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fängerin und noch seine Bühnengröbe sind. Errötend stand Lori jetzt auf, um sich in den nebenan „Schwerlich so viel, wie.SW nach Ihnen. In jedem Briefe spricht sie von Fräulein Nora. Es geht ihr in Bonn ganz gut, doch leidet sie sehr unter der Trennung von ihrem Vater und Lengefeld! Mir tut das Kind Kid." „Und Frau Gräfin Allwörden?" „Sie ist immer auf Reisen. Doch nun zu Ihn-», Fräulein Berger! Mir fühlen Sie lick?" „Jeden Tag, Herr Graf, denke ich voll Dankbarkeit an Sie!" entgegnete sie lebhaft, „denn Ihnen " „Sie denken an mich?" unterbrach er sie leise in ver haltenem Ton. Sie kämpfte mit einer leichten Verlegenheit. Hatte sie sich so ungeschickt ausgedrückt? Offen hob sie den Blick zu ihm. „Ja, Herr Graf, denn nur Ihnen hab' ich es zu ver danken, datz ich bei Frau von Matthes fein darf, daß ich so gute Stellung gefunden habe." „Das waren wir Ihnen nach allem schuldig, und es freut mich, zu hören, datz Sie befriedigt sind." „Mehr als das, Herr Graf — Frau von Matthes ist so gütig. Ich weitz kaum, Äh vergesse es, dah ich unter Frem den bin." aus den Äugen zu verlieren. Auf ein« Frage Loris bemerkte er jetzt: „Allerdings t es Mühe gekostet, meinen Bruder einmal ins Theater zu ften; er gibt sich seinem Kummer zu rückhaltlos hin." „Und nun mutzte er mich so unvermutet sehen, mich, deren Anblick ihn doch wieder an alles erinnern muh," seufzte sie, „dieser Gedanke ist sehr bedrückend für mich." „Dazu ist kein« Ursache, Fräulein Berger." „Und wie geht «s Sissi? Ich habe oft Sehnsucht nach ihr —" aus längst verklungenen Tagen spricht dieses Mädchenbild zu mir," die Worte, die er vorhin hatte singen hören, kamen ihm in den Sinn. Die fast erschreckende Aehnlichkeit dieses jungen Wesens mit Maria lieh ihm keine Ruhe - wenn er doch noch nach ihr und den Kindern forschen würde? Und da war wieder etwas, was ihn davor warnte. . . Was würde fein Bruder dazu sagen? Der würde ihn nur «inen törichten Phantasten neunen. Er schreckt« aus seinen Gedanken auf, als Frau von Matthes ihn anredete — war Lin leerer Schall war das leb hafte Geplauder der drei an-^inem Ohr vorübergezogen —. „Nicht wahr, Herr Graf, Sie sind ebenfalls dafür, dah Fräulein Berger »ans die Ballade der Senta singt? Ich möchte, datz Sie sich von ihren Fortschritten überzeugen. — Seien Sie doch nicht so ängstlich, Kind," wandte sie sich an das junge Mädchen. — „Die Herren wissen, dah Sie An ¬ suchen und zu treffen — er wollte mit seiner törichten Liebe fertig werden. Und doch hatte er ihren Anblick ent behrt. An der unsinnigen Freude, mit der er sie heute abend im Theater plötzlich entdeckt hatte, fühlte er, datz er sie doch nie vergessen konnte, datz feine Liebe ihn ganz er füllte und immer tiefer und stärker geworden war. Unauffällig beobachtete er Lori. Wie schön sie war! Aus dem leicht ausgeschnittenen, weihen Kleide reckte sich ihr weiher Hals so anmuttg uüd trug so stolz den feinen, rassigen Kops mit d«m dunklen Haar, dessen seltene Schönheit jetzt, nachdem es modern aufgesteckt war, viel mehr zur Eel- tung fam, als in der schlichten Zopffrifur. Ihr wunderbar rein und «del geschnittenes Profil war ihm noch nie so auf- gefalkn; er wurde nicht müde, sie zu betrachten. Ade Linie entzückte ihn. Lr hatte sich beeilt, um die Damen ja nicht liegenden Musiksalon zu begeben. „Ah, Graf Allwörden." Frau von Matthes streckte, freudig überrascht, dem Le gationsrat Rüdiger von Allwörden die Hand entgegen, die er an feine Lippen führte. „Waren Sie auch im Theater?" „Ja, gnädige Frau, und zwar mit meinem Bruder. Ich bin Hm vorausgeeilt, um Sie noch zu 'Erreichen; denn ich hatte Sie HS nach, der Aufführung gesehen - So mutzte ich auf das Vergangen verzichten, SlL schon früher zu begrützen." Er reichte auch Lon 'die Hand. Berückend schön sah sie aus. Wie Schnee lag der duftige, weihe Spitzenschleier aus ihrem dunklen Haar; ihre Augen leuchteten in sanftem Glanz aus dem wunderschönen Gesicht, das einen feierlichen Aus druck trug. Graf Ottokar trat da zu der kleinen Gruppe. Lon sah ihn zum ersten Mak wieder, und sie war erschrocken, wie alt er geworden war. Das Haar war vollständig ergraut, tiefe Aalten furchten das Gesicht, die Augen hatten einen müden, erloschenen Blick. Mit warmen, herzlichen Worten begrüht«, er Lori. Man sprach über die Vorstellung, wie grotzartig die Darstellung der Oper gewesen war. Da warf der LLgationsrat die Frage aus, ob man nicht noch «in Stündchen gemütlich zusammen verplaudern wolle. „Ja, und zwar bei mir, wenn die Herren einverstan den sind und noch «in Glas Tee bei mir trinken wollen! Ich würde mich freuen," bemerkte Frau von Matthes sehr lebhaft. Man nahm an; die vier Menschen schritten am Hoftheater entlang, bogen in die Marschallstratze ein, gingen am Armee museum vorüber, durch das Hofgartentvr, bis nach der König- strahe, in der Frau von Matthes wohnten Es war ejn schöner Winterabend. Silbern glitzerte das Mondlicht auf dem Schnee. Eine erquickende, klare Luft wirkte doppelt wohltuend nach dem Aufenthalt im Theater. Deshalb hott« man verzichtet, diese kurze Strecke zu fahren. Es fügte sich, datz Rüdrger neben Lori ging. Er hatte sie sehr lange nicht gesehen, hatte auch vermieden, sie zu Man war in dem eleganten Herm Frau Jakobes ange kommen. Während das wohlgeschulte Stubenmädchen den Herren behilflich war, dis Pelze abzunehmen, eilte Lori nach dem Wohnzimmer, um den Teetisch herzurichten. Sie war fast fertig, als Frau von Matthes mit ihren Gästen den Raum betrat. Bald sing das Wasser im Kessel über der bläulich zuckenden Spiritusflammr an Zu sieden. E-n tiefes Behagen lag in dem mätziz grotzen, modern und geschmackvoll ein- gerickteten Raum, in dem alles Grelle und Aufdringliche vermieden, aber jedes Stück ein Kunstwerk war. In der Mitte des Teetisches stand aus der seidenen chinesischen Decke ein« wundervolle, aus Kupfer getriebene Sckale-, in der dunkel- rote Rosen glühten. - Der Legationsrat, der bequem in hinein der tiefen Sessel satz, beobachtete Lori, wie sie in ruhiger Anmut ihres Amtes waltete. Das weitze Kleid aus dünnem, seidenartigen Gewebe — ihre Theatertoilette, «in Geschenk der Frau von 'Matthes, umschlotz eng den hochzewachsenen, schönen Mädchenkörper, die halben Aermel liehen einen wundervoll geformten Unter arm frei. Wie hatte sich Nora Berger in dem halben Jahr, das sie nun bei Frau von Matthes war, verändert! Aus dem manchmal schüchternen und ein klein wenig unbeholfenen Mäd chen, hatte sich «ine vollendete Dame entwickelt, die als Tochter oder Arau jedem, selbst dem vornehmsten Hause, zur Zierde gereichen konnte. Auck Graf Ottokar»Allwörden satz da und schaute auf Lori. Er suchte in seiner Erinnerung — „wie ein Bild Die Herren behielten ihre Plätze, von denen sie genau die Sängerin und hi? sie begleitende Frau von Matthes sehen konnten. Lori sang ohne Noten; «in leises Zeichen ihrer Begleiterin, und sie setzte ein. Machtvoll und mit er schütterndem, tjefbescelkm Ausdruck durchhallt« die Ballade den grotzen Raum. Ueberrascht lauschte Rüdiger; das hatte er nicht erwartet: Nora Berger war ja eine Künstlerin von Gottes Gnaden, begabt mit einer Stimme, in dcr sich Kraft, Sützs und Weich heit «inten! „— Doch kann dem bleichen Mann Erlösung einst noch werden, Find' er «in Weib, das getb:u bis in den Tod auf Erden —" sang sie. Ach, er fühlt«, datz auch nur sie ihm Erlösung bringen konnte. Er fühlt«, datz er fre liebte und begehrte 'mit dem tiefen Gefühl feiner reifen Mannesjahre. Ganz Mr wurde ihm das,' als er ihr« schlanke, schöne Gestalt da drüb«n im Dämmer d«s Musiksaales stehen sah mit dem weltentrückten Ausdruck auf Lem holden Gesicht. . . Er hätte sie kn seine Arme nehmen, sie in ^ein Haus führen und ihr sagen mögen: hier sei du Herrin, fei du Königin! — Sie war es wert, seinen Namen zu'tragen, war es wert, wie keine andere — sie, die einzig«, die er sich über haupt als fein Weib denken konnte! Und datz er ihr nicht Hleichzültig war, datz ihre scheue, und ! rU -el