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«US den Reden nicht, und in dieser Beziehung waren auch die V«rsammlungsbesuch«r etwas kritisch. Bon der großen Frei treppe des alten Museums herab erklärte Ebert vor den Menschenmassen nn Lustgarten, die Regierung werde allen Versuchen, sie mit Waffengewalt anzugreifen, mit äußerster Entschlossenheit begegnen, auch wenn Liebknechts fanatisch« Anhänger täglich noch Gewalt riesen. Auf diese Erklärung gab es zahlreiche Zurufe: „Aber auch Wopt halten! — Feste zupacken!" An den Prachtsälen des Westens hielt Scheidemann ein« Abrechnung mit den Liebknecht-Leuten in der er ein« Art Ultimatum an »die Spartakusgrupp« erließ. Nach einer Schilderung unserer zerfahren«« Zustände, dem Ruin von Hand«', und Industrie, legte er die Verantwortung hierfür den Arbeitern selbst auf und erklärte: „Ich sehe diesen Zuständen kein« acht Tage mehr zu; ich gehe!" Die Versammlung nahm dies« Worte mit stürmischen Rufen: „Nein, «ein, schaf fe« Sie Ordnung!" entgegen An der Mittagsstunde versammelten sich einige Tausend Liebknecht-Anhän ger in Treptow, im Tiergarten, im Friedrichshain und ' Humboldhain. Nach Schluß der Versammlungen zogen >ie Teilnehmer, Liebknecht darunter, zu einer Demonstration E das Mtchskanzlerpalais, wobei die Menge heftige Verwünschungen gegen die Ebert- Scheidemann-Regirrung ausstieß. i Das Reichstanzlerpalais lag still und dunkel da. Nur aus einem Zimmer des hellerleuchteten Vorderflügels lehnt« sich der Volksbeauftragte Barth heraus, der von der Menge, als sie ihn erkannte, stürmisch begrüßt wurde. Auf wieder- ! holte Aufforderung, zu sprechen, nahm Barth das Wort und sagte: „Ich wünschte nur einmal mit Liebknecht in einem der größten Säle Berlins, sagen wir im Zirkus Busch, zusam- menzutreffen, und ihm zu sagen, was ich ihm zu sagen habe (große Unruhe), und ich bürge dafür, daß nicht ein Arbeiter auf seiner Seite bleibt. (Wilde Gegenruse.) Daß ich in der ' Regierung sitze und daß ich zugegeben habe, haß die Regie rung und der Vollzugsausschuß paritätisch zusammengesetzt sind, das ist geschehen, weil -in Zirkus Busch am 10. Novbr. > nicht Scheidemann, sondern Karl Liebknecht auf mich eindrang ' Und sagt«, «s muß geschehen, wenn die Revolution nicht ge- s sährdel werden soll." (Stürmische Unterbrechungen. Er lügt! ! Schweinehund! Strolch! Lump! Die Taschen hast du dir voll gemacht! Gauner! Holt den Kerl herunter!) § Plötzlich ertönte Karl Liebknechts Stimme durch den Lärm. Er sagte: „In einer ungeheuren Demonstratron haben wir den Willen des Berliner Proletariats deutlich verkündet. Wir haben gezeigt, daß wir die Macht haben, ' ' dieses ganze Nest auszunchmen. Aber ich fordere euch auf, heute euren Willen und eure > Entschlossenheit nur in dem Rufe zu dokumentieren: Es lebe die sozial« Revolution, es lebe die Weltrevolution!" Brau sende Hochrufe erschollen, aber sie waren noch nicht ver klungen, als schon die stürmischen Pfuirufe gegen Barth wieder . «insetzten. Gegen viertel sieben Uhr halten sich die demonstrierenden I Gruppen aufgelöst. Nur vor dem Zimmer des Volksbeaus- , tragten Barth, der kaltblütig aus dem Fenster sah und eme Zigarett« rauchte, staute sich noch immer ein erregter, wüst schimpfenden Mei^schenknäuel, der seinen sofortigen Austritt aus der Regierung forderte. - Das war der Schlußakt d«s kritischen Sonntags. * * Um der Regierung ein ungestörtes Arbeiten und eine «rfolgreiche Fortsetzung ihrer Politik zu ermöglichen, emp fehlen wir ihr «ine Verlegung an einen geeigneteren Ort als > das politisch vom Osten angesteckte Berlin es ist. Wir ! schlagen als Sitz der Reichsleitung Dresden vor, das zentraler gelegen ist als Berlin, Namentlich wenn Deutsch- . Oesterreich mit in Frage kommt, und das auch über genügend UnterkllnftsmSglichkeiten verfügt, sowie auch die National versammlung beherbergen könnte. ?«ttctvett«cl»e in hsmbmg Dom Hamburger A.-- und S.-Rat wird folgend« Meldung verbreitet: An de« Redakteur des „Hamburgischen Korrespondenten" Abler traten vor einer Woche Kapitalisten und Reaktionäre mit der Frag« heran, ob er ihnen nicht Verbindungen mit Soldotenkreise« verschaffen könne. Ls handle sich darum, führende radikal« Mitglieder des Arbeiterrates zu verhaften, um den Arb«iterrat mit gemüßigten Elementen zu besehen pnd sofort den Senat und die Bürgerschaft zur Schaffung einer Hamburgischen Verfassung einzuberufen. Abter hatte Be ziehungen zu dem Matrosen Zeller und zwer dHemaligen Mit gliedern der Presseabteilung des A.° und S.-Rat«s. In mehreren Besprechungen wurde beschlossen, vierzehn Mitglieder des A.- und S.-Rat«/ und andere im Vorder grund stehende Revolutionäre zu verhaften. Diese sollten am Montag morgen 6 Uhr in ihrer Wohnung festgenommen und mittels Auto dem Untersuchungsgefängnis zugeftlhrt wer den. Am Montag abend sollte das Rathaus militärisch besetzt werden. Von einer Gruppe Kapitalisten war nach der Erklärung Ablers «ine halbe Million zur Verfügung gestellt, mit der die Verschworenen bestochen werden sollten. Auch Senatsmitglieder waren von dem Plan unterrichtet. Am Freitag abend fanden in dem Hot«l „Vier Jahres zeiten" Besprechungen Zellers und seiner Mitverschworenen mit 8—10 Geldgebern statt.. Hier wurden alle Einzelheiten durchberaten. Die Kapitalisten versprachen, Geld in unbe schränktem Maße zur Verfügung stellen zu wollen. Am Sonn tag nachmittag hatte Zeller ipit den übrigen Verschworenen in einem Hamburger Restaurant eine Fluchtbesprechung. Hier bei wurden sie durch den Arbeiter- und Soldatemat festge- nommei», der bereits seit einigen Tagen vom Stande der Dinge Kenntnis hatte. Welche Kapitalistenkreise an dem Putsch beteiligt sind und wie weit er in oMielle Kreis« hinemshiett, wird noch später mitgeteilt werden. — In der heutigen Zeit, wo Verschwörungen und Gegenrevolutionen in den Köpfen zahlreicher Zeitgenossen spuken, kann di« Richtigkeit dieser Darstellung nicht von vornherein abgelehnt werden. Manche Einzelheiten klingen allerdings unglaublich. Der genannte Redakteur Abter ist nach unserer Kenntnis ein sehr regsamer Herr von orientalischer Phantasie, der sich eine Zeitlang als Kriegsberichterstatter betätigte und schon immer große Pläne „wälzte". Besonders ernsthaft ist er nicht zu nehmen. Sebweke Wsbluleäerlage cker e»emnitrn tinabdäiigige« Chemnitz, 9. 12. Bei den heutigen Wahlen zum Ar beiter und Soldatemat im Jndüskiebezirk Lemnitz erlitten die Chemnitzer Unabhängigen eine schwere Niederlage. Es erhielten bis zum Schlüsse des Zentral-Wahlbüros — "^11 Uhr — die Liste l (Mehrheitssozialisten) 78 379 Stimmen, Liste II (Unabhängige) 6552 Stimmen. Ungültig waren 78 Stimmen. Es stehen noch die Ergebnisse der Wahl der Eisenbahn- und Straßenbahn-Angestellten sowie einiger Landgemeinde« aus. ' Man sieht, wie in Dresden und zahlreichen anderen Städten, will auch rn Chemnitz die überwältigende Mehrheit des arbeitenden Volkes von den bolschewistischen Bestrebungen der Unabhängigen nichts wissen. ?oliülcbe Nacbricbten Die Türken verlangen dir Auslieferung «ihrer Staatsmänner pd Im Auftrage ihrer Regierung hat die türkische Bot schaft in B«r!m bei der deutschen Regierung die Auslieferung ! des früheren Großveziers Talaat Pascha, des früheren Kriegs- , Ministers Enver Pascha, sowie einer Anzahl anderer Mit glieder der früheren Regierung beantragt, die nach Deutschland > geflüchtet seien. Nach hier vorliegenden sicheren Nachrichten hat Enver Pascha zloar Konstantinopel verlassen, ist aber nicht nach Deutschland gekommen. Eine Auslieferung Talaat Paschas kommt nicht in Frage, da er als politischer Flüchtling zu betrachten ist. l Bei den übrigen Personen handelt «s sich nach den " bisher vorliegenden Angaben nicht nur um politische, son- ' dern auch um gewöhnliche Straftaten. Wegen der politischen Straftaten würde auch bei ihnen eine Auslieferung selbst verständlich ausgeschlossen sein. Wegen der gewöhnlichen Straf ¬ taten würde dagegen ihre Auslieferung zu erfolg«« haben, sofern nachgewiesen wird, daß die im deutsch-türkischen Aus lieferungsoertrage vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind. Die türkische Negierung hat di« Beibringung d«r erforderlichen gerichtlichen Urkunden in Aussicht gestellt und hat beantragt, den Aufenthalt der Beschuldigten zu ermitteln und sie vor- läufig festnehmen zu lassen. Fürchterliche ErcwettatM in der Ukraine pd BrrÜn, 8. 12. Die Deutschen in d«r Ukraine wer den in den Gebieten, aus denen sich die deutschen Truppen zurückgezogen haben, aus das grausamste mißhandelt. Sre werden pon den russischen Räuberbanden gejagt und ermordet. Die Grausamkeiten, die der Räuberhauptmann Machno be geht, spotten jeder Beschreibung. Breisach werden deutsche Männer zu zweien lebendig wagerecht an niedrig« Wagen derartig festgebunden, daß »hr Kopf auf di« Erde stößt, dann werden Pferd« angespannt und der Wagen im Galopp durch die Straßen getrieben, bis vyn den Köpfen nicht mehr die Spur vorhanden ist. Anderen Männern wrrd bei lebendigem Leibe hie Haut in Streifen geschnitten und abgezogen, bis sie unter vielen Qualen ihren Geist aufgeben. Statt L57 MME Ueberschuß - 1.5 Millard«, Deflz't pd Gegenüber Berliner Journalisten «klärt« der Ber liner Minister Hirsch, daß der preußische Etat für das kom mende Jahr statt eines Ueberschusses von 157 Million«« Mark in, Jahr« vorher einen Ausfall von 1,5 Milliarden Mark aufweise. Die Folg« werde wahrscheinlich eine Erhöhung von 60°/o der Eisenbahntarife sein. Hirsch erklärte hierzu, mit einer solchen Maßnahme habe schon das verflossene bürgerliche Ministerium gerechnet. Die Hctmlchr «ns«« Ostaftikamr pd Berlin, 9. 12. Aus den Mitteilungen der Vertreter der Alliierten bei der- Waffenstillstandskommisfion geht her vor, daß die Abbeförderung der Schutztruppe des Generals v. Lettow-Vorbeck auf englischen Schiffen und die Aus schiffung voraussichtlich in Rotterdam erfolgen soll, lieber die Kapitulation des Generals v. Lettow-Vorbeck hat die englische Regierung niitgeteilt» daß dieser Truppe gestattet wurde, die Waffen zu behalten, daß sie einschließlich der far bigen Truppen zunächst durch England verpflegt und be soldet wurden, und daß die ihr angehörenden Europäer auf dem Heimtransporl «ne gewöhnliche Passagier« behandelt werden sollen. Deutsche Waffenstillstandskommission. i Ein Plan M Neubinteilung de» Reiches ' pd Berlin, 9. 12. Der Vollzugsrat teilt mit: Im Zusam menhang mit den häufig austretenden Nachrichten über die Loslösungsbestrebungen gewisser deutscher Gebiete erfährt das „B. T.", daß bereits ern Plan ausgearbeitet wird, der das Reich in einer neuen 'Weise gliedern soll, und zwar soll die Neueinteilung auf Grund wissenschaftlicher Untersuchungen der Einzelstaat«» nach Wirtschaft und Stämmen beabsichtigt sein, deren Verfasser Ledebour ist. Das Ministerium des Innern wird der Frage schon in den nächste« Tagen nähertreten. Ansprache »sm Rathause in Hamburg pd Hamburg, 10. 12. In den Nachmittagsstunden sand hier «ine Versammlung von Arbeitern und Soldaten sowie des Publikums vor dem Rathause aus dem Rathausplatze statt. Es wurden zwei Ansprachen vom Balkon des Rathauses gehalten, in denen mitgeteilt wurde, daß die gegenrevolu tionäre Bewegung immer größeren Umfang annimmt. Die Reden schlossen mit einem Hoch auf di« Revolution und «such ten die Meng«, die am .Abend stattfindenden acht Versamm lungen zu besuchen. Eine MMärpollzei ans Ententetruppen tn Berlin beabsichtigt pd Eens, tO. 12. Unmittelbar nach Wilsons Ankunft in Paris soll die Frag« der Errichtung einer aus Entente trup pen bestehenden Miatärpolizei in Berlin und Umgegend zur Lösung gelangen. Der „Newyork Herald" hält deren Ent sendung für sicher und glaubt, daß die Besetzung bis zur Unterzeichnung des Friedens dauern «»erd«. Sckwer« Vorschriften der Engländer in Köln pd Köln, 10. 12. Die Vorschriften, welche die englische Mililärpouze: für di« Bevölkerung erlassen hat, sind sehr schwer und umfassen die Grußpflicht gegenüber den englischen Offizieren, den englischen Fahnen und der englischen National- Im Wafferwinkel Ein Dorftoman von P. Redlich (Nachdruck verboten.) Anne, die zu ihnen getreten war und den Pla« gehört hatte, dachte, die Sache wäre vielleicht so übel nicht. Sie bekäme dadurch wohl ein hübsches Stück Geld für de« Haus halt in die Hand und brauchte nicht mehr so kümmerlich zu wirtschaften. Freilich, woher sie die Zett zu diesen neuen Pflichten nehmen sollt«, war ihr noch nicht klar. Oder sollte eine Hilse ins Haus? Dadurch würde dann der Verdienst aufgehoben werden. Besser wäre es wohl, der Vater steckte das Geld, das die Badezelle kosten würde, direkt in den Haushalt. Und woher nahm er «s eigentlich, dieses Geld? Als die Eltern schon längst hineingegangen waren, stand sie noch lang«, sann und rechmte. Plötzlich merkte si«, daß sie nicht mehr allein war. Leise war jetzt Herr F«stegang zu ihr getreten, fast schüchtern,. wie das jetzt seine Art zu sein pflegte. Aergerlich biß sie sich aus die Lippen. War man denn nrgends mehr vor iihm sicher? Mußte er denn überall chre Wege ausspionieren, daß sie sich kaum- mehr getraute, das Haus zu verlassen? Der arme F«stegang ahnte sehr wohl, was sie dacht«. Aber er konnic ihr nicht helfen, ionnte sich selbst »richt Helsen. Uebel sah es in ihm aus. Er fühlte sein Inneres zertreten, zerrissen und zerrupft, denn das Verlange«, dieses spröd« Mädchen zu besitzen, das doch anfangs so furchtbar freundlich gewesen war, wurde nachgerade verzehrend. Längst hätte er vielleicht den Staub dieser undankbaren Gegend, die für ihn und seinen Kolonialwarenladen kein Verständnis besaß, von seinen Füßen geschüttelt, wäre Ann« Gottschlich nicht gewesen. Daß sie ihm auswich, machte ihm schlaflose Nächt«. Sern 'Selbstbewußtsein bäumte sich aus und wurde ausge stachelt. Was konnte «s sein, das sie so unfreundlich gemacht hatte? Er konnte und wollte nicht glauben, daß sie ihm dauernd widerstehen würde, ihm, dem angesehenen, wohl habenden und der hen Damen beliebten Manne, der sich bei so manchem — sogar reichen Mädchen so leicht keinen Korb holen würde. Verlegen rieb er di« Hände g«geneinand«r. „Papachen hat Ihnen wohl den n«ucn Plan verraten, Fräulein?" „Wenn Sie den mit der Badezelle meinen, ja. Oder haben Sie noch «inen neueren?" „Ich? Aber wo werd' ich dem? Es war diesmal sein eigenster Einfall, Fräulein Annchen, Ich hab« ihm sogar abgeredet, auf Ehre!" ! Beteuernd legte er hie Hand aufs Herz. Und die alte Heinemann, di« vom Bodenfenster aus diese Gest« mitansah, hiielt sich die Setten vor Lachen. Anne ging schweigend dem Hause zu. „Ich wollte nur sagen, Fräulein, wenn Ihnen etwa die Hühner Aerger «rachen — oder sind Sie zufrieden?" „Es sind faule Eierleger." „Oh! Oh! Ich werde doch Papachen bitten, daß er sie mir läßt. Ich würde mehr als den Einkaufspreis dafür geben." „Vater will sie behalten." Paus«. „Das Wetter ist so herrlich," begann er von neuem. Sie schwieg. „Sie werden einmal sehe», Fräulein, diesmal wird es nirgends mehr vor ihm sicher? Mußte er denn überall Are recht schöne schwere Körbe." '„Ein paar von den Völkern, di« überhaupt noch da sind, sollen ja gut sein. Sie wissen wohl, es sind nn Winter viele eingegangen." „Leider! leider! Aber wenn wir nun die jetzigen recht pflegen und auf die Schwärme passen . Ich darf doch helfen, Fräulein Annchen?" „Ich habe Ihnen nichts zu «klauben," sagte sie, liickte flüchtig und entfloh ins Haus. Ratlos schüttelte er den Kops. " O Nun, die Prophezeihung des guten Honigjahrs schien in Erfüllung gehen zu sollen. Der Frühsommer brachte an dauernd «»armes und doch nicht ausdörrendes Wetter. Die Bienen konnten von früh bis,spät einsammeln. Die Phazelia, mit der das frühere Kartoffelland und die Hälft« des Gemüselandes bestellt waren, stand üppig m Blüte. Der süße, starke Duft der hübschen blauen Blüten erfüllt« weithin die Lust. Aber Anne hatte keine rechte Freude daran.. Allzu sehr fehlte ihr das Gemüseland, gerade jetzt, wo das bare Geld beständig knapp war. Kaum für den eigenen Bedarf reichten jetzt Salat und Gemüse. Heimlich verwandte sie zuweilen di« Zinsen ihres kleinen Kapitals dazu, ein Stück Fleisch für den Sonntagstisch zu kaufen, um doch etwas Abwechselung in das ewige Einerlei von Rüben und Liern zu bringen. Und . wie sollte es erst später werden, wenn die neu«n Kartoffeln ! ausbleiben würden und gekauft werden mußten? > Sommergäste waren bisher auch nicht zu erlangen ge- wesen. Einige Damen waren zwar mal herausgekommen, sich all«» anzusehen. Aber sie meinten, wenn man in die j Sommerfrische gehe, so wolle man sich doch nicht zu Tode langweilen. Ja, wenn sie es ganz billig haben könnten, fast > umsonst! So stand denn' die schöne Badezell« vorläufig fast un beachtet. Zuweilen wurde sie gegen Entrichtung von zehn Pfennigen von Frauen aus dem Dorfe benutzt, aber im^ allgemeinen hatte man in Lagkwiese keine groß« Meinung^ vom Nutzen d«s Badens oder ging unter dem Schutz« der Dunkelheit gratis in di« Fluten. — 8. Es war in der ersten Hälfte des September, als das Unheil zum Ausbruch kam. Draußen lagerte eine atembeklemmende, dunkl« «schwüle, die das Blut träg« fließen machte, die Glieder mit lähmender Müdigkeit «rfüllte und doch keine erquickende Ruhe aufkommen ließ. Der sonst so unermüdliche Meister Gottschlich hatte alle Arbeit ruhen lassen, und «»änderte unaufhörlich hin und her, bald durch Hof und Garten oder auch über die Straße oder zum Bienenschuppen, wo er zerstreut den lebhaft arbei tenden Völkern zusah. « Oft noch im späteren Leben mußte Anna daran denken, wie farblos und verfallen er an diesem Tag« ausgesehen hatte und wie schwerfällig sein Gang gewesen war. Mit scharfer Deutlichkeit sollte noch oft dieses Bild vor ihrer Seele stehen, das jetzt scheinbar eindruckslos, wie In Nebel gehüllt, sie fast gleichgültig ließ, den« in trübem Sinnen konnte sie kaum noch an «twas anderes denken, als an die Sorge: woher das so sehr nötige Bargeld nehmen? Schon hatte sie hier und da kleine Schulden machen müssen, der Bäcker mahnte um das Monatsgeld, der Müller üm dep nicht unerheblichen Betrag für das Futterschrot. Der Vater hatte gesagt: „Sie müssen warfen, bis ich den Honig schneide." Dies all«s drückte ihre jung«, feinfühlig« «Seel« tief nieder. Ihr Gesicht war schmal und blaß geworden, ihr« umschatteten Aug«n leuchteten dunkel und unnatürlich groß unter der «rnsten Stirn. „Sie sieht sich gar nicht mehr ähnlich," sagten, die Leute im Dorf. Betrübt schritt sie zwischen den fast abgeerntet«« Ge müsebeete« dem Heckenpfürtchen zu. Nun würde bald di« Kartoff«l«rnte anheben, dann «rußte Vorrat für den Winter gekauft werden. Sie sah keinen anderen Ausweg, als den, das Futterschwein an den «Schlächter zu verhandeln. Aber wovon dann im Winter leben? Das Bißchen vorjährigen Speck» würde bald verbraucht fein. «