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474 Gute Nacht, Die Einzigen ,d«n mag ich gar nicht leiden nef Cäcilie. „Die hängen wohl sehr an diesen-beiden?" Sie nickte. „Ich habe ja niemand weiter aus der Welt! „Keine Verwandten Ihrer Eltern?" „Ist dqs nicht begreiflich, Herr Graf' Menschen, di« ich lieb Habs, die mich lieben Fräulein Lore," leise glitt ihr Name von seinen Lippen. Sie wurde rot. Er lieg ihre Hand los, die er bis jetzt gehalten; ihm war, als verbrenne sie ihm die Finger, diese weiche, schlanke, kühle Mädchenhand. Sehnsüchtig folgten seine Augen der hohen Gestalt,-die jetzt den Raum verließ. Dann strich er mir der Hand über die Stirn, macht« eine unwillige Bewegung und trat wieder hinaus auf die Terrasse. Bis tief in die Nacht hinein saß er dort; oben in seinem Zimmer .hätte er doch keine Ruh« gesunden.' Es war Frühling, der ihm schwer in den Gliedern lag Sie den Kindern sind. Ich danke Ihnen Zu nähen, zu lesen — aber daß ich bald schlafen gehe, meine Mutter und meinen in meinem Zimmer bin!" „Und was tun Sie da?" ,^O, es gibt allerlei zu tun! meistens bin ich immer so müde, Manchmal schreibe ich noch an Bruder." brach kurz ab. Da nahm er ihre Hand und umschloß sie fest mit seinen beiden Händen- „Fräulein Berger, ich bitte Sje, lassen Sie sich trotzdem di« Nrbeitsfreudigkett nicht nehmen! Denken Si« immer daran, daß ich dies« Kinder, die mir lieb wie eigene smd, in keiner anderen Obhut wissen möchte, gls in der Ihrigen! - Sie haben gar köstliche Samenkörner in diese Herzen ge streut, die auch 'schon aüsgegangen sind. Nun seien Sie auch geduldig, und warten Sie der zarten, junger Pflänz chen. Es wird überall etwas sein, was Ihnen nicht gefällt. Hie haben mich kennen gelernt, und dürfen überzeugt sein, daß ich stets auf Ihrer Seite bin. Auch mein Bruder! — Wollen Sie mir also das Versprechen geben, und niHt immer gleich an. Fortgehen denken, wenn man Ihnen Unrecht ge tan hat?" Si« sah ihn groß und voll an, und errötete unter seinen, warmen Blick, der sich' tief in dM ihren senkte. Und es flog ihr durch den Sinn — w«nn sie sort- ginge, würde sie ihn auch nicht mehr sehen, sicht mehr seine gütige Siimme hören — da gab "sie ihm das Ver sprechen. - „Sie bleiben also — was auch kommen mag?" „W«nn mich die Frau Gräfin nicht selbst fortschickt — ja!" „Das wird sie nicht tun! Sie weiß ganz genau, was Er verneigt« sich ein" wenig, lächelnd dieses Kompliment quittierend. „Schweige, Cäcilie, du wurdest nicht gefragt," sagt« die Gräfin ärgerlich. — „Uebrigens, Fräulein Berger, es fällt mir gerade «in: Ihre Scherze gegen Gäste meines Hauses finde ich sehr seltsam, und auch den Ton, in dem Sie zu reden belieben.". Lori, die mit am Tische saß, Iah verwundert auf. verstehe Frau Gräfin nicht!" sagte sie. schnippische ^Ton, in dem Sie mit Herrn Baron Vultach sprechen, fällt mir direkt auf, und gestern nachmittag habe ich gesehen, wie Sie ihm scherzend mit einem Flieder zweig Ms Gesicht schlugen — das geht doch zu weit." Lori wurde dünkelrot. „Um Vergebung, Frau ErWn! Das sollt« keme scherz haft« Vertraulichkeit sein — das war berechtigte Abwehr g«g«n «ine Zudringlichkeit des Herrn Baron!" entgegente sie mit bebender Stimme. / - ; Spöttisch lächelnd siriert« Gräfin Lella das junge,Mäd chen. dem unter diesem Blick das Blut ins Gesicht trat. „Zudringlichkeit? Inwiefern? Das glaube «ch nicht! Jedenfalls werden Sie selbst eine Zudringlichkeit, wenn Sie es so nennen, nur durch Ihre Koketterie herausgefordert haben! Ich kenn« 'Herrn Baron von Vultach und ich kenn« auch Sie!" .' ' „Dann werden Frau Gräfin jedenfalls auch wissen, daß ich mir in dieser Hinsicht tkie etwas zu schulden kommen lasse!" rief sie erregt, „eine ander« Annahme muh ich ganz wurde so eigen zumute; ihr Lied verfolgte ihn. bis er wie der am Schlosse ang«langt war. Er blieb auf der Terasse stehen. Im Eßsaal war noch Licht. Dre Türen und Fenster standen auf. Er hörte «in leises Klirren mit Löffeln und Tellern. Ein Blick zeigte ihm, daß Lor« Berger beschäftigt war, das Silber wegzuschließen. Er beobachtete sie: ihr Gesicht war blaß und traurig. ' Da ging er leis« hinein zü ihr. Sie hatte ihn nicht gehört und fuhr erschreckt zusammen, als er ihren Namen nannt«. Verräterisch blinkten in ihren Augen Tränen. „Was tun Sie noch Hier, Fräulein Berger?" Gütig klang seine Stimm«, „Frau Gräfin hält die neu« Haushältern für mch, ganz zuverlässig, deshalb ist das Silber in meiner.Der- wahrung." Et fragte nach dem gräflichen Paare. „Der Mtr Graf ist in seinem Atelier- und die Frau Gräfin hat sich schon zur Ruhe begeben," entgegent« fi«. Doch er blieb bei ihr stehen. Sie war fertig mit ihrer Arbeit und schloß jetzt die schwere Kredenz zu, in der das Silber aufbewahrt wurde. Mit niedergeschlagenen Augen, damit er die Tränen nW sehen sollt«, ging sie an ihm vorbei; ihm gute Nacht wün schend. . „Wollen Si« auch schon schläfen gehen an diesem herr lichen Abend?" < - .. „Frau Gräfin sieht es nicht gern, wenn ich abenvs nichi „N«in, Herr Graf.. ÜrF auf meinen Vater kann ich mich auch nicht mal besinnen. Er starb, als ich drei Jahre alt war. Deshalb haften wir drei, weil wir niemand sonst haben, so fest zusammen. Ich bin froh, daß Muttchen sich bei dem Bruder auf der Försterei so woht fühlt." „Da haben Dir wohl oft Sehnsucht nach den beiden?" Forschend sah er sie an. Sie hob die klaren Augen zu ihm empor. „Die einzigen?" fragt« er leise, mit einem seltsamen Blick. Ein heißes Gefühl quoll in ihm auf — er kannte noch einen Menschen, dem es Seligkeit gewesen wäre, diesem holden Mädchen sagen -zu dürfen — „hier vor dir steht jemand, dem du teuer bist, wie nichts auf Erden." Sie meinte, einen versteckten Vorwurf in seinen Worten zu hören. Liedhafter, als sie bisher gesprochen, erwiderte sie: „Nein, nicht die einzigen! Denn die Kinder sind mir lieb, als seien «P Geschwister von mir. Besonders SW! — Nur Thekla — es ist manchmal schwer mit ihr —" setzt« sie zögernd hinzu. Er nickte zustimmend. „Ueberhaupt, es ist schwer für ein so junges Mädchen, wie Lie sind, drei Kinder zu erziehen!" ,O>, ich tue es gern; ich bin mit Lust und Liebe bei meinem B«ruf! — Nur,,," sie warf den Kopf zurüch „nur ungerecht darf man nttch nicht behandeln! Das kann ich nicht rrttagen!" Aus ihrer Stimme klang Groll und unterdrücktes Wei nen „Tut man das?" Er trat «in«n Schritt naher zu ihi heran. z „Ich darf mich nichi beklagen, Herr Graf!" „Aber Sie hätten wohl öfters Grund?" Sie zögerte «in wenig mit der Antwort — doch si« hatte ja Vertrauen zu ihm. Deshalb sagte sie offen: „Ja, ich hätte schon Grund. Und das will mir manch mal di« Arbeitsfreudigkeit nehmen! Dann kommt das Heimweh," sie schluckte an ihren Tränen, „und ich bin doch sonst gern hier! Wär« Sissi nicht, dann allerdings —" si« Am nächsten Nachmittag reih« Rüdiger wieder ab. Man saß beim Kaffe«. Dre ninder umdrängten den Onkel, der ihnen ganz fest 'versprechen mußte, Pfingsten wieder zu komnizn. Eigentlich hatte er die Feiertage an> Kar«r-S«e verleben wollen — doch es war etwas, was ihn mit Macht nach Lengefeld zag- — Und er gab das Ver sprechen. . " Cäcilie saß auf seinem Schoß und umhalste ihn zärtlich. „Weshalb heiratest du eigentlich nicht, Rüdiger?" fragt; die Gräfin, „du bist nicht mehr weit entfernt von den Vier zigern! Du mit deiner glänzenden Position kannst ruhig wählen. „Onle! Rüdiger ist viel schöner als Baron Vultach!"