«!" Wie Schrecken und Schmerz fahte «s ihn. Nein, das tollte sie nicht. Ihre wundervolle Schönheit würde dabei bald verblühen — und er würde sie aus den Augen ver lieren, würde nie m«hr von Ihr hören. Er wollte wenigstens stets wissen, wo sie war.. „FräulM Lora, ich wüstte wohl «ine Stellung für Si«, wenn sie vielleicht auch nicht ganz Ihren, Wünschen entspricht — denn es ist dort wenig zu tun, da keine Kinder zu. unter richten sind. Di« verwitwet« Frau von Matthes sucht «ine Gesellschafterin. Nach meiner Ansicht wär« der Aufenthalt In dem Hause, dieser feinsinnigen und warmherzigen Dame jetzt nach den seelischen Erschütterungen wie geschaffen für Cie, Si« haben wohl etwas Ruhe nötig — —" Sie war überrascht, und da st- nicht gleich antwortet«, fuhr «r fort: - „Wenn ich Ihnen da behilflich sein dürfte? Oder lehnen Sie das auch ab?" „Nein, Herr Graf! Im Gegenteil. Mit Dank würde ich da Ihr« Fürsprache annehmen. Es fragt sich nur, ob Frau von Matthes mich wählen würde." „Wenn ich nicht kürzlich aus ihrem eigenen Mund gehört hätte, wie groß ihre Sympathie für Si«, Fräulein Lora, ist, würde ich kein Wort gesagt haben," entgegnet« -r ruhig. „Ich werd« sofort telegraphieren, und noch heut« abend er halten wir den Bescheid." „Wollen Sie sich für mich demühen, H«rr Graf?" fragt« fie errötend. » „Für mich ist das kein« Mühe, im-Gegenteil — w«nn Ihnen mein Vorschlag sympathisch ist, soll mich das freuen." „Ich danke Ihnen, Herr Graf! Der Gedanke, vielleicht wochenlang zu Hause sein zu müssen, quälte mich schon — gerad« jetzt. Ich käme nur wieder ins Grübeln." Tränen glänzten in ihren Augen. „Aber, Kind — Sie dürfen nicht so nervös sein!" Beruhigend fastte er nach ihrer Hand. Sein Blick fiel darauf. Was war das für eine schön«, aristokratische Hand — schlank und weich und doch charaktervoll, mit schmalen, Kitz zulaufenden Fingern — gern hätte er seine Lippen darauf gedrückt; noch lieber aber auf den roten, traungen, unaussprechlich sützen Mädchenmund. Und das Verlangen wurde so stark in ihm, datz er jäh ihre Hand fallen li«tz und davonging. Schmerzlich verwundert sah ihm Lori nach — hatte sie ihn durch irgend etwas beleidigt? Am Abend traf Frau von Matth«s 'Antwort äuf des Legationsrats Telegramm ein: „Tausend Dank, lieber Graf. Bin sehr erfreut. Er warte Aräulein Berger möglichst sofort, da ich auf Reisen gehen will. Jakobe Matthes.'' Zwanzigstes Kapittel. Als Loris Nachricht im Forsthaus« eintraf, datz sie so fort eine andere Stellung angenommen habe und deshalb nicht kommen -könne, atmete Erich erleichtert auf. Gr hätte die geliebte Schwester jetzt- nicht hier haben mögen; seinetwegen und der Mutter wegen nicht. Ihn ersatzt« Angst, wenn er dir Mutter ruhelos das Haus durchwandern sah, in leisem Selbstgespräch di« Lippen be wegend ...' Die Nachricht von dem Tode des kleinen Ottokar MI- würden hatte sie ganz aus der Fassung gebracht. Vor dr«l Tagen war Loris Brief, der dies meldete, eingetröffen, hnd in diesen drei Tagen hatte sie kaum gegessen,. getrunken oder geschlafen. „Es ist Gottes Gericht, Erich, mein Sohnl" Ihr« Augen hatten unheimlich gefunkelt. „Gottes Gericht. Siehst du . nicht feine strafende Hand? Erich, jetzt ist der Weg zur Höh« für dich frei geworden. Das Glück wird doch noch.kommen!"' „Niemals, Mutter!" rief er gequält. - Was bedeutete das j«tzt noch für ihn, da sein Glück längst in Trümmer gefallen war — — Er pfiff seinem Hund, warf das Gewehr über di« Schul ter und durchstreift« den Forst, g«pemigt von seinen Gedanke». Nein, das Glück kam nicht mehr zu ihm — das hatte ihn hohnlachend genarrt! - Wenn er daran dachte, ballt« er jedesmal die Hände, und siedendheitz stieg ihm das Blut ins Gesicht. Jutta von Eggert verlobt! Verlobt mit dem Leutnant von Hellwig! Wie hatte sie ihm das antun können?! Für einen schlechten Scherz hatte er es gehalten — aber wer sollte sich einen.solchen mit ihm erlauben . Zufällig hatte er es im Dorf erfahren, das voll von der Neuigkeit war: am Geburtstag des Rittergutsbesitzers von Hellwig war die Verlobung beim Abendessen kundgegeben wor den. Endlich, man hatte es ja längst erwartet! Ein Glück war es, datz ihm di« Mitteilung des Ober försters am nächsten Tage nicht mehr überraschend kam; er hätte sich sonst verraten! ' So hatte «r es über sich bringen können, in ruhigem Tone seine Glückwünsche auszusprechen und auch mü ihm auf das Wohl des Brautpaares anzustotzen. Jutta hatte nicht vermutet, ihn an diesem Vormittag schon zu sehen; ahnungslos betrat si« des Vaters Arbeits zimmer. Der fteundliche Morgengrutz erstarb bei Erichs An blick auf ihren Lippen. Sie wurde weitz wi« das Kleid, das sie trug. - „Wir trinken eben auf dein Wohl, Krabbe!" ries d«r Oberförster froh gelaunt, „hast du endlich ausgeschlafen?" Erich Berger verneigte sich vor ihr. „Meinen untertänigsten Glückwunsch, gnädiges Fräulein!" Seine Stimme klang spröde, und mit einem messer scharfen, verächtlichen Blick suchte er ihr Auge, das scheu am Boden irrt«.' Und dann sah er si« nie mehr an. Traf er sie, glitt sein Blick bei seinem höflichen Grutz ' an ihr vorbei. ^Sie fühlte seine Verachtung, und sie litt darunter, trotzdem sie es'sich nicht eingesteh«n wollt«. Wenn er ihr DorMrf« gemacht, sie Air Rehe gestellt hätte, sie wäre um Ausreden und Entschuldigungen nicht ver legen gewesen, aber dieses verächtliche Schweigen — sie er trug es nicht. Das konnte sie nicht mit einem Achselzucken abtun, mit einem leichtfertigen — „Bah, was kümmert's mich noch!" — Er mutz doch elnsehen, datz ich «inen Unter- förster mit eintaUsenddreihundertundfünfzig Mark Gehalt nicht heiraten kann! — Das wiederholte sie sich täglich — Und wenn er «s nicht begreifen will, kann ich ihm auch nicht Helsen! Ich kann mich doch nicht lächerlich vor der"Wett machen!.. Aber ihr Herz schrie nach ihm. Mit Widerwillen duldet« sie die Küsse ihres Verlobten, sein« Zärtlichkeiten. Mit jedem Tage wurde er ihr unangenehmer. War si« denn ganz von Sinnen gewesen, datz si- sich so schnell hatte einschüchtern lassen? Wie «in wüster Traum kam ihr das alles manchmal vor; si« glaubte noch an «in frohes Erwachen, wenn sie erwartungs voll und sehnsüchtig den Wald durchschritt, um den Geliebt« zu treffen und Grutz und Kutz mit ihm auszutauschen. . , Sie sucht« Erich Bergers Wege zu kreuzen; sie wollt«