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Frankenberger Erzähler «nt«rhalt«n«r»«ilagt Armcktuberg« Tageblatt Ar. 128 K«»ntag d-, 2». I-j-mbrr 1»18 Zoumas »acd Miduacme» Nicht leichten Kampfes siegt der Glaub«, Solch Gut will schwer errungen sein. Freiwillig tränkt uns keine Traube. Die Kelter nur erpreßt den Wern; Und will ein Engel himmelwärts, Erst bricht im Tod ein Menschenherz. - Theodor Körner. Vir Mllwördrns Roman von Fr. Lehne 24 Nachdruck verboten In letzter Zeit hatte Rüdiger Nora Berger etwas ver ändert gefunden. Sie hatte ihre frühere Unbefangenheit gegen ihn verloren, war scheu geworden und wich ihm aus. Nicht gerade merklich, doch er fühlte: es war etwas Fremdes zwischen sie sekreten. Er vermiete ihr kindliches Lächeln, die ungeheuchelte Freude, mit det sie ihn immer begrüßte. War es ihre Kunst, die sie so ganz gefangen nahm, sie ihm abwendete? Gar manchmal hatte er schon darüber nach- gedacht. Es beunruhigte ihn.' Sie sollte ihm nicht entgleiten. Es sollte nichts anderes Macht über sie gewinnen, als ihre kaum bewußte, scheue Lieb« .... Er traf sie allein'; Frau von Matthes hatte eine Ein ladung zum Tee angenommen. Während ihm das Stuben mädchen diesen Bescheid gab, hörte er Noras voll«, schöne Stimme aus dem Musiksalon erklingen; sie übte. Er ließ sich Fräulein Berger melden. Gleich danach trat sie ihm entgegen. „Frau Geheimrat wird sehr bedauern, Herr Graf." „In der Hauptsache gilt mein Kommen heute Ihnen, Fräulein Nora — — doch davon nachher," fügt« er aus ihren erstaunt fragenden Blick hinzu. Er nahm Platz und sie setzte sich gleichfalls. Die Fenster waren geöffnet, und der Blick schweifte weit über die rm ersten frischen Blätterschmuck prangenden Bäume und die saftig- grünen Rasenflächen des englischen Gartens hin — «in. an mutiges, herzerfreuendes Bild. Der Legationsrat sah Fräulein Nora an, und sie schlug die Augen nieder vor. seinem liebevoll forschenden Blick. „Mich dünkt, Sie sind blaß und etwas schmaler ge worden, Fräulein Nora, wahrscheinlich überanstrengen Sie sich bei Ihren Uebungen." - „O nein, durchaus nicht! Ich tue «s ja so gern und bin Frau von Matthes zu tiefer Dankbarkeit verpflichtet, weil sie mir Gelegenheit dazu gibt." „Muß es denn durchaus sein?" „Ja, Herr Graf, es muß sein! Sichern mir doch die Aussichten, die man mir gemacht, ein unabhängiges Leben! Ich muß gestehen, ich Km hier so verwöhnt worden, daß mir die Lust vergangen ist, mich als Lehrerin durchs Leben zu schlagen." Ein Schatten flog über sein Gesicht. „Das ist allerdings sehr betrübend." „Ah, Sie scheinen nicht damit einverstanden zu sein, Herr Graf," meinte sie lebhaft, ,Mer durch Frau von Matthes Güt« habe ich so viel vom Kunstleben Lnnen'gelernt, daß'es wohl begreiflich ist, wenn mich der Gedanke nicht mehr so begeistert, an einer Schul« in irgend «inen kleinen Stadt, als Lehrerin zu wirken." „Natürlich! Das Theater lockt mehr! Vollkommen be greiflich Wie ein verderbenbringendes, trügerisches Licht ist es, das die Motten umfliegen," entgegnete er in ungerecht- fertigt« Gereiztheit. Sie bsickte hinab auf ihr« schmalen weihen Hände. „Nicht die Bühne ist es, H«rr Graf," versetzte sie leis«, an sie denke ich nicht dabei — an di« Kunst allein, an die Musik " „Soll ich das wirklich glauben, Nora? Sind nicht di« Aussichten Mf künftigen Ruhm bestimmend für Sie? Dazu das Kunte Vielerlei " „Gerade das schreckt mich eher ab und ängstigt mich." Sie hob die klaren Augen und schaute ihn offen an. „Wie meinen S« das?" „Wenn ich auch meiner Aufgabe ganz sicher bin, so weiß ich genau, daß der Gedanke an Zuschauer mich beunruhigen wird — und dann," sie hielt inne. „Nun, und dann?" drängt« «r. „Ich weiß nicht — da ist ein Gefühl — ich kann >as nicht so sagen, ich glaube, ich könnte nur die „Elisabeth" im Tannhäuser singen — niemals eine Sieglinde oder Elsa, wenn ich denk«, daß mich da ein fremder Mann " sie stockte und wurde rot und verlegen. Eine heiße Freude erfüllte ihn. So also dachte sie, so zart und Lusch — und das war keine Lüg« und Verst«llung. Es stimmte auch mit seinen Gedanken überein: . für ihn waren die Begriff« Nora und die Bühne unvereinbar. Sie gehörte in das Heiligtum eines Hauses — feines Hauses . . . Welch ein köstlicher Schatz war dieses Mädchen! „Vielleicht werden Sie mit der Zeit doch diese Scheu überwinden." „Nein, Herr Graf, das werde ich nie, ich weiß es ganz genalt." „Wie denn?" Er sah ihr Zögern, drängte, und da er zählte sie ihm stockend, baß sie im März in Darmstadt ge wesen sei, um dort zu gastieren; man habe ihr ein vorteil haftes Engagement angeboten. Es ging alles gut auf der Probe — aber im dritten Akt sei sie dem Lohengrin einfach daoongelaufen — und dieses Gefühl würde sich nie verlieren. Man hab« sie ausgelachl, habe ihr gut zugeredet — aber es sek ihr unmöglich gewesen. In höchstem Erstaunen hatte er zugehört. „Davon weiß ich gar nichts." „Ich hatte Frau von Matthes dringeiü» gebeten, .nicht darüber zu sprechen, weil ich mich meiner kindischen Schwäche schämte." „Und dennoch üben Sie werter?" „Frau von Matthes meint«, lch würde noch anders denken lernen; sie habe anfangs geanu so gefühlt, aber die Begeist»- rung für die Kunst ließe alles vergessen! Ich lern» weiter, weil es mir Freude macht, — und ich denke als Konzert sängerin vielleicht..." „Da ist doch auch wieder die Oeffentlichkeit —" „Aber anders. Da sehe und höre ich niemanden. Ich singe merm'Lieder für mich allein! Im Winter, zu Beginn der Saison, beabsichtige ich mein erstes Konzert zu geben!" „Also alles schon entschieden?" Sie nrckte eifrig. „Ja, und darauf freue ich mich sehr." „Ah, dann komm« ich jedenfalls mit meiner Bitte zu spät — oder vielmehr mit der Bitte meines Bruders " Nun, sprach er ihr davon, sachlich, ohne Ueberredung — sie sollte unbeeinflußt entscheiden. — „Natürlich, wenn auch mein Bruder Sie m jeder Hinsicht entschädigen wird, .Fräulein Nora, so wird es doch nicht mit dem zu vergleichen sein, was Sie sufgeben, was 'Ihnen zweifellos auf Ihrer zuküns- tigen Künstlerlausbahn an Gold und Lorbeer blühen würde! — Und in Lengefeld ist es auch einsamer als da, .wohin Ihr Impresario Sie führen wird." Gesenkten Hauptes hörte sie zu und dachte nach. Bei seinen letzten Worten sah sie in an und fragte schnell: „Sie red«n mir ah, wollen sich nur eines Auftrages entledigen?" _ _ '