Volltext Seite (XML)
Frankenberger Erzähler ««terhaltm^vtilaae «m» Ar<mke«berger Tageblatt Mr. UL All«»«« da, 18. §»,<««« t»18 21 Tie Allwördens Roman von Fr. Lehn« Nachdruck verböte» Neunzehntes Kapitel. Schwere'Sorge lastete auf Schlich Lengefeld, unter deren Druck jeder laute Schritt, jedes laute Wort verstummt waren. Der einzige Sohn und Erbe siechte langsam dahin. Der berühmte Professor, der ihn in Behandlung ge nommen hatte, erklärte, daß seine Kunst am Ende ser — das Lebensflämmchen des Kindes war am Erlöschen. Das Herz war zu schwach; es arbeitete nur langsam und unregelmäßig. Der überaus zarte. Organismus Ossis hatte durch den Unfall zu sehr gelitten. Manchmal lag der Knabe ganz apathisch da, teilnahms los gegen alles, und dann kamen wieder wilde Phantasien und Angstausbrüche, so daß Lori ihn kaum im Bett halten konnte, weil er so unruhig war. — An sie klammerte er sich an, sie wollte er um sich haben, als sein Interesse für die Eltern längst geschwunden war. Und dann kam der Tag, an dem Ossi sanft hmüber- sHlummerte — oHne Schmerzen, ohne Todeskampf — —. Sein« Seele war davorigeflattert, einem schillernden, kleinen Kalter gleich der an einem kurzen Sommertag Freude ge bracht. - — Der Jammer aller war grenzenlos; man konnte das Furchtbare nicht fassen. Gräfin Lella Allwörden lag auf dem Boden des Zimmers und raufte ihr Haar unter lautem Wehklagen und Schreien. Graf Ottdkar war ganz gebrochen; dumpf brütend saß er in feinem Atelier, teilnahmslos gegen die Außenwelt, und wieder' mußte sein Bruder für ihn denken und sorgen. Wiedervergeltung! Flammend schien das Wort vor ihn hingemalt, schmerz haft ftaß es an seinem Herzen. Jetzt hatte er Mr no/ «in Kind — ein leidendes Töchterchen — und «r hätte do< fo reich sein können! Um ein paar lockender Mädchenaugen, um einen roten Mädchenmund hatte er einst leichtherzig aus seinen Erst geborenen und dessen Schwester verzichtet, sich nicht darum gekümmert, was aus ihnen wurde. — — Numhatte ihm das Schicksal den Ersatz für diese Kinder wieder, genommen! verarmt - stand er nun, beinahe am End« seines Lebens — er sann und grübelte und konnte «s doch nicht begreifen! und wollte Lori «in Portemonnaie überreichen; doch di« hob abwehrend di^Hand. „Das Bewußtsein, meine Pflicht getan zu haben, genügt mir vollständig, Frau Gräfin!" enteignete sie ruhig. .Begreifen Sie doch, dakich das nicht von Ihnen air nehmen kann. Ihr Stolz ist Wt nicht angebracht," eine leise, ungeduldige Erregung klang aus der Gräfin Stimme. „Mir ist mein Gehalt bis heute ausbezahlt worden, Frau Gräfin, und auf mehr habe ich keinen Anspruch," ver- setzt« sie gelassen. Graf Rüdiger war von dieser Taktlosigkeit der Schwä gerin auf das peinlichste berührt. Mit Geld wollt« sie be zahlen, daß Lorp Berger ihrem Sohne di« letzten Leben» Wochen leichter gemacht — ohne «in Wort wirklichen, von Herzen kommenden Dankes. Er verstand die innere Empö rung des jungen Mädchens, die-in ihrer ganzen Haltung zum Ausdruck kam. KSvemrelt Wer ist noch, welcher sorgt und sinnt? Bald" in der Krippe liegt «in Kind Mit göttlicher Gebärde. Wir grüßen dich, du Sternenheld! . Willkommen! Heiland aller Welt, Willkommen auf der Erde! ' Mar von Schenkendorf. Der, an den sie dachte, stand plötzlich vor ihr; sie hatte ihn in ihrer schmerzlichen Versunkenheit nicht kommen hören. „Warum meinen Sie, Fräulein Lora?" klang feine tiefe, gütige Stimm« an ihr Ohr. Erschrocken fuhr sie zusammen und suchte ihr tränenüberströmtes Antlitz vor ihm zu ver bergen. Da setzte er sich neben sie und faßte nach ihrer Hand. „Weinen Sie doch nicht, Lora. Sie haben keine Ver anlassung dazu — Sie nicht." „Es überkam mich — hier, wo —" Sie verstummte. .Hier ist auch kein richtiger Platz für Sie zum Vev- weilen.*Jch dachte es mir, Sie hier zu finden/* Aus ihren - Nun war alles vorüber. verödet waren .die weiten Räume d«s Schlosses — ver stummt das Lachen froher Kinder. Für Lora Berger gab es nichts mehr zu tun auf Schloß Lengefeld, das hatte ihr die Gräfin zu verstehen gegeben, da sie beabsichtigte, Eäcilie in «mein Institut erziehen zu lassen; das Kind sollte unter Kindern sein. In ihrem schwarzen, schleppenden Trauergewand stand Lella Allwörden vor der hochgewachsenen Mädchengestalt. „Meinen Dank für Ihre Bemühungen. Ich bitte, dies als äußeres Zeichen dafür anzunehmen!" fagre sie förmlich „Dars ich mich jetzt als entlassen betrachten^ Frau Grä fin?" fragte sie. Mit respektvoller Verneigung entfernte si« sich, als die Angeredete gemessen den Kopf geneigt ohne ihr di« Hand zu reichen. Ihre Sachen waren bald gepackt. Morgen früh wollt« sie Lengefeld verlassen; ihr Werk war Hier getan. Sie stand auf dem Balkon von Cäciliens Schlafzimmer, Rosen und Jasmin dufteten von den Blumenbeeten süß zu ihr empor. Ihr wurde schwer ums Herz. Könen füllten ihre Aug«n. Mit Wehmut nahm sie die Schönheit in sich auf, die vor ihr lag — das sanft« Grün des Rasens mit den leuchtendfarbigen Blumenbeeten, übergoldet von den Strahlen der Nachmittagssonne. Das liebliche Bild würde sie wohl vermissen. Lengefeld war ihr eine gar liebe Heimat geworden. Einen letzten Gang wollte sie noch durch den Park machen. Und auf ihrem Wege zog es sie unwiderstehlich nach dem kleinen Weiher, den-sie bisher ängstlich gemieden. Sonnenstrahlen zitterten über ihn hin. lieber das Schilf am Ufer schwebten Libellen mit ihren glänzenden, durchsich tigen Flügeln. Ruhig, unbewegt, lag er da, ein Bild d«s Friedens — nicht, als ob er Mckisch das Glück einer Aamil« zerstört, zwei junge, hoffnungsvolle Menschenleben vernichtet. Die Erinnerung war übermächtig. Lori warf sich auf die Bank, die qm Ufer stand, umklammerte deren L«hne, legte ihr Gesicht darauf, und unaufhaltsam flossen ihre Trä nen. Sie hatte sich ja immer und immer beherrschen müssen, Und darum war es ihr jetzt fast Wohltat, daß diese Stunde, ihr gehörte. . Das Scheiden wurde ihr doch schwer, wenn sie auch ch mehr Leid als Freude m dem knappen Jahr «rl«bt hatte, ch das sie in der Allwö«denschen Familie zugebracht. Sie filhlt« eine ihr selbst unerklärliche Zuneigung zu dem Grasen Ottokar — den seltsamen Wunsch, in töchterlicher Liebe sein ver härmtes Gesicht zu streicheln, seine Hände zu Lissen. Und Graf Rüdiger — ihr Herz bebte, wenn «r mit ihr sprach, wenn seine klugen, grauen Augön dabei aufleuchteten und einen so warmen, zärtlichen Ausdruck annahmen. Ihn würde sie nun nie mehr sehen — das dünkte sie das Schwerste von allem. Unablässig klang es durch ihre Seele — es ist der letzte Tag