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Sissi. Die kindlichen Moste rührten Erich tief. „Selbstverständlich fährt Lori." „Nein! Ich erlaube es nicht!" „Warum nicht?" Frau Maria zögerte einen Augenblick, ehe sie erwiderte: „Denke an Loris Gesundheitszustand! Wie schwach und nervös sie noch ist! Unmöglich kann sie die anstrengende Pflege eines schwerkranken Lindes übernehmen. Siehst ou das nicht ein?" „Eigentlich ja! Sie ist sehr schonungsbedürftig! — Aber —" „Siehst du," unterbrach sie ihn hastig, „du kannst doch nicht wollen, dast sie uns um fremder Leute Linder krank wird? — Also schreibe gleich, dast Lori noch so leidend ist, daß «es ihr unmöglich ist, jetzt schon zu kommen! — Schreibe gleich, Erich," wiederholte sie heftig. Er sah seine Mutter kange und durchdringend an. „Wir wollen die Entscheidung derjenigen überlassen, die es angeht — Lori. Und ich weist, dast sie auf diesen Brief hin sofort abreisen wird — mit meiner vollen Zustimmung." „Nein!" rief Frau Berger auster' sich. „Mutter, ich kenne deine wahren Beweggründe! Und weil ich die kenne, nehme ich nicht Rücksicht auf Loris Ge sundheit — —" „Erich, gilt dir das Leben deiner 'Schwester nichts?" „Daran denkst du weniger, Muttermals du davon sprichst! Dein« innersten Gedanken liegen so klar vor mir, wie die Zeilen auf diesem Papier! Und deshalb sag« ich dir: Niemals würde ich den Vorteil annehmen, den du im stillen für mich erhoffst. Ich werde "stets der einfache Förster Erich Berger bleiben — und wenn du auf den Knien vor wir liegen würdest — du und der, den du unseren Vater nennst." Eine eiserne Entschlossenheit lag auf feinem Gesicht; fast erbarmungslos und grausam war der Ausdruck daraus. Sie brach fn «in leidenschaftliches Schluchzen aus und rang die Hände. fort!" - 'Ihre Sie so sehr liebende meiner Jutta zusammen sein, die wird sie mit ihrem Froh sinn wieder aufheitern; schicken Sie die Lori nur her." Er errötete sor Freude; er hätte dem gütigen Mann vor Dankbarkeit am liebsten dir Hand gedrückt. Da wurde die Tür aufgerissen, und Jutta stürmte her- ein; sie wustte, dast Erich da war, prallte aber mit gut ge spielter Leberraschung zurück. „Nh, Herr Förster! Guten Tag' Ich störe wohl, Papa —?" „Ne«, m«in Schmaltterchen, im Gegenteil. Wir brauchen dich — wir haben «ine Aufgabe für dich — höre mal und er erzählte ihr, was er vorhin von Erich erfahren. Ein nachdenklicher Zug glitt über ihr reizendes Gesicht. Sie staunte Lorr an — so selbstlos hätte sie nie handeln können — Awas Wunderbares, Unbegreifliches, schien ihr das. Dann lächelte sie wieder. „Freilich Alterchen! Das wird gemacht! Lori soll wie. der lachen l«rnen — dis Leute aufheitern, das verstehe ich." Sie fetzt«, sich ihrem Vater aufs Lnie und 'kühle ihn herz haft ab. - Lachend löste er sich aus ihrer Umklammerung. „Ja, du Krabbe! Wenn ich dich nicht hätte " In Eriche wurde doch «in eigenes, beklemmendes Gefühl wach — hinterging er den Mann nicht, betrog er ihn nicht um sein Bestes — um sein Lind? Diese Bedenken hatten ihn nicht verlassen. Aber Jutta hatte gestern, als sie sich getroffen, so sütz beschwichtigend seine Sorgen weggeplaudert und weggeküstt. In ihrer Nähe vergast «r, was ihn quälte. „Gehen Sie jetzt direkt , nach Hause, Herr Förster, ja? Dann will ich gleich mit Ihnen gehen und mir Fräulein Lori holen; sie muh heute mittag schon bei uns essen — es gibt junge Hühner und Spargel. Und heute abend fahre ich selbst sie wieder zurück." Fröhlich ging Jutta neben dem jungen Forstmann einher. Als sie in dem frühlingsgrünen Wald allein und un beobachtet waren, da hängte sie sich in seinen Arm und bog ihr Gesicht neckisch dem seinigen entgegen. „Erich — du hast mich heute noch nicht geküht, du! Die Falten da auf deiner Stirn, die mag ich gar nicht leiden." Mit leichtem Finger strich sie darüber hm; er hielt ihre Hand fest und drückte'einen Lust darauf. „Soll ich damit zufrieden sein?" schmollte sie. Unge stüm warf sie sich an seine Brust und suchte seinen Mund- Er streichelte das goldig schimmernde Haar und kühte sie wieder; doch der schwere Ernst wich nicht aus seinem Gesicht. „Jutta, dein Vater ist so gütig — ich mistbrauche das — ich mache mir Vorwürfe." V«rdriehlich stampft« sie mit dem Fuhe auf. „Fängst du schon wieder -an? Willst du mir diese kargen, schönen Stunden durch dein Grübeln verderben? Ich sagt« es dir gestern schon. Du muht Geduld haben. Wenn die Eltern schon jetzt etwas erführen — du wcistt, wie Mama ist — gleich würdest , du versetzt werden, so weit, dast unr uns nie Wiedersehen würden! Ich warte auf «inen Glücks zufall, der kommen must! Und wenn du bei mir bist, sollst du an nichts anderes denken, als an die Gegenwart, an mich! Was kümmert mich mbrgen?" Sie trällert« die Studenten- weise: „Wer weist, ob nicht die Welt Morgen in Schutt zerfällt! Wenn sie nur heut' noch hält — Heute ist heut'!" Wie geschickt entwand sie sich ihm doch, wustte ihn zu vertrösten — «r muhte sich ihr fügen, so schwer.es ihm in seinem geraden, ehrlichen Sinn wurde. Juttas lieblich«! Anmut, ihrer Ueberredungskunst, gelang es schliehlich, Lori MM Mitgehen nach der Oberförsterei zu bewegen. Wie ein Lind freute sie sich darüber, und scherzend versprach sie, Lori heute abend pünktlich und ge wissenhaft wieder „abzuliesern". Nach einigen Tagen, während Lori wieder bei Eggerts war, hielt Frau Maria Berger einen Brief, den Erich von dem Postamt ntttgebracht, in der Hand, adressiert an „Fräu lein Ijpra Berger, Försterei Steinfurt". Di« seine, schräg- liegende Schrift mit den vielen Schnörkeln und Spitzen ohne jeglichen Druck, war ihr so wohlbekannt, dast ihr das Blut zu Herzen stieg -7- -- Sie wog den Brief m der Hand, drehte ihn nach allen Seiten — und rist ihn dann kurz entschlossen aus. „Mutter, was tust du?" rief Erich durch das Geräusch des Aufreistens aufmerksam gemacht — er sah eben seine Postsachen durch „Der Brief ist an Lori, nicht an dich" sagte er unwillig. „Aber «r kommt vom Grafen Allwörden, und mich geht es auch an, zu wissen, was er noch von meiner Tochter will!" Sie überflog die Zeilen; das Briefblatt zitterte in ihrer Hand — heiste Röte überzog ihr Gesicht. Den Kopf schüt- Änd, murm«tt« sie einzelne, erregte Worte — „nein, nein, - aus keinen Fall — ausgeschlossen — das geht nicht —" Er stand auf, dadurch neugierig gemacht. „Mutter, was ist denn?" „Sie wollen Lori wieder holen. Sofort soll sie zmück- kommen. Da, lies selbst!" Und Erich las: » „Mein liebes Fräulein! Ossi ist sehr ckrank geworden und liegt in hohem Fieber; ' ein« nachträgliche Wirkung des Unfalls. Er jammert nun nach Ihnen, ruft Sie unaufhörlich und duldet niemanden an seinem Lager auster seinem Onkel Rüdiger — weder mich noch seine Mutter, noch die Pflegerin. Außerdem ist die Gräfin selbst leivend und mitgenommen von den Aufregungen. Der Arzt hat mir dringend geraten, den Wunsch meines Kindes zu erfüllen und Sir zurückzubitten. : Im Vertrauen auf Ihre Herzensgüt« wag« ich nun, diese HM« auszusprechen — trotzdem Sie in meinem Hause schwer gekränkt worden sind. Vollenden Sie Ihr Rettungswerk, seien Sie niedrem Kinde wieder die liebevolle Pflegerin — lassen Sie Ossi nicht darunter leiden, daß seine Mutter Ihnen in ihrer Verstörtheit solches Unrecht angetan hat! Ich stehe schon so tief in Ihrer Schuld, dast ich eigentlich kaum wagen dürfte, Sie noch um etwas zu bitten — und doch flehe ich Sie an, kommen Sie! Die Gesundheit, viel leicht das Leben meines einzigen Sohnes steht auf dem Spiel! Ihre Angehörigen werden Sie sicher nicht zurückhalten. Ich werde Ihnen ewig dankbar sein. Telegraphieren Sie, wann wir Sie erwarten dürfen. Ihr Gepäck ist noch nicht abgesandt." Und darunter — von Cäciliens Hand: * „Liebes Fräulein Lora, ach bitte kommen Sie wieder! Ich bin schrecklich einsam ohne Sie. Wenn Sie mich nur ein bitzchen lieb haben, kommen 2ie! Und Ossi ruft immer: ,Fora, meine liebe Lora soll bei mir sein! Ihr anderen alle