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Frankenberger Erzähler UrtterhattnngSbeUage zum Frankenberger Tageblatt : — M. 1LS Mtttwog de« 11. Dezember 1S18 Die Mllwoedens Roman von Fr. Lehne — — 'achdruck verboten Erich sah, daß «seine Schwester sich in einem Zustand nervöser Aeberreizung befand; er bedeutete der Mutter, zu schweigen, obwohl man es ihr ansah, daß ihr unzählige Fragen 'aus den Lippen brannten. Ja nicht in Lori drängen; sie würde schon von allein sprechen, wenn sie das Beoürfnis dazu hatte —'nur jetzt sie in Ruhe lassen. "„Mutter, ich glaube, ein Glas Grog würde mir jetzt ganz dienlich s-in! Ich will Mich umziehen, da ich nutz bis auf die Haut brn. Und nachher gibt's dann wohl noch etwas zu essen — der Weg hat mir Hunger gemacht." Lori setzte sich auf Zureden wenigstens mit an den Tisch, wenn sie auch Äußer einem Schluck Milch nichts ge nießen .konnte. Und nachher überwand sie ihre Scheu und erzählte; stockend, in abgerissenen Worten kam "das Schreckliche, das sie erlebt, von ihren Lippen. Daß dH Gräfin, trotzdem sie Ossi gerettet, ihr jene entsetzlichen Vorwürfe gemacht, die sie nun ruhelos werden ließen, ihr den Frieden nahmen. Im mer sähe sie das ertrunkene Kind vor sich. Frau Berger brauchte lange Zeit, um. das Gehörte zu fassen. „Du hast dich um das fremde Kind ins Wasser gesttirzi, ohne an deine arme Mutter zu denken?" „Es war doch meine Pflicht!" „Dein Leben für fremde Kinder, die dich nichts angehen, aufs Spiel' zu setzen? Nein." „Mutter, die Kinder waren mir doch nicht fremd, sie waren mir anvertraut — und lieb wie Geschwister! Sollte ich den süßen, kleinen Jungen vor meinen Augen jämmer lich ertrinken lassen, ohne wenigstens den Versuch zu seiner Rettung zu machen, da ich doch eine ganz gute Schwimmerin bm?" „Dir hat er nun fein Leben zu verdanken, der jung«. Graf Allwörden, der einzige Sohn des Grafen Ottokar?" — 'Frau Marias Augen funkelten, ihre Hände zitterten, sie war kn einer unbeschreiblichen Aufregung. — — „Und so lohnt man dir diese Tat! Doch das sieht den Allwördens ähnlich." > Warnend legte Erich seine Hand auf die der Mutter; sie war ja nahe daran, gewesen,. sich zu verraten; zum Glück hatte Lori diese letzte Äcußerung der Mutter überhört! Es war das beste für das junge Mädchen, sich sofort zu legen. Wie «in kleines Kind ließ sie sich von der Mutter ausziehen. „Ach, schlafen, wenn ich das könnte!" murmelte sie. Si« schloß bald die Augen; der übermüdete Körper verlangte sein Recht. Ihre gleichmäßigen Atemzüge verkündeten der lauschenden Mutter, daß sie bald den ersehnten Schlummer gesunden. Leise verließ Frau Maria das Zimmerchcn. Willst, o Sterblicher, du das Meer des gefährlichen Lebens Froh durchschiffen und froh landen im Hafen dereinst, Latz, wenn Winde dir heucheln, dich nicht vom Stolze besiegen, Latz, wenn Sturm dich ergreift, nimmer dir rauben den Mut. Männliche Tugend sei dein Ruder, der -Anker der Hoffnung, Wechselnd bringen sie dich durch Gefahren ans Land. Gottfried v. Herder. In der Wohnstube sank sie ermattet auf einen Stuhl. „Erich, ich fasse es nor' nicht — Lori, unsere Lori von der Frau wie eine Verbre l,erin aus dem Hause gejagt! Dafür, daß sie den Sohn, n id Erben gerettet!" 'Sie lackt« schrill auf; dann neigte sie sich gegen Erich und flüsterte ihm erregt zu: „Eri h, und wenn er nun doch gestyrben wär«, der kleine Ottokar, — dann wäre nur noch Läcilie da — Hat Gott es nicht so gewollt? Ist Lori seinem Willen da nicht hinderlich gewesen?" Erich wurde ungehalten. „Mutter, du weißt wohl nicht, was du sprichst! Wär« es so, dann Hätte Gott auch den kleinen Ottokar nicht von Lori retten lassen! — Und ich bin froh darüber, daß.es geschehen ist!" setzte er rnit einem tiefen Atemzuge hinzu. „Erich — nur du wärst dann noch da!" fuhr Frau Ber ger in ihrem Gedankengange fort. „Ein Wort hätte es uns gekostet — du weißt, wie unglücklich diese zweite Ehe deines Vaters ist — mit Freuden würde er dich anerkannt-haben. Und deine eigene Schwester ist es nun gewesen, die deine sicheren, glänzenden Zukunftsaussichten vernichtet hat — Der junge Förster fürchtete die Mutter beinahe, di« mit unheimlich verzogenem Gesicht. da saß fürchtete ihre abenteuerlichen Kombinationen, fürchtete sie doppelt, weil vorhin selbst der Schatten eines ähnlichen Gedankens in ihm aufgetaucht war; Ossis Tod hätte ihm sicher den Weg zu Jutta geebnet. — — Doch mit einem Gefühl tiefer Scheu hatte er diesen Gedanken zurückgedrängt. - " Er wollte- die Geliebte seiner eigenen Tüchtigkeit, sei nem Wert als Mensch verdanken — und nicht dem Um stande, daß sein Vater ein hochgeborener Mann, "«in Graf war! Aber wiederum: war es nicht Wahnsinn, als einfacher Revierförster auf dM Besitz Jutta von Eggerts zu hoffen? Und doch wollte «r das Unmöglich: möglich machen — Jutta liebte ihn ja, und darauf baute er. Den Bitten der einzigen Tochter würde der Oberförster sicher nicht wider stehen, wenn er sah, wie treu sie dem geliebten Mann« hielt! Das Glück seines Kindes" muijt: ihm doch über alles gehen. In Erich Berger lebte «in großer Idealismus — trotz der schweren, Erfahrungen seiner Jugend.' Er war «in 'star ker und einfacher Mensch, der wohl die Sprache der Natur verstand, mit der er aufs innigste verwachsen war, aber nicht vertraut war mit den Irrwegen dWmenschlichen Seele. Eine heiße Sehnsucht nach Glück lebt« in ihm — und seit er Jutta von Eggert gesehen, wußte er, daß sie sein Glück bedeute! Der Kampf um sie war ihm den Einsatz seines Lebens wert. Achtzehntes Kapitel' Der Oberförster von Eggert hatte mit Erich Berger das Dienstliche besprochen, dann sagte er: „Eine Frage noch — ist Ihr Fräulein Schwester da — ? Ich glaube, sie gestern gesehen zu haben — doch sie wich mir aus; ich sah ganz deutlich, sie hatte geweint. Ich frage nichl aus Neugierde, sondern nur aus Teilnahme, Berger! Sie wissen, wie sehr ich Fräulein Lori schätze." Erich erzählte nun, was Lori bedrückt worüber sie nie in ihrem Leben hinwegzukommen meinte. „Ich habe schon alles mögliche versucht, sie auf andere Gedanken zu bringen. Richtig menschenscheu ist sie geworden." „Und wird es auch noch mehr werden, wenn Sie nicht ganz energisch darauf dringen, daß sie unter Leute geht! Alle Hochachtung vor dem tapferen Mädel — mancher Mann hätte ihr das nicht nachgemacht! Die Frau Gräfin Allwör den verdienle —" er murmelte einige undeutliche Worte. „Bei nächster Gelegenheit werde ich' ihrer Schwester selbst meine Bewunderung ausdrückrn. Jeden Tag soll sie mit