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478 Weiher gelaufen! Neulich Sonst würden wir fit Eine leichte Unruhe hatte Hause schernen sie nicht zu sein, schließlich doch gehört haben — sie erfaßt. „Vielleicht find sie nach dem sagte Titi zur Mama, fie möchte mal mit dem Kahn fahren und sehen, ob die Wasserrosen noch nicht blühen. Aber Mama hat es nicht erlaubt!" Sofort erhob sich Lori und legte ihre Arbeit aus der Hand. „Komm, mein« Sisfi,' wir wollen den beiden nachgehen, — selbst aus die Gefahr hin, daß Mama uns ausschilt. Ich habe kein« Ruhe, wenn ich Ossi und Titi nicht im Haufe weiß." Graf Rüdiger lag in einem bequemen Triumphstuhl auf dem Balkon vor seinem Zimmer. Die Wärme hatte ihn schläfrig gemacht. Als er jetzt langsam die Augen öffnete, sah er gerade die junge Erzieherin mit Sissi in einen schma len Weg einbiegen, der nach dem Weiher führt«. Er lächelte «in wenig vor fich hin. „Schau, schm», Fräulein Lori — ungehorsam? Ich denk«, wir haben Zimmerarrest!" Lon' beschleunig!« ihre Schritt« — kaum, daß das Krnd ihr folgen konnte. Ein« innere Unruhe trieb sie vorwärts. Bald hatten die beiden das Ufer des Weihers erreicht. Die Nachmittagssonne brütete darauf und ließ goldene Fun ken kn dem Wasser aufsprühen. Loris Herzschlag stockte fast; ihre geheimen Befürchtun gen sah sie bewahrheitet; die beiden Kinder saßen in dem Kahn, der durch Titis ungeschickte Ruderschläge langsam und unregelmäßig fortbewegt wurde! „Komtesse Thekla, ich bitte Sie, kommen Sie zurück!" „Fällt mir gar nicht «in! Ich mache, was ich will! — Sie haben mir garnichts zu befehlen, Fräulein Berger! llebrrgens werde ich es der Mama sagen, 'daß Sie doch draußen sind. Dqs ist also ihr Gehorsam — na, Sie wer den schon sehen!" rief Thekla. „Ich bitte Sie, Titi, seien Sie doch wenigstens vor sichtig." ' Zum Trotz schlug Thekla heftig, herausfordernd, ins Wasser, daß der Kahn zu schaukeln begann, was den beiden i Insassen ein unbändiges Vergnügen zu bereiten schien. Lon 'rang di« Hände und warnt« das Mädchen- „Ach, haben Sie sich doch nicht so, Fräulein! Ich brn doch kein kleines Kind mehr." Thekla streckte zur Bekräftt» ! gung oder zur Widerlegung dieser Behauptung die Zunge heraus. Der Kahn trieb immer weiter. Man sah, es war der Gräfin ernstlich darum zu tun, daß ihr B«sehl auch pünktlich befolgt wurde. Anscheinend hatte das Mädchen Weisung bekommen, Lori zu kontrollieren; denn neugierig sah er auf deren Arbeit „Na, ich danke!" sagte Betty leise, „da-hat Ihnen ja die Louison eine gehörige Portton zu tun gegeben — und dann Zum dritten Feiertag! Borm Strümpfestopfen drückt sie sich zu gern, ich muß auch immer mit 'ran." „Die Frau Gräfin hat es mir aufgetragen, nicht di« Zofe," verbesserte Lori freundlich. „Ach, die Louison weiß schon, was sie will! — Na, nun lasten Sie den Tee nicht kalt werden! Ich hab« Ihnen frische Erdbeermarmelade mitgebracht, Fräulein," sagte das Mäd chen gutmütig. „Ich dank Ihnen, Betty! Wo sind die Kinder?" „Vorhin waren sie noch auf der Terrasse- Ich glaube, jetzt sind sie ins Atelier gelaufen. Genau weiß ich es nicht!" „Dann ,geben Sie doch bitte etwas acht auf die beiden! Ich kann das'Zimmer nicht gut verlassen." „Ja, ich weiß. Komtesse Titi würde es sonst gleich klatschen." „Wir wollen SW jetzt aber nicht mehr stören; sie hat viel zu tun!" bemerkte Lori mahnend. Ihr mar 'das Ge spräch mit dem gutherzigen Mädchen doch etwas unangenehm, da sie sich von jeder Vertraulichkeit mit d«m Personal fern hielt — trotzdem hatte jeder sie gern. „Gott ja, die arme SW!" Mit einem mitleidigen Blick auf das emsig arbeitende Kind verließ Betty das Zimmer. Wieder verging eine Weile. Da hob Lorr lauschend den Kopf. War es nicht, als ob sie draußen im Park Theklas Helle Summe hörte und Ossis lustiges Lachen dazu? „Sissi — hör mal! Ist das nicht Titi? Hier im Lebe» dahrn schleppen, wie er es M selbst in Verblendung geschaffen hatte. s - » Sechzehntes Kapitel Dre Pfingstfeiertage waren vorüber. Festesstimmung hatte nicht geherrscht. Gräfin Lella s hatte ihr« Umgebung mit ihren Launen tyrannisiert, so daß es sehr ungemütlich geworden war und der Legationsrat beinahe bedauerte, gekommen LU sein. Für diesen Nachmittag wollte sie einer Einladung zu einer befreundeten Dam« der Nachbarschaft Folge leisten. Zum Ausfahren angekleidet und auf den Wagen wart«nd, erteilt« sie noch ihre letzten.Befehl«. „Es bleibt bei d«m, was ich g«sagt "habe! Sissi hat , Stubenarrest; sie wird zur Strafe für ihr«n Ungehorsam und ihr vorlautes Wesen den ganzen "Nachmittag im Schul- - zimmer arbeiten, unter Fräulein Bergers Aufsicht. Die französische Aufgabe machen, die ich ihr gegeben hab«. Au ßerdem lernt sie es auswendig, das schärst das Gedächtnis, s — S« Helsen ihr nicht, Fräulein Berger. Ich mache Sie ; verantwortlich dafür, daß Liss' heute äbend, wenn ich zurück s bin, fertig ist! — Während Sie Sissi beaufsichtig«», können Sie m«in« Strümpfe" nachsehen; die Jungfer ist mir darin nicht peinlich genug; außerdem hat sie zu bügeln. "Ihre wei ßen Vsusen sind auch dabei — da können Sie ihr rührg di«se Arbeit abnehmen — bis heut« abend haben Sie das ge- j schafft. Titi beauslichtigt Ossi und spielt mit ihm — dann s sind Sie für hurt« abend von dieser Pflicht überhoben/' s So war Lore Derg«r zur heimlichen, boshaften Freud« der Gräfin ebenfalls zum Stubenarrest verurteilt. Graf Ottokar und. Rüdiger hörten mit heimlichem In grimm diese Befehl« — aber rin Wort dagegen, und es wär« wieder eine stürmische Szene heraufheschworen! Ottokar geleitete sein« Frau zum Wagen. . - ! Rüdiger wandte sich der betrübten Sissi zu. Das Kind war so gern draußen und war der frischen Lust so sehr bedürftig, und trotzdem dies; sinnlose Strafe. Er suchte die beiden nachher einen Augenblick lm Schul- zrmmer aüf. Lore saß am geöffneten Fenster und bewert« die buntfarbigen, seidenen Strümpfe der Gräfin aus, die in emem Korb vor ihr standen. Cäcilie suchte mit Eifer die französischen Vokabeln auf, schrieb und lernt«. Liebreich streichelte Rüdiger .das blass« Kindergesicht. . „Strenge dich nicht zu sehr an, Maufi!" „Ich muß schon fleißig , sein! Sieh, das alles hat mir Mama äufgegeben, und «he ich damit ferttg werd« —1 Sonst -schilt Mama nachher auf Fräulein Berger, wenn ich nichts kann — und das tut mir dann immer sehr leid." Erne Falte erschien zwischen seinen Augenbrauen. Er pachte d.e Lippen aufeinander und warf einen verstohlenen Buck aus das junge Mädchen, deren schlanke, schön« Figur so emstg bei den Strümpfen hantierte. Auch «tne passende Beschäftigung fiir eine Erzieherin — dachte er ingrnnmig, und «in .heißer Groll gegen di« Schwerin erfüllte ihn. . und Titi spielen wohl?" fragt« Cäcilie. „Sie sitzcn auf der Terrasse und lesen." „Und Papa —?" „Er ist im Atelier und will arbeiten." ,,— und. d i Onkel, wgs wirst du tun, wenn du nicht mir Ur spazieren gehen kannst?" „Kleine Frageliese! — Ich werde mich jetzt ein wenig aufs Ohr legen und nachher Papa Gesellschaft leisten." Er gab ihr «inen Kuß auf di« Stirn und mit einem freundlichen Kopfnicken gegen Lore verließ er den Raum. „Dars ich dir denn nicht helfen, Sissi? Es ist zu viel, was dir die Mama aufgegeben hat! Nur ein paar Vokabeln ansagen, damit du nicht so viel nachzuschlagen hast?" fragte Lori. „Nein, Fräulein! Ich will ganz allein fertig werden- Mama fragt nachher doch, ob sie mir geholfen haben — und dann wollen wir doch nicht lügen!" Da stand Lore auf, kniete neben ihr nieder und nahm sie in den Arm. „Kleine, li«be Sissi!" sagte sie leis« und ergriffen. Und das Kind legte ihr« Wange an Lores Hand. Siebes, gutes Fräulein! Ich habe sie so lieb!" Ungefähr ein« Stunde mochte vergangen sein. Es war vkr Uhr. Das Stubenmädchen brachte für Cäcilie die V«sp«v- milch und für die Lehrerin den T« herein.