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Frankenberger Erzähler UuterhalttmgssbeUage zm» Frankenberger Tageblatt Ur. UV * Mittwoch d« L7. Uovewver 1V18 wollte j«ine „liebe ölte Mama" doch nicht länger allein lassen, entgegenete er auf die BÜt« der Gräfin, noch zu bleiben. Und ?s er ging,. trotzdem die „liebe alte Mama" Hommer wie Wm- Vie Mlwördeus Roman von Fr. Lehne Ein Album ist der Menschen innres Leben/ Das aufbewahrt in Gottes Händen -leibt: Gin leeres Blatt wird jeglichem gegeben, ' Und jeder ist nur, was er darauf schreibt. Ein stiller Geist D jahrelang geschäftig; Die Zeit nur macht die feine Gärung kräftig. ter schoy um halb neun Uhr das Bett aufsuchte. Gott "soll mich bewahren! dachte er, — diese steifleinene Gesellschaft., / Rüdiger gab ihm bis zur Pforte das Geleit, , weil er das Bedürfnis -fühlte, noch einen kleinen Spaziergang durch den Park zu machen, den «r so sehr liebte. Manchen Baum hatte er als Knabe mit eingepflanzt; viele Erinnerungen knüpften ihn an Lengefeld — seine fröch lichen Knabenspiele, seine sorglose Kindheit. Er hing sehr an dieser trauten Heimat; deshalb kam er 'gern hierher, trotzdem Schwägerin Lella den Aufenthalt wenig gemütlich machte. — . Die schmale Mondsichel schwamm am opalfarbcnen Abenü- Himmel; der helloiKetts'Streisen am Horizont war »och wie ern letztes Grützen des schtden^n Tages. Oie Lust war von Fliederduft erfüllt. Dämmerung hüllte Baum und Srrauch , in ferne Schleier und erfrischende Abendkühle umwehte Rü digers Stirn, der langsam einher schritt und den Zauber dieser Stunde genoß. Ganz deutlich klangen durch die Stille neun düime, zit ternde Schläge des Kirchturms des nahen Dorjes. In seiner nächsten Nähe , begann mit einem Mal« ein« Nachtigall zu schlagen; ihr süßes, schluchzendes Lied berührte ihn ganz wundersam. Er blieb stehen, schloß halb die Auge» und lauschte. Uno da sah er wieder, — wie eine Vision — das schlank« schöne Mädchen vor sich in seiner köstlichen Reinheit, dessen Stimme wie das Lied der Nachtigall klang — dessen Augen > klar und tief und geheimnisvoll wie eine Bergs« waren. Ihr Anblick machte ihn ftoh und erfüllte ihn mit unbe- stimmtem Sehnen. Und er dachte: Wie süß mutz es sein, von ihr geliebt zu werden! — Seine Gedanken verdichteten sich, und mit einem Male wurde ! ihm die klar» Erkenntnis: Sie ist dis eine; die du gesucht, nach -der du gestrebt hast — 'sie ist es, von 'der du geliebr sein möchtest — — Was war er denn? Ein einsamer Mann, dem das Beste- im Leben fehlte Er lauscht dem Nachtigallenlied und gab sich dem Zau ber des Frühlingsabends hm. Da verstummte die Nachtigall plötzlich. Er nahm sich gewaltsam zusammen. Unsinn! dacht« er, ! fast ärgerlich, warf feine Zigarette zu Boden und trat heftig darauf. — Unsinn, alter Knabe; wohin verirren sich dein« Gedanken, phantastischer Träumer! — Und kurz Md hort lachte er auf. Er ging weiter an dem stillen, weidenumwachsr»«» Weiher vorüber, dessen tieies Wasser schwärzlich schimmerte. Seerosen wuchsen darin. Em Kahn, an einer kleinen Treppe befestigt, lag reglos auf dem Wasser. - In der weichen Frühlingsnacht nahmen die Dinge «in seltsames, geheimnisvolles Leben an. Es kichert« und flü sterte in den Zweigen, und da begann wieder die Nachtigall zu singen, von Liebe und Glück, von Glück und Liebe! Ihm Beim Tee lernte er den Legationsrat kennen, der sehr formell und gemessen gegen ihn war. Trotzdem blieb er. diesmal zum „zwanglos einfachen Abendessen", an dem Fräulein Berger mit den Kindern teilnahm. Ossi war sehr lebhaft, sprach, lachte; vergeblich suchte ihn das junge Mädchen zur Ruhe zu mahnen. Schließlich stieg « in fernem Ungestüm ein Elas Milch um, daß dessen In» halt sich über das Tischtuch und die Salatschüssel ergötz. Di« Gräfin -ürnte und schickte mit strengem Tadel ge gen Lore dies« sowie Ossi vom Tische. Das junge Mädchen hatte Tränen in den Augen; sie war doch ganz schuldlos und wurde trotzdem vor den Gästen wie ein Schulkind ge- matzregelt. Sie erhob sich, blatz und wortlos. „Mama, Fraulein Lore kann doch wirklich nichts dafür, dotz Ossi so unartig ist!" rief Sissi. „Den ganzen Tag ist er schon so gewesen und hat gar nicht gehorcht." Die Gräfin wurde rot vor Zorn; sie sah das spöttische Lächeln des Barons. „Schweige Cäcilie! Du stehst ebenfalls auf und kannst im Kinderzimmer weiter «Len. Unartige Kinder gehören nicht an den Tisch der Erwachsene»!" Sehr geärgert sagte sie zu ihrem Gatten: ,/Die Berger ist eine ganz unfähige Person, di« nicht den geringsten Einfluß auf di« Kinder hat! Sissi ist so vorlaut geworden, man muß sich schäm«»." < - „Nein, Lella, da muß ich widersprechen. Sie ist nur gerecht. Si« ^ühlt, daß Fräulein Berger in diesem Falle nicht für Ossis Ungestüm und Ungeschicklichkeit verantwort lich zu' machen ist," bemerkt« der Legationsrat 'mit seiner ruhigen Stimme. „Welches Kind hätte nicht schon einmal seine Milch ver schüttet! Dafür können auch di« besten Erzieherinnen nicht!" meinte Leo Vultach Ah, zwei Ritter auf einmal, dachte Lella erbost — nun fehlte es noch, daß Ottokar sich auch zu einer Verteidigungs- - «de für di« Berger aufgerafft hätte! Doch er schwieg;- nervös spielte er mit seinev^Sesteck und blickt, die Stirne gefurcht, auf -en Teller. Schwer nur kam di« Unterhaltung wieder in Fluß, da jeder mit seinen Gedanken beschäftigt war. Thekla sing «in« Altkluge Konversation mit dem Baron an, auf di« «r belustigt «inzing. Das kleine, eitle Persönchen faß in ihrem rosa gestiGen Seidenbatistkleide, wie eine Puppe; die sorgfältig gepflegten goldroten Locken fielen halb über die Schultern nach vorn. Sie «rzählte, daß sie im Herbst nach Paris in Pension käme, worauf sie sich schrecklich steue-. Sie würde dann die französische Sprache ganz gründ lich lernen — „Fräulein B«rger hat nicht mal den richtigen Atzent — es hat gar keinen Zweck, sich bei ihr zu plagen." Du Aeffchen! dachte der Baron amüsiert, und sagte Hann laut: „Und w«nn Sie zurückkommen, Baronesse Titi, werden Äe eme reizende, unwiderstehliche junge Dame sein, der aller Herzen nur so zufliegen werden — das mem« zuerst!" Br- üuernd legte Vultach seine Hand an sein« link« Seit« und nickte ihr lächelnd zu. „Gräfin, Sie werden die Konkurrenz von Komtesse Tiil fürchten müssen." -Lella antwortete scherzend, und Rüdiger ärger!« sich über diese unpassende Unterhaltung. Er war verstimmt. Ihm f«HIK etwas. Der feine, dunkle Mädchenkopf ihm gegenüber, der sich immer so liebevoll zu den Kindern neigt«, der fehlt« ihm, das leise, giftende Lachen, wenn Lore rM ihren Zög lingen scherzte, und ihr« weiche, süße Stimme voller Wohl laut und Güte, wenn sie piit ihnen sprach Verhältnismäßig früh brach Baron von Vultach auf. Er