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k » ZG S S> — 483 — g - .l v « ii ,l s ? ) Senta Kaula. Zwickau. » r h st g !t II e d Es liegt eine Krone . . . Ein „Ersatz" für das alte Lied. Es liegt eine Krone im grünen Rhein, Gezaudert von Gold und von Edelstein, Sie lieget dort drunten von Niren bewacht, Als Zeichen vergangener deutscher Macht. Versunken, vergessen in ewiger Ruh . . . Drum träure, traure, mein Vaterland Du! Wir legten unsere Sachen ab und machten es uns bequem, s Einige Kameraden gingen fort, um Stroh zu Holen. Wir anderen räumten inzwischen dis Stube aus, 'd. h., wir rückten die Möbel eng aneinander und schafften sie zum Teil in das anstoßende Schlafzimmer, das außer dem Wohnzimmer der einzige Raum in dem Häuschen war. Mit großen Augen, aber ohne ein Wort zu sagen, sah das Mütterchen unserem Treiben zu. Die Kameraden Hamen mit Stroh zurück und schnell wurde auf den Dielen ein Lager bereitet. Ich kam direkt an die Tür zu liegen, und da es durch den Regen kalt geworden war, wickelte ich mich fest in meinen Mantel und meine Zeltbahn. Jumbo, unser Spaßmacher, der nur wenige Brocken Französisch kannte, sich aber nichtsdestoweni ger sehr schnell mit den Franzmännern verstand, sprach noch Ä den Weg. Anscheinend hatte er auf sie gewartet. Mit schmerz- lichem Vorwurf sah er sie an. „Wollen Sie wirklich Ihren Eigensinn fortsetzen? Ich lasse Sir nicht fort, Norä Berger." „Sie müssen es doch, Herr Gras! Eigensinn, sagen Sie — bei mir nennen Ais es so! — In Ihren Kreisen würde man es anders, würde man es Ehrgefühl nennen!" „Nora, rechten Sr« doch nicht mit den Ausbrüchen einer halb unzurechnungsfähigen Frau! — Ihren Angehörigen gegenüber können wir die Verantwortung auch nicht über nehmen, Sie in einem solchen Schwächezustand reisen zu lassen." „Das lassen Sie meine Sorge sein, Herr Gras! Ich weiß, Sie meinen es gut mit mir — aber bei meiner Mutter bin ich am besten aufgehoben! — Für mich ist hier kein Bleiben mehr — niemand kann mich halten. Und wenn ich die Nacht durch laufen müßte!" . „Niemand? "Auch Sissi nicht? — Sissi, die Sie so nötig braucht?" „Erinnern Sie mich nicht an Sissi!" murmelte sie mit erstickter Stimme, „machen Sie es mir doch nicht so schwer!" „Nora, bleiben Sie hier, ich bitte Sir —" beinahe hätte er gesagt: „um meinetwillen!" Doch rechtzeitig bezwang er sich noch. „Sie können ja die Reiss nicht machen! Erinnern Sie sich, was der Arzt verordnet hat!" „Der Mensch kann viel, wenn viel von ihm verlangt wird," entgegnete sie mit dem schwachen Versuch eines Lächelns „lassen Sie mich gehen — und haben Sir Dank für Ihre große Güte gegen mich!" » Er preßte seinen Mund auf ihre Hand, und mit Erbeben fühlte sie die Berührung seiner Lippen. Wie im Schwindel, schloß sie die Augen. Rüdiger sah ihr Entschluß war unerschütterliche Er vertraut« sre dem Schutze des Arztes an, der jetzt fortfahren wollte. Bei dessen Familie sollte sie das Nacht verbringen, um am anderen Tags dis Reise in die Heimat anzutreten. (Fortsetzung folgt.) auf das alte Mütterchen ein und meinte zu ihr: „Na, Mutter, mache ooch noch ä biffel coucher, du wirst och noch müde sein, wir tun dir löscht, brauchst keene Angst zu haben." Sie lächelte, als ob sie alles verstanden hätte, und ging iu das Schlafzimmer. Bold lagen wir all« im tiefsten Schlum mer. Der überanstrengte Körper forderte sein Recht. Tiefer, traumloser Schlaf umfing uns. — . Es war gegen 11 Uhr vormittags,^pnd di« Sonnen strahlen huschten durch die Stube, als ich plötzlich erwachte. Etwas Schweres lag mir aus der Brust. Was mochte das nur sein? Schlaftrunken tastete ich danach. Nanu, das war ja eine Bettdecke, eine wirklich« Bettdecke! Wie hatte denn dre sich hierher verirrt? Ich richtete mich halb auf. Die Kameraden schliefen noch, aber das alte Mütterchen war geschäftig bei der Arbeit. Sie hatte acht Tassen mit damp fendem Kaffee aus den Tisch gestellt und wartete offenbar auf unser Erwachen. Kaum gewahrte sie, daß ich munter war, so kam sie mit kleinen Schritten herangetrippelt, in der zitternden Hand «ine Tasse dampfenden Getränks und reicht« mir dieselbe mit einem „Bon jour, Monsieur". Ich war ganz verwirrt und stotterte nur: „Merci beaucoup, Madame". Dann wies ich auf die Bettdecke und fragte, ob sie mich mit derselben zugedeckt Habs, was sie lächelnd bejahte. Ein weiches Gefühl überkam mich. Die rührende Sorgfalt des alten Mütterchens erinnerte mich an die Heimat. Im traute» Elternhaus daheim wartete ja auch ein liebes Mütterchen auf mich. Im stillen aber fragte ich mich: „Sind das auch Feinde, die uns so fürsorglich behandeln?" Inzwischen waren die Kameraden ebenfalls erwacht, und große Freude herrschte, ob der willkommenen lleberraschung. Wohlig schlürften alle das warme Getränk, und das Mütter chen konnte sich der Dankesworte und Händedrücke kaum erwehren. -Ihre Augen glänzten freudig. 'Sie war zusrib- d«n, uns, den Feinden, eine Freude bereitet zu haben. — Im Laufe des Tages habe ich mich mit dem alten Mütterchen unterhalten. Zwar ging unser Gespräch etwas holperig vonstatten, aber wir verstanden uns doch. Im warmen Frühlingssonnenschein saßen wir vor der Tür, und sie erzählte, mir ihre Geschichte. Sie hieß Madelaine. Ihr Mann, mit dem sie.vierzig Jahre glücklich und zufrieden gelebt hatte, war kurz vor Ausbruch des großen Krieges gestorben. Er hatte 1870 mit gekämpft und war in deutsche Gefangenschaft geraten. Oh, sie konnte sich noch ganz gui auf den damaligen Krieg besinnen. Ihr einziger Sohn stand als Alpenjäger an der Front. Seit '14 Monaten hatte sie schon keine Nachricht von ihm erhalten und bangte um sein Leben. Tränen rannen ihr über die runzligen Wangen. Armes Mutterherz! . . . Sie war so ganz allein. Voll Mitgefühl drückte ich ihr die Hände — und sie weinte lange, lange . . . Am Abend sind wir wieder fortmarschiert. Unter herz lichen Dankesworten haben wir Abschied genommen von un serer Mutter Madelaine und eine Geldspende, die sie durch aus nicht annehmen wollte, auf den Betaltar gelegt. Lange ! sah sie uns nach und winkte uns Abschiedsgrüße zu. — In stillen Stunden denke ich oft an sie und sehe dann ihr gütiges, von schneeweißem Haar umrahmtes Gesicht ganz deutlich vor mir, sehe, wie sie geschäftig für uns — di« Feinde — die alten Hände rührte, um uns Gutes zu er- ! weisen. Liebet eure Feinde! Sie hat das Bibelwort getreu« s lich erfüllt. Ich ehr« und schätze sie hoch, und sie ist mir i eine liebe Bekannte geworden. Ich möchte sie nicht in meiner Erinnerung missen, die Mutter Madelaine. ! (Aus Sachsen im Felde und in der Heimat. Verlag vou ! I. I. Weber, Leipzig.) Mutter Maüelsme Ein Erlebnis aus Frankreich von Eefr. Paul Wienold Es war in Nordfrankreich in der Gegend von R . . . Bel strömendem Regen waren wir die ganze Nacht marschiert und ganz durchnäßt und todmüde gegen fünf Uhr früh in dem kleinen Dorfe W . . ., in dem wir Quartier beziehen sollten, angekommen. Jeder war froh, endlich unter Dach und Fach zu gelangen. Wir suchten schleunigst das für unsere. Gruppe bestimmt« Quartier. Bald hatten wir es gefun den. Es war ein kleines Häuschen und sah gar schmuck und sauber aus in dem weißen Anstrich und mit den grünen Fensterläden. In dem kleinen Garten prangte ein Flieder strauch in voller Pracht und erfüllte die Luft mit würzigem Geruch, Einer der Kameraden pochte gegen die Tür. Drinnen wurde es lebendig, und bald stand auf der Schwelle ein altes Mütterlein. Schneeweißes Haar umrahmte oas gütige Matronengesicht. Sie mochte achtzig Jahre zählen. Ihr Antlitz zeigte weder Furcht noch Erstaunen, als sie uns xuhlg der Reihe nach betrachtete. Mit einer freundlichen Hand bewegung lud sie uns «in, näherzukommen. Wir traten in eine kleine saubere, wenn auch ärmlich eingerichtet« Stube. Alles sah blitzblank aus. Weiher Sand war aus die Dielen gestreut. Ein Tisch, einige Stühle, ein Schrank, ein Wand spiegel, eine Kommode und in der einen Ecke ein Betaltar mit einem Kruzisir darauf, das war die ganze Einrichtung. MF